28 W (pat) 522/17 - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:280617B28Wpat522.17.0


BUNDESPATENTGERICHT



28 W (pat) 522/17+
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
28. Juni 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache


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betreffend die Marke 306 01 817
(hier: Umschreibung)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung am 28. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kortbein und die Richter Schmid und Dr. Söchtig

beschlossen:

Der Beschluss der Markenabteilung 3.1 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 16. September 2016 wird aufgehoben.


G r ü n d e :

I.

Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 28. September 2015 beim
Deutschen Patent- und Markenamt beantragt, die unter der Nr. 306 01 817
registrierte Wort-/Bildmarke



auf sich umzuschreiben. Zum Nachweis des Rechtsübergangs hat sie eine Kopie
eines zwischen ihr und der Beschwerdegegnerin geschlossenen Vertrags vom
30. September 2011 vorlegt.

Mit Beschluss des Amtsgerichts Rottweil vom 10. November 2015 ist Herr
Rechtsanwalt B… zum vorläufigen Insolvenzverwalter über das Vermögen der
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Beschwerdegegnerin bestellt worden. Darin wurde des Weiteren angeordnet, dass
sie nur mit seiner Zustimmung über Gegenstände ihres Vermögens verfügen darf.
Mit Beschluss vom 23. Dezember 2015 des gleichen Gerichts ist das Insol-
venzverfahren über das Vermögen der Beschwerdegegnerin eröffnet und Herr
Rechtsanwalt B… zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenabteilung 3.1, hat den Um-
schreibungsantrag durch Beschluss vom 16. September 2016 zurückgewiesen. Es
hat hierzu ausgeführt, dass sich dem vorgelegten Vertrag nicht zweifelsfrei die
rechtsgeschäftliche Übertragung der Marke auf die Beschwerdeführerin entneh-
men lasse. Im Übrigen habe der Insolvenzverwalter seine Zustimmung zur
Umschreibung verweigert.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2016 erhobene
Beschwerde der Antragstellerin. Nach ihrer Auffassung hat das Deutsche Patent-
und Markenamt die beantragte Umschreibung zu Unrecht zurückgewiesen.
Zwischen den Beteiligten sei durch Vertrag vom 30. September 2011 eine
rechtswirksame Vereinbarung über die Übertragung der streitgegenständlichen
Marke getroffen worden. Die Rechtsgültigkeit dieser Vereinbarung werde nicht
dadurch berührt, dass die Markeninhaberin der Umschreibung nachträglich
widersprochen habe. Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom
29. März 2017 mitgeteilt, dass sie das auf Grund der Insolvenz der Be-
schwerdegegnerin unterbrochene Beschwerdeverfahren nach § 86 Abs. 1 Nr. 1
InsO aufnehme.

Die Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.1 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 16. September 2016 aufzuheben.
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Seitens der Beschwerdegegnerin liegt kein Antrag vor. Der Insolvenzverwalter hat
sich im Beschwerdeverfahren nicht zur Sache geäußert. Im Umschreibungs-
verfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt hat der Geschäftsführer der
Beschwerdegegnerin mit Schreiben vom 25. September 2015 darauf hingewiesen,
dass Änderungen der Inhaberschaft der gegenständlichen Marke nur mit seiner
schriftlichen Zustimmung vorgenommen werden dürften. Der Insolvenzverwalter
teilte mit Schreiben vom 12. November 2015 mit, dass er der Umschreibung nicht
zustimme.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt Bezug
genommen.

II.

Die Beschwerde der Antragstellerin ist zulässig und begründet. Der angegriffene
Beschluss war daher aufzuheben.

1. Die Beschwerdegegnerin ist nach ihrer Auflösung gemäß § 60 Abs. 1 Nr. 4
GmbHG weiterhin parteifähig, da die Eintragung der Streitmarke eine verwertbare
Vermögensposition darstellt (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 37. Auflage, 2016, § 50,
Rdnr. 3).


2. Die gemäß § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist ungeachtet
der vor ihrer Einlegung bestehenden Unterbrechung des Verfahrens gemäß § 240
Satz 1 ZPO wirksam eingelegt.

a) Das Umschreibungsverfahren vor dem Deutschen Patent- und Markenamt ist
mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch Beschluss des Amtsgerichts
Rottweil vom 23. Dezember 2015 gemäß § 240 Satz 1 ZPO unterbrochen worden.
Eine Unterbrechung gemäß § 240 Satz 2 ZPO trat nicht bereits mit dem Beschluss
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vom 10. November 2015 ein, da in ihm lediglich ein Zustimmungsvorbehalt gemäß
§ 21 Abs. 2 Nr. 2, 2. Alt., InsO angeordnet, nicht jedoch ein allgemeines Ver-
fügungsverbot gemäß § 21 Abs. 2 Nr. 2, 1. Alt., InsO erlassen worden ist (vgl.
Musielak/Voit, ZPO, 14. Auflage, § 240, Rdnr. 3). Ein solches ist für die
Anwendbarkeit des § 240 Satz 2 ZPO erforderlich, da nur in diesem Fall die
Verfügungsbefugnis auf den Insolvenzverwalter gemäß § 22 Abs. 1 InsO übergeht
(vgl. BGH NJW-RR 2013, 1461).

b) § 240 ZPO ist auch für das Umschreibungsverfahren vor dem Deutschen
Patent- und Markenamt anwendbar. Die in der Mitteilung Nr. 20/08 des
Präsidenten des Deutschen Patent- und Markenamts über die geänderte Praxis
bei Insolvenz eines Beteiligten vom 14. November 2008 geäußerte Sichtweise,
dass § 240 ZPO generell für Schutzrechtsverfahren vor dem Deutschen Patent-
und Markenamt nicht anzuwenden ist, begegnet erheblichen rechtlichen Be-
denken. Auch wenn eine dem § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG entsprechende
Vorschrift für das Deutsche Patent- und Markenamt fehlt, so werden die
Vorschriften der Zivilprozessordnung grundsätzlich in Verfahren vor dem
Deutschen Patent- und Markenamt zur Lückenfüllung herangezogen, soweit nicht
die Besonderheiten des jeweiligen Verfahrens dies ausschließen (vgl. zusam-
menfassend Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, § 42, Rdnr. 71). Die gilt
insbesondere auch für kontradiktorische Verfahren, wozu das vorliegende Um-
schreibungsverfahren gehört. Zudem würde die in obiger Mitteilung vertretene
Auffassung dazu führen, dass das Umschreibungsverfahren erst mit Einlegung der
Beschwerde unterbrochen wäre, da eine Abhilfe gemäß § 66 Abs. 5 Satz 2
MarkenG nicht in Betracht kommt und § 240 ZPO gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1
MarkenG in zweiseitigen Verfahren vor dem Bundespatentgerichts entsprechend
anzuwenden ist (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 82, Rdnr. 72).
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c) Auch wenn der Beschluss vom 16. September 2016 folglich während der
Unterbrechung des Verfahrens erlassen worden ist, so kann er dennoch mit der
Beschwerde angefochten werden (zum entsprechenden Fall des Erlasses eines
Urteils während der Unterbrechung vgl. BGH NJW 1997, 1445). Zudem hat die
Antragstellerin bereits mit Einlegung und Zustellung der Beschwerde das Ver-
fahren gemäß § 86 Abs. 1 Nr. 1 InsO wirksam aufgenommen. § 250 ZPO setzt
nicht voraus, dass die Aufnahme ausdrücklich erklärt wird. Sie kann auch
stillschweigend durch die Vornahme von Prozesshandlungen zum Ausdruck
gebracht werden (BGH 111, 104; Uhlenbruck/Mock, InsO, 14. Auflage, § 86,
Rdnr. 26). Die ausdrückliche Aufnahmeerklärung der Antragstellerin in ihrem
Schriftsatz vom 29. März 2017 bestätigt ihr vorheriges schlüssiges Verhalten.


3. Das Beschwerdeverfahren ist entscheidungsreif. Es ist - wie oben
ausgeführt - mit der Einlegung der Beschwerde aufgenommen worden und
demzufolge nicht weiter gemäß § 240 ZPO unterbrochen.


4. Von einer Zurückverweisung der Sache an das Deutsche Patent- und
Markenamt gemäß § 70 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG wird abgesehen. Zwar hätte der
Beschluss vom 16. September 2016 nicht ergehen dürfen, da das Insolvenz-
verfahren über das Vermögen der Markeninhaberin bereits zum Zeitpunkt seines
Erlasses anhängig war. Da sich jedoch die für eine Sachentscheidung maß-
geblichen Umstände nicht verändert haben und das Verfahren nunmehr formal
fortgeführt werden kann, entscheidet der Senat auch zum Zwecke der Verfah-
rensbeschleunigung selbst.

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5. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat die beantragte Umschreibung der
Streitmarke 306 01 817 zu Unrecht abgelehnt. Die Antragstellerin hat ihren Erwerb
gemäß § 27 Abs. 3 MarkenG i. V. m. § 28 Abs. 3 Nr. 2 b) DPMAV nachgewiesen.
Entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamts ist der
zwischen den Beteiligten getroffenen Vereinbarung vom 30. September 2011
zweifelsfrei zu entnehmen, dass die eingetragene Markeninhaberin die Streit-
marke auf die Antragstellerin übertragen hat. In Ziffer A) 1. dieser Vereinbarung
haben die vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Beteiligten ausdrücklich
erklärt, dass die eingetragene Markeninhaberin die Streitmarke an die Antrag-
stellerin verkauft und sämtliche Rechte an ihr an letztgenannte abtritt. Die
ausdrückliche Abtretung sämtlicher Rechte an der Marke, die das dingliche
Verfügungsgeschäft nach §§ 398, 413 BGB darstellt, zieht den Rechtsübergang
der Streitmarke auf die Antragstellerin nach sich.

Wie auch das Deutsche Patent- und Markenamt nicht in Zweifel gezogen hat, hat
die Antragstellerin den Abschluss des Vertrags durch Vorlage einer Kopie der
Vertragsurkunde ausreichend belegt (vgl. § 28 Abs. 5 DPMAV; siehe hierzu auch
die Einführung zur Umschreibungsrichtlinie des DPMA vom 15. November 1996,
geändert zum 1. Januar 2002). Zur Vorlage weiterer Unterlagen gemäß § 28
Abs. 6 DPMAV bestand im Streitfall kein Anlass. Insbesondere hat die Be-
schwerdegegnerin den wirksamen Abschluss der aus der vorgelegten Kopie
ersichtlichen vertraglichen Vereinbarung zwischen ihr und der Antragstellerin nicht
bestritten. Bei dieser Sachlage wird das Zustandekommen des Vertrags im
September 2011 auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Original der
Vertragsurkunde ausweislich der eidesstattlichen Versicherung der Prokuristin der
Antragstellerin vom 27. Juni 2017 derzeit nicht auffindbar ist und daher nicht in der
mündlichen Verhandlung vorgelegt werden konnte.

Rechtliche Bedenken gegenüber der Wirksamkeit des Vertrags sind nicht geltend
gemacht noch sonst ersichtlich. Insbesondere war das Vermögen der Marken-
inhaberin zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht mit einem Verfügungsverbot
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oder Zustimmungsvorbehalt belegt. Ebenso stellt der nachträgliche Hinweis eines
Geschäftsführers der Beschwerdegegnerin in seinem Schreiben vom 25. Sep-
tember 2015, dass Änderungen der Inhaberschaft der gegenständlichen Marke
nur mit seiner schriftlichen Zustimmung vorgenommen werden dürften, die bereits
mit Vertrag vom 30. September 2011 erfolgte Übertragung der Marke 306 01 817
nicht in Frage. Auch die in dem Schreiben vom 12. November 2015 erklärte
Verweigerung der Zustimmung des Insolvenzverwalters zur Umschreibung ist
unbeachtlich, da die Streitmarke bereits zuvor wirksam auf die Beschwerde-
führerin übertragen worden ist. Zudem sind keinerlei Gründe für die Ablehnung der
Übertragung geltend gemacht worden.

Der Beschwerde der Antragstellerin war daher stattzugeben.


Rechtsmittelbelehrung


Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelas-
senen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, ein-
gereicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor
Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert
werden.


Prof. Dr. Kortbein Schmid Richter Dr. Söchtig ist
wegen Urlaubs an der
Unterzeichnung
verhindert.

Prof. Dr. Kortbein


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