28 W (pat) 524/16  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:210318B28Wpat524.16.0


BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 524/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache











betreffend die Markenanmeldung 30 2015 203 005.5

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
21. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein und
der Richter Schmid sowie Dr. Söchtig

- 2 -
beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Marken-
stelle für Klasse 15, vom 13. Januar 2016 wird aufgehoben.


G r ü n d e

I.

Der Anmelder hat nach verschiedenen Präzisierungen der Anmeldungsunterlagen
beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) beantragt, das nachfolgend wie-
dergegebene Zeichen als dreidimensionale Marke in das beim DPMA geführte
Markenregister einzutragen:


- 3 -


Die hierzu eingereichte Beschreibung lautet:

„Die in gestrichelten Linien dargestellten Abschnitte sind nicht Teil der Marke.“

Die Anmeldung umfasst nachgenannte Waren:

- 4 -
Klasse 15: Bassgitarren; Elektrische Bässe; Elektrische Gitarren; Gitarren;

Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel
[ausgenommen Apparate]; Papier und Pappe; Papier- und
Schreibwaren;

Klasse 25: Bekleidungsstücke; Kopfbedeckungen; Schuhwaren.

Als Anmeldetag hat das Deutsche Patent- und Markenamt den 11. Juni 2015 zu-
grunde gelegt.

Das DPMA, Markenstelle für Klasse 15, hat die Anmeldung nach vorangegange-
ner Beanstandung mit Beschluss vom 13. Januar 2016 für die folgenden Waren
zurückgewiesen:

Klasse 15: Bassgitarren; Elektrische Bässe; Elektrische Gitarren; Gitarren;

Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr- und Unterrichtsmittel
[ausgenommen Apparate].

Die Markenstelle hat angenommen, das dreidimensionale Anmeldezeichen ent-
behre insoweit der erforderlichen Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG. Es erschöpfe sich in der Wiedergabe der beanspruchten Gitarren. Sie
könnten mit Hilfe der Waren der Klasse 16 bildlich und/oder thematisch wiederge-
geben werden. Das gegenständliche Zeichen verkörpere nach Anschauung insbe-
sondere allgemeiner und breiter Verbraucherkreise nur das Erscheinungsbild der
angemeldeten Waren, weil es nicht erheblich von branchenüblichen Gestaltungen
solcher Waren abweiche. Das angesprochene Publikum verstehe es daher inso-
weit nicht als betrieblichen Herkunftshinweis. Dies gelte auch für die aus vier
Punkten bestehenden grafischen Zeichenelemente, denen das Publikum im Ge-
samteindruck des Zeichens lediglich eine dekorative Funktion beimesse.
- 5 -
Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde. Er meint, das An-
meldezeichen weiche zumindest in der Kombination seiner Gestaltungselemente
erheblich von üblichen Produktmerkmalen einer Gitarre oder Bassgitarre ab. Dies
gelte für die Form und Größe des Pickguards, der Kontrollplatte, der Brücke und
des Gitarrenkorpus und insbesondere für das mehrfach vorhandene aus vier
Punkten bestehende Logo des Anmelders. Die angesprochenen Verkehrskreise
seien in Bezug auf Gitarren und Bässe daran gewöhnt, die äußere Warenform und
das Korpusdesign als betrieblichen Herkunftshinweis wahrzunehmen.

Der Anmelder hat sinngemäß beantragt,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Marken-
stelle für Klasse 15, vom 13. Januar 2016 aufzuheben.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung des Anmelde-
zeichens stehen in Bezug auf die beschwerdegegenständlichen Waren keine
Schutzausschließungsgründe nach § 3 Abs. 2 MarkenG oder absolute Schutzhin-
dernisse nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Insbesondere verfügt es über die
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erforderliche Unterscheidungskraft. Das
Deutsche Patent- und Markenamt hat die Anmeldung daher insoweit zu Unrecht
gemäß § 37 Abs. 1 MarkenG zurückgewiesen.

1. Auf Grund der eingereichten Beschreibung sind die in gestrichelten Linien
dargestellten Bauteile einschließlich der drei Formationen von vier Punkten, die
rechts auf ihnen auf der Vorderseite des beanspruchten dreidimensionalen Kör-
pers angebracht sind, nicht Gegenstand der Anmeldung. Dieser Auslegung ent-
- 6 -
spricht auch das Vorbringen des Anmelders, der die mit den Formationen verse-
henen Bauteile auf der Vorderseite als „Tonabnehmer mit 4-Punkte Marke“ be-
zeichnet (vgl. Anlage 6 zum Schriftsatz vom 14. September 2015). Der Anmelde-
gegenstand weist damit in Abweichung von der Wiedergabe des Anmeldezei-
chens als solcher lediglich zwei Quadrate mit jeweils vier Punkten auf, nämlich
oben links, nahe dem oberen Rand des Schlagbretts (Pickguard), und unten
mittig, am rechten Rand der Saitenaufnahme (Brücke).

Die Markenstelle wird im weiteren Verlauf des Anmeldeverfahrens zu prüfen ha-
ben, ob die Anmeldeunterlagen, die zwar den Gegenstand der Anmeldung ausrei-
chend klar bestimmen (vgl. § 32 Abs. 2 Nr. 2, § 33 Abs. 1 MarkenG), den Anforde-
rungen an eine zulässige Darstellung des Anmeldezeichens genügen (§ 36 Abs. 1
Nr. 2 MarkenG i. V. m. §§ 6a, 9 MarkenV). Insbesondere könnte die Beschrei-
bung, die in der Markenwiedergabe enthaltene Elemente vom Anmeldegegen-
stand ausnimmt, ggf. einem unzulässigen Disclaimer gleichkommen (vgl. BPatG
GRUR 2003, 521, 523 - Farbige Arzneimittelkapsel; m. w. N.
Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Auflage, § 32, Rdnr. 73).

2. Schutzausschließungsgründe nach § 3 Abs. 2 MarkenG sind nicht gege-
ben. Die Eintragungsverbote nach § 3 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 MarkenG kommen ins-
besondere bei dreidimensionalen Zeichen zur Anwendung, bei denen alle wesent-
lichen Merkmale durch die Art der Ware selbst bedingt oder zur Erreichung einer
technischen Wirkung erforderlich sind (vgl. EuGH GRUR 2014, 1097, Rdnr. 21 -
Hauck/Stokke, zu Art. 3 Abs. 1 Buchst. e), erster und zweiter Spiegelstrich,
MarkenRL 89/104/EWG; BGH, Beschluss vom 18. Oktober 2017, I ZB 3/17,
Rdnr. 16 - Traubenzuckertäfelchen). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall.
Die beiden quadratischen Anordnungen von vier Punkten fallen auf Grund ihrer
Größe deutlich auf und gehören jedenfalls in ihrer Gesamtheit zu den wesentli-
chen Merkmalen des Anmeldezeichens. Sie sind jedoch weder durch die Art der in
Rede stehenden Waren bedingt, noch zur Erreichung einer technischen Wirkung
erforderlich. Ob weitere Zeichenkomponenten als wesentliche Merkmale anzuse-
- 7 -
hen und ggf. durch die Art der Ware selbst bedingt oder zur Erreichung einer
technischen Wirkung erforderlich sind, bedarf bei dieser Sachlage keiner Ent-
scheidung.

3. Dem angemeldeten Zeichen kann die erforderliche Unterscheidungskraft für
die beschwerdegegenständlichen Waren nicht abgesprochen werden.

Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einem Zeichen inne-
wohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst
zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistungen als
von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit
von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet. Denn die Hauptfunktion ei-
ner Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen zu gewährleisten. (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 -
Freixenet; BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 - HOT).

Wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, wird ein dreidimensionales Zei-
chen, das aus der Form der Ware oder eines Warenteils besteht, regelmäßig nur
dann als betrieblicher Herkunftshinweis wahrgenommen, wenn diese Form erheb-
lich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht (vgl. BGH GRUR 2006, 679,
Rdnr. 17 - Porsche Boxster; m. w. N. Ströbele/Hacker/Thiering, a. a. O., § 8,
Rdnr. 307 ff.).

a) Auszugehen ist hierbei von den angesprochenen Verkehrskreisen, bei de-
nen es sich insbesondere mit Blick auf die beschwerdegegenständlichen Waren
der Klasse 15 vorrangig um Personen handelt, die den Erwerb einer Gitarre oder
einer Bassgitarre in Betracht ziehen. Sie werden sich aus diesem Grund regelmä-
ßig einen zumindest kursorischen Überblick über das Marktangebot und die Un-
terschiede bei Klang, Handhabung und Preis verschafft haben.

- 8 -
b) Das Anmeldezeichen mag zwar verschiedene Gestaltungselemente aufwei-
sen, die das angesprochene Publikum lediglich als funktionelle oder ästhetische
Ausformung eines herkömmlichen Korpus einer Gitarre oder eines Basses auf-
fasst. Dies gilt allerdings entgegen der Sichtweise der Markenstelle nicht für die
beiden an bestimmten Stellen befindlichen zweidimensionalen Bildkomponenten
mit jeweils vier in einem Quadrat angeordneten Punkten. Insoweit bestehen keine
ausreichenden Anhaltspunkte für ein produktinhärentes Verständnis als aus-
schließlich ästhetisches Gestaltungselement.

Es konnte nicht ermittelt werden, dass die quadratische Anordnung von vier
Punkten eine übliche oder nahe liegende Verzierung der in Rede stehenden Wa-
ren darstellt. Jedenfalls liegt eine solche Interpretation im Rahmen der konkreten
Aufmachung fern. Soweit der Korpus einer Gitarre oder eines Basses überhaupt
Muster oder andere figürliche Dekorelemente aufweist, erstrecken sie sich regel-
mäßig über den ganzen Korpus oder über einen selbständigen Teil des Korpus
wie das Schlagbrett (vgl. Anlage 4 zum Schriftsatz des Anmelders vom
14. September 2015). Außerdem bietet es sich an, Zierelemente in herausge-
stellter Form auf einem Korpus anzubringen, damit sie auch bei einem gewissen
räumlichen Abstand wahrnehmbar sind. Vorliegend ist dagegen die größere der
beiden Punktdarstellungen erkennbar zurückgenommen am Rand des Korpus
links neben dem Griffbrett angebracht. Die Position und die Flächengröße des in
Rede stehenden Bildelements führen damit von einer rein dekorativen Funktion
weg. Seine Wahrnehmung als wesentliches Element eines betrieblichen Her-
kunftshinweises wird dadurch verstärkt, dass in dem Anmeldezeichen dasselbe
Motiv nochmals am unteren rechten Rand der Brücke und damit wieder in einem
Bereich, in dem ein Zierelement nicht erwartet wird, zu finden ist.

Bei dieser Sachlage wird das Anmeldezeichen weder für die in Klasse 15 bean-
spruchten Waren „Bassgitarren; Elektrische Bässe; Elektrische Gitarren; Gitarren“
noch für die in Klasse 16 enthaltenen „Druckereierzeugnisse; Fotografien; Lehr-
- 9 -
und Unterrichtsmittel [ausgenommen Apparate]“ als bloße Warenform oder In-
haltsangabe aufgefasst.

Anhaltspunkte für das Vorliegen anderer Schutzhindernisse sind nicht gegeben.

Der Beschwerde des Anmelders war daher stattzugeben.


Prof. Dr. Kortbein Dr. Söchtig Schmid

prö


Full & Egal Universal Law Academy