28 W (pat) 534/15  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:



BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 534/15
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache




betreffend die Marke 30 2013 063 013

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
2. Februar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein
und der Richter Schmid und Dr. Söchtig

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Be-
schluss der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 15. Juni 2015 aufgehoben.

2. Wegen des Widerspruchs aus der Unionsmarke 009 629 775
wird die Löschung der Eintragung der Marke
DE 30 2013 063 013 angeordnet.

3. Der Antrag des Beschwerdegegners auf Kostenauferlegung
wird zurückgewiesen. Jeder Beteiligte trägt die ihm erwach-
senen Kosten selbst.


G r ü n d e :

I.

Die am 17. November 2013 angemeldete Wortmarke 30 2013 063 013

lux2or


ist am 17. Dezember 2013 für die nachstehenden Waren und Dienstleistungen in
das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister ein-
getragen worden:

Klasse 4: elektrische Energie;

Klasse 39: Verteilung von Energie;

Klasse 40: Erzeugung von Energie.

Gegen die Eintragung dieser Marke hat die Inhaberin der am 28. Dezember 2010
angemeldeten und am 4. August 2012 eingetragenen Unionsmarke 009 629 775

LUXOR

Widerspruch erhoben. Die Eintragung der Widerspruchsmarke umfasst u. a. die
folgenden Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 39 und 40:

Klasse 4: elektrische Energie;

Klasse 39: Lieferung und Verteilung von Energie;

Klasse 40: Erzeugung von Energie.

Die Markenstelle für Klasse 4 des DPMA hat den Widerspruch mit Beschluss vom
15. Juni 2015 zurückgewiesen. Sie hat zur Begründung ausgeführt, dass zwischen
den Vergleichszeichen keine Verwechslungsgefahr bestehe. Zwar seien die für die
angegriffene Marke eingetragenen Waren und Dienstleistungen mit für die Wider-
spruchsmarke geschützten Waren und Dienstleistungen identisch. Ferner sei von
durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen.
Dennoch halte die angegriffene Marke bei Abwägung der relevanten Umstände
des Einzelfalls den erforderlichen Zeichenabstand zur Widerspruchsmarke ein.

Die in die angegriffene Marke aufgenommene Ziffer „2“ werde durch das Publikum
als Bruch des Wortgefüges wahrgenommen, der in klanglicher und visueller Hin-
sicht eine hinreichende Unterscheidung der Zeichen zulasse.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit der sie geltend
macht, dass zwischen den Marken Verwechslungsgefahr bestehe. Die Marken-
stelle gehe zu Unrecht davon aus, dass die angegriffene Marke dem gebotenen
deutlichen Abstand zur Widerspruchsmarke Rechnung trage. Die jüngere Marke
stimme am Wortanfang „lux“ als auch am Wortende „or“ mit der älteren Marke
überein und unterscheide sich durch die in der Wortmitte eingeschobene Ziffer „2“
in schriftbildlicher und klanglicher Hinsicht nur unerheblich von letztgenannter.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 15. Juni 2015 aufzuheben und wegen
des Widerspruchs aus der Unionsmarke 009 629 775 die
Löschung der Eintragung der angegriffenen Marke
DE 30 2013 063 013 anzuordnen.

Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen und

der Beschwerdeführerin die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründung führt er aus, zwischen den Marken bestehe keine durchschnittli-
che Zeichenähnlichkeit, so dass die Markenstelle zutreffend das Vorliegen einer
Verwechslungsgefahr verneint habe. Während die angegriffene Marke über drei
Silben verfüge, weise die Widerspruchsmarke nur 2 Wortsilben auf. In schriftbildli-
cher Hinsicht unterscheide sich die angegriffene Wortmarke „lux2or“ durch die Zei-

chenlänge sowie durch die Aufnahme der Ziffer „2“, wobei die Ziffer „2“ als ein
besonders unterscheidungskräftiges Merkmal wahrgenommen werde. Ferner
wirke der abweichende Begriffsgehalt der Zeichen der Gefahr von Verwechslun-
gen entgegen. Die Widerspruchsmarke „LUXOR“ sei der Name einer ägyptischen
Stadt. Die angegriffene Marke werde im Zusammenhang der registrierten Waren
und Dienstleistungen im Sinne von „Licht zu Gold“ verstanden.

Ergänzend wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schrift-
sätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg. Entge-
gen der Auffassung der Markenstelle besteht zwischen den Vergleichsmarken
Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 125b Nr. 1
MarkenG, so dass der angefochtene Beschluss aufzuheben und die Löschung der
Eintragung der Marke DE 30 2013 063 013 anzuordnen war (§ 43 Abs. 2 Satz 1
MarkenG).

1. Die Frage der Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Um-
stände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren
der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren
oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke
zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken
durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder
durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden
kann und umgekehrt (EuGH GRUR 2010, 1098, Rdnr. 44 – Calvin Klein/HABM;
GRUR 2010, 933, Rdnr. 32 – Barbara Becker; GRUR 2006, 237, 238 – PICARO/
PICASSO; BGH GRUR 2014, 488, Rdnr. 9 – DESPERADOS/DESPERADO;

GRUR 2012, 1040, Rdnr. 25 – pjur/pure; GRUR 2010, 235, Rdnr. 15 – AIDA/
AIDU; GRUR 2009, 484, Rdnr. 23 – METROBUS; GRUR 2008, 905, Rdnr. 12
– Pantohexal; GRUR 2008, 258, Rdnr. 20 – INTERCONNECT/T-InterConnect;
GRUR 2006, 859, Rdnr. 16 – Malteserkreuz I; GRUR 2006, 60, Rdnr. 12
– coccodrillo m. w. N.).

Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend für das Publikum die Gefahr von
Verwechslungen der beiderseitigen Marken.

2. Die für die angegriffene Marke registrierten Waren und Dienstleistungen sind
identisch im Waren- und Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchsmarke ent-
halten (Klasse 4: elektrische Energie, Klasse 39: Verteilung von Energie, Klas-
se 40: Erzeugung von Energie).

3. Die Widerspruchsmarke verfügt mangels anderer Anhaltspunkte über durch-
schnittliche Kennzeichnungskraft. Insbesondere ist nicht geltend gemacht oder
ersichtlich, dass sich das Wortzeichen „LUXOR“ als Hinweis auf die geographi-
sche Herkunft der identischen Waren und Dienstleistungen aus der in Oberägyp-
ten gelegenen Stadt Luxor eignet. Die Widerspruchsmarke „LUXOR“ stellt ferner
eine eigenständige und hinreichend fantasievolle Abwandlung der Angabe
„LUXUS“ dar, wobei es keiner abschließenden Klärung bedarf, ob das Wort
„LUXUS“ in Verbindung mit den identischen Waren und Dienstleistungen als bloße
Qualitätsberühmung aufgefasst werden würde. Auch für eine sonstige Schwä-
chung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke, insbesondere im Hin-
blick auf einen durch benutzte Drittmarken hervorgerufenen Originalitätsmangel,
fehlen Hinweise (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdnr. 174 ff.).

4. Im Rahmen der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlichen
Gesamtabwägung hält die angegriffene Marke mit Blick auf die vorgenannten Um-
stände den gebotenen Abstand zur Widerspruchsmarke nicht ein, selbst wenn
zugunsten der Inhaberin der angegriffenen Marke angenommen wird, dass die

angesprochenen Endverbraucher Kennzeichen der einschlägigen Produkte auf
dem Gebiet der Energieversorgung mit gehobener Aufmerksamkeit begegnen.

a) Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähnlich-
keit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht bestehen, wobei
für die Annahme einer Verwechslungsgefahr Übereinstimmungen in einer dieser
Kategorien ausreichen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9,
Rdnr. 254 m. w. N.). Dabei sind regelmäßig die Vergleichsmarken als Ganzes
gegenüberzustellen, da der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entge-
gentritt, ohne sie einer analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu
unterziehen (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdnr. 237
m. w. N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass das Publikum die Marken regelmäßig
nicht gleichzeitig nebeneinander wahrnimmt und sie deshalb nicht unmittelbar mit-
einander vergleichen kann. Vielmehr gewinnt er seine Auffassung in der Regel nur
aufgrund einer meist undeutlichen Erinnerung an eine der verschiedenen Marken
(vgl. EuGH GRUR Int. 2007, 718, 721, Rdnr. 60 – Travatan II; s. auch m. w. N.
Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 9, Rdnr. 237).

b) Nach diesen Grundsätzen kann eine noch durchschnittliche schriftbildliche
Zeichenähnlichkeit zwischen den Vergleichsmarken nicht verneint werden. Im
Rahmen der Prüfung der schriftbildlichen Ähnlichkeit von Wortmarken sind neben
der registrierten Markendarstellung auch alle anderen verkehrsüblichen Schreib-
weisen zu berücksichtigen (vgl. m. w. N. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl.,
§ 9, Rdnr. 282). Deswegen ist – was die Markenstelle nicht ausreichend berück-
sichtigt hat – auch in Bezug auf die angegriffene Marke von einer Wiedergabe in
Großschreibung, also „LUX2OR“, auszugehen. Bei einer derartigen Gestaltung tritt
die eingeschobene Ziffer „2“ im schriftbildlichen Gesamteindruck des Zeichens
nach drei und vor zwei weiteren mit Oberlängen ausgebildeten Buchstaben nicht
einer Weise hervor, die eine zuverlässige Unterscheidung der Zeichen zulässt.
Denn die Buchstabenbestandteile der angegriffenen Marke haben nach Umfang
und Gewichtung erheblichen Einfluss auf den schriftbildlichen Gesamteindruck.

Zwar unterstützt der Bestandteil „2“ der angegriffenen Marke, der als Ziffer einen
Fremdkörper darin bildet und deswegen trotz seiner Anordnung in der Wortmitte
gewisse Beachtung erfährt, die Abgrenzung der Zeichen. Der Einschub der Zif-
fer „2“ führt jedoch nicht zu einer grundlegenden Verfremdung des Gesamtein-
drucks.

c) Entgegen der Auffassung des Inhabers der angegriffenen Marke wird die Ver-
wechslungsgefahr vorliegend auch nicht durch einen abweichenden Sinngehalt
der Vergleichsmarken ausgeräumt. Eine Reduzierung der Verwechslungsgefahr
aufgrund eines abweichenden Sinngehalts setzt voraus, dass dieser vom Verkehr
auch bei flüchtiger Wahrnehmung sofort erfasst wird und sein Verständnis keinen
weitergehenden Denkvorgang erfordert (vgl. EuGH, Beschluss vom 15. Ja-
nuar 2010, C-579/08, Rdnr. 57 – Ferromix/FERROMAXX; BGH GRUR 2004, 240,
241, Rdnr. 18 – MIDAS/medAS). In Bezug auf die angegriffene Marke liegt es
fern, dass das angesprochene Publikum ihr ohne analysierende Betrachtung die
Bedeutung „Licht zu Gold“ zuordnet. Das lateinische Wort „LUX“ und der fran-
zösischsprachige Ausdruck „OR“ sind den inländischen Verkehrskreisen nicht der-
art geläufig, dass es sich trotz der geschlossenen Schreibweise des Gesamtbe-
griffs aufdrängen würde, diesen Bestandteilen einen selbständigen Sinn beizule-
gen. Auch der Einschub der Ziffer „2“, der im Inland auch als verkürzte Form des
englischsprachigen Worts „to“ bekannt ist, veranlasst das Publikum jedenfalls bei
einer geschlossenen Verbindung von allenfalls eingeschränkt geläufigen Ausdrü-
cken nicht zu einem derartigen Verständnis. Vielmehr wird das Publikum in Bezug
auf beide Marken vorrangig von dem Gesamtwort „LUX_OR“ ausgehen, so dass
es der angegriffenen Marke keinen abweichenden Bedeutungsgehalt zuordnet.

Die Beschwerde der Widersprechenden war daher stattzugeben.

5. Für eine Abweichung von dem in § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG normierten
Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm erwachsenen Kosten selbst trägt, besteht
vorliegend kein Anlass. Es liegen keine Gründe vor, die entsprechend dem Antrag

des Beschwerdegegners die Auferlegung der Kosten auf die Beschwerdeführerin
aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG angezeigt erscheinen
lassen. Sie sind weder vorgetragen worden noch ersichtlich. Insofern war der
Antrag des Beschwerdegegners auf Kostenauferlegung zurückzuweisen, so dass
es bei der Regelung gemäß § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG verbleibt.


Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Be-
sorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrück-
lich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens ver-
letzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.


Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einge-
reicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristab-
lauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Dr. Kortbein Dr Söchtig Schmid


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