28 W (pat) 2/15  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



28 W (pat) 2/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
22. Juni 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Markenanmeldung 30 2014 004 902.3

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung am 22. Juni 2017 durch den Vorsitzenden Richter
Prof. Dr. Kortbein, den Richter Schmid und den Richter Dr. Söchtig
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beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 4 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 9. Oktober 2014 wird aufgehoben.


G r ü n d e

I.

Die Anmelderin hat am 14. Juli 2014 beim Deutschen Patent- und Markenamt
(DPMA) beantragt, die Wortfolge

TwinPower Turbo

als Wortmarke für die nachstehenden Waren in das beim DPMA geführte
Markenregister einzutragen:

Klasse 4:
Technische Öle und Fette; Schmiermittel.

Das Deutsche Patent- und Markenamt, Markenstelle für Klasse 4, hat die
Anmeldung nach vorausgehender Beanstandung durch Beschluss vom 9. Okto-
ber 2014 zurückgewiesen, da das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft
nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG der beantragten Eintragung entgegenstehe. Es hat
dazu ausgeführt, das angesprochene Publikum verstehe die englischsprachige
Wortfolge „TwinPower Turbo“ ausschließlich als Sachhinweis dahin, dass die
beanspruchten Waren Autos mit Turbomotoren eine doppelte Kraft verliehen. Das
Zeichen sei sprachüblich aus den bereits in die deutsche Sprache eingegangenen
Wörtern „Twin“ für „Zwilling, doppelt“ und „Power“ für „Kraft“ sowie ferner aus dem
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Fachbegriff „Turbo“ als Kürzel für Turbomotoren gebildet. Es weise damit nicht auf
die betriebliche Herkunft der angemeldeten Waren hin.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin vom 20. November 2014,
mit der sie beantragt, den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts vom
9. Oktober 2014 aufzuheben. Ferner hat sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde
angeregt, sofern der Beschwerde nicht stattgegeben werden sollte.

Ihrer Auffassung nach ist die Markenstelle unzutreffend davon ausgegangen, dass
das Publikum den zusammengehörigen Wortbestandteilen „TwinPower“ des
angemeldeten Zeichens die Bedeutung „Doppelkraft“ oder „doppelte Kraft“ bei-
messe. Vielmehr handele es sich um eine unübliche Wortverbindung. Denn das
Wortelement „Twin“ bezeichne wie das deutsche Wort „Zwilling“ ausschließlich ein
Personenpaar oder - im übertragenen Sinn - ein Paar von Gegenständen, das aus
zwei identischen oder jedenfalls ähnlichen Komponenten bestehe. Der Ausdruck
eigne sich damit nicht zur näheren Bestimmung des Wortbestandteils „Power“, der
keine zweiteiligen Eigenschaften aufweise. Dem angemeldeten Zeichen lasse sich
daher keine ohne Weiteres erkennbare Aussage zur Zusammensetzung der
beanspruchten Schmiermittel oder zur Verwendung für bestimmte Turbolader
entnehmen. Weiter weist die Anmelderin darauf hin, dass das Publikum die
gegenständliche Bezeichnung ausschließlich als Kennzeichnung der von ihr
hergestellten Motoren verstehe. Demzufolge könne dem Anmeldezeichen die
Schutzfähigkeit für die hier in Rede stehenden Waren der Klasse 4 wie
Schmiermittel nicht abgesprochen werden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.


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II.

Die zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 9. Oktober 2014 hat in der Sache Erfolg. Der Eintragung der
angemeldeten Wortfolge „TwinPower Turbo“ steht für die beanspruchten Waren
der Klasse 4 weder das Schutzhindernis fehlender Unterscheidungskraft gemäß
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG noch ein Freihaltungsinteresse nach § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG entgegen. Der angegriffene Beschluss war daher aufzuheben.


1. Einem Wortzeichen fehlt dann die erforderliche Unterscheidungskraft gemäß
§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wenn die angesprochenen Verkehrskreise ihm lediglich
einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt entnehmen
(EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 - Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270,
Rdnr. 11 - Link economy) oder wenn es aus gebräuchlichen Wörtern oder
Wendungen der deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache besteht,
die vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der
Werbung - stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden
werden (BGH GRUR 2016, 934, Rdnr. 12 - OUI; GRUR 2014, 872,
Rdnr. 21 - Gute Laune Drops). Darüber hinaus besitzen keine Unterschei-
dungskraft auch Zeichen, die sich auf Umstände beziehen, welche die bean-
spruchten Waren und Dienstleistungen zwar nicht unmittelbar betreffen, durch die
aber ein enger beschreibender Bezug zu diesen hergestellt wird und die sich
damit in einer beschreibenden Angabe erschöpfen (BGH GRUR 2014, 1204,
Rdnr. 12 - DüsseldorfCongress).

Nach diesen Grundsätzen kann der angemeldeten Wortmarke die erforderliche
Unterscheidungskraft nicht abgesprochen werden. Insbesondere erschöpft sie
sich entgegen der Auffassung des Deutschen Patent- und Markenamts nicht in
einem unmittelbar verständlichen Hinweis auf die Beschaffenheit oder Be-
stimmung der beanspruchten Waren „technische Öle und Fette; Schmiermittel“.
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a) Das etymologisch mit „two“ verwandte englischsprachige Wort „twin“ bedeutet
in erster Linie „Zwilling“. In diversen Wortkombinationen wird es auch bildhaft im
Sinn von „zwei“, „Paar“ oder „doppelt“ verwendet. So finden sich die Zu-
sammensetzungen „Twinset“ (vgl. Duden Online: Pullover und Jacke aus gleichem
Material und in gleicher Farbe), „twin conductor“ (vgl. Beolingus, Online
Wörterbuch TU Chemnitz: Doppelader), „twin drive“ (a. a. O.: Doppellaufwerk),
„twin needle“ (a. a. O.: Doppelnadel), „twin system“ (a. a. O.: Doppelsystem) oder
„twin wire“ (a. a. O.: Doppeldraht). Wie der Begriff „Twinset“ zeigt, wird das Wort
„twin" nicht nur für zwei gleichartige Komponenten verwendet. Vielmehr
bezeichnet es auch aufeinander bezogene Einheiten oder Teile. Es bestehen
keine Anhaltspunkte dafür, dass der spezifische Gehalt des Ausdrucks „Twin“
durch die tatsächliche Sprachentwicklung an Kontur verloren hätte. Der
deutschsprachige Begriff „Doppel-“ entspricht dem Ausdruck „Twin“ daher nur,
sofern damit eine zweiteilig ausgebildete Gestaltung beschrieben wird.

Das Zeichenelement „Power“ steht für „Kraft, Leistung“ (vgl. Duden Online -
Suchbegriff „Power“). Der weitere Bestandteil „Turbo“ der angemeldeten Marke ist
die Kurzform für „Turbomotor“, „Turbolader“ oder „Auto mit Turbomotor“ (vgl.
Duden Online - Suchbegriff „Turbo“).

Wie die Anmelderin zu Recht geltend macht, ergibt sich aus der verbundenen
Schreibweise der Zeichenbestandteile „TwinPower“, dass die Angabe „Twin“ im
angemeldeten Zeichen auf das Substantiv „Power“ bezogen ist. Eine direkte
Verknüpfung der Bestandteile „Twin“ und „Turbo“ lässt die angemeldete Wortfolge
dagegen nicht zu. Demnach vermittelt das angemeldete Zeichen im Deutschen
das Verständnis „Paarkraft Turbo“ oder „Doppelkraft Turbo“.


b) Davon ausgehend ist nicht ersichtlich, dass das Zeichen unmittelbar die
stoffliche Beschaffenheit der beanspruchten technischen Öle und Fette sowie
Schmiermittel beschreibt. Selbst wenn man unterstellt, dass das Wort „Twin“ in
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Verbindung mit flüssigen Substanzen Anwendung findet, ergibt sich weder aus
den durch das Deutsche Patent- und Markenamt getroffenen Feststellungen noch
aus den eigenen Ermittlungen des Senats, dass die in Rede stehenden Waren
einem Turbomotor doppelte Kraft verleihen. Sie können zwar aus mehreren
selbständigen, ihre Eigenschaften verändernden Komponenten zusammengesetzt
sein. Allerdings dienen die technischen Ölen, Fetten und Schmiermitteln
zugesetzten Additive regelmäßig nur der Verschleiß- bzw. Reibungsminderung,
dem Schutz vor Festfressen, Korrosion und Alterung, der Verbesserung der
Viskosität oder der Schaumverhütung (vgl. www.wikipedia.de - Suchbegriff:
Additiv), nicht jedoch der Erhöhung oder Verdoppelung der Kraft eines
Turbomotor. Demzufolge liegt es fern, das Anmeldezeichen dahingehend zu
verstehen, dass die genannten Waren durch ihre Zusammensetzung eine
doppelte Kraft oder eine doppelte Leistung hervorrufen. Zudem werden Öle, Fette
und Schmiermittel regelmäßig nicht zur Erzeugung einer Kraft, sondern zur
Erhaltung der Funktionsfähigkeit eines sich bewegenden mechanischen Systems
eingesetzt. Das vom Deutschen Patent- und Markenamt zugrunde gelegte
Verständnis des Ausdrucks „Twin“ im Sinn einer quantitativ zweifachen Kraft- oder
Leistungsentfaltung entspricht somit nicht den tatsächlichen Gegebenheiten.


c) Das Anmeldezeichen „TwinPower Turbo“ ist auch nicht ohne Weiteres als
Bestimmungsangabe dahingehend zu verstehen, dass die beanspruchten Waren
spezifisch für Motoren mit einem aus zwei Aggregaten bestehenden Turbolader
vorgesehen seien. Selbst wenn man davon ausginge, dass die Wortfolge
„TwinPower Turbo“ einen solchen Turbolader bezeichnen kann, drängt sich ein
derartiges Verständnis in Bezug auf technische Fette, Öle und Schmiermittel nicht
auf. Bestimmungsangaben sind regelmäßig bewusst einfach und klar gefasst, um
folgenschwere Missverständnisse über den Anwendungsbereich eines Produkts
zu vermeiden. Dies gilt gerade im hier betroffenen Warenbereich, in dem es für
das Publikum nicht auf der Hand liegt, dass technische Öle, Fette und
Schmiermittel spezifisch auf „Turbolader mit zwei Aggregaten“ abgestimmt sind.
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Sofern hier eine Bestimmungsangabe in Betracht gezogen wird, wird der Verkehr
vorrangig einen eingeführten bzw. klar verständlichen Begriff erwarten, wie
beispielsweise die Ausdrücke „Biturbo“ oder „Twin Turbo“ (vgl. Wikipe-
dia - Suchbegriff „Turbolader“ als Anlage 1 zur Ladung vom 29. Mai 2017).

Das angemeldete Zeichen vermittelt damit in Verbindung mit den konkret
beanspruchten Waren keinen eindeutigen, geschweige denn als Sachangabe
erkennbaren Begriffsgehalt. Es gibt folglich vorliegend keinen tatsächlichen Anhalt
dafür, dass ihm die Eignung als betrieblicher Herkunftshinweis und damit jegliche
Unterscheidungskraft fehlt.


2. Bei dieser Sachlage besteht vorliegend auch kein Freihaltungsinteresse nach
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Aus den vorgenannten Gründen eignet sich das
Anmeldezeichen nicht als Angabe über die Beschaffenheit oder sonstige
Merkmale der gegenständlichen Waren.

Der Beschwerde der Anmelderin war daher stattzugeben.


Prof. Dr. Kortbein Dr. Söchtig Richter Schmid
ist wegen Urlaubs an der
Unterzeichnung verhindert

Prof. Dr. Kortbein



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