28 W (pat) 521/17  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:030418B28Wpat521.17.0


BUNDESPATENTGERICHT



28 W (pat) 521/17
_______________
(Aktenzeichen)



An Verkündungs Statt
zugestellt am:
3. April 2018





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache




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betreffend die eingetragene Marke 30 2014 039 697

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund
der mündlichen Verhandlung am 29. November 2017 unter Mitwirkung des
Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und des Richters
Dr. Söchtig

beschlossen:

Die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke wird zu-
rückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die am 21. September 2014 angemeldete farbige Wort-/Bildmarke
30 2014 039 697



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ist am 6. November 2014 für die Ware

Klasse 7: Turbolader

in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister
eingetragen worden.

Gegen die Eintragung der angegriffenen Marke, die am 12. Dezember 2014
veröffentlicht worden ist, hat die Widersprechende aus ihrer am 19. März 2012
angemeldeten und am 20. August 2012 in das Markenregister des Amts der
Europäischen Union für Geistiges Eigentum (EUIPO) eingetragenen Wortmarke
UM 010737005

GTS

Widerspruch erhoben. Die Eintragung der Widerspruchsmarke umfasst die
nachgenannten Waren und Dienstleistungen:

Klasse 7:
Maschinen und Werkzeugmaschinen für die Elektroindustrie, die
elektrotechnische Industrie sowie für den Bereich der Stromerzeugung und
Werkzeugmaschinen; Teile der vorgenannten Maschinen (soweit in
Klasse 7 enthalten); Motoren (ausgenommen Motoren für Landfahrzeuge);
Elektrogeneratoren; Steuer- und Regelgeräte für Elektrogeneratoren, soweit
in Klasse 7 enthalten;

Klasse 9:
Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern,
Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; elektrische und elektronische
Regler für Generatoren; elektrische und elektronische Kontrollgeräte;

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Klasse 37:
Wartung und Reparatur von Generatoren und Stromerzeugern, Getrieben,
Pumpen, Motoren, Elektrowerkzeugen.

Mit Beschluss vom 2. November 2016 hat das DPMA, Markenstelle für Klasse 7,
aufgrund dieses Widerspruchs die Löschung der Eintragung der Marke
30 2014 039 697 angeordnet. Zur Begründung hat sie ausgeführt, für das
Publikum bestehe die Gefahr, dass die Vergleichszeichen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG verwechselt werden. Zwischen der für die angegriffene Marke
eingetragenen Ware „Turbolader“ und den für die Widerspruchsmarke registrierten
Waren „Maschinen für den Bereich der Stromerzeugung“ sowie „Teile der
vorgenannten Maschinen“ könne Warenidentität bestehen. Denn derartige
Maschinen oder deren Teile umfassten Verbrennungsmotoren sowie als
Bestandteile solcher Motoren auch Turbolader. Ausgehend von einer
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke halte die
angegriffene Marke den nach den Gesamtumständen erforderlichen
Zeichenabstand nicht ein. Sie könne dazu führen, dass das hier angesprochene
Fachpublikum vom Vorliegen einer wirtschaftlichen Verbindung zwischen den
Inhabern der Vergleichszeichen ausgeht. Die vollständig in der angegriffenen
Marke enthaltene Widerspruchsmarke nehme in ihr eine selbständige Stellung ein.
Der vorangestellte Buchstabe „E“ könne nämlich als beschreibender Hinweis auf
elektronische Komponenten aufgefasst werden. Ferner hat das DPMA im
Beschluss vom 2. November 2016 ausgesprochen, dass Kosten nicht auferlegt
werden.

Dagegen hat die Inhaberin der angegriffenen Marke Beschwerde eingelegt. Zwi-
schen den Streitzeichen besteht ihrer Auffassung nach keine Verwechslungsge-
fahr. Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke sei wegen drei eingetrage-
nen Drittzeichen geschwächt. Zwischen den Vergleichszeichen bestehe auch in
klanglicher Hinsicht allenfalls eine untergeordnete Ähnlichkeit. Die angegriffene
Marke weise den aussprechbaren und betonten Anfangsvokal „E“ auf, der ange-
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sichts der geringen Zeichenlänge klar hervortrete. Weder präge die Buchstaben-
folge „GTS“ den klanglichen Gesamteindruck der jüngeren Marke, noch ergebe
sich hieraus eine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des gedankli-
chen In-Verbindung-Bringens. Insbesondere werde der Buchstabe „E“ in Verbin-
dung mit „Turbolader“ nicht als Abkürzung für das Wort „elektrisch“ wahrgenom-
men. Des Weiteren bestehe zwischen den für die Streitzeichen eingetragenen
Waren keine Identität und auch keine relevante Ähnlichkeit. Bei den für die Wider-
spruchsmarke eingetragenen Waren „Maschinen für den Bereich der Stromerzeu-
gung“ handele es sich um Generatoren, die aus einer Drehbewegung Strom er-
zeugten. Verbrennungsmotoren seien aber nicht Bestandteil solcher Generatoren,
auch wenn diese u. a. durch Verbrennungsmotoren angetrieben werden könnten.

Im Zusatz zur Terminsladung vom 20. Oktober 2017 hat der Senat die Beteiligten
darauf hingewiesen, dass zwischen „Turboladern“ und den für die Widerspruchs-
marke eingetragenen Waren „Motoren (ausgenommen Motoren für Landfahr-
zeuge)“ eine überdurchschnittliche Warenähnlichkeit bestehen könne. Die Be-
schwerdeführerin trägt hierzu mit Schriftsatz vom 16. November 2017 vor, die EU-
Kommission habe im Rahmen des Fusionsverfahrens Nr. COMP/M.5142 -
BOSCH / MAHLE / JV festgestellt, dass Turbolader Gegenstand eines abge-
grenzten Marktes seien und Abnehmer daher insoweit keine Substitution durch ein
anderes Produkt in Betracht zögen. Ferner seien Motoren- und Turboladerher-
steller regelmäßig nicht identisch, so dass kein Anhalt für eine übereinstimmende
betriebliche Herkunft bestehe.

In der weiteren gerichtlichen Mitteilung an die Beteiligten vom 28. November 2017
hat der Senat klargestellt, dass „Turbolader“ nicht nur zu „Motoren (ausgenommen
Motoren für Landfahrzeuge)“, sondern auch zu den anderen für die Wider-
spruchsmarke eingetragenen Waren ähnlich sein könnten. Hierzu trägt die Be-
schwerdeführerin mit Schriftsatz vom 28. November 2017 ergänzend vor, dass die
auf Seiten der Widerspruchsmarke eingetragenen Waren „Maschinen und Werk-
zeugmaschinen für die Elektroindustrie, die elektrotechnische Industrie sowie für
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den Bereich der Stromerzeugung und Werkzeugmaschinen“ nicht hinreichend be-
stimmt gefasst und daher nicht zur Begründung einer Verwechslungsgefahr her-
anzuziehen seien. Außerdem bestreitet die Beschwerdeführerin in diesem Schrift-
satz die Benutzung der Widerspruchsmarke für die Waren „Maschinen und Werk-
zeugmaschinen für die Elektroindustrie, die elektrotechnische Industrie sowie für
den Bereich der Stromerzeugung und Werkzeugmaschinen; Teile der vorgenann-
ten Maschinen (soweit in Klasse 7 enthalten).“

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 7 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 2. November 2016 aufzuheben und
den Widerspruch zurückzuweisen.

Des Weiteren regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Frage des
Verhältnisses von Marken- und Kartellrecht sowie zur Berücksichtigungsfähigkeit
von unbestimmten Warenbegriffen auf Seiten der Widerspruchsmarke an.

Die Widersprechende beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Auf die mit Schriftsatz der Inhaberin der angegriffenen Marke vom
28. November 2017 erhobene beschränkte Nichtbenutzungseinrede hat die
Widersprechende in der mündlichen Verhandlung am 29. November 2017
ausgeführt, dass sie die Widerspruchsmarke für die eingetragenen Waren und
Dienstleistungen benutze. Eine Glaubhaftmachung der Benutzung sei ihr
kurzfristig nicht möglich. „Turbolader“ stünden in einem beachtlichen technischen
und wirtschaftlichen Zusammenhang mit mehreren eingetragenen Waren der
Widerspruchsmarke wie der Rückgewinnung elektrischer Energie dienender
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„Elektrogeneratoren“, die wie Turbolader im Motorraum eines PKWs angeordnet
seien.

Ergänzend wird auf das Vorbringen der Beteiligten, auf das Protokoll der mündli-
chen Verhandlung am 29. November 2017 sowie auf den weiteren Akteninhalt
verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke bleibt in der Sa-
che ohne Erfolg. Zwischen den Streitmarken besteht Verwechslungsgefahr gemäß
§ 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 125b Nr. 1 MarkenG. Das Deutsche Patent-
und Markenamt hat daher zu Recht die Löschung der Eintragung der Wort-
/Bildmarke 30 2014 039 697 angeordnet.

1. Ob Verwechslungsgefahr vorliegt, ist nach ständiger Rechtsprechung so-
wohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesgerichtshofes unter
Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl.
EuGH GRUR Int. 2000, 899, Rdnr. 40 - Marca Mode; GRUR 2010, 933, Rdnr. 32 -
BARBARA BECKER; BGH GRUR 2012, 64, Rdnr. 9 - Maalox/Melox-GRY; GRUR
2016, 382, Rdnr. 22 - BioGourmet). Von maßgeblicher Bedeutung sind insoweit
insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität oder Ähnlich-
keit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus folgende Schutz-
umfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind zwar für sich ge-
sehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den
Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr.

Nach diesen Grundsätzen besteht vorliegend für das angesprochene Publikum die
Gefahr von Verwechslungen.

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a) Die für die jüngere Marke registrierte Ware „Turbolader“ (Klasse 7) weist
gegenüber den eingetragenen Waren in Klasse 7 „Motoren (ausgenommen Moto-
ren für Landfahrzeuge)“ der Widerspruchsmarke eine überdurchschnittliche Wa-
renähnlichkeit auf.

(1) Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der
Widerspruchsmarke für „Motoren (ausgenommen Motoren für Landfahrzeuge)“
nicht bestritten.

(a) In dem Schriftsatz vom 28. November 2017 wird direkt unter Ziffer 2. (Feh-
lende Benutzung) einleitend ausgeführt:

„Zudem ist gegen die Berücksichtigung der eingetragenen Warenbezeichnungen
„Maschinen und Werkzeugmaschinen für die Elektroindustrie, die elektrotechni-
sche Industrie sowie für den Bereich der Stromerzeugung und Werkzeugmaschi-
nen“ und „Teile der vorgenannten Maschinen (soweit in Klasse 7 enthalten)“ die
Nichtbenutzungseinrede gemäß § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG zu erheben.“

Unter Gliederungspunkt 2.b) befindet sich danach zwar die Aussage „Die Wider-
sprechende benutzt ausweislich Ihres Internetauftritts die Bezeichnung „GTS“ nur
für Generatoren und Regler in der Klasse 7.“ Allerdings dient sie auf Grund ihrer
Stellung lediglich der Erläuterung der oben genannten Nichtbenutzungseinrede.

Zudem schließen die Ausführungen unter Ziffer 2. mit folgendem Satz ab:

„Damit fehlt es für die angeführten Warenbezeichnungen an der notwendigen Be-
nutzung.“

Mit ihm wird ebenfalls auf die Nichtbenutzungseinrede direkt unter Ziffer 2. Bezug
genommen. Denn nur in ihr sind Waren ausdrücklich genannt, für die die Benut-
zung bestritten wird.
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Folglich sind die Ausführungen in dem Schriftsatz vom 28. November 2017 dahin-
gehend auszulegen, dass ausschließlich die Benutzung der Widerspruchsmarke
für die eingetragenen Waren „Maschinen und Werkzeugmaschinen für die Elekt-
roindustrie, die elektrotechnische Industrie sowie für den Bereich der Stromerzeu-
gung und Werkzeugmaschinen; Teile der vorgenannten Maschinen (soweit in
Klasse 7 enthalten)“ bestritten wird.

(b) Die Aussagen der Inhaberin der angegriffenen Marke zur Benutzung der
älteren Marke für „Turbolader“ im Schriftsatz vom 23. Oktober 2015 beziehen sich
ebenfalls nicht auf die Waren „Motoren (ausgenommen Motoren für Landfahr-
zeuge)“ der Widerspruchsmarke. Darüber hinaus konnte eine Nichtbenutzungsein-
rede zu diesem Zeitpunkt noch nicht wirksam erhoben werden, weil die - am
20. August 2012 registrierte - Widerspruchsmarke damals noch nicht seit mindes-
tens fünf Jahren eingetragen war (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 125b Nr. 4
MarkenG).

(2) Eine Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Waren ist grundsätzlich
anzunehmen, wenn diese unter Berücksichtigung aller erheblichen Faktoren wie
insbesondere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ih-
rer regelmäßigen Vertriebsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nutzung, ihrer
wirtschaftlichen Bedeutung, ihrer Eigenart als miteinander konkurrierender oder
einander ergänzender Produkte so enge Berührungspunkte aufweisen, dass die
beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein könnten, sie stammten aus demsel-
ben Unternehmen oder wirtschaftlich verbundenen Unternehmen (vgl. EuGH
GRUR 1998, 922 - Canon; BGH GRUR 2015, 176, Rdnr. 16 - ZOOM/ZOOM;
GRUR 2014, 488, Rdnr. 14 - DESPERADOS/DESPERADO).

Enge Berührungspunkte ergeben sich zum einen daraus, dass die Waren „Moto-
ren (ausgenommen Motoren für Landfahrzeuge)“ der Widerspruchsmarke Ver-
brennungsmotoren umfassen. Ausschließlich in ihnen werden Turbolader einge-
setzt, indem die Abgase zur Verdichtung der dem Motor zugeführten Luft ausge-
- 10 -
nutzt werden. Damit fällt die Leistung eines Verbrennungsmotors mit Turbolader
deutlich höher aus als diejenige eines Verbrennungsmotors ohne Turbolader.

Zum anderen besteht auch zwischen Verbrennungsmotoren ohne Turboladern
und diesen ein enger funktioneller Zusammenhang. Sie sind so umfassend
aufeinander bezogen und beeinflussen so stark gegenseitig ihre Wirkungsweise,
dass der Turbolader nicht nur als austauschbares Zubehör, sondern vielmehr als
wesentliche Ergänzung eines Verbrennungsmotors anzusehen ist. Dies wird
besonders deutlich bei Flugzeugmotoren, deren Leistung wegen der Abnahme
des Luftdrucks in größeren Höhen abfällt. Im Bereich der Luftfahrt werden
Turbolader vor allem bei Privat- und Geschäftsreiseflugzeugen mittlerer
Kategorien eingesetzt (vgl. Anlage MS 05 zum Schriftsatz der Beschwerdeführerin
vom 16. November 2017, Wikipedia: Suchbegriff „Turbolader“). Demzufolge hängt
die zweckentsprechende Ausbildung eines Turboladers regelmäßig von den
konkreten Anforderungen des Bestimmungsmotors ab. Diese Spezifikation kann in
erster Linie nur der Hersteller des Motors leisten. Umgekehrt wirken sich die
Spielräume, die die Turboladertechnik in ihrer gesamten Bandbreite eröffnet, auf
die Gestaltung von Verbrennungsmotoren aus, so dass ein Motorenhersteller über
ausgereifte Kenntnisse zu Turboladern verfügen muss. Damit ist für den Verkehr -
bei identischer Kennzeichnung der Waren - vor allem in Verbindung mit den
eingeschränkt standardisierten Flugzeugmotoren die Annahme nahe gelegt, dass
ein Anbieter von Verbrennungsmotoren seine technische Sachkunde und seine
Infrastruktur in den Bereichen Herstellung und Vertrieb auch für Turbolader nutzt.

(3) Der Verweis der Beschwerdeführerin auf die Entscheidung der EU-
Kommission im Rahmen des Fusionskontrollverfahrens Nr. COMP/M.5142 -
BOSCH / MAHLE / JV führt zu keinem anderen Ergebnis. Es bezog sich auf ein
Vorhaben, das die Produktion von Turboladern im Bereich der Automobilindustrie
zum Gegenstand hat (vgl. u. a. Ziffer III. der Entscheidung). Den Ausführungen
der Kommission ist zu entnehmen, dass Abgasturbolader (für Kfz-Motoren) eine
eigenständige Produktgruppe innerhalb der verschiedenen Motorenkomponenten
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und daher einen abgrenzbaren Markt gemäß Art. 2 (5) FKVO bilden (vgl. dazu
Ziffer V., 12., der Entscheidung). Vorliegend stehen indessen Turbolader für
Verbrennungsmotoren mit Ausnahme für Landfahrzeuge, also nicht für Automobile
zur Diskussion. Selbst wenn davon ausgegangen wird, dass auch Turbolader für
Flugzeug- und Wasserfahrzeugmotoren eine eigenständige Produktgruppe bilden,
steht dies der Annahme eines engen funktionellen Zusammenhangs zwischen
Verbrennungsmotoren und Turboladern nicht entgegen. Der Begriff der Ähnlichkeit
von Waren oder Dienstleistungen im Markengesetz ist spezifisch im Hinblick auf
die Verwechslungsgefahr auszulegen (vgl. Erwägungsgrund 11 der
Markenrichtlinie). Wie ausgeführt, kommt es dabei darauf an, ob nach Auffassung
der beteiligten Verkehrskreise der Schluss nahe liegt, die Produkte seien
demselben Markeninhaber zuzurechnen (vgl. EuGH GRUR 1998, 922 - Canon;
BGH GRUR 1999, 731 - Canon II). Die Austauschbarkeit der Produkte aus Sicht
der Marktgegenseite (vgl. Loewenheim/Meesen/Riesenkampf, Kartellrecht,
2. Auflage, Art. 2 FKVO), auf die es für die Bestimmung eines sachlich relevanten
Marktes gemäß Art. 2 (5) FKVO ankommt, kann ein Indiz für das Vorliegen
ähnlicher Produkte sein (vgl. Fezer, MarkenG, 4. Auflage, § 14, Rdnr. 704). Es
kann aber auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung keinem
Zweifel unterliegen, dass eine markenrechtliche Warenähnlichkeit auch zwischen
Produkten, die nicht in diesem Sinne austauschbar sind, bestehen kann (vgl.
EuGH, a. a. O. - Canon: „Eigenart der Waren … als miteinander konkurrierend
oder ergänzend“).

Im Übrigen ist den Feststellungen der Kommission zur Marktstruktur für
Abgasturbolader im Kfz-Bereich zu entnehmen, dass selbst Hersteller von
Motoren - etwa Mitsubishi Heavy Industries - in nicht unerheblichem Umfang auch
Turbolader produzieren (vgl. dazu Ziffer V., 24., der Entscheidung).

(4) Da bereits die Warenähnlichkeit zwischen „Motoren (ausgenommen
Motoren für Landfahrzeuge)“ auf Seiten der Widerspruchsmarke und
„Turbolader“ auf Seiten der angegriffenen Marke zu bejahen ist, kann dahingestellt
- 12 -
bleiben, ob letztgenannte zu weiteren Waren oder Dienstleistungen der älteren
Marke ähnlich sind. Dies gilt insbesondere für die von der Benutzungseinrede
umfassten „Maschinen und Werkzeugmaschinen für die Elektroindustrie, die
elektrotechnische Industrie sowie für den Bereich der Stromerzeugung und
Werkzeugmaschinen; Teile der vorgenannten Maschinen (soweit in Klasse 7
enthalten)“.

b) Die Widerspruchsmarke „GTS“ verfügt in Bezug auf die eingetragenen Wa-
ren „Motoren (ausgenommen Motoren für Landfahrzeuge)“ über durchschnittliche
Kennzeichnungskraft. Sie weist insoweit keinen sachbezogenen oder anderen
Sinngehalt auf, der ihre Eignung als Produktkennzeichen schwächt. Insbesondere
wird die ältere Marke in Verbindung mit Motoren nicht als Abkürzung der Wortfolge
„Gran Turismo Sport“ verstanden, mit der ein Spiel zur Simulation von Autorennen
bezeichnet wird (vgl. Wikipedia, Suchbegriff: „Gran Turismo Sport“).

Eine Einschränkung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke zum Zeit-
punkt der Anmeldung der angegriffenen Marke oder zum Zeitpunkt der Entschei-
dung über den Widerspruch ergibt sich auch nicht aus der Drittzeichenlage. Dies
würde voraussetzen, dass eine beträchtliche Anzahl von einschlägigen Drittzei-
chen im Vorfeld der genannten Zeitpunkte tatsächlich benutzt worden ist (vgl.
BGH GRUR 1967, 246, 247 - Vitapur). Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat
eine Verwendung der drei von ihr im Schriftsatz vom 16. November 2017 ge-
nannten Marken „GT“ (IR 834443, UM 007362957, DE 302008059090) indessen
nicht vorgetragen. Auch ist eine solche nicht gerichtsbekannt, so dass eine rele-
vante Drittbenutzung im Inland nicht liquide ist (vgl. Ströbele/Hacker, Markenge-
setz, 11. Auflage, § 9, Rdnr. 174 ff.). Für eine Einschränkung der Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund der Drittzeichenlage fehlen daher
ausreichende Anhaltspunkte.

Umgekehrt hat die Widersprechende eine Steigerung der Kennzeichnungskraft
ihrer Marke aufgrund umfangreicher Benutzung nicht geltend gemacht.
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c) Auch wenn vorliegend vom Fachverkehr auszugehen ist, der über Marken
auf dem einschlägigen Gebiet regelmäßig gut unterrichtet ist und neuen
Kennzeichnungen mit angemessener Sorgfalt begegnet, ist zwischen der
angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke „GTS“ zumindest
eine durchschnittliche klangliche Ähnlichkeit gegeben.

Die Frage der Ähnlichkeit sich gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Klang,
(Schrift-)Bild und Sinngehalt zu beurteilen, weil Marken auf die von ihnen
angesprochenen Verkehrskreise in klanglicher, bildlicher und begrifflicher Hinsicht
wirken. Nachdem die betroffenen Waren regelmäßig nicht auf Sicht erworben
werden, genügt für die Annahme einer Verwechslungsgefahr bereits die
Übereinstimmung in klanglicher Hinsicht. Hierbei ist auf den jeweiligen
Gesamteindruck der einander gegenüberstehenden Zeichen abzustellen (vgl.
EuGH GRUR 2005, 1042, Rdnr. 28 f. - THOMSON LIFE; BGH GRUR 2013, 833,
Rdnr. 30 - Culinaria/Villa Culinaria; GRUR 2010, 235, Rdnr. 18 - AIDA/AIDU;
GRUR 2011, 824, Rdnr. 31 - Kappa; vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9, Rdnr. 254
m. w. N.).

Der klangliche Gesamteindruck der angegriffenen Marke wird ersichtlich durch die
Buchstabenfolge „EGTS“ geprägt. Dieser Wortbestandteil wird im Kontext der ein-
getragenen Ware „Turbolader“ als zentrales kennzeichnendes Zeichenmerkmal
wahrgenommen. Das Bildelement, das das Turbinenrad eines Turboladers zeigt,
erschöpft sich demgegenüber in einer stilisierten Darstellung der durch die Marke
gekennzeichneten Waren und kann im Rahmen der klanglichen Wiedergabe ohne
Änderung des kennzeichnenden Charakters des Zeichens außer Betracht bleiben.
Zudem ist der Wortbestandteil im Unterschied zu dem Bildelement auch einer kla-
ren und einfachen phonetischen Artikulation zugänglich (vgl. zum Grundsatz „Wort
vor Bild“: BGH GRUR 2014, 378, Rdnr. 39 - OTTO CAP).

- 14 -
Der Wortbestandteil „EGTS“ der jüngeren Marke weist eine starke klangliche
Ähnlichkeit zur Widerspruchsmarke „GTS“ auf. Insofern kann offen bleiben, ob die
Buchstabenfolge „GTS“ in der angegriffenen Marke, die im Unterschied zu dem
Buchstaben „E“ in roter Farbe gehalten ist, eine prägende Stellung oder in anderer
Weise zeichenrechtlich herausgehobene Stellung einnimmt. Selbst unter
Berücksichtigung der auf Grund seiner Stellung am Wortanfang herausgehobenen
Bedeutung des Buchstabens „E“ weist der Wortbestandteil der jüngeren Marke
keine erhebliche phonetische Verfremdung gegenüber der Widerspruchsmarke
auf. Angesichts der vollen Übereinstimmung der Zeichen in der Lautfolge „Geh-
Teh-Ess“, die den Vokal „e“ dreimal enthält, führt der zusätzliche Anlaut „e“ zu
keiner klaren Verfremdung des Klangbilds der angegriffenen Marke (vgl. auch
BGH GRUR 2016, 283, Rdnr. 22 - BSA/DSA DEUTSCHE
SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; BPatG, Beschluss vom 23. April 2008,
28 W (pat) 224/07 - sabs/ABS).

d) Im Rahmen der abschließenden Gesamtabwägung kann eine unmittelbar
klangliche Verwechslungsgefahr zwischen der für „Turbolader“ eingetragenen
angegriffenen Marke und der durchschnittlich kennzeichnungskräftigen
Widerspruchsmarke bei überdurchschnittlicher Warenähnlichkeit und wenigstens
durchschnittlicher Markenähnlichkeit nicht verneint werden.

2. Zur Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens auf einen
Beteiligten aus Billigkeitsgründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein
Grund, zumal sowohl die Inhaberin der angegriffenen Marke als auch die
Widersprechende ihre ursprünglich gestellten Kostenanträge zurückgenommen
haben.

- 15 -
3. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde war nicht geboten. Insbesondere
stellt sich vorliegend keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 83
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Im Zusammenhang mit der Beurteilung der Warenähnlich-
keit ist nämlich höchstrichterlich geklärt, dass Waren, die aus Sicht der Marktge-
genseite nicht austauschbar sind, ähnlich gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG sein
können.

- 16 -
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorg-
nis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt wor-
den sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einge-
reicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristab-
lauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Prof. Dr. Kortbein Dr. Söchtig Schmid

prö


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