27 W (pat) 578/16  - 27. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




27 W (pat) 578/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Markenanmeldung 30 2016 017 629.2

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
6. März 2017 durch die Vorsitzende Richterin Klante, den Richter Dr. Himmelmann
sowie die Richterin Lachenmayr-Nikolaou
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beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des
Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA), Markenstelle für
Klasse 25, vom 22. September 2016 insoweit aufgehoben, als die
Anmeldung in Bezug auf die in Klasse 25 angemeldete Ware „Hüft-
halter“ zurückgewiesen worden ist.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Anmelderin zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Am 20. Juni 2016 ist das Zeichen

Wohlfühlen ohne Bügel

für die nachfolgend genannten Waren der Klasse 25 zur Eintragung als Wort-
marke in das vom Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Marken-
register angemeldet worden:

Bekleidungsstücke; Miederwaren; Unterwäsche; Unterwäsche für Damen;
Korsetts; Büstenhalter; Hüfthalter; Nachtwäsche; Badebekleidung, ein-
schließlich Badekappen; Shirts; Strickjacken und Pullover.

Das DPMA, Markenstelle für Klasse 25, hat die Anmeldung mit Beschluss vom
22. September 2016, zugestellt am 27. September 2016, wegen fehlender Unter-
scheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG i. V. m. § 37 Abs. 1 MarkenG
teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Waren
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Bekleidungsstücke; Miederwaren; Unterwäsche; Unterwäsche für Damen;
Korsetts; Büstenhalter; Hüfthalter; Badebekleidung.

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die schutzsuchende Marke be-
stehe aus den allgemein verständlichen hintereinander stehenden Begriffen
„Wohlfühlen ohne Bügel“. Diese Angabe weise lediglich werbetypisch darauf hin,
dass es sich bei den so gekennzeichneten Waren um solche handelt, die „keinen
Bügel beinhalten“ und in denen man „sich wohlfühle“. Bei Unterwäsche, Mieder-
waren und vergleichbaren Waren seien oftmals Bügel zum Zwecke der Stabilisie-
rung, des besseren Halts und der Formgebung eingearbeitet. Dies sei den ange-
sprochenen Verkehrskreisen ebenso bekannt wie die Tatsache dass die Bügel
auch als unangenehm empfunden werden könnten. Die Angabe „Wohlfühlen ohne
Bügel“ werde aufgrund ihres bekannten Bedeutungsgehaltes von den Verkehrs-
kreisen lediglich als sachbezogene Information über die unter dieser Bezeichnung
angebotenen Waren verstanden, die sämtliche ein „Wohlfühlen ohne Bügel“ mög-
lich machen könnten. Daher handele es sich bei der angemeldeten Wortkombina-
tion in Bezug auf die nunmehr beschwerdegegenständlichen Waren um eine be-
schreibende Angabe, die von den angesprochenen Verbrauchern dementspre-
chend nicht als individualisierendes Betriebskennzeichen eines bestimmten Un-
ternehmens aufgefasst werde.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde vom 11. Okto-
ber 2016, beim DPMA eingegangen am 13. Oktober 2016.

Die Anmelderin hat sich im Beschwerdeverfahren nicht in der Sache geäußert. Im
Verfahren vor dem DPMA hat sie in ihrer Erwiderung auf den Beanstandungsbe-
scheid ausgeführt, das angemeldete Zeichen „Wohlfühlen ohne Bügel" habe je-
denfalls für Waren, die üblicherweise keine Bügel enthalten würden, keinen un-
mittelbar beschreibenden Charakter. Die angemeldete Wortkombination sei daher
nicht glatt beschreibend, so dass ihr die erforderliche markenrechtliche Unter-
scheidungskraft nicht abgesprochen werden könne.
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Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Marken-
stelle für Klasse 25, vom 22. September 2016 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss, die
Schriftsätze der Anmelderin und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die zulässige, insbesondere gem. § 64 Abs. 6 S. 1 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1
MarkenG statthafte und gem. § 66 Abs. 2 MarkenG fristgerecht eingelegte Be-
schwerde bleibt in der Sache weitgehend erfolglos. Sie ist in dem aus dem Be-
schlusstenor Ziff. 1 ersichtlichen Umfang begründet, da insoweit Eintragungshin-
dernisse nicht bestehen. Der angefochtene Beschluss war daher in diesem Um-
fang aufzuheben. Hinsichtlich der übrigen beschwerdegegenständlichen Waren
steht der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „Wohlfühlen ohne Bügel“ das
Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG entgegen, so dass die Markenstelle die Anmeldung gem. § 37 Abs. 1
MarkenG zu Recht zurückgewiesen hat.

1. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG schließt von der Eintragung als Marke Zeichen
aus, denen für die in der Anmeldung beanspruchten Waren und Dienstleis-
tungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt. Unterscheidungskraft ist die
einem Zeichen zukommende Eignung, die von der Anmeldung erfassten
Waren bzw. Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen
stammend zu kennzeichnen und so diese Waren und Dienstleistungen von
denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. u. a. EuGH,
GRUR 2010, 228, Rn. 33 – Audi/HABM [Vorsprung durch Technik]; EuGH,
GRUR 2004, 428, Rn. 30, 31 – Henkel; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9
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– OUI; BGH, GRUR 2014, 569, Rn. 10 – HOT; BGH, GRUR 2013, 731,
Rn. 11 – Kaleido; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 7 – Starsat; BGH, GRUR
2012, 270, Rn. 8 – Link economy; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 9
– DeutschlandCard; BGH, GRUR 2006, 850, Rn. 18 – FUSSBALL WM
2006).
Denn die Hauptfunktion einer Marke besteht darin, die Ursprungsidentität
der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten
(EuGH, GRUR 2008, 608, Rn. 66 – EUROHYPO; EuGH, GRUR 2006, 229,
Rn. 27 – BioID; BGH, GRUR 2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014,
565, Rn. 12 – smartbook; BGH, GRUR 2009, 952, Rn. 9
– DeutschlandCard). Dabei ist das Schutzhindernis der fehlenden Unter-
scheidungskraft im Lichte des Allgemeininteresses auszulegen, wobei die-
ses darin besteht, die Allgemeinheit vor ungerechtfertigten Rechtsmonopo-
len zu bewahren (EuGH, GRUR 2003, 604, Rn. 60 – Libertel; BGH, GRUR
2016, 934, Rn. 9 – OUI; BGH, GRUR 2014, 565, Rn. 17 – smartbook).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Zeichen, die einen be-
schreibenden Begriffsinhalt enthalten, der für die in Frage stehenden
Waren oder Dienstleistungen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten als sol-
cher erfasst wird. Bei derartigen beschreibenden Angaben gibt es keinen
tatsächlichen Anhaltspunkt, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel
versteht. Auch Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware
oder die Dienstleistung selbst nicht unmittelbar betreffen, fehlt die Unter-
scheidungskraft, wenn durch die Angabe ein enger beschreibender Bezug
zu den angemeldeten Waren oder Dienstleistungen hergestellt wird und
deshalb die Annahme gerechtfertigt ist, dass der Verkehr den beschreiben-
den Begriffsinhalt als solchen ohne Weiteres und ohne Unklarheiten erfasst
und in der Bezeichnung nicht ein Unterscheidungsmittel für die Herkunft der
angemeldeten Waren oder Dienstleistungen sieht (BGH, GRUR 2014, 569,
Rn. 10 – HOT; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 9 – Starsat; BGH, GRUR
2009, 952, Rn. 10 – DeutschlandCard; BGH, GRUR 2006, 850, Rn. 19
– FUSSBALL WM 2006). Kann dagegen einem Wortzeichen für die fragli-
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chen Waren oder Dienstleistungen kein im Vordergrund stehender be-
schreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch
nicht um Angaben, die aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der
deutschen oder einer bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr
– etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung –
stets nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wer-
den, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihm die Unterschei-
dungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH, GRUR
2016, 934, Rn. 12 – OUI; BGH, GRUR 2013, 731, Rn. 13 – Kaleido; BGH,
GRUR 2012, 270, Rn. 11 – Link economy; BGH, GRUR 2012, 1143, Rn. 9
– Starsat).
Die Bewertung der Verkehrsauffassung in Bezug auf die einschlägigen Wa-
ren und Dienstleistungen richtet sich insbesondere nach der Sicht des Han-
dels und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und
verständigen Durchschnittsverbrauchers (EuGH, GRUR 2006, 411, Rn. 24
– Matratzen Concord/Hukla; EuGH, GRUR 1999, 723, Rn. 29 – Chiemsee;
Ströbele in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 8 Rn. 42).
Dieser wird die Marke so wahrnehmen, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie
einer analysierenden Betrachtung zu unterziehen (BGH, GRUR 2012, 270,
Rn. 12 – Link economy).
Bei der Beurteilung des Schutzhindernisses der fehlenden Unterschei-
dungskraft kommt es auf das Verkehrsverständnis zum Zeitpunkt der An-
meldung des jeweiligen Zeichens an (BGH, GRUR 2013, 1143, Rn. 15
– Aus Akten werden Fakten).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die Unterscheidungskraft der angemeldeten
Bezeichnung in Verbindung mit den Waren der Klasse 25 „Bekleidungs-
stücke; Miederwaren; Unterwäsche; Unterwäsche für Damen; Korsetts;
Büstenhalter; Badebekleidung“ zu verneinen.

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Die angemeldete Wortfolge „Wohlfühlen ohne Bügel“ setzt sich aus allge-
mein verständlichen Worten der deutschen Sprache zusammen. Der ange-
sprochene Verkehr der beanspruchten Waren, zu dem neben dem Handel
auch der Endverbraucher gehört, wird diese Worte hinsichtlich solcher
Waren, die mit einem Bügel versehen sein können, dahingehend verste-
hen, dass die so bezeichnete Ware gerade nicht mit einem derartigen Bü-
gel ausgestattet sei und dass man sich mit dieser Ware gerade aus diesem
Grunde wohl fühlen könne.
Die beschwerdegegenständlichen Waren „Bekleidungsstücke; Miederwa-
ren; Unterwäsche; Unterwäsche für Damen; Korsetts; Büstenhalter; Bade-
bekleidung“ können alle mit eingearbeiteten Bügeln, denen eine stützende
oder formgebende Funktion zukommt, versehen sein. Die Markenstelle hat
ihrer Beanstandung vom 27. Juni 2016 sowie dem Beschluss vom 22. Sep-
tember 2016 jeweils Belege beigefügt, aus denen sich ergibt, dass insbe-
sondere Büstenhalter und Unterhemden dahingehend bezeichnet bzw. be-
worben werden, dass sie „ohne Bügel“ seien; desgleichen können Mieder-
waren und Korsetts mit Bügeln ausgestattet sein. Schließlich sind bei den
Bademoden insbesondere Bikinioberteile, die in ihrer Form Büstenhaltern
ähneln, mit oder ohne Bügel erhältlich. Bei den weiteren Waren „Unterwä-
sche; Unterwäsche für Damen“ handelt es sich um Oberbegriffe, unter die
die vorgenannten Büstenhalter und Unterhemden fallen. Alle diese Waren
fallen schließlich unter den weiten Oberbegriff „Bekleidungsstücke“.
Die Markenstelle hat schließlich zutreffend ausgeführt, dass ein Teil der
Verbraucher(innen) Kleidungsstücke mit Bügeln als unbequem empfinde,
so dass der Verzicht auf Bügel dazu führen könne, dass sich diese Ver-
braucher(innen) besonders wohl fühlen können. Dies ergibt sich auch aus
dem mit dem Beanstandungsbescheid zugesandten Beleg, in dem ausge-
führt ist, dass „BH´s ohne Bügel“ „besonders bequem und angenehm zu
tragen“ seien.
Aus diesen Gründen wird der angesprochene Verkehr der Bezeichnung
„Wohlfühlen ohne Bügel“ hinsichtlich der Waren „Bekleidungsstücke; Mie-
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derwaren; Unterwäsche; Unterwäsche für Damen; Korsetts; Büstenhalter;
Hüfthalter; Badebekleidung“ allein eine sachliche Information hinsichtlich
der Beschaffenheit dieser Waren entnehmen und in dieser keinen Her-
kunftshinweis sehen.

3. Offen bleiben kann, ob die Eintragung hinsichtlich dieser Waren zugleich
wegen eines Freihaltebedürfnisses gem. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu ver-
sagen ist. Für die Ablehnung der Eintragung des angemeldeten Zeichens
als Marke ist das Vorliegen eines der voneinander rechtlich unabhängig an-
wendbaren Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG ausrei-
chend (EuGH, GRUR 2008, 608, Rn. 54 – EUROHYPO; BGH, GRUR
2012, 272, Rn. 22 – Rheinpark-Center Neuss).

4. Hinsichtlich der weiteren Ware „Hüfthalter“ ist die angemeldete Wortfolge
dagegen keinem Eintragungshindernis im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder
Nr. 2 MarkenG ausgesetzt. Die Bügel, mit denen die unter Ziff. 2. Abgehan-
delten Waren ausgestattet sein können, haben jeweils die Funktion, die
weibliche Brust zu stützen. Die Recherche des Senats hat demgegenüber
keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Hüfthalter vertrieben werden, die
Bügel aufweisen, so dass der Angabe „Wohlfühlen ohne Bügel“ im Zusam-
menhang mit dieser Ware kein sinnvoller beschreibender Gehalt entnom-
men werden kann.

5. Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Anmel-
derin ihren Antrag auf Durchführung einer solchen (§ 69 Nr. 1 MarkenG) mit
Schriftsatz vom 1. März 2017 zurückgenommen hat und der Senat eine
mündliche Verhandlung auch nicht für geboten erachtet hat (§ 69 Nr. 3
MarkenG).

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III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.


Klante Dr. Himmelmann Lachenmayr-Nikolaou

Ko


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