28 W (pat) 18/17  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 18/17
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



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betreffend die Marke 30 2009 056 315
(hier: Löschungsverfahren S 119/16 Lösch)

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
30. August 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein,
des Richters Merzbach und des Richters Dr. Söchtig

beschlossen:

1. Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
30. September 2016 wird aufgehoben.

2. Die Sache wird zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung sowie
über den Löschungsantrag an das Deutsche Patent- und Markenamt
zurückverwiesen.

3. Der Antrag der Markeninhaberin auf Rückzahlung der
Beschwerdegebühr wird zurückgewiesen.

4. Die Markeninhaberin hat die Kosten dieses Beschwerdeverfahrens
zu tragen.

G r ü n d e :

I.

Die Wortmarke
Bosco
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ist am 23. September 2009 angemeldet und am 9. November 2009 in das beim
Deutschen Patent- und Markenamt geführte Register für die Waren der

„Klasse 19: Fliesen, Platten (Fliesen), Fliesenbeläge, sämtliche
Waren nicht aus Metall“

eingetragen worden.

Die Löschungsantragstellerin hat am 10. Juni 2016 einen Antrag auf vollständige
Löschung der Eintragung der Marke wegen des Bestehens absoluter Schutz-
hindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis Nr. 3 MarkenG gestellt. Der
Löschungsantrag ist der Markeninhaberin mit Schreiben vom 28. Juni 2016 am 29.
Juni 2016 unter Hinweis auf die zweimonatige Widerspruchsfrist des § 54 Abs. 2
Satz 2 MarkenG mittels Übergabeeinschreiben übersandt worden. Es wurde an
die Adresse „…str. , in A…“ geschickt. Binnen der Zwei-Monats-Frist
ging kein Widerspruch beim Deutschen Patent- und Markenamt ein.

Mit Beschluss vom 30. September 2016 hat das Deutsche Patent- und
Markenamt, Markenabteilung 3.4, die Eintragung der angegriffenen Marke
gelöscht. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Markeninhaberin habe der
Löschung nicht fristgerecht widersprochen. Der Beschluss ist der Markeninhaberin
mittels Übergabeeinschreiben am 5. Oktober 2016 zugesandt worden. Hierfür
wurde die gleiche Anschrift wie bei der Übersendung des Löschungsantrags
verwendet.
Erstmals mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 ist ein anwaltlicher Vertreter für die
Markeninhaberin aufgetreten und hat in ihrem Namen Beschwerde gegen den
Beschluss vom 30. September 2016 eingelegt. Er trägt vor, dass dieser am
6. Oktober 2016 der Markeninhaberin zugegangen sei. Sie habe keine Kenntnis
von dem Löschungsantrag gehabt. Insbesondere sei ihr ein solcher nicht
zugestellt worden. Erst durch die Zustellung des Löschungsbeschlusses des
Deutschen Patent- und Markenamtes am 6. Oktober 2016 habe sie erstmals von
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dem Löschungsverfahren erfahren. Im Übrigen sei der Löschungsantrag aber
auch unbegründet, was näher ausgeführt wird.

Der Senat hat daraufhin den Löschungsantrag sowie seine Begründung nebst
Anlagen mit Schreiben vom 17. März 2017 der Beschwerdeführerin am
24. März 2017 zugestellt. Eine weiterhin vom Senat veranlasste Sendungsver-
folgung durch die Deutsche Post AG hat ergeben, dass der Löschungsantrag
nebst Hinweis gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG am 30. Juni 2016 einem
Empfangsbevollmächtigten der Markeninhaberin mit dem Namen „N…“
zugestellt worden ist. Der Senat hat die Beteiligten durch gerichtlichen Hinweis
vom 28. April 2017 darüber informiert.

Im Anschluss daran hat die Markeninhaberin mit Schreiben vom 19. Mai 2017
vorgetragen, Frau N… sei bei ihr im fraglichen Zeitraum für den
Empfang der Post zuständig gewesen. Der Löschungsantrag nebst Hinweis auf
die Widerspruchsfrist sei jedoch nicht auffindbar. Die Frist zur Einlegung eines
Widerspruchs gegen die Löschung sei - unverschuldet - versäumt worden, weil
das die Frist auslösende Schreiben des Deutschen Patent- und Markenamts vom
28. Juni 2016 die für die Bearbeitung und Fristnotierung zuständige Mitarbeiterin
der Personal- und Rechtsabteilung, Frau A…, nicht erreicht
habe. Die Markeninhaberin legt in diesem Zusammenhang eine eidesstattliche
Versicherung von Frau A… vom 19. Mai 2017 vor, auf die wegen der
näheren Einzelheiten verwiesen wird.

Die Markeninhaberin beantragt in ihrem Schreiben vom 19. Mai 2017 zudem die
Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist. Das für die Fristversäu-
mung ursächliche Hindernis gemäß § 91 Abs. 2 MarkenG sei weggefallen,
nachdem sie durch den bei ihr am 5. Mai 2017 eingegangenen Hinweis des
Senats vom 28. April 2017 von der tatsächlich erfolgten Zustellung des Lö-
schungsantrags Kenntnis erlangt habe. Die Frist des § 91 Abs. 2 MarkenG sei
damit noch nicht abgelaufen. Sollte die Auffassung vertreten werden, dass das
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Hindernis gemäß § 91 Abs. 2 MarkenG bereits nach Kenntnis des Löschungs-
antrags weggefallen ist, so wäre dieses Hindernis mit der Zustellung des
Löschungsantrags an den Verfahrensbevollmächtigten der Markeninhaberin durch
den Senat am 24. März 2017 weggefallen, so dass die Frist des § 91 Abs. 2
MarkenG ebenfalls noch nicht verstrichen sei. Sollte man jedoch zu dem Schluss
gelangen, dass das Hindernis bereits mit Zustellung des Löschungsbeschlusses
des Deutschen Patent- und Markenamtes weggefallen sei - obgleich aus diesem
Beschluss der im Löschungsantrag angegebene Grund der Löschung nicht
hervorgehe -, so wäre das Hindernis am 6. Oktober 2016 weggefallen, so dass die
Frist nach § 91 Abs. 2 MarkenG am 6. Dezember 2016 abgelaufen wäre. Für
diesen Fall werde die Wiedereinsetzung in die Frist nach § 91 Abs. 2 MarkenG
beantragt. Jedenfalls für diese Frist sei ein Wegfall des Hindernisses erst mit
Bekanntwerden der die Wiedereinsetzung begründenden Umstände anzunehmen,
also mit Zustellung des Hinweises des Senats vom 28. April 2017. Die Frist für die
Beantragung der Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist wäre in diesem
Fall noch nicht abgelaufen. Die versäumte Handlung, nämlich die Einlegung des
Widerspruchs nach § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG sei bereits mit Schriftsatz vom
13. April 2017 nachgeholt worden.

Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,

1. Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist gemäß § 54 Abs. 2
Satz 2 MarkenG, gegebenenfalls in die Wiedereinsetzungsfrist
gemäß § 91 Abs. 2 MarkenG, und

2. den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamtes vom
30. September 2016 aufzuheben und den Löschungsantrag zurück-
zuweisen,

3. hilfsweise die Sache unter Aufhebung des angegriffenen Be-
schlusses zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung und den
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Löschungsantrag an das Deutsche Patent- und Markenamt
zurückzuverweisen,

4. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.


Die Löschungsantragstellerin beantragt sinngemäß,

1. den Antrag der Markeninhaberin auf Wiedereinsetzung in die
Widerspruchsfrist gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG, gege-
benenfalls ihren Antrag auf Wiedereinsetzung in die Wiederein-
setzungsfrist gemäß § 91 Abs. 2 MarkenG, zurückzuweisen, und

2. die Beschwerde zurückzuweisen,

3. hilfsweise die Sache unter Aufhebung des angegriffenen Be-
schlusses zur Entscheidung über die Wiedereinsetzung und den
Löschungsantrag an das Deutsche Patent- und Markenamt zurück-
zuverweisen,

4. der Markeninhaberin die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie
des Wiedereinsetzungsverfahrens aufzuerlegen.

Zur Begründung führt die Löschungsantragstellerin aus, der Löschungsantrag sei
der Markeninhaberin am 30. Juni 2016 zugestellt worden. Die Frist zur Einlegung
eines Widerspruchs sei somit am 30. August 2016 abgelaufen. Diese Frist habe
die Markeninhaberin versäumt. In der Sache sei der Löschungsantrag auch
begründet, was die Löschungsantragstellerin näher darlegt.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Widerspruchsfrist sei unbegründet, da die
materiellen Voraussetzungen für die begehrte Wiedereinsetzung von der Mar-
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keninhaberin nicht hinreichend dargetan worden seien. Die vorgelegte eides-
stattliche Versicherung von Frau A… reiche nicht aus. Sie gebe weder die
Geschehnisse am 30. Juni 2016 wieder, noch belege sie, dass Vorkehrungen
getroffen worden seien, um eine etwaige Fehlleitung von Amtspost im Hause der
Markeninhaberin zu verhindern.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung sei auch verspätet. In § 54 Abs. 2 MarkenG sei
nur festgelegt, dass das Deutsche Patent- und Markenamt den Markeninhaber
über den Antrag auf Löschung unterrichten, nicht jedoch auch zugleich den
Löschungsantrag zustellen müsse. Die Markeninhaberin habe am 6. Oktober 2016
von dem Löschungsantrag durch Zustellung des Löschungsbeschlusses Kenntnis
erlangt. Aus letztgenanntem gehe eindeutig hervor, dass sie, die Löschungs-
antragstellerin, einen Löschungsantrag wegen absoluter Schutzhindernisse
gemäß § 50 MarkenG gestellt habe. Damit sei die Markeninhaberin über den
Löschungsantrag gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG informiert worden. Dem
Löschungsbeschluss lasse sich darüber hinaus entnehmen, dass ihr der
Löschungsantrag mittels am 29. Juni 2016 abgesandtem Übergabeeinschreiben
zugestellt worden sei. Mithin habe die Markeninhaberin davon Kenntnis gehabt,
dass ihr der Löschungsantrag bereits am 30. Juni 2016 zugestellt worden war. Die
Frist zur Wiedereinsetzung sei somit am 6. Dezember 2016 abgelaufen.

Auch der Antrag auf Wiedereinsetzung in die Frist nach § 91 Abs. 2 MarkenG sei
nicht nachvollziehbar. Tatsache sei, dass die Markeninhaberin das falsche
Rechtsmittel eingelegt habe. Sie hätte zumindest parallel einen Wiederein-
setzungsantrag stellen müssen. Es sei ihr offenkundig zu keinem Zeitpunkt darum
gegangen, den Sachverhalt aufzuklären, sondern sie habe schlichtweg falsch
behauptet, dass der Löschungsantrag nie bei ihr eingegangen sei. Gründe für die
Wiedereinsetzung in die Frist nach § 91 Abs. 2 MarkenG seien nicht glaubhaft
gemacht. Da die Markeninhaberin zum Zeitpunkt der Einlegung der Beschwerde
anwaltlich vertreten gewesen sei, hätte sie neben der Beschwerde auch unschwer
einen Wiedereinsetzungsantrag stellen können.
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Der Kostenantrag sei deshalb veranlasst, weil die Markeninhaberin völlig verspätet
einen nicht begründeten Wiedereinsetzungsantrag gestellt habe, nachdem sie
zuvor falsch behauptet habe, der Löschungsantrag sei ihr nicht zugestellt worden.
Hinzu komme ihr mangelnder Wille, den Sachverhalt auf einfache Weise, nämlich
durch einen Anruf beim Deutschen Patent- und Markenamt aufzuklären, was die
Annahme einer Verfahrensführung ohne die erforderliche prozessuale Sorgfalt
belege.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Auf die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist der Beschluss vom
30. September 2016 aufzuheben und die Sache an das Deutsche Patent- und
Markenamt zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung in die
versäumte Widerspruchsfrist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG, gegebenenfalls in
die Frist des § 91 Abs. 2 MarkenG, sowie über den Löschungsantrag
zurückzuverweisen (§ 70 Abs. 3 Nr. 1 und Nr. 3 MarkenG).

1. Das Deutsche Patent- und Markenamt hat über den Wiedereinsetzungsantrag
der Markeninhaberin zu entscheiden.

Bei Versäumung der Frist des § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG kann gemäß § 91
Abs. 1 MarkenG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden.
Zuständig für die Entscheidung über den Wiedereinsetzungsantrag ist gemäß § 91
Abs. 6 MarkenG das Deutsche Patent- und Markenamt als die Stelle, die über den
Widerspruch gegen die Löschung zu beschließen hat. Das Bundespatentgericht
als Rechtsmittelgericht kann die Entscheidung nur dann ausnahmsweise an sich
ziehen, wenn der Antrag auf Wiedereinsetzung erstmalig im Beschwerdeverfahren
gestellt wird und sich die Voraussetzungen der Wiedereinsetzung ohne Weiteres
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aus den Akten ergeben (vgl. BPatG 24 W (pat) 26/12 - Blower Door unter Hinweis
auf BGH NJW 1982, 1873; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Auflage, §§ 53
Rdnr. 4, 54 Rdnr. 15). Die Entscheidungsbefugnis des Rechtsmittelgerichts wird
hingegen verneint, wenn dem Wiedereinsetzungsantrag nicht stattgegeben wer-
den kann. In einem solchen Fall ist die Sache zurückzuverweisen, weil dem
Antragsteller die Möglichkeit nicht entzogen werden darf, eine aufgrund der
Regelung in § 91 Abs. 7 MarkenG nicht anfechtbare Wiedereinsetzung durch das
Deutsche Patent- und Markenamt zu erwirken (s. zur vergleichbaren Situation im
Zivilprozess u. a. BGH NJW-RR 2014, 1532; BAG NJW 2004, 2112, 2113
Rdnr. 47).


2. Der Senat sieht unter Zugrundelegung der zum Zeitpunkt der Beschlussfassung
maßgeblichen Aktenlage keine Anhaltspunkte dafür, dass dem Antrag der Mar-
keninhaberin auf Wiedereinsetzung in die versäumte Widerspruchsfrist des § 54
Abs. 2 Satz 2 MarkenG stattgegeben werden kann. Es liegen - zumindest bis zu
dem genannten Zeitpunkt - nicht alle hierfür erforderlichen Voraussetzungen
gemäß § 91 Abs. 1 MarkenG vor.

a) Zwar hat die Markeninhaberin die zweimonatige Frist zur Einlegung des
Widerspruchs gegen die Löschung gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG versäumt.
Der Löschungsantrag ist ihrer Empfangsbevollmächtigten Frau N… am
30. Juni 2016 zugegangen (vgl. Auslieferungsbeleg der Deutschen Post AG zur
Sendungsnummer RB991679987DE als Anlage 9 zum gerichtlichen Hinweis vom
28. April 2017). Der Widerspruch wurde jedoch erst mit Schriftsatz vom
13. April 2017, eingegangen bei Gericht am selben Tage per Fax, erhoben. Zu
diesem Zeitpunkt war die Widerspruchsfrist bereits seit über sieben Monaten
abgelaufen.

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b) Allerdings dürfte die Markeninhaberin die Widerspruchsfrist schuldhaft versäumt
haben. Die von ihr vorgelegte eidesstattliche Versicherung ihrer Mitarbeiterin
A… vom 19. Mai 2017 vermag diesen Vorwurf nicht zu entkräften. Sie
beschränkt sich auf die Beschreibung des Postlaufs bei der Markeninhaberin und
die Aussage, dass andere Schriftstücke des Deutschen Patent- und Markenamts
bereits korrekt der Personal- und Rechtsabteilung zugegangen seien. Zur
ordnungsgemäßen Auswahl, Unterweisung und Beaufsichtigung von Frau N…,
die seit etwa zwanzig Jahren für die Postbearbeitung bei der Markeninhaberin
zuständig ist, enthält die eidesstattliche Versicherung jedoch keinerlei Angaben.
Diese sind jedoch bei Hilfskräften, deren Verschulden sich der Arbeitgeber nicht
zurechnen lassen muss, zwingend erforderlich, um feststellen zu können, ob er
selbst eine Obliegenheitsverletzung begangen hat (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O.,
§ 91, Rdnr. 11). Damit ist die Markeninhaberin ihrer Pflicht zur Glaubhaftmachung
der die Wiedereinsetzung begründenden Tatsachen gemäß § 91 Abs. 3 Satz 2
MarkenG nicht nachgekommen.

Die Obliegenheitsverletzung der Markeninhaberin wird nicht durch die Tatsache in
Frage gestellt, dass das Deutsche Patent- und Markenamt die Mitteilung gemäß
§ 54 Abs. 2 Satz 1 MarkenG vom 28. Juni 2016, mit dem ihr der Löschungsantrag
übersandt worden ist, falsch adressiert hat.

Zum einen hat die Markeninhaberin nicht nur in dem Formular zur Anmeldung der
von der Löschung betroffenen Marke 30 2009 056 315, sondern auch in dem
Begleitschreiben vom 23. September 2009 folgende unvollständige Zustellan-
schrift angegeben:

D… AG
…straße in
A…

Damit hat sie bereits selbst eine Ursache für spätere Zustellungsmängel gesetzt.
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Zum anderen sind die bisherigen Zustellungsmängel gemäß § 8 VwZG i. V. m.
§ 94 MarkenG geheilt. Mangels Nennung einer Hausnummer durch die
Markeninhaberin hat das Deutsche Patent- und Markenamt aus nicht
nachvollziehbaren Gründen alle amtlichen Schriftstücke an die Adresse
„…straße, A…“ und nicht an die korrekte Adresse „…str. ,
A…“ geschickt. Dennoch hat sie die Markeninhaberin ausweislich der
eidesstattlichen Versicherung von Frau A… vom 19. Mai 2017, des Aus-
lieferungsbelegs der Deutschen Post AG zur Sendungsnummer RB991679987DE
und der Aussage des anwaltlichen Vertreters der Markeninhaberin in seinem
Schriftsatz vom 19. Oktober 2016 erhalten. Insofern gelten die Schriftstücke des
Deutschen Patent- und Markenamts gemäß § 8 VwZG als in dem Zeitpunkt als
zugestellt, in dem sie der Markeninhaberin tatsächlich zugegangen sind. Der
Löschungsantrag ist somit der Markeninhaberin am 30. Juni 2016 nicht nur
zugegangen, sondern gilt auch an diesem Tag als zugestellt.

Die Möglichkeit der Heilung gemäß § 8 VwZG i. V. m. § 94 MarkenG entbindet
jedoch im Übrigen nicht das Deutsche Patent- und Markenamt von seiner
Verpflichtung, unvollständige Adressangaben beispielsweise mit Hilfe von Han-
delsregisterauszügen oder durch Nachfrage bei den Beteiligten zu ergänzen.

c) Auf die Frage, ob die Zwei-Monats-Frist gemäß § 91 Abs. 2 MarkenG versäumt
worden ist und bejahendenfalls die beantragte Wiedereinsetzung in diese Frist zu
gewähren ist, kommt es bei dieser Sachlage nicht mehr an.


3. Dem Antrag der Markeninhaberin auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr
kann nicht entsprochen werden.

Eine Rückzahlung kommt gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG nur aus Billigkeitsgründen
in Betracht, also wenn es auf Grund der besonderen Umstände unbillig wäre, die
Beschwerdegebühr einzubehalten (vgl. BPatGE 22, 29, 32; 26, 17, 22). Solche
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Billigkeitsgründe können sich insbesondere aus Verfahrensfehlern beim
Deutschen Patent- und Markenamt ergeben (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71,
Rdnr. 44). Dieses hat zwar bei der Zustellung der Mitteilung gemäß § 54 Abs. 2
Satz 1 MarkenG eine falsche Adresse verwendet. Dieser Fehler hat sich jedoch
nicht zu Ungunsten der Markeninhaberin ausgewirkt, da ihr dennoch das Schrift-
stück am 30. Juni 2016 zugegangen ist. Insofern war ihre Beschwerde entgegen
ihrer Vermutung nicht durch einen Verfahrensfehler des Deutschen Patent- und
Markenamts veranlasst.

Andere Gründe, die für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr sprechen, sind
nicht ersichtlich und auch nicht dargetan.


4. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG sind der Markeninhaberin die Kosten des
vorliegenden Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen.

Ein Abweichen von dem Grundsatz der Kostenaufhebung ist regelmäßig dann
geboten, wenn das Verhalten eines Verfahrensbeteiligten Kosten (ganz oder
teilweise) verursacht hat und mit der für die Wahrnehmung von Rechten zu
fordernden Sorgfalt nicht im Einklang steht (vgl. Kur/Albrecht, Markenrecht,
1. Auflage, 2017, § 71, Rdnr. 16). So liegt der Fall hier:

Die Beschwerde der Markeninhaberin hat zwar Erfolg, als die Sache tenorgemäß
an das Deutsche Patent- und Markenamt zurückverwiesen wird. Dies schließt
jedoch nicht aus, dass ihr als insoweit Obsiegende aus Billigkeitsgründen die
Kosten auferlegt werden (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 71, Rdnr. 11). Die
Zurückverweisung der Sache beruht vorliegend allein auf dem Umstand, dass das
angerufene Gericht nicht zur Entscheidung über den Antrag auf Wiedereinsetzung
in die Widerspruchsfrist gemäß § 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG berufen ist.
Vorliegendes Beschwerdeverfahren wurde ausweislich der Aktenlage durch das
Verhalten einer Mitarbeiterin der Markeninhaberin oder durch eine nicht die
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Weiterleitung von Schriftstücken an ihre Rechtsabteilung gewährleistende Ablauf-
organisation veranlasst. Durch diese der Markeninhaberin zuzurechnenden Um-
stände beschränkt es sich auf formale Fragen wie die Zustellung des
Löschungsantrags oder die Wiedereinsetzung in Fristen. Eine Entscheidung in der
Sache kann jedoch nicht oder unter Umständen erst zu einem späteren Zeitpunkt
getroffen werden.

Zudem hat der anwaltliche Vertreter der Markeninhaberin durch die pauschale
Aussage in seinem Schriftsatz vom 19. Oktber 2016, „die Markeninhaberin hat
bislang keine Kenntnis vom Löschungsantrag“, zu erkennen gegeben, dass er die
Frage des Zugangs des Schriftstücks bei seiner Mandantin nicht näher geprüft
hat. Auch er hätte die vom Senat veranlasste Sendungsverfolgung in die Wege
leiten und bei der die Post annehmenden Mitarbeiterin Frau N… nachfragen
können. Daher entspricht es der Billigkeit, der Markeninhaberin die in vorlie-
gendem Verfahren entstandenen Kosten aufzuerlegen (vgl. auch BPatG GRUR-
RR 2011, 438 - Fehlende Einzugsermächtigung).

Das Wiedereinsetzungsverfahren ist vorliegend Teil des Beschwerdeverfahrens
(§ 238 Abs. 1 Satz 1 ZPO i. V. m. § 82 Abs. 1 MarkenG). Die tenorierte
Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens umfasst somit die Kosten des
Wiedereinsetzungsverfahrens. Für die von der Beschwerdegegnerin beantragte
eigenständige Auferlegung der Kosten des Wiedereinsetzungsverfahrens ist somit
kein Raum.


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Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen
Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich
oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt
worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelas-
senen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des
Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einge-
reicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor
Fristablauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert
werden.


Prof. Dr. Kortbein Merzbach Dr. Söchtig



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