28 W (pat) 542/16  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 542/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Markenanmeldung 30 2015 053 359.9

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
24. Oktober 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein,
des Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig

- 2 -
beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e :

I.

Die Anmelderin hat am 17. September 2015 beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt beantragt, die Bezeichnung

ATTENTIONGUARD

für die nachgenannten Waren als Wortmarke in das Markenregister einzutragen:

„Klasse 9: Sensoren, insbesondere Radargeräte, optische Sen-
soren, Ultraschallsensoren; optische und/oder akusti-
sche Anzeigegeräte; Abstandsmess-, Abstandswa-
ren-, Abstandsregelgeräte und/oder Geschwindigkeits-
mess-/ -regelgeräte;

Klasse 12: Kraftfahrzeuge und deren Teile (soweit in Klasse 12
enthalten).“.

Das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA), Markenstelle für Klasse 12, hat
die Anmeldung nach vorangegangener Beanstandung vom 6. Oktober 2015 mit
Beschluss vom 10. März 2016 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausge-
führt, dass das Anmeldezeichen der erforderlichen Unterscheidungskraft entbehre.
Es bestehe aus den englischsprachigen Wortbestandteilen „Attention“ (Aufmerk-
samkeit) und „Guard“ (Wächter, Schutz) und werde von den inländischen Ver-
- 3 -
kehrskreisen im Sinne von „Aufmerksamkeitswächter“ bzw. „Aufmerksamkeits-
schutz“ verstanden. Die Angabe sei eine unmittelbar erfassbare Kombination von
sachbezogenen Bestandteilen. Sie erschöpfe sich in einer Aussage über die Funk-
tion der beanspruchten Waren, nämlich Kraftfahrzeugführer bei Auftreten von Auf-
merksamkeitsdefiziten zu warnen und dadurch Unfälle zu vermeiden. Das Publi-
kum entnehme dem Zeichen daher keinen Hinweis auf einen bestimmten Anbie-
ter. Die Anmelderin könne sich auch nicht mit Erfolg auf aus ihrer Sicht vergleich-
bare Voreintragungen berufen. Ob das Anmeldezeichen darüber hinaus auch als
schutzunfähige freihaltebedürftige Sachangabe nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
von der Eintragung ausgeschlossen sei, könne dahingestellt bleiben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 7. April 2016. Sie
beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
10. März 2016 aufzuheben.

Nach ihrer Auffassung fassen die inländischen Verkehrskreise die angemeldete
Wortkombination nicht als Sachangabe, sondern als unbekanntes Fantasiewort
auf. Das Publikum habe keinen Anlass, das englischsprachige Anmeldezeichen zu
übersetzen. Jedenfalls unterbleibe eine eingehende Analyse der Bezeichnung.
Weder der Bestandteil „attention“ noch die Komponente „guard“ verfügten über
einen Sachbezug. Dies zeige sich auch daran, dass die Bezeichnungen „Attention
Assist“ und „GUARD“ für Waren der Klassen 9 und 12 als Marke eingetragen
seien. Das Deutsche Patent- und Markenamt habe es auch versäumt, einen sach-
lichen Bezug des Wortes „ATTENTIONGUARD“ zu den konkreten Waren der
Anmeldung aufzuzeigen. Ein Interesse der Allgemeinheit an der Verwendung der
angemeldeten Bezeichnung bestehe nicht.

Den zunächst gestellten Antrag auf mündliche Verhandlung hat die Anmelderin
auf die Terminsladung vom 19. September 2017, mit der der Senat seine vor-
- 4 -
läufige Einschätzung der Sach- und Rechtslage dargestellt und insbesondere auf
Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Freihaltebedürfnisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG hingewiesen hat, zurückgenommen. Der Senat hat darauf den vorgese-
henen Verhandlungstermin aufgehoben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde der Anmelderin bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der
Eintragung der angemeldeten Bezeichnung steht in Bezug auf die beanspruchten
Waren jedenfalls das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Die Markenstelle hat die Anmeldung daher jedenfalls im Ergebnis zu Recht gemäß
§ 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.


1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind Marken von der Eintragung ausge-
schlossen, welche ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im
Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der Bestim-
mung, des Wertes, der geografischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der (be-
anspruchten) Waren bzw. der Erbringung der (beanspruchten) Dienstleistungen
oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen die-
nen können. Nach dem Zweck der auf Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c) Markenrechts-
richtlinie beruhenden Regelung sollen Angaben, die Merkmale der beanspruchten
Waren beschreiben können, von allen Wettbewerbern frei verwendet werden
können. Entscheidendes Kriterium für den Ausschluss der Eintragung ist allein die
Eignung einer Bezeichnung zur beschreibenden Verwendung (vgl. EuGH GRUR
1999, 723, Rdnr. 25, 30, 32 – Chiemsee; GRUR 2004, 146, Rdnr. 31 f.
– DOUBLEMINT; BGH GRUR 2012, 272, Rdnr. 9, 17 – Rheinpark-Center Neuss).

- 5 -
Auch neuen Wortbildungen kann das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG entgegenstehen, wenn ihr beschreibender Aussagegehalt so deutlich
und unmissverständlich hervortritt, dass sie ihre Funktion als Sachbegriffe ohne
Weiteres erfüllen können. Insbesondere hat ein Zeichen, das sich aus einem Wort
mit mehreren Bestandteilen zusammensetzt, von denen jeder Merkmale der bean-
spruchten Waren oder Dienstleistungen beschreibt, selbst einen die genannten
Merkmale beschreibenden Charakter gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, es sei
denn, dass ein merklicher Unterschied zwischen dem Wort und der bloßen
Summe seiner Bestandteile besteht (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 410, 413,
Rdnr. 41 – BIOMILD; EuGH GRUR Int. 2004, 500, 507, Rdnr. 100 – Postkantoor;
BPatG, Beschluss vom 23. Januar 2017, 28 W (pat) 22/15 – smartcrutch).

Es fehlen zwar Anhaltspunkte dafür, dass das angemeldete Wortzeichen
„ATTENTIONGUARD“ zum Zeitpunkt der Anmeldung, am 17. September 2015 als
Sachangabe verwendet worden ist. Allerdings handelt es sich um eine Wortbil-
dung, die der Bezeichnung der Art bzw. der Beschaffenheit der beanspruchten
Waren der Klassen 9 und 12 dienen kann. Da der Allgemeinheit bereits bei der
Anmeldung der gegenständlichen Begriffskombination die freie Wahl zwischen
allen beschreibenden Angaben erhalten bleiben muss (vgl. EuGH GRUR 2004,
674, Rdnr. 55 – Postkantoor; GRUR 2004, 680, Rdnr. 36 – Biomild), besteht an ihr
ein Freihaltebedürfnis.

Das Anmeldezeichen ist erkennbar aus den englischsprachigen Substantiven
„attention“ und „guard“ zusammengesetzt. Beide Wörter sind dem englischen
Grundwortschatz zuzurechnen (vgl. Langenscheidt, Grundwortschatz Englisch,
2000, Seiten 66 und 265). Wie bereits das Deutsche Patent- und Markenamt aus-
geführt hat, bedeutet das Wort „guard“ als Substantiv „Wächter“ oder „Schutz,
Schutzvorrichtung“ (vgl. Langenscheidt, Großwörterbuch Englisch, Teil I, 2001,
Seite 510). Es wird vielfach als Grundwort in Begriffskombinationen verwendet, die
eine Vorrichtung zum Schutz einer Sache oder zur Aufrechterhaltung eines Zu-
stands bezeichnen (vgl. Beolingus, Online-Wörterbuch, TU Chemnitz: u. a. „safety
- 6 -
guard“ – Sicherungsvorrichtung, „tree guard“ – Baumschutzgitter, „face guard“
– Gesichtsschutz; vgl. BPatG, Beschl. v. 2. August 2005, 27 W (pat) 194/04
– FluidGuard; BPatG, Beschluss vom 13. November 1998, 33 W (pat) 40/98
– BIKEGUARD). Ungeachtet der äquivalenten Schreibweise des Anmeldezei-
chens in einem einzigen Wort weist es eine den vorgenannten Wortkombinationen
entsprechende Struktur auf.

Der Wortbestandteil „attention“ bedeutet „Aufmerksamkeit“ und benennt auch die
kognitive Präsenz von Verkehrsteilnehmern (vgl. Langenscheidt, Grundwortschatz
Englisch, 2000, Seite 66; vgl. Beolingus, Online-Wörterbuch, TU Chemnitz, als
Anlage 6 zum Ladungshinweis vom 19. September 2017: u. a. „attention deficit“
– Aufmerksamkeitsdefizit, „attention span“ – Aufmerksamkeitsspanne). Im Kontext
von Geräten zur Müdigkeitserkennung bildet er zusammen mit dem Wortbestand-
teil „guard“ eine sinnfällige Wortkombination, da derartige Vorrichtungen die „Auf-
merksamkeit“ („attention“) eines Kraftfahrers „überwachen“ („guard“) sollen. Die
Funktion dieser Geräte, die Aufmerksamkeit eines Fahrers aufrecht zu erhalten,
bringt die zum Anmeldezeitpunkt eingeführte generische Bezeichnung „Aufmerk-
samkeits-Assistent“ zum Ausdruck (vgl. Anlagen 1 bis 5 zum Ladungshinweis vom
19. September 2017: u. a. „SPIEGEL ONLINE“ vom 13. September 2002 – „Wenn
Kaffee und Cola nicht mehr helfen“).

Demzufolge ist die leicht verständliche Angabe „ATTENTIONGUARD“ eine nahe-
liegende englischsprachige und damit ohne weiteres freihaltebedürftige Umschrei-
bung der Bezeichnung „Aufmerksamkeits-Assistent“. Sie verfügt folglich über die
Eignung, Geräte zur Müdigkeitserkennung griffig zu bezeichnen. Die in Klasse 9
beanspruchten Waren „optische und/oder akustische Anzeigegeräte“ umfassen
Instrumente zur Erkennung von Müdigkeit, so dass das Anmeldezeichen
„ATTENTIONGUARD“ diese Waren nach ihrer Art bezeichnen kann. Sie können
beispielsweise so ausgebildet sein, dass sie akustische und/oder optische Warn-
signale geben, sofern das Bedien- oder sonstige Verhalten des Fahrers auf eine
nachlassende Konzentration hinweist (vgl. Wikipedia – Aufmerksamkeits-Assis-
- 7 -
tent, Anlage 1 zum Ladungshinweis vom 19. September 2017). Bei den weiter
beanspruchten „Abstandsmess-, Abstandsregelgeräten und/oder Geschwindig-
keitsmess- / -regelgeräten“ und bei „Sensoren, insbesondere Radargeräte, opti-
sche Sensoren, Ultraschallsensoren“ kann es sich in der Sache ebenso um „Auf-
merksamkeits-Assistenten“ handeln. Derartige Vorrichtungen können dazu be-
stimmt sein, das Bedienverhalten eines Fahrers auszuwerten (etwa die Fahrge-
schwindigkeit oder den Abstand zu Fahrbahnmarkierungen, vgl. Wikipedia,
a. a. O.), um hieraus Schlüsse auf den Grad der Aufmerksamkeit des Fahrers zu
ziehen. Entsprechendes gilt für „Abstandswarngeräte“, die in der Anmeldung feh-
lerhaft als „Abstandswarengeräte“ wiedergegeben sind.

In Bezug auf die in Klasse 12 beanspruchten Waren „Kraftfahrzeuge“ kann die
Angabe „ATTENTIONGUARD“ auf die Ausstattung des Fahrzeugs mit einem Auf-
merksamkeitsassistenten hinweisen (vgl. Anlage 5 zum Ladungshinweis vom
19. September 2017: „Hyundai Neuwagen … Der neue i30 Kombi … Spurhalteas-
sistent, Aufmerksamkeitsassistent …“). Soweit „Teile von Kraftfahrzeugen“ bean-
sprucht sind, kann es sich um Aufmerksamkeits-Assistenten selbst handeln.

Die von der Anmelderin angeführten Voreintragungen führen zu keiner anderen
Bewertung. Etwaige Entscheidungen über (unterstellt) ähnliche Anmeldungen sind
zwar, soweit sie bekannt sind, im Rahmen der Prüfung zu berücksichtigen, ob im
gleichen Sinn zu entscheiden ist oder nicht; sie sind aber keinesfalls bindend (vgl.
EuGH GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online.de u. ZVS [Schwabenpost]). Da die Vo-
raussetzungen des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hier
zu bejahen sind, kommt es auf die Voreintragungen nicht an, weil sich zum einen
aus den von der Anmelderin geltend gemachten Eintragungen anderer Marken
keine erheblichen tatsächlichen Umstände für die Beurteilung der konkreten An-
meldung entnehmen lassen und zum anderen auch unter Berufung auf den
Gleichbehandlungsgrundsatz nicht von einer den rechtlichen Vorgaben entspre-
chenden Entscheidung abgesehen werden darf (vgl. EuGH GRUR 2009, 667
– Bild.T-Online.de u. ZVS [Schwabenpost]; BGH GRUR 2011, 230 – SUPERgirl;
- 8 -
WRP 2011, 349 – FREIZEIT Rätsel Woche; GRUR 2012, 276 – Institut der
Norddeutschen Wirtschaft e.V.).

Die Beschwerde der Anmelderin war daher zurückzuweisen.


2. Ob der Eintragung des Anmeldezeichens darüber hinaus auch das Schutz-
hindernis fehlender Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ent-
gegensteht, wofür vieles spricht, bedarf im Hinblick auf obige Ausführungen im
Ergebnis keiner Entscheidung.


3. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Anmel-
derin den zunächst gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhand-
lung zurückgenommen hat (§ 69 Nr. 1 MarkenG) und eine solche auch nicht aus
Sachdienlichkeit geboten war (§ 69 Nr. 3 MarkenG).


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht dem am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

- 9 -
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der
die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind,
oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einge-
reicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristab-
lauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Prof. Dr. Kortbein Dr. Söchtig Schmid


Fa


Full & Egal Universal Law Academy