28 W (pat) 14/15  - 28. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




28 W (pat) 14/15
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



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betreffend die Marke 30 2009 049 554

hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
21. Februar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Prof. Dr. Kortbein
und der Richter Schmid und Dr. Söchtig

beschlossen:

Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die am 19. August 2009 angemeldete und am 1. Februar 2010 in das beim Deut-
schen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragene
Wortmarke 30 2009 049 554

Biomil

genießt nach einer Teillöschung u. a. noch Schutz für die nachstehenden Waren:
Klasse 5:

Aus pflanzlichen und tierischen Produkten gewonnene Eiweißpräparate
für medizinische Zwecke für die menschliche Ernährung; pharmazeuti-
sche Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse für Kinder und Kranke für
medizinische Zwecke; Babykost; alle vorgenannten Waren für den
menschlichen Verzehr; Lotionen, Cremes und Badezusätze für medizi-
nische Zwecke und insbesondere für Babys und Kleinkinder bestimmt;
Stilleinlagen;
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Klasse 29:

Aus pflanzlichen und tierischen Produkten gewonnene Eiweißpräparate
für die menschliche Ernährung; Fleisch, Fisch, Geflügel, Wild und
Fleischwaren; Fleischextrakte; Fleisch-, Fisch-, Obst- und Gemüse-
Gallerten; Konfitüren; Kompotte; Eier, Milch, Milchprodukte, nämlich
Butter, Käse, Sahne, Joghurt, Quark, Trockenmilch und Milcheiweiß für
Nahrungszwecke; Kinderdesserts, insbesondere Süßspeisen, im We-
sentlichen bestehend aus Milch und/oder Früchten; Desserts und Süß-
speisen, im Wesentlichen bestehend aus Milch, auch unter Verwen-
dung von Bindemitteln jeglicher Art; im Wesentlichen aus Früchten be-
stehende Desserts und Süßspeisen; Fertiggerichte und Halbfertigge-
richte, im Wesentlichen aus Fleisch, Geflügel, Wild, Fisch, Obst, Ge-
müse, Eiern, Milchprodukten, Hülsenfrüchten und/oder Kartoffeln her-
gestellt; Suppen; Fleisch-, Fisch-, Geflügel-, Wild-, Gemüse-, Obst-,
Milch-Konserven und Präserven; Speiseöle und -fette; alle vorgenann-
ten Waren auch als Tiefkühlkost; alle vorgenannten Waren auch für Di-
ätzwecke und diätetische Zwecke, nicht für medizinische Zwecke; diä-
tetische Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel für nicht-medizi-
nische Zwecke auf der Basis von Eiweißen, und/oder Fetten, unter Bei-
gabe von Fettsäuren, Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen,
entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 29 enthalten;
alle vorgenannten Waren für den menschlichen Verzehr;


Klasse 30:


Diätetische Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel für nicht-
medizinische Zwecke auf der Basis von Kohlehydraten und Ballast-
stoffen unter Beigabe von Vitaminen, Mineralstoffen, Spurenelementen,
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entweder einzeln oder in Kombination, soweit in Klasse 30 enthalten;
alle vorgenannten Waren für den menschlichen Verzehr.

Gegen die Eintragung der Marke im vorgenannten Umfang ist aus folgenden Mar-
ken der Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben worden:

1. Wort-/Bildmarke UM 008 370 777



am 17. Juni 2009 angemeldet und am 22. März 2010 für folgende Waren einge-
tragen:

Klasse 5:

Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte
für medizinische Zwecke, diätetische Substanzen für medizinische Zwecke,
Babykost; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke, Babykost;
Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztli-
che Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädlichen Tie-
ren; Fungizide, Herbizide;

Klasse 29:

Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrockne-
tes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren, Kom-
pott; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette;

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Klasse 30:

Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle
und Getreidepräparate, Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis;
Honig, Melassesirup, Hefe, Backpulver; Salz, Senf; Essig, Saucen (Würz-
mittel); Gewürze; Kühleis;

2. Wortmarke UM 000 041 319

BLEMIL

am 1. April 1996 angemeldet und am 26. Mai 1998 für folgende Waren eingetra-
gen:

Klasse 5:

Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse sowie Präparate
für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für medizinische Zwecke,
Babykost; Pflaster, Verbandmaterial; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für
zahnärztliche Zwecke; Desinfektionsmittel; Mittel zur Vertilgung von schädli-
chen Tieren; Fungizide, Herbizide;

Klasse 29:

Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrockne-
tes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees), Konfitüren; Frucht-
saucen; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle und -fette.
Das DPMA, Markenstelle für Klasse 29, hat die Widersprüche mit Beschluss vom
10. Dezember 2014 zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Hinblick auf den
Widerspruch aus der Wort-/Bildmarke UM 008 370 777 ausgeführt, es bestehe
zwischen den Vergleichszeichen keine Verwechslungsgefahr. Die sich gegen-
überstehenden Waren seien teilweise identisch. Ferner sei von durchschnittlicher
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Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke auszugehen, da für eine Steigerung
Anhaltspunkte fehlten. Auf die von der Widersprechenden geltend gemachte Be-
kanntheit der Unionsmarke in Spanien komme es nicht an, so dass allein auf das
Verkehrsverständnis im Bundesgebiet abzustellen sei. Bei Abwägung der rele-
vanten Umstände des Einzelfalls halte die angegriffene Marke den danach
erforderlichen deutlichen Zeichenabstand zur Widerspruchsmarke auch in
klanglicher und schriftbildlicher Hinsicht ein. Die Unterschiede im Bereich der
Wortanfänge „Bio“ und „Ble“ seien ausreichend deutlich, wobei der Bedeutungs-
gehalt der Anfangssilbe „Bio“ der angegriffenen Marke eine klare Abgrenzung der
Vergleichszeichen ermögliche. In Bezug auf den Widerspruch aus der Marke
UM 000 041 319 trägt die Markenstelle vor, dass ihre rechtserhaltende Benutzung,
welche die Inhaberin der angegriffenen Marke bestritten habe, nicht glaubhaft
gemacht worden sei. Insofern könne die Widersprechende keine Rechte aus der
Widerspruchsmarke geltend machen. Aus den von der Widersprechenden vorge-
legten Benutzungsunterlagen ergebe sich nicht, für welche Waren sie die Wider-
spruchsmarke im maßgeblichen Benutzungszeitraum verwendet habe.

Dagegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden vom
15. Januar 2015. Eine Beschwerdebegründung wurde nicht eingereicht. Vor dem
DPMA hat sie ausgeführt, dass die Vergleichszeichen insbesondere schriftbildlich
hochgradig ähnlich seien. Dies sei vor allem dann der Fall, wenn der erste Buch-
stabe in Großschreibung und die restlichen in Kleinschreibung erscheinen würden.
Auch seien die Unterschiede zwischen dem Vokal „i“ und dem Konsonanten „l“
sowie zwischen den Vokalen „o“ und „e“ nicht ohne Weiteres erkennbar. Hinzu
komme, dass die Aufmerksamkeit der angesprochenen Verkehrskreise beim Kauf
gerade von Säuglings- und Kindernahrung allenfalls durchschnittlich sei. Ange-
sichts der teilweisen Warenidentität bestehe somit zwischen den sich gegenüber-
stehenden Marken Verwechslungsgefahr.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

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den Beschluss des DPMA, Markenstelle für Klasse 29, vom
10. Dezember 2014 aufzuheben und wegen der Widersprüche aus
den Unionsmarken 008 370 777 und 000 041 319 die Löschung
der Eintragung der angegriffenen Marke 30 2009 049 554 anzu-
ordnen.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat sich im Beschwerdeverfahren nicht
geäußert. Vor dem DPMA hat sie den Standpunkt vertreten, dass die Marke „Bio-
mil“ sowohl klanglich als auch schriftbildlich ausreichend Abstand zu den Wider-
spruchsmarken einhält, um eine Verwechslungsgefahr hinsichtlich aller in An-
spruch genommenen Waren auszuschließen. Auf Grund der unterschiedlichen
Zeichenanfänge und ihrer abweichenden Silbenstruktur würden die Verbraucher
die Marken sowohl klanglich als auch schriftbildlich klar auseinanderhalten kön-
nen. Ein Großteil der von der jüngeren Marke beanspruchten Waren richteten sich
an Kranke und Kinder, so dass sie regelmäßig mit besonderer Sorgfalt und einem
erhöhten Grad an Aufmerksamkeit erworben werden würden. Auf die Einrede der
Nichtbenutzung der Widerspruchsmarke UM 000 041 319 habe die Widerspre-
chende die Benutzung nicht ausreichend glaubhaft gemacht, so dass die Einrede
aufrechterhalten bleibe.

Ergänzend wird auf den angefochtenen Beschluss der Markenstelle, die Schrift-
sätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist unbegründet. Das DPMA hat
das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr zwischen der angegriffenen Marke und
den Widerspruchsmarken UM 008 370 777 und UM 000 041 319 jedenfalls im
Ergebnis zutreffend verneint (vgl. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 125b Nr. 1
MarkenG).
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1. Möglichkeit zur Äußerung

Der Senat konnte in der Sache entscheiden, ohne der Beschwerdeführerin eine
Äußerungsfrist zu setzen oder einen beabsichtigten Termin zur Beschlussfas-
sung mitzuteilen. Dem Gebot des rechtlichen Gehörs (§ 78 Abs. 2 MarkenG,
Art. 103 Abs. 1 GG) wie auch dem rechtsstaatlichen Grundsatz eines fairen
Verfahrens ist entsprochen, wenn den Beteiligten eine angemessene Frist zur
Verfügung stand, zur Sache vorzutragen (vgl. BGH GRUR 1997, 223, 224 -
Ceco; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Auflage, § 66, Rdnr. 42). Dieser Anforde-
rung ist hier Rechnung getragen, nachdem die Beschwerdeführerin mehr als
zwei Jahre Gelegenheit hatte, ihre am 15. Januar 2015 eingelegte Beschwerde
zu begründen.

2. Widerspruch aus der Unionsmarke 000 041 319

Die Frage der Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist nach
ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung unter Berücksichtigung aller Um-
stände, insbesondere der zueinander in Wechselbeziehung stehenden Faktoren
der Ähnlichkeit der Marken, der Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren
oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke
zu beurteilen, wobei insbesondere ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken
durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder
durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden
kann und umgekehrt (vgl. EuGH GRUR 2010, 1098, Rdnr. 44 - Calvin
Klein/HABM; GRUR 2010, 933, Rdnr. 32 - Barbara Becker; BGH GRUR 2014,
488, Rdnr. 9 - DESPERADOS/DESPERADO).

Nach diesen Grundsätzen besteht im Verhältnis der angegriffenen Marke gegen-
über der Wortmarke „BLEMIL“ auch nach der Registerlage keine Gefahr von Ver-
wechslungen. Deswegen kann vorliegend dahingestellt bleiben, ob die Widerspre-
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chende auf die Nichtbenutzungseinrede der Inhaberin der angegriffenen Marke
eine rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht hat.

a) Verschiedene streitbefangene Waren der jüngeren Marke, wie insbeson-
dere „pharmazeutische Erzeugnisse; diätetische Erzeugnisse für Kinder und
Kranke für medizinische Zwecke; Babykost“ (Klasse 5) und „Fleisch, Fisch, Geflü-
gel, Wild; Fleischextrakte; Fleisch-, Fisch-, Obst- und Gemüse-Gallerten; Konfitü-
ren; Eier, Milch, Milchprodukte, nämlich Butter, Käse, Sahne, Joghurt, Quark, Tro-
ckenmilch und Milcheiweiß für Nahrungszwecke“ (Klasse 29), sind mit den für die
Widerspruchsmarke registrierten Waren identisch. In Bezug auf die weiteren an-
gegriffenen Waren der jüngeren Marke bedarf es keiner näheren Erörterung der
jeweils bestehenden Ähnlichkeitsgrade, da eine Verwechslungsgefahr zwischen
den Marken auch dann nicht besteht, wenn zu Gunsten der Widersprechenden
insoweit vom Vorliegen identischer Waren ausgegangen wird.

b) Die Widerspruchsmarke verfügt über durchschnittliche originäre Kennzeich-
nungskraft. Eine durch intensive Benutzung gesteigerte Kennzeichnungskraft ist
vorliegend nicht gegeben. Hierfür kommt es auf das Verkehrsverständnis im in
Rede stehenden Kollisionsgebiet an, im Streitfall also auf das Verkehrsverständnis
in der Bundesrepublik Deutschland (vgl. BGH GRUR 2013, 1239, Rdnr. 67 -
VOLKSWAGEN/Volks.Inspektion; BPatG Mitt 2016, 338, Rdnr. 41 - Oxford/Oxford
Club; a. A. EuGH, GRUR 2015, 1002, Rdnr. 26 ff. - be impulsive/IMPULSE). Eine
Benutzung und darauf beruhende Verkehrsbekanntheit der Widerspruchsmarke in
der Bundesrepublik Deutschland hat die Widersprechende jedoch nicht geltend
gemacht.

Selbst wenn hinsichtlich des Grades der Kennzeichnungskraft der älteren Uni-
onsmarke nicht auf das Kollisionsgebiet, sondern auf das Unionsgebiet abzustel-
len wäre, kann im Ergebnis nicht von einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke ausgegangen werden. Es lässt sich nämlich nicht feststellen,
dass der Widerspruchsmarke insoweit eine gesteigerte Kennzeichnungskraft
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zukommt. Entsprechende Tatsachen sind weder durch die Widersprechende
glaubhaft gemacht worden noch gerichtsbekannt (vgl. zur Glaubhaftmachung
BGH GRUR 2006, 859, Rdnr. 33 - Malteserkreuz; BPatG MarkenR 2015, 454,
Rdnr. 43 - Balkendarstellung).

Die in diesem Zusammenhang von der Widersprechenden eingereichte Stellung-
nahme des Generalmanagers der L…, S.L., vom 20. Juni 2010,
auf die die Widersprechende sich im Wesentlichen stützt, ist nicht geeignet, das
Vorliegen eines entsprechenden Verkehrsverständnisses in einem erheblichen
Teil des Unionsgebiets glaubhaft zu machen. Insbesondere enthält sie keine ei-
desstattliche oder eine gleichbedeutende Beteuerungsformel und ist daher nicht
als eidesstattliche Versicherung im Sinne des § 294 Abs. 1 ZPO einzuordnen.
Zwar ist auch sonstigen Erklärungen Dritter oder Beteiligter die Eignung zur
Glaubhaftmachung von Tatsachen nicht von vornherein abzusprechen. Allerdings
hat die vorgenannte Stellungnahme nur eine sehr geringe Aussagekraft, da nicht
erläutert wird, ob und wie die L…, S.L., und die Inhaberin der
Widerspruchsmarke verbunden sind. Demzufolge kann die Kompetenz des Ge-
neralmanagers zur Bekundung der in Rede stehenden Benutzungstatsachen
nicht nachvollzogen werden.

Letztlich kann die formale Eignung der vorgelegten Stellungnahme als Glaubhaft-
machungsmittel aber dahingestellt bleiben, weil sie auch in der Sache erhebliche
Lücken aufweist. Insbesondere geht aus den darin enthaltenen Aussagen zur
Benutzung der Marke in Spanien für Babymilchprodukte nicht hervor, in welcher
Art und Form die Widerspruchsmarke hierfür verwendet worden ist. Auch die in
der Stellungnahme enthaltenen Aussagen über eine Verkehrsbefragung der
Firma M…, nach der die Marke „BLEMIL“ in Spanien 79 % der Mütter
bekannt sei, trägt nicht die Annahme gesteigerter Kennzeichnungskraft der Wi-
derspruchsmarke in Spanien. Sie bezieht sich nicht auf alle Käufer von Baby-
milchprodukten, zu denen auch Väter und enge Familienangehörige zählen.
Ferner enthält die Stellungnahme keine Angaben zur Methodik der Befragung, so
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dass sich die Aussagekraft des Befragungsergebnisses einer sachgerechten
Bewertung entzieht.

c) Den demnach gebotenen Abstand zum älteren Zeichen hält die angegrif-
fene Marke noch ein. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass der
grundsätzlich normal informierte, angemessen aufmerksame und verständige
Durchschnittsverbraucher die auf den identischen niedrigpreisigen Lebensmitteln
der Klasse 29 aufgebrachte Kennzeichen regelmäßig nicht durchgängig mit unein-
geschränkter Aufmerksamkeit wahrnimmt (vgl. Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9,
Rdnr. 238 ff.). Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Mar-
kenähnlichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht be-
stehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr grundsätzlich
ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer dieser
Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind (vgl. Strö-
bele/Hacker, a. a. O., § 9, Rdnr. 254 m. w. N.).

(1) Die stärkste Annäherung der Streitzeichen besteht in schriftbildlicher Hin-
sicht. In diesem Zusammenhang kann offen bleiben, ob - wie von der Beschwer-
deführerin verneint - die bei Kleinschreibung der Binnenbuchstaben der Ver-
gleichszeichen noch bestehenden optischen Unterschiede alleine ausreichen, um
auch in Bezug auf die identischen Waren eine zuverlässige Abgrenzung der bei-
den Wortmarken zu gewährleisten. In diesem Fall sind nicht nur die Anfangsbuch-
staben identisch. Zusätzlich weisen der zweite und dritte Buchstabe („l“ und „i“
bzw. „e“ und „o“) übereinstimmend eine gerade vertikale bzw. eine runde Grund-
form auf.

Allerdings darf hierbei nicht außer Betracht bleiben, dass sich die abweichenden
Buchstabenfolgen „le“ und „io“ am Wortanfang befinden und dadurch deutlicher
auffallen. Hinzu kommt, dass es sich bei den beiden Marken um relativ kurze
Wörter handelt, bei denen Unterschiede stärker zu Tage treten. Schließlich hat die
Markenstelle zu Recht darauf hingewiesen, dass der Bestandteil „Bio-“ der ange-
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griffenen Marke einen sofort erkennbaren Bedeutungsgehalt aufweist, der einer
Verwechslungsgefahr der sich gegenüberstehenden Zeichen zusätzlich entge-
genwirkt. Es ist davon auszugehen, dass ihn der angesprochene Verkehr ohne
Weiteres im Sinne von „biologisch“ interpretieren wird. „Bio-“ stellt ein bekanntes
Kürzel dar, das als Präfix gerade in Verbindung mit Lebensmitteln und den in
Rede stehenden Waren der Klasse 5 umfangreich verwendet wird. Zusammenfas-
send ist damit eine Verwechslungsgefahr wegen schriftbildlicher Ähnlichkeit der
sich gegenüberstehenden Marken in ausreichendem Umfang nicht zu befürchten.

(2) In klanglicher Hinsicht unterscheiden sich die Vergleichszeichen im Bereich
der ersten Worthälfte erheblich. Im Wortbestandteil „Bio-“ der angegriffenen Marke
wird der Vokal „i“ kurz gesprochen und geht in den lang gesprochenen Laut „o“
über. Der dadurch entstehenden Klangeinheit, die durch den dunklen Laut „o“ do-
miniert wird, steht auf Seiten der Widerspruchsmarke der lange und helle Vokal „e“
gegenüber. Diese Abweichung tritt angesichts der für den Klangeindruck beson-
ders bedeutsamen Stellung der in Rede stehenden Bestandteile am Wortanfang
klar hervor. Ergänzend ist auch hier der Bedeutungsgehalt des Wortbestandteils
„Bio-“ der jüngeren Marke verwechslungsmindernd zu berücksichtigen.

(3) Es ist nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht, dass die beiden
Marken aus anderen Gründen verwechselt werden. Insbesondere liegen keine
Anhaltspunkte dafür vor, dass sie gedanklich miteinander in Verbindung gebracht
werden.

3. Widerspruch aus der Unionsmarke 008 370 777

Die angegriffene Marke hält auch zu der älteren Marke UM 008 370 777 den er-
forderlichen Abstand ein, um Verwechslungen im maßgeblichen Umfang aus-
schließen zu können. Zur Begründung wird auf die Ausführungen unter Ziffer 2.)
Bezug genommen, die entsprechend auch hier gelten. Insbesondere die Unter-
schiede am Zeichenanfang, die Kürze der beiden Marken und der Sinngehalt des
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Kürzels „Bio-“ mindern die durch die Binnenkleinschreibung der Widerspruchs-
marke geförderte Verwechslungsgefahr so weit, dass sie die Löschung der Ein-
tragung der jüngeren Marke nicht begründen kann.

4. Hinsichtlich der Kosten des Beschwerdeverfahrens verbleibt es bei der ge-
setzlichen Regelung des § 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG.


R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Be-
sorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes
vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrück-
lich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens ver-
letzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.
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Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelas-
senen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe, einge-
reicht werden. Die Frist ist nur gewahrt, wenn die Rechtsbeschwerde vor Fristab-
lauf beim Bundesgerichtshof eingeht. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Prof. Dr. Kortbein Dr. Söchtig Schmid

prö


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