28 W (pat) 517/13  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 517/13
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Markenanmeldung 30 2012 057 746.6

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundepatentgerichts unter
Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein, des Richters Schmid und
des Richters Dr. Söchtig am 26. Januar 2017
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beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Marken-
stelle für Klasse 4, vom 11. April 2013 wird aufgehoben, soweit die
Anmeldung zurückgewiesen worden ist.


G r ü n d e

I.

Das dreidimensionale Zeichen



ist am 3. November 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent-
und Markenamt geführte Register angemeldet worden. Nach einer im Anmelde-
verfahren erfolgten Änderung des Warenverzeichnisses sucht es nunmehr Schutz
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für die nachfolgenden Waren nach (beschwerdegegenständliche Waren in Fett-
druck):

Klasse 1: Antiklopfmittel für Verbrennungsmotoren; Bremsflüssigkeiten;
chemische Imprägniermittel für Textilien; chemische Imprägniermittel
für Leder; chemische Zusätze für Öle; chemische Zusätze für
Kraftstoff und Treibstoff; destilliertes Wasser; Feuchtigkeitsim-
prägniermittel für Textilien; Feuchtigkeitsimprägniermittel für Leder;
Fluide für Getriebe; Frostschutzmittel; Hydraulikflüssigkeiten

Klasse 2: Farben; Korrosionsschutzmittel; Lacke; Rostschutzfette; Rost-
schutzmittel; Rostschutzöle; Unterbodenschutz für Fahrgestelle

Klasse 3: Fettentfernungsmittel, außer zur Verwendung in Herstellungs-
verfahren; Luftbeduftungsmittel; Öle für Reinigungszwecke; Putz-
mittel; Poliermittel; Reinigungsmittel

Klasse 4: Automatikgetriebeöle; Bearbeitungsöle (technische Öle), Brenn-
stoffe; Getriebeöle; Hydrauliköle; Industrieöle (technische Öle);
Motorenöle; Öle für technische Zwecke; Schmierfette; Schmier-
mittel; Schmieröle; technische Fette; Treibstoffe.

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 4, hat nach voran-
gegangenem Beanstandungsbescheid vom 18. Januar 2013 mit Beschluss vom
11. April 2013 die Anmeldung für die beschwerdegegenständlichen Waren zurück-
gewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dem Anmeldezeichen fehle im Um-
fang der Zurückweisung die für eine Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das angemeldete dreidimensionale Zeichen
weise eine übliche Form eines Kanisters und alle notwendigen technischen Merk-
male eines solchen wie Griff, Ausgießöffnung, Stand- oder gegebenenfalls Stapel-
fähigkeit sowie Flächen zur Etikettierung auf. Einerseits bestehe angesichts der
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großen Etikettenfläche, welche zur detaillierten Kennzeichnung im Markt rege Ver-
wendung fände, keine Notwendigkeit für den Kunden, sich an dreidimensionalen
Gestaltungsmerkmalen zu orientieren. Hierfür sei höchstens eine besondere
Farbe hilfreich. Anderseits sei die angedeutete Kolben-Pleuel-Anordnung unter-
halb der Ausgießöffnung zwar originell, aber dennoch nicht ausreichend prägnant
in Bezug auf den Gesamteindruck, zumal im Verkaufsregal Ölkanister stets mit
einer der Etikettenflächen zum Kunden hin ausgerichtet seien. Es sei außerdem
fraglich, ob sich dem angesprochenen Verkehr die angedeutete Kolben-Pleuel-
Anordnung als solche überhaupt erschließe. Schließlich würden technisch erfah-
rene Käufer, die die Andeutung erkennen würden, darin einen Sachhinweis sehen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 22. Mai 2013, mit der
sie sinngemäß beantragt,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
11. April 2013 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen
worden ist.

Zur Begründung führt sie aus, die vermeintlich übliche Verkaufsposition, bei der
dem Kunden ein Etikett zugewandt sei, sei nicht allein maßgeblich zur Beurteilung
der Unterscheidungskraft des Anmeldezeichens. Vielmehr weise dieses in seiner
angemeldeten Form keinerlei Etikett auf und müsse in seiner Gesamtheit, also als
dreidimensionales Objekt geprüft werden. Eine bestimmte Seitenansicht sei hinge-
gen nicht maßgeblich. Tatsächlich trage die im Anmeldezeichen enthaltene Kol-
ben-Pleuelstangen-Anordnung dazu bei, dass ihm unabhängig von der Sichtbar-
keit des Etiketts, folglich auch bei einer andersartigen Verkaufspositionierung die
erforderliche Hinweisfunktion zukomme.

Ferner sei die Gestaltung durch die angedeutete Kolben-Pleuelstangen-Anord-
nung auch originell, da branchenübliche Verpackungen lediglich sachlich notwen-
dige oder abstrakte Gestaltungsmerkmale aufwiesen. Zwar sei die Anordnung klei-
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ner als die weiteren Bereiche des Kanisters. Diese seien allerdings lediglich
zweckmäßig geformt, würden also hinter ihr zurücktreten und von ihr nicht ablen-
ken. Die Kolben-Pleuelstangen-Anordnung dominiere daher den Gesamteindruck
des beanspruchten Zeichens. Sie sei schon deshalb für die angesprochenen Ver-
braucher – und nicht nur für technisch besonders erfahrene Käufer – erkennbar,
da jeder Autofahrer seit seiner Führerscheinausbildung den Kolbenmotor kenne.
Die Kolben-Pleuelstangen-Anordnung werde dabei aber nicht als Sachhinweis
verstanden. Ein solcher sei lediglich mit einem entsprechenden zweidimensiona-
len Aufdruck verbunden. Das Anmeldezeichen kombiniere aber die Andeutung der
Kolben-Pleuelstangen-Anordnung mit der Form des Kanisters in derart spezieller
Weise, dass ihm nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die Beschwerde ist begründet, da der Eintragung des Anmeldezeichens für die
beschwerdegegenständlichen Waren insbesondere nicht die Schutzhindernisse
des Fehlens der Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, des
Bestehens eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sowie
der Eignung zur Täuschung gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG entgegenstehen.


1. Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die dem Zeichen
innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufge-
fasst zu werden, das die von der Anmeldung erfassten Waren und Dienstleistun-
gen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese
somit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR
2012, 610, Rdnr. 42 – Freixenet; GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. – EUROHYPO;
BGH GRUR 2014, 569, Rdnr. 10 – HOT; GRUR 2013, 731, Rdnr. 11 – Kaleido;
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GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044, Rdnr. 9 – Neuschwan-
stein; GRUR 2010, 825, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2010, 935,
Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18 – FUSSBALL WM 2006). Denn
die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekenn-
zeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. EuGH GRUR
2006, 233, Rdnr. 45 – Standbeutel; GRUR 2006, 229, Rdnr. 27 – BioID; GRUR
2008, 608, Rdnr. 66 – EUROHYPO; BGH GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 – VISAGE;
GRUR 2009, 949, Rdnr. 10 – My World). Da allein das Fehlen jeglicher Unter-
scheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist nach der Rechtsprechung
des Bundesgerichtshofs ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch
noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu über-
winden (vgl. BGH GRUR 2012, 1143, Rdnr. 7 – Starsat; GRUR 2012, 1044,
Rdnr. 9 – Neuschwanstein; GRUR 2012, 270, Rdnr. 8 – Link economy).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der betei-
ligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels und/
oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers bzw. -abnehmers der fraglichen Produkte abzustellen
ist (vgl. EuGH GRUR 2006, 411, Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; GRUR
2004, 943, Rdnr. 24 – SAT.2; BGH GRUR 2010, 935, Rdnr. 8 – Die Vision; GRUR
2010, 825, Rdnr. 13 – Marlene-Dietrich-Bildnis II; GRUR 2006, 850, Rdnr. 18
– FUSSBALL WM 2006).

Unter solchen Umständen ist eine angemeldete Waren- oder Verpackungsform
nicht bereits deshalb unterscheidungskräftig, weil sie sich in irgendeiner Weise
von branchenüblichen Produktformen unterscheidet. Vielmehr vermag eine solche
dreidimensionale Marke die erforderliche Herkunftsfunktion nur dann zu erfüllen,
wenn sie erheblich von der Norm oder Branchenüblichkeit abweicht. Hierzu muss
die Marke charakteristische Merkmale aufweisen, die deutlich aus dem Rahmen
der gebräuchlichen Gestaltungsvielfalt auf dem jeweiligen Warengebiet fallen (vgl.
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Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 8, Rdnr. 283). Maßgeblich für die Beur-
teilung der Unterscheidungskraft einer Formmarke ist dabei der von ihr hervorge-
rufene Gesamteindruck.

a) Bei den angesprochenen Verkehrskreisen handelt es sich sowohl um Durch-
schnittsverbraucher als auch um Fachkreise, die sich beruflich mit Betriebsmitteln
für Maschinen beschäftigen.

b) Das dreidimensionale Zeichen weicht vorliegend erheblich von der branchen-
üblichen Gestaltung von Verpackungen der beschwerdegegenständlichen Waren
ab. Bei ihnen herrschen entweder rein zweckmäßige und teilweise technisch not-
wendige Verpackungsgestaltungsmerkmale vor oder diese erschöpfen sich in
leichten Abweichungen ästhetischer Art. Die im Anmeldezeichen enthaltende
Andeutung eines realen Gegenstandes, der von dem Produkt selbst und der not-
wendigen Verpackungsform unabhängig ist, ist bei vergleichbaren Verpackungen
für die beschwerdegegenständlichen Waren gänzlich unüblich. Dies zeigt zu-
nächst die vom Deutschen Patent- und Markenamt selbst durchgeführte Recher-
che (vgl. die Anlagen zum Beanstandungsbescheid vom 18. Januar 2013). Aber
auch eine ergänzend vom Senat durchgeführte Überprüfung hat ergeben, dass die
Andeutung eines konkreten Gegenstands als Bestandteil der Produktverpackung
für die verfahrensgegenständlichen Waren, insbesondere die Darstellung des
Teils, wo die Waren zur Anwendung kommen sollen, nicht üblich ist und erheblich
von sonstigen Verpackungsgestaltungen in der Branche abweicht.

So werden Antiklopfmittel, Bremsflüssigkeiten sowie Getriebefluide der Klasse 1
überwiegend in einer Art Flaschenform angeboten. Vereinzelt verwenden Anbieter
für ihre Waren zwar auch kanisterähnliche Verpackungen – diese sind jedoch
zumeist eher funktional gehalten. Die Inkorporierung eines konkreten Gegen-
stands als Designelement innerhalb der jeweiligen Verpackung findet sich bei
Drittanbietern nicht (vgl. Anlagen 1 bis 3, in denen – wie in den weiteren Anlagen
auch – eine Vielzahl von Verpackungen der betreffenden Waren abgebildet ist).
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Frostschutzmittel werden auf dem Markt üblicherweise in großen kanisterförmigen
Behältnissen vertrieben, wobei auch hier deren Funktionalität – primär deren Fas-
sungsvermögen – im Vordergrund steht, ohne dass ergänzend besondere Design-
elemente in die jeweiligen Behältnissen eingearbeitet sind (vgl. Anlage 4).

Ähnlich verhält es sich auch hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Waren in
Klasse 2. So werden Korrosionsschutzmittel überwiegend in Dosen- oder auch
Flaschenform angeboten. Lediglich vereinzelt verwenden Hersteller Kanister, ohne
diesen jedoch ein irgendwie geartetes besonderes Design zu verleihen (vgl.
Anlage 5). Auch Rostschutzmittel treten dem Verkehr überwiegend in Flaschen-
oder in Dosenform gegenüber. Auch hier weisen die teilweise verwendeten Kanis-
terformen keine besonderen gestalterischen Merkmale auf (Anlage 6). Entspre-
chend verhält es sich auch hinsichtlich der Ware Unterbodenschutz. Auch hier ist
wiederum die Dose als Verpackungsform vorherrschend (Anlage 7).

Ebenso ist bei den Waren Fettentferner und Reinigungsmittel der Klasse 3 die
Verwendung von Kanistern unüblich. Primär werden diese Produkte in Flaschen-
form angeboten, oftmals versehen mit einem Sprühkopf. Vereinzelt von einigen
Anbietern verwendete Kanister weisen wiederum keine besonderen Gestaltungen
auf (vgl. Anlagen 8 und 9).

Hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Waren in Klasse 4 hat die Recherche
des Senats ergeben, dass beispielsweise Automatikgetriebeöle überwiegend in
Flaschenform angeboten werden (vgl. Anlage 10). Bei Motorenölen finden zwar
überwiegend Kanister als Verpackung Verwendung, diese sind jedoch regelmäßig
ausschließlich funktional gehalten. Soweit diesbezüglich verwendete Kanister eine
individuelle Gestaltung aufweisen, beschränkt sich diese auf einfachste Elemente,
wie etwa die Verwendung von Rillenanordnungen. Die Einarbeitung konkreter Ge-
genstände als Bestandteil der jeweiligen Kanisterform selbst findet sich hingegen
bei keinem der dortigen Anbieter (vgl. Anlage 11). Entsprechend verhält es sich
auch hinsichtlich der Anbieter von Getriebeölen (vgl. Anlage 12). Schmiermittel
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wiederum werden überwiegend in Dosen- oder Flaschenform angeboten. Soweit
einzelne Anbieter insoweit auch Kanisterformen verwenden, weisen diese wieder
keine über deren bloße Zweckmäßigkeit hinausgehende besondere Gestaltungen
auf (vgl. Anlage 13).

c) Die Kolben-Pleuelstangen-Anordnung wirkt im maßgeblichen Gesamteindruck
nicht zu klein, um ausreichend prägnant zu sein und eine hinreichende Unter-
scheidungskraft zu begründen. Dies gilt auch unter Zugrundelegung einer auf die
Etikettenfläche gerichteten Perspektive. Es ist grundsätzlich nicht notwendig, dass
ein die Unterscheidungskraft begründendes Gestaltungsmerkmal einen bestimm-
ten Größenanteil des Gesamtzeichens ausmacht. Die Anmelderin hat zutreffend
ausgeführt, dass die übrigen Gestaltungsmerkmale des dreidimensionalen Zei-
chens im Wesentlichen zweckmäßig sind. Die Kolben-Pleuelstangen-Anordnung
ist dagegen originell und sticht somit gegenüber den weiteren rein zweckmäßigen
Gestaltungsmerkmalen hervor, dominiert also den Gesamteindruck des angemel-
deten Zeichens. Der angesprochene Verkehr wird originelle, von der Norm abwei-
chende Gestaltungselemente weitaus eher wahrnehmen, als solche, die der Funk-
tion oder Handhabung des Produkts dienen.

d) Entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamts in seinem
angegriffenen Beschluss kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass eine
Orientierung des Verbrauchers an dreidimensionalen Gestaltungsmerkmalen nicht
notwendig ist und somit unterbleibt. Für die beschwerdegegenständlichen Waren
ist vielmehr das Gegenteil anzunehmen. Da die besonders großen Etikettierflä-
chen üblicherweise eine Fülle von technischen Informationen enthalten, wird der
Verbraucher andere, einfachere Orientierungsmöglichkeiten suchen, um Rück-
schlüsse auf den entsprechenden Hersteller der Ware ziehen zu können. Hierfür
ist ein originelles Gestaltungselement des Kanisters in besonderem Maße geeig-
net, zumal wenn ein solches nicht technisch bedingt ist.
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Ein Großteil der angesprochenen Verkehrskreise (insbesondere die Fachkreise)
wird die Kolben-Pleuelstangen-Anordnung als solche erkennen. Dies gilt speziell
jedenfalls für den Großteil der beschwerdegegenständlichen Waren, die Betriebs-
mittel für Maschinen darstellen. Doch auch für die sonstigen Waren, insbesondere
Frostschutz- und Reinigungsmittel, ist zu berücksichtigen, dass der Hubkolbenmo-
tor eine so grundlegende technische Errungenschaft darstellt und demzufolge von
überwiegenden Bevölkerungskreisen erkannt wird. Unerheblich ist dabei, ob spe-
ziell der Verkehrskreis der Durchschnittsverbraucher die in Rede stehende Ver-
packungsgestaltung zutreffend mit Kolben-Pleuelstangen-Anordnung benennen
wird.

e) Die Kolben-Pleuelstangen-Anordnung ist auch nicht als klarer Sachhinweis auf
die beschwerdegegenständlichen Waren anzusehen. Sie vermittelt zwar gewisse
Assoziationen zu den beschwerdegegenständlichen Waren, die für Verbrennungs-
motoren bestimmt sind. Allerdings stellt das in Rede stehende Gestaltungsmerk-
mal keine naturgetreue Wiedergabe einer Kolben-Pleuelstangen-Anordnung dar.
Vielmehr handelt es sich um eine abstrakte und verfremdete Wiedergabe eines
Kolbens, an dem unten die Pleuelstange befestigt ist. Während letztgenannte
durch die längliche Ausformung unter Umständen schon auf den ersten Blick
erkannt werden kann, gilt dies für den darüber befindlichen Kolben eher nicht. Die
unterhalb der Ausflussöffnung angebrachten Rillen kommen sowohl als Griffhilfe
als auch als Teil des Kolbens in Betracht. Ebenso ist die Kurbelwelle lediglich
durch die oberhalb des Bodens angebrachte kreisförmige Vertiefung angedeutet.
Demzufolge kann die Kolben-Pleuelstangen- und Kurbelwellenkombination als sol-
che erst bei genauerem Hinschauen erkannt werden.

Zudem erschwert der in der Vorderansicht erkennbare breite, von unten nach
oben bis unter den Kolben verlaufende Steg die Interpretation der Gestaltung als
technisch korrekte Wiedergabe einer Kolben-Pleuelstangen-Anordnung. Er kann
durch die darunter befindlichen zwei Einkerbungen auch als dritte Pleuelstange
angesehen werden. Dies widerspricht jedoch den tatsächlichen Gegebenheiten in
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einer Hubkolbenmaschine, wo einem Kolben nur eine Pleuelstange zugeordnet ist.
Dieser Bruch mit der technischen Wirklichkeit führt allerdings dazu, dass der
Betrachter unabhängig von seiner jeweiligen Perspektive an eine Kolben-Pleuel-
stangen-Anordnung erinnert werden kann. Dies trägt wesentlich zur einem bloßen
Sachhinweis entgegenstehenden Originalität des Zeichens bei.


2. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass auch die Vorausset-
zungen für das Bestehen eines Freihaltebedürfnisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG nicht gegeben sind.


3. Soweit das Anmeldezeichen auch Schutz für Waren, wie etwa Unterboden-
schutz für Fahrgestelle, beansprucht, die keinen unmittelbaren Bezug zu Verbren-
nungsmotoren aufweisen, steht dessen Eintragung nicht das Schutzhindernis der
Täuschungsgefahr gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG entgegen. Die Zurückwei-
sung einer Markenanmeldung nach dieser Vorschrift kommt nur in Betracht, wenn
die Eignung zur Täuschung ersichtlich ist. Dies setzt voraus, dass in jedem nur
denkbaren Fall einer anmeldungsgemäßen Verwendung der Marke für die bean-
spruchten Waren Täuschungen auftreten. Demgegenüber schließt die auch nur
theoretische Möglichkeit einer nicht irreführenden Markenbenutzung die Täu-
schungsgefahr aus (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 8, Rdnr. 737).

Die Verkehrskreise, die die im Anmeldezeichen enthaltene Kolben-Pleuelstangen-
Anordnung als solche erkennen, können sie auch als Hinweis auf eine Maschine
oder ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor auffassen. Dafür können die oben
genannten Waren jedoch eingesetzt werden. Zudem vermindert die nicht naturge-
treue Wiedergabe der Kolben-Pleuelstangen-Anordnung die Gefahr, dass sie als
eindeutiger Hinweis auf die Verwendbarkeit aller beschwerdegegenständlichen
Waren in oder für Verbrennungsmotoren aufgefasst wird. Damit besteht die Mög-
lichkeit eines nicht irreführenden Einsatzes des Anmeldezeichens, was die
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Anwendbarkeit des besagten Schutzhindernisses der Täuschungsgefahr aus-
schließt (vgl. EuGH GRUR 2006, 416, Rdnr. 48 und 49 – ELIZABETH EMANUEL).

Die Verkehrskreise, welche in der auf der Vorderseite angebrachten Gestaltung
keine Kolben-Pleuelstangen-Anordnung sehen, werden das Anmeldezeichen nicht
als Sachhinweis auffassen. Demzufolge können sie keiner unzutreffenden Vorstel-
lung über den Bestimmungszweck der beschwerdegegenständlichen Waren unter-
liegen.

Weitere Eintragungshindernisse sind nicht ersichtlich, so dass der Beschwerde
stattzugeben war.


Dr. Kortbein Schmid Dr. Söchtig


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