28 W (pat) 532/15  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 532/15
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Marke 30 2014 071 856.1


hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
9. Mai 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein und der
Richter Schmid und Dr. Söchtig

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beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss des
Deutschen Patent- und Markenamts, Markenstelle für Klasse 31,
vom 30. April 2015 aufgehoben, soweit die Anmeldung für nach-
folgende Waren und Dienstleistungen zurückgewiesen worden ist:

Klasse 29:
Fleisch, Fleischkonserven, Gemüsekonserven, Obstkonserven,
Obst, Gemüse konserviert;

Klasse 30:
Fleischpasteten;

Klasse 31:
Obst, Gemüse frisch;

Klasse 32:
Gemüsesäfte, Getränke (nichtalkoholisch);

Klasse 35:
Groß- und Einzelhandelsdienstleistungen mit Fleisch, Fleisch-
konserven, Gemüsekonserven, Obstkonserven, Obst, Gemüse
konserviert; Fleischpasteten; Obst, Gemüse frisch; Gemüsesäfte,
Getränke (nichtalkoholisch), on- und offline.


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G r ü n d e :

I.

Der Anmelder hat am 20. Januar 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt
(DPMA) beantragt, die Bezeichnung

FREIBEUTER

als Wortmarke für die nachstehenden Waren und Dienstleistungen in das dort
geführte Markenregister einzutragen:

Klasse 29:
Fleisch, Fleischkonserven, Gemüsekonserven, Obstkonserven,
Obst, Gemüse konserviert;

Klasse 30:
Fleischpasteten;

Klasse 31:
Obst, Gemüse frisch;

Klasse 32:
Gemüsesäfte, Getränke (nichtalkoholisch);

Klasse 35:
Handel mit den o. g. Produkten on- und offline;

Klasse 41:
Bildung, Fort- und Weiterbildung für Kinder; Bildung, Fort- und
Weiterbildung im Bereich social Enterprise.
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Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 31, hat die Anmel-
dung nach vorheriger Beanstandung mit Beschluss vom 30. April 2015 zurückge-
wiesen, da das Anmeldezeichen der erforderlichen Unterscheidungskraft ent-
behre. Das angesprochene Publikum verstehe das Wort „Freibeuter“ im Sinne von
„Seeräuber“, womit es die Vorstellung von Freiheit und Abenteuer verbinde. Das
gegenständliche Zeichen erschöpfe sich in einem allgemein geläufigen Wort der
Alltagssprache und werde deshalb nicht als betrieblicher Herkunftshinweis
aufgefasst. Es könne ferner auf die Beschaffenheit der beanspruchten Waren und
Dienstleistungen hinweisen und unterliege demzufolge auch dem Schutzhindernis
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 2. Juni 2015, mit der
er sinngemäß beantragt,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes, Marken-
stelle für Klasse 31, vom 30. April 2015 im tenorierten Umfang
aufzuheben.

Im Beschwerdeverfahren hat der Anmelder mit Schriftsatz vom 21. April 2017 das
Waren- und Dienstleistungsverzeichnis wie aus dem Tenor ersichtlich beschränkt.
Er meint, dass das angemeldete Zeichen keinem Schutzhindernis unterliege. Es
weise in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen
keinen im Vordergrund stehenden beschreibenden Bezug auf. Auch erschöpfe
sich der angemeldete Begriff „FREIBEUTER“ nicht in einer Werbeaussage oder
einer sonstigen Angabe, die das Publikum nicht als betrieblichen Herkunftshinweis
verstehe. Außerdem handele es sich nicht um eine freihaltebedürftige Sach-
angabe gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.

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II.

Die zulässige Beschwerde hat Erfolg. Der Anmeldung stehen auf der Grundlage
des im Beschwerdeverfahren mit Schriftsatz des Anmelders vom 21. April 2017
eingereichten Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen keine Eintra-
gungshindernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Insbesondere fehlt dem
Zeichen insoweit nicht die erforderliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG. Ebenso handelt es sich nicht um eine freihaltebedürftige Angabe
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Der angegriffene Beschluss des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 30. April 2015 war daher im tenorierten Umfang
aufzuheben. Soweit der Beschwerdeführer die Anmeldung nicht weiter verfolgt, ist
der angegriffene Beschluss gegenstandslos.

1. Der Anmelder hat das Verzeichnis der angemeldeten Waren und Dienst-
leistungen durch seine Erklärung vom 21. April 2017 wirksam beschränkt. Er hat
zum einen die Dienstleistungen der Klasse 35 konkretisiert und zum anderen auf
die Dienstleistungen der Klasse 41 verzichtet. Beide Änderungen begegnen
keinen rechtlichen Bedenken.


2. Einem Wortzeichen fehlt dann die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wenn die angesprochenen Verkehrskreise ihm lediglich
einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen
(EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270,
Rdnr. 11 - Link economy) oder wenn es aus gebräuchlichen Wörtern oder
Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache besteht,
die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der
Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden
werden (BGH GRUR 2016, 934, Rdnr. 12 - OUI; GRUR 2014, 872,
Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterschei-
dungskraft auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die
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beanspruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen,
durch die aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die
sich damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204,
Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress).

Nach diesen Grundsätzen kann dem angemeldeten Zeichen die erforderliche
Unterscheidungskraft jedenfalls in Bezug auf die noch beschwerdegegen-
ständlichen Waren und Dienstleistungen nicht abgesprochen werden.

Der Begriff „Freibeuter“ bezeichnet einen Schiffsführer mit Vollmacht zum Kapern
und wird als Synonym für „Pirat“ oder „Seeräuber“ verwendet (vgl. Duden Online:
Suchbegriff „Freibeuter“). In diesen Bedeutungen ist er nicht geeignet, objektive
Eigenschaften der noch beanspruchten Waren bzw. Dienstleistungen zu benen-
nen. Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass die Angabe diesbezüglich als Hinweis
auf die Form der Ware bzw. der Verpackung (vgl. zu Zuckerwaren, BPatG,
Beschluss vom 29. November 2010, 25 W (pat) 195/09 - Schwarze Eulen) oder
auf ein die Warengestaltung bestimmendes Motiv in Betracht kommt (vgl. zu
Schokoladenwaren, BPatG, Beschluss vom 13. September 2016,
24 W (pat) 565/16 - EMOJIS). Soweit das Deutsche Patent- und Markenamt im
Rahmen seiner Ausführungen zum Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG von einer Eignung des Zeichens, Merkmale der in Rede stehenden
Produkte zu beschreiben, ausgeht, lässt der angegriffene Beschluss jegliche
Begründung vermissen.

Es ist auch nicht feststellbar, dass sich der angemeldete Begriff in einem
gebräuchlichen Wort der deutschen Sprache, das vom Verkehr stets nur als
solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. Strö-
bele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 8, Rdnr. 90 ff.), erschöpft. Marken sind
naturgemäß häufig in einer Weise gebildet, die geeignet ist, das Kaufinteresse und
die Bindung der Kunden durch Verwendung eines positiv besetzten oder
assoziationsreichen Produktnamens zu fördern. Selbst wenn der angemeldete
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Begriff „Freibeuter“ in Verbindung mit den beanspruchten Waren und
Dienstleistungen Vorstellungen über „Freiheit“ und/oder „Abenteuer“ hervorrufen
sollte, spricht dies daher nicht gegen die Wahrnehmung des Zeichens als
betriebliches Unterscheidungsmittel. Anders könnte es sich dann verhalten, wenn
das Wort „Freibeuter“ als Werbemittel verbraucht wäre (vgl. BPatG, Beschluss
vom 15. Februar 2016, 26 W (pat) 508/15 - Mona Lisa). Hierfür bestehen
vorliegend allerdings keine Anhaltspunkte. Auch die Markenstelle ist insoweit
jeden Beleg schuldig geblieben. Im Übrigen liegt es fern, dass der Verbraucher bei
Begegnung des Begriffs „Freibeuter“ in Verbindung mit Fleisch, Gemüse, Obst,
Gemüsesäfte, Getränke sowie diese Waren betreffende Groß- und Einzel-
handelsdienstleistungen an „Freiheit“ oder „Abenteuer“ denkt. Es handelt sich um
Grundnahrungsmittel, die der Befriedigung der elementarsten Bedürfnisse eines
Menschen, nicht jedoch seiner Verwirklichung als die Freiheit genießender oder
das Abenteuer suchender „Freibeuter“ dienen. Ebenso kann nicht angenommen
werden, die genannten Waren und Dienstleistungen könnten Gegenstand der
Beute eines Freibeuters sein oder ihm bei seinen Raubzügen helfen. Sie weisen
keine Merkmale auf, die sie für diesen Verwendungszweck besonders geeignet
erscheinen lassen. Da die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienst-
leistungen des Weiteren keine sonstigen Eigenschaften aufweisen, die mit einem
Freibeuter in Zusammenhang stehen, sind auch andere Sachbezüge nicht
erkennbar. Zusammenfassend können folglich die Ausführungen der Markenstelle
die Zurückweisung der Anmeldung nicht rechtfertigen.


3. Bei dieser Sachlage besteht vorliegend auch kein Freihaltungsinteresse nach
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Aus den vorgenannten Gründen eignet sich das
Anmeldezeichen nicht als unmittelbar beschreibende Angabe im Hinblick auf die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen.

Der Beschwerde des Anmelders war daher stattzugeben.

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4. Von der Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr aus Billig-
keitsgründen nach § 71 Abs. 3 MarkenG wird abgesehen. Eine fehlerhafte An-
wendung des materiellen Rechts rechtfertigt die Rückzahlung nur dann, wenn die
Rechtsanwendung völlig unvertretbar erscheint (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O.,
§ 71, Rdnr. 46). Der angegriffene Beschluss leidet zwar an Begründungsmängeln.
Allerdings sind die Ausführungen zumindest teilweise nachvollziehbar, so dass
von einer völlig unvertretbaren Rechtsanwendung (noch) nicht ausgegangen
werden kann.


Dr. Kortbein Dr. Söchtig Schmid



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