28 W (pat) 518/13  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 518/13
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Markenanmeldung 30 2012 057 747.4

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundepatentgerichts unter
Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und
des Richters Dr. Söchtig am 2. Februar 2017
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beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Marken-
stelle für Klasse 4, vom 11. April 2013 wird aufgehoben, soweit die
Anmeldung zurückgewiesen worden ist.


G r ü n d e

I.

Das dreidimensionale Zeichen



ist am 3. November 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent-
und Markenamt geführte Register angemeldet worden. Nach einer im Anmelde-
verfahren erfolgten Änderung des Warenverzeichnisses sucht es nunmehr Schutz
für die folgenden Waren nach (beschwerdegegenständliche Waren in Fettdruck):

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Klasse 1: Antiklopfmittel für Verbrennungsmotoren; Bremsflüssigkeiten;
chemische Imprägniermittel für Textilien; chemische Imprägniermittel
für Leder; chemische Zusätze für Öle; chemische Zusätze für
Kraftstoff und Treibstoff; destilliertes Wasser; Feuchtigkeitsim-
prägniermittel für Textilien; Feuchtigkeitsimprägniermittel für Leder;
Fluide für Getriebe; Frostschutzmittel; Hydraulikflüssigkeiten

Klasse 2: Farben; Korrosionsschutzmittel; Lacke; Rostschutzfette; Rost-
schutzmittel; Rostschutzöle; Unterbodenschutz für Fahrgestelle

Klasse 3: Fettentfernungsmittel, außer zur Verwendung in Herstellungs-
verfahren; Luftbeduftungsmittel; Öle für Reinigungszwecke; Putz-
mittel; Poliermittel; Reinigungsmittel

Klasse 4: Automatikgetriebeöle; Bearbeitungsöle (technische Öle), Brenn-
stoffe; Getriebeöle; Hydrauliköle; Industrieöle (technische Öle);
Motorenöle; Öle für technische Zwecke; Schmierfette; Schmier-
mittel; Schmieröle; technische Fette; Treibstoffe.

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 4, hat nach voran-
gegangenem Beanstandungsbescheid vom 23. Januar 2013 mit Beschluss vom
11. April 2013 die Anmeldung für die beschwerdegegenständlichen Waren zurück-
gewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Anmeldezeichen fehle im Um-
fang der Zurückweisung die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das angemeldete dreidimensionale Zeichen
weise die übliche Form einer Flasche für Flüssigkeiten und alle notwendigen tech-
nischen Eigenschaften einer solchen wie Greifbarkeit, Ausgießöffnung, Standfä-
higkeit sowie Flächen zur Etikettierung auf.

Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens hinsichtlich
der beanspruchten Waren sei vom Verkehrsverständnis eines Autofahrers bzw.
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einer Autofahrerin auszugehen. Diesen begegneten die Produkte als solche in
einer greifbaren Form überwiegend beim Tanken und im Super- oder Baumarkt im
typischen Massenangebot verschiedener Marken. Dabei wiesen die jeweiligen
Produkte eine große, gut erkennbare marken- und inhaltsmäßige Kennzeichnung
auf, nämlich durch schriftliche und bildliche Darstellung auf den im Vergleich zu
den gestalterischen Elementen großen Etikettierungsflächen. Diese Flächen seien
auch bei den verfahrensgegenständlichen Abbildungen des Anmeldezeichens vor-
handen. Es dürfte kaum möglich sein, die angemeldeten Waren ohne eine klare
und weitreichende Kennzeichnung zumindest hinsichtlich der technischen Eigen-
schaften im Einzelhandel zu platzieren. Somit bestehe für den Käufer nicht die
Notwendigkeit, bei der Auswahl der Produkte seine Aufmerksamkeit in besonderer
Weise auf deren Detailgestaltung (bzw. auf die Verpackung) zu richten. Vielmehr
müssten primär die für das entsprechende Fahrzeug notwendigen technischen
Parameter erfüllt sein, die sich nur durch schriftliche Informationen auf dem
Behältnis ermitteln ließen, wo sich auch markenmäßige Kennzeichnungen befän-
den. Daneben werde sich der Verkehr eher noch an der Farbe des verwendeten
Behältnisses orientieren, da diese in einem breiten Angebot deutlich schneller zu
erkennen sei als die Details der Formgestaltung.

Die angedeutete Form eines Motor-Kolbens mit Pleuelstange sei zwar originell,
aber dennoch nicht ausreichend prägnant in Bezug auf den Gesamteindruck,
zumal im Verkaufsregal entsprechende Produkte im Wesentlichen mit einer der
Etikettenflächen zum Kunden hin ausgerichtet seien. Es sei außerdem fraglich, ob
sich dem angesprochenen Verkehr die angedeutete Kolben-Pleuel-Darstellung als
solche überhaupt erschließe. Schließlich würden technisch erfahrene Käufer, die
die Andeutung erkennen würden, darin einen Sachhinweis sehen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 22. Mai 2013, mit der
sie sinngemäß beantragt,

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den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
11. April 2013 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen
worden ist.

Zur Begründung führt sie aus, die vermeintlich übliche Verkaufsposition, bei der
dem Kunden ein Etikett zugewandt sei, sei nicht allein maßgeblich zur Beurteilung
der Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens. Vielmehr weise dieses in seiner
angemeldeten Form keinerlei Etikett auf und müsse in seiner Gesamtheit, also als
dreidimensionales Objekt geprüft werden. Eine bestimmte Seitenansicht sei hin-
gegen nicht maßgeblich. Tatsächlich trage die im Anmeldezeichen enthaltene Kol-
ben-Pleuelstangen-Kurbelwellen-Anordnung dazu bei, dass ihm unabhängig von
der Sichtbarkeit des Etiketts, folglich auch bei einer andersartigen Verkaufsposi-
tionierung die erforderliche Hinweisfunktion zukomme.

Ferner sei die Gestaltung durch die angedeutete Kolben-Pleuelstangen-Kurbel-
wellen-Anordnung auch originell, da branchenübliche Verpackungen lediglich
abstrakte oder funktionsmäßig bedingte Gestaltungsmerkmale aufwiesen. Zwar
sei die Anordnung kleiner als die weiteren Bereiche der Flasche. Diese seien aller-
dings lediglich zweckmäßig geformt, würden also hinter ihr zurücktreten und von
ihr nicht ablenken. Die Kolben-Pleuelstangen-Kurbelwellen-Anordnung dominiere
daher den Gesamteindruck des beanspruchten Zeichens. Sie sei schon deshalb
für die angesprochenen Verbraucher – und nicht nur für technisch besonders
erfahrene Käufer – erkennbar, da jeder Autofahrer seit seiner Führerscheinausbil-
dung den Kolbenmotor kenne. Die Kolben-Pleuelstangen-Kurbelwellen-Anordnung
werde dabei aber nicht als Sachhinweis verstanden. Ein solcher sei lediglich mit
einem entsprechenden zweidimensionalen Aufdruck verbunden. Das Anmeldezei-
chen kombiniere aber die Andeutung der Kolben-Pleuelstangen-Kurbelwellen-
Anordnung mit der Form der Flasche in derart spezieller Weise, dass ihm nicht
jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.

Die Beschwerde ist begründet, da der Eintragung des Anmeldezeichens für die
beschwerdegegenständlichen Waren insbesondere nicht die Schutzhindernisse
des Fehlens der Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, des
Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sowie
der Eignung zur Täuschung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG entgegenstehen.


1. Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen
innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufge-
fasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistun-
gen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese
somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR
2012, 610, Rdnr. 42 – Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. – EUROHYPO;
BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 – HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 – Kaleido;
GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwan-
stein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935,
Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn
die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekenn-
zeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR
2006, 233, Rdnr. 45 – Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 – BioID; GRUR
2008, 608, Rdnr. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 – VISAGE;
GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unter-
scheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch
noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu über-
winden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044,
Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 – Link economy).

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Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der betei-
ligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/
oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen
ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR
2004, 943, Rdnr. 24 – SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR
2010, 825, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18
– FUSSBALL WM 2006).

Unter solchen Umständen ist eine angemeldete Waren- oder Verpackungsform
nicht bereits deshalb unterscheidungskräftig, weil sie sich in irgendeiner Weise
von branchenüblichen Produktformen unterscheidet. Vielmehr vermag eine solche
dreidimensionale Marke die erforderliche Herkunftsfunktion nur dann zu erfüllen,
wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht. Hierzu muss
die Marke charakteristische Merkmale aufweisen, die deutlich aus dem Rahmen
der gebräuchlichen Gestaltungsvielfalt auf dem jeweiligen Warengebiet fallen (vgl.
Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 8, Rdnr. 283). Maßgeblich für die Beur-
teilung der Unterscheidungskraft einer Formmarke ist dabei der von ihr hervorge-
rufene Gesamteindruck.

a) Bei den angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich sowohl um Durch-
schnittsverbraucher als auch um Fachkreise, die sich beruflich mit Betriebsmitteln
für Maschinen beschäftigen.

b) Das dreidimensionale Zeichen weicht vorliegend erheblich von der branchen-
üblichen Gestaltung von Verpackungen der beschwerdegegenständlichen Waren
ab. Bei ihnen herrschen entweder rein zweckmäßige und teilweise technisch not-
wendige Verpackungsgestaltungsmerkmale vor oder diese erschöpfen sich in
leichten Abweichungen ästhetischer Art. Die im Anmeldezeichen enthaltende
Andeutung eines realen Gegenstandes, der von dem Produkt selbst und der not-
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wendigen Verpackungsform unabhängig ist, ist bei vergleichbaren Verpackungen
für die beschwerdegegenständlichen Waren gänzlich unüblich. Dies zeigt zu-
nächst die vom Deutschen Patent- und Markenamt selbst durchgeführte Recher-
che (vgl. die Anlagen zum Beanstandungsbescheid vom 23. Januar 2013). Aber
auch eine ergänzend vom Senat durchgeführte Überprüfung hat ergeben, dass die
Andeutung eines konkreten Gegenstands als Bestandteil der Produktverpackung
für die verfahrensgegenständlichen Waren, insbesondere die Darstellung des
Teils, wo die Waren zur Anwendung kommen sollen, nicht üblich ist und erheblich
von sonstigen Verpackungsgestaltungen in der Branche abweicht.

So werden Antiklopfmittel, Bremsflüssigkeiten sowie Getriebefluide der Klasse 1
zwar überwiegend ebenfalls in flaschenförmigen Gebilden angeboten. Diese sind
jedoch zumeist eher funktional gehalten. Die Inkorporierung eines konkreten Ge-
genstands als Designelement innerhalb der jeweiligen Verpackung findet sich bei
Drittanbietern nicht (vgl. Anlagen 1 bis 3, in denen – wie in den weiteren Anlagen
auch – eine Vielzahl von Verpackungen der betreffenden Waren abgebildet ist).
Frostschutzmittel werden auf dem Markt üblicherweise nicht in Flaschen, sondern
vielmehr in großen kanisterförmigen Behältnissen vertrieben, wobei auch hier
deren Funktionalität – primär deren Fassungsvermögen – im Vordergrund steht,
ohne dass ergänzend besondere Designelemente in die jeweiligen Behältnisse
eingearbeitet sind (vgl. Anlage 4).

Ähnlich verhält es sich auch hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Waren in
Klasse 2. So werden Korrosionsschutzmittel überwiegend in Dosenform angebo-
ten. Lediglich vereinzelt verwenden Hersteller Flaschen, ohne diesen jedoch ein
irgendwie geartetes besonderes Design zu verleihen (vgl. Anlage 5). Auch Rost-
schutzmittel werden überwiegend in Dosen vertrieben. Weder sie noch die teil-
weise verwendeten Flaschen weisen jedoch besondere gestalterische Merkmale
auf (Anlage 6). Entsprechend verhält es sich auch hinsichtlich der Ware Unterbo-
denschutz. Ebenso ist hier die Dose als Verpackungsform vorherrschend (An-
lage 7).
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Bei den Waren Fettentferner und Reinigungsmittel der Klasse 3 ist zwar die Ver-
wendung von Flaschen üblich. Vornehmlich werden diese jedoch mit einem
Sprühkopf versehen. Vereinzelt von einigen Anbietern verwendete Flaschen ohne
einen solchen sowie Kanister weisen wiederum keine besonderen Gestaltungen
auf (vgl. Anlagen 8 und 9).

Hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Waren in Klasse 4 hat die Recher-
che des Senats ergeben, dass beispielsweise Automatikgetriebeöle zwar überwie-
gend in Flaschenform angeboten werden (vgl. Anlage 10). Den Produkten fehlt
jedoch wiederum regelmäßig die Inkorporierung eines konkreten Gegenstandes
als Designelement. Bei Motorenölen finden wiederum überwiegend Kanister als
Verpackung Verwendung. Soweit diesbezüglich verwendete Kanister eine indivi-
duelle Gestaltung aufweisen, beschränkt sich diese auf einfachste Elemente, wie
etwa die Verwendung von Rillenanordnungen. Die Einarbeitung konkreter Gegen-
stände als Bestandteil der jeweiligen Kanisterform selbst findet sich hingegen bei
keinem der dortigen Anbieter (vgl. Anlage 11). Entsprechend verhält es sich auch
hinsichtlich der Anbieter von Getriebeölen (vgl. Anlage 12). Sofern dort entspre-
chende Produkte auch in Flaschenform angeboten werden, beschränkt sich deren
Design wiederum auf rein funktionale Gestaltungen. Schmiermittel wiederum wer-
den überwiegend in Dosenform angeboten. Soweit einzelne Anbieter insoweit
auch Flaschenformen verwenden, weisen diese wieder keine über deren bloße
Zweckmäßigkeit hinausgehende besondere Gestaltungen auf (vgl. Anlage 13).

c) Die Kolben-Pleuelstangen-Kurbelwellen-Anordnung wirkt im maßgeblichen
Gesamteindruck nicht zu klein, um ausreichend prägnant zu sein und eine hinrei-
chende Unterscheidungskraft zu begründen. Dies gilt auch unter Zugrundelegung
einer auf die Etikettenfläche gerichteten Perspektive. Es ist grundsätzlich nicht
notwendig, dass ein die Unterscheidungskraft begründendes Gestaltungsmerkmal
einen bestimmten Größenanteil des Gesamtzeichens ausmacht. Die Anmelderin
hat zutreffend ausgeführt, dass die übrigen Gestaltungsmerkmale des dreidimen-
sionalen Zeichens im Wesentlichen zweckmäßig sind. Die Kolben-Pleuelstangen-
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Kurbelwellen-Anordnung ist dagegen originell und sticht somit gegenüber den wei-
teren rein zweckmäßigen Gestaltungsmerkmalen hervor, dominiert also den
Gesamteindruck des angemeldeten Zeichens. Der angesprochene Verkehr wird
originelle, von der Norm abweichende Gestaltungselemente weitaus eher wahr-
nehmen, als solche, die der Funktion oder Handhabung des Produkts dienen.

d) Entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamts in seinem
angegriffenen Beschluss kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine
Orientierung des Verbrauchers an dreidimensionalen Gestaltungsmerkmalen nicht
notwendig ist und somit unterbleibt. Für die beschwerdegegenständlichen Waren
ist vielmehr das Gegenteil anzunehmen. Da die besonders großen Etikettierflä-
chen üblicherweise eine Fülle von technischen Informationen enthalten, wird der
Verbraucher andere, einfachere Orientierungsmöglichkeiten suchen, um Rück-
schlüsse auf den entsprechenden Hersteller der Ware ziehen zu können. Hierfür
ist ein originelles Gestaltungselement der Flasche in besonderem Maße geeignet,
zumal wenn ein solches nicht technisch bedingt ist.

Ein Großteil der angesprochenen Verkehrskreise (insbesondere die Fachkreise)
wird die Kolben-Pleuelstangen-Kurbelwellen-Anordnung als solche erkennen. Dies
gilt speziell jedenfalls für den überwiegenden Teil der beschwerdegegenständli-
chen Waren, die Betriebsmittel für Maschinen darstellen. Doch auch für die sons-
tigen Waren, insbesondere Frostschutz- und Reinigungsmittel, ist zu berücksichti-
gen, dass der Hubkolbenmotor eine so grundlegende technische Errungenschaft
darstellt und demzufolge von überwiegenden Bevölkerungskreisen erkannt wird.
Unerheblich ist dabei, ob speziell der Verkehrskreis der Durchschnittsverbraucher
die in Rede stehende Verpackungsgestaltung zutreffend mit Kolben-Pleuelstan-
gen-Kurbelwellen-Anordnung benennen wird.

e) Die Kolben-Pleuelstangen-Kurbelwellen-Anordnung ist auch nicht als klarer
Sachhinweis auf die beschwerdegegenständlichen Waren anzusehen. Sie vermit-
telt zwar gewisse Assoziationen zu den beschwerdegegenständlichen Waren, die
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für Verbrennungsmotoren bestimmt sind. Allerdings stellt das in Rede stehende
Gestaltungsmerkmal keine naturgetreue Wiedergabe einer Kolben-Pleuelstangen-
Kurbelwellen-Anordnung dar. Vielmehr handelt es sich um eine abstrakte und
verfremdete Wiedergabe eines Kolbens, an dem unten die Pleuelstange befestigt
ist. Während letztgenannte durch die längliche Ausformung unter Umständen
schon auf den ersten Blick erkannt werden kann, gilt dies für den darüber befind-
lichen Kolben eher nicht. Die unterhalb der Ausflussöffnung angebrachten Rillen
kommen sowohl als Griffhilfe als auch als Teil des Kolbens in Betracht. Ebenso ist
die Kurbelwelle lediglich durch die oberhalb des Bodens angebrachte kreisförmige
Vertiefung angedeutet. Demzufolge kann die Kolben-, Pleuelstangen- und Kurbel-
wellenkombination als solche erst bei genauerem Hinschauen erkannt werden.

Zudem erschwert der in der Vorderansicht erkennbare breite, von unten nach
oben bis unter den Kolben verlaufende Steg die Interpretation der Gestaltung als
technisch korrekte Wiedergabe einer Kolben-Pleuelstangen-Anordnung. Er kann
durch die darunter befindlichen zwei Einkerbungen auch als dritte Pleuelstange
angesehen werden. Dies widerspricht jedoch den tatsächlichen Gegebenheiten in
einer Hubkolbenmaschine, wo einem Kolben nur eine Pleuelstange zugeordnet ist.
Dieser Bruch mit der technischen Wirklichkeit führt allerdings dazu, dass der
Betrachter unabhängig von seiner jeweiligen Perspektive an eine Kolben-Pleuel-
stangen-Anordnung erinnert werden kann. Dies trägt wesentlich zur einem bloßen
Sachhinweis entgegenstehenden Originalität des Zeichens bei.


2. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass auch die Vorausset-
zungen für das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG nicht gegeben sind.


3. Soweit das Anmeldezeichen auch Schutz für Waren, wie etwa Unterboden-
schutz für Fahrgestelle, beansprucht, die keinen unmittelbaren Bezug zu Verbren-
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nungsmotoren aufweisen, steht dessen Eintragung nicht das Schutzhindernis der
Täuschungsgefahr gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG entgegen. Die Zurückwei-
sung einer Markenanmeldung nach dieser Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn
die Eignung zur Täuschung ersichtlich ist (§ 37 Abs. 3 MarkenG). Dies setzt
voraus, dass in jedem nur denkbaren Fall einer anmeldungsgemäßen Verwen-
dung der Marke für die beanspruchten Waren Täuschungen auftreten. Demgegen-
über schließt die auch nur theoretische Möglichkeit einer nicht irreführenden Mar-
kenbenutzung die Täuschungsgefahr aus (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8,
Rdnr. 737).

Die Verkehrskreise, die die im Anmeldezeichen enthaltene Kolben-Pleuelstangen-
Anordnung als solche erkennen, können sie auch als Hinweis auf eine Maschine
oder ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor auffassen. Dafür können die oben
genannten Waren jedoch eingesetzt werden. Zudem vermindert die nicht naturge-
treue Wiedergabe der Kolben-Pleuelstangen-Anordnung die Gefahr, dass sie als
eindeutiger Hinweis auf die Verwendbarkeit aller beschwerdegegenständlichen
Waren in oder für Verbrennungsmotoren aufgefasst wird. Damit besteht die Mög-
lichkeit eines nicht irreführenden Einsatzes des Anmeldezeichens, was die An-
wendbarkeit des besagten Schutzhindernisses der Täuschungsgefahr ausschließt
(vgl. EuGH GRUR 2006, 416, Rdnr. 48 und 49 – ELIZABETH EMANUEL).

Die Verkehrskreise, welche in der auf der Vorderseite angebrachten Gestaltung
keine Kolben-Pleuelstangen-Anordnung sehen, werden das Anmeldezeichen nicht
als Sachhinweis auffassen. Demzufolge können sie keiner unzutreffenden Vor-
stellung über den Bestimmungszweck der beschwerdegegenständlichen Waren
unterliegen.

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Weitere Eintragungshindernisse sind nicht ersichtlich, so dass der Beschwerde
stattzugeben war.


Dr. Kortbein Schmid Dr. Söchtig


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