28 W (pat) 501/15  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 501/15
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Markenanmeldung 30 2013 053 433.6


hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundepatentgerichts am
25. September 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof.
Dr. Kortbein, des Richters Schmid und des Richters Dr. Söchtig

- 2 -
beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
13. November 2014 wird aufgehoben, soweit die Anmeldung der
Marke 30 2013 053 433.6 für die Waren

Klasse 6: Unedle Metalle und deren Legierungen; Baumaterialien
aus Metall; transportable Bauten aus Metall; Schie-
nenbaumaterial aus Metall; Kabel und Drähte aus Metall
(nicht für elektrische Zwecke); Schlosserwaren und
Kleineisenwaren; Metallrohre; Geldschränke; Vorhänge-
schlösser; Waren aus Metall, soweit sie nicht in anderen
Klassen enthalten sind; Erze;

zurückgewiesen worden ist.


G r ü n d e :

I.

Die Wortfolge

Fucking sweet

ist am 3. Oktober 2013 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen
Patent- und Markenamt geführte Register für nachfolgende Waren angemeldet
worden:

- 3 -
Klasse 6:
Unedle Metalle und deren Legierungen; Baumaterialien aus Metall;
transportable Bauten aus Metall; Schienenbaumaterial aus Metall;
Kabel und Drähte aus Metall (nicht für elektrische Zwecke);
Schlosserwaren und Kleineisenwaren; Metallrohre; Geldschränke;
Vorhängeschlösser; Waren aus Metall, soweit sie nicht in anderen
Klassen enthalten sind; Erze;

Klasse 25:
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

Klasse 29:
Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes,
tiefgekühltes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten
(Gelees), Konfitüren, Kompotte; Eier, Milch und Milchprodukte;
Brotaufstriche, Speiseöle und -fette.

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 29, hat - nach
vorangegangener Beanstandung vom 2. Juli 2014 - die Anmeldung mit Beschluss
vom 13. November 2014 wegen Fehlens der Unterscheidungskraft gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vollumfänglich zurückgewiesen. Zur Begründung hat es
ausgeführt, die angemeldete Wortfolge erschöpfe sich in Bezug auf die bean-
spruchten Waren in einer als Werbespruch gefassten Sachangabe. Die
englischsprachige Wortfolge „Fucking sweet“ werde im Inland als umgangs-
sprachliche Aussage im Sinne von „verdammt süß“ oder „besonders süß“
verstanden. Das Publikum, das die genannte Bedeutung des Zeichens jedenfalls
in beachtlichen Teilen verstehe, nehme das Zeichen daher nicht als betrieblichen
Herkunftshinweis wahr.

- 4 -
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders vom 12. Dezember 2014,
mit der er sinngemäß beantragt hat,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes,
Markenstelle für Klasse 29, vom 13. November 2014 aufzuheben.


Zur Begründung hat er ausgeführt, der Eintragung des Anmeldezeichens stehe
kein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Es handele sich um
eine fremdsprachige Wortkombination, deren Sinngehalt von den angesprochenen
inländischen Verkehrskreisen nicht ohne Weiteres erfasst werde. Auch sei sie
ungewöhnlich, da sie über mehrere Bedeutungen verfüge. Keine davon vermittele
in Verbindung mit den beanspruchten Waren eine sachbeschreibende Aussage.

Mit Erklärung vom 16. August 2017, die dem Deutschen Patent- und Markenamt
am 18. August 2017 zuging, hat der Anmelder nach Hinweisen des Senats vom
30. Mai 2017 und vom 18. Juli 2017 die Anmeldung für die angemeldeten Waren
der Klassen 25 und 29 nicht weiter verfolgt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt
verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde ist - soweit über sie noch zu entscheiden war - be-
gründet.

- 5 -
1. Hinsichtlich der tenorierten Waren weist das Anmeldezeichen die für eine
Eintragung erforderliche Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
auf.

Unterscheidungskraft ist die einem Zeichen innewohnende (konkrete) Eignung,
vom Verkehr als Unterscheidungsmittel aufgefasst zu werden, das die von der
Anmeldung erfassten Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten
Unternehmen stammend kennzeichnet und diese somit von denjenigen anderer
Unternehmen unterscheidet (vgl. EuGH GRUR 2012, 610, Rdnr. 42 - Freixenet;
GRUR 2008, 608, Rdnr. 66 f. - EUROHYPO; BGH GRUR 2014, 569,
Rdnr. 10 - HOT). Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die
Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu
gewährleisten (vgl. EuGH GRUR 2006, 233, Rdnr. 45 - Standbeutel; BGH
GRUR 2008, 710, Rdnr. 12 - VISAGE).

Der Wortbestandteil „sweet“ der angemeldeten englischsprachigen Wortfolge
„Fucking sweet“ kann je nach Verwendungszusammenhang „süß“ (auch im Sinn
einer Geschmacksrichtung) oder „lieblich“, „possierlich“ bedeuten (vgl. Online-
wörterbuch Leo). Die Wortkomponente „fucking“ im wörtlichen Sinn ist eine
Beugungsform des Verbs „fuck“ im Sinne von „mit jemandem Geschlechtsverkehr
haben“. Vorrangig wird das Wort als derbes umgangssprachliches Bestim-
mungswort verwendet, um einen Sachverhalt als extrem zu kennzeichnen (vgl.
Wikipedia (DE), Stichwort „Fuck“). Wie die Markenstelle zutreffend angenommen
hat, kommt dem angemeldeten Zeichen damit die Bedeutung „verdammt süß“ zu.
Es bedarf hier keiner abschließenden Entscheidung darüber, ob das Publikum
diesen Sinngehalt zu erfassen vermag. Denn selbst bei Zugrundelegung dieses
Verständnisses bestehen in Bezug auf die noch beanspruchten Waren keine
Anhaltspunkte dafür, dass dem Zeichen die originäre Eignung als betrieblicher
Herkunftshinweis fehlt.

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In der Bedeutung „verdammt süß bzw. lieblich/possierlich“ stellt die Wortfolge
„Fucking sweet“ in Bezug auf die noch beanspruchten Waren der Klasse 6 keine
produktbeschreibende Angabe dar. Insbesondere liegt es fern, das Erschei-
nungsbild der hier in Rede stehenden Gebrauchsgüter als „lieblich“ oder
„possierlich“ zu qualifizieren. Auch als werbliche Anpreisung der beschwerde-
gegenständlichen Waren eignet sich der Ausdruck „verdammt süß“ oder „ver-
dammt lieblich“ nicht.


2. Aus vorstehend Gesagtem folgt im Ergebnis weiter, dass der Eintragung des
Anmeldezeichens für die Waren der Klasse 6 auch kein Freihaltebedürfnis gemäß
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht.


3. Ebenso liegen keine zureichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen des
Schutzhindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG vor.

Von einem Verstoß gegen die guten Sitten im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG
ist auszugehen, wenn das angemeldete Zeichen geeignet ist, das Empfinden der
angesprochenen Verkehrskreise erheblich zu verletzen, indem es etwa in
sittlicher, politischer oder religiöser Hinsicht anstößig oder herabwürdigend wirkt
oder eine grobe Geschmacksverletzung darstellt (vgl. BGH GRUR 2013, 729,
Rdnr. 9 - READY TO FUCK).

Hieran fehlt es vorliegend. Durch den Wortbestandteil „Fucking“ mag dem
Anmeldezeichen zwar ein derber, möglicherweise sogar vulgärer Unterton an-
haften. Von seiner ursprünglichen Wortbedeutung eines Hinweises auf den
Geschlechtsakt hat sich das Wort „Fucking“ jedoch zwischenzeitlich gelöst und
bringt im erweiterten Sinn die extreme Ausprägung einer Eigenschaft zum
Ausdruck. Auch unter Berücksichtigung der verbreiteten Verwendung des Begriffs
„Fucking“ im Inland (vgl. mit Beispielen „Online - Wörterbuch Uni Leipzig“) lässt
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sich ein sittlich anstößiger Sprachgebrauch oder eine grobe Geschmacks-
verletzung jedenfalls in der vorliegenden Wortbildung nicht feststellen. Der
Bestandteil „Fucking“ dient der Verstärkung des Begriffsgehalts des Elements
„sweet“, so dass er in der Wortfolge „verdammt süß“ bzw. „besonders possierlich“
Teil einer wertschätzenden oder anerkennenden Angabe geworden ist. Die
Prüfung des Eintragungshindernisses nach § 8 Abs. 2 Nr. 5 MarkenG lässt keine
Geschmackszensur zu. Soweit eine Liberalisierung der Anschauungen des
angesprochenen Verkehrs im Hinblick auf die Verwendung vulgärer, obszöner
oder beleidigender Worte stattgefunden hat, muss ihr Rechnung getragen werden
(vgl. BGHZ 130, 5, 7 f. - Busengrapscher; BPatG, BPatGE 46, 66, 68 ff.;
a. a. O. - READY TO FUCK; Ströbele in Ströbele/Hacker, Markengesetz,
11. Auflage, § 8, Rdnr. 774).

Der Beschwerde war daher stattzugeben.


Prof. Dr. Kortbein Dr. Söchtig Schmid



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