27 W (pat) 21/15  - 27. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



27 W (pat) 21/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
30. März 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



- 2 -
betreffend die Marke 30 2011 042 821

hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 30. März 2017 durch die Vorsitzende Richterin
Klante, den Richter Paetzold sowie die Richterin Lachenmayr-Nikolaou

beschlossen:

Der Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts, Marken-
stelle für Klasse 25, vom 6. Februar 2015 wird auf die Beschwerde
der Widersprechenden aufgehoben.
Auf den Widerspruch aus der Marke IR 947 352 wird die Löschung
der Marke 30 2011 042 821 angeordnet.


G r ü n d e

I.

Die am 1. August 2011 angemeldete Wort-/Bildmarke



ist am 13. September 2011 unter der Nr. 30 2011 042 821 für die nachfolgend
genannten Waren der Klassen 18 und 25 in das beim Deutschen Patent- und
Markenamt (DPMA) geführte Markenregister eingetragen worden:

Klasse 18: Waren aus Leder und Lederimitationen, insbesondere Taschen; Hand-
taschen;
- 3 -
Klasse 25: Bekleidungsstücke, insbesondere Damenoberbekleidungsstücke; Kopf-
bedeckungen.

Die Veröffentlichung der Eintragung erfolgte am 14. Oktober 2011.

Gegen diese Marke hat die Inhaberin der am 25. Oktober 2007 eingetragenen
Wort-/Bildmarke IR 947 352


am 12. Januar 2012 Widerspruch erhoben. Die Widerspruchsmarke genießt in
Deutschland unter anderem Schutz für die nachfolgend genannten Waren der
Klassen 18 und 25:

Klasse 18. Leather and imitations of leather, and goods made of these materials
and not included in other classes; animal skins, hides; bags not in-
cluded in other classes, handbags, trunks and travelling bags; um-
brellas, parasols and walking sticks; whips, harness and saddlery,

Klasse 25. Clothing, leather belts [clothing], footwear, headgear.

Mit Beschluss vom 13. März 2013 hat das DPMA, Markenstelle für Klasse 25, auf
den Widerspruch zunächst die Löschung der angegriffenen
Marke 30 2011 042 821 ausgesprochen. Der Erstprüfer ist der Ansicht, es bestehe
klangliche Verwechslungsgefahr. Unter Berücksichtigung der vorliegenden Wa-
renidentität sowie einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke halte die jüngere Marke den erforderlichen Abstand nicht ein. Sie
werde im Gesamteindruck von dem vorangestellten Wort „Gracia“ geprägt, das mit
- 4 -
dem die Widerspruchsmarke prägenden Begriff „GARCIA´“ klanglich nahezu voll-
ständig übereinstimme. Das nachgestellte Element „N°1“ der angegriffenen Marke
sei deutlich kennzeichnungsschwächer als der Begriff „Gracia´“. Soweit es anprei-
send als Verweis auf ein Premium-Produkt aufgefasst werde, müsse mit seiner
Vernachlässigung bei der Benennung der Marke gerechnet werden. Soweit es als
Sortimentsbezeichnung (N° 1, N° 2, N° 3 etc.) aufgefasst werde, könne es bei der
Benennung zwar nicht weggelassen werden, eine solche auf die „eigentliche“
Marke folgende Sortiments-, Serien- oder Bestellnummer sei aber derart kenn-
zeichnungsschwach, dass der markenmäßige Schwerpunkt innerhalb des Ge-
samtzeichens bei dem voranstehenden, nicht unmittelbar warenbeschreibenden
Begriff „Gracia“ liege. Dieser sei daher in jedem Fall für sich selbständig kollisi-
onsbegründend.

Auf die Erinnerung vom 10. April 2013 hin hat das DPMA, Markenstelle für
Klasse 25, mit Beschluss vom 6. Februar 2015, der Widersprechenden und Be-
schwerdeführerin zugestellt am 17. Februar 2015, den Erstbeschluss aufgehoben
und den Widerspruch aus der Marke IR 947 352 zurückgewiesen.
Zur Begründung ist ausgeführt, die angegriffene Marke werde den angesichts ei-
ner möglichen Verwendung der Vergleichszeichen für identische Waren sowie
eines durchschnittlichen Schutzumfangs der Widerspruchsmarke geltenden stren-
gen Anforderungen an den einzuhaltenden Abstand gerecht. Die Vergleichszei-
chen würden sich in ihrem Gesamteindruck begrifflich, klanglich und schriftbildlich
ausreichend unterscheiden.
In klanglicher Hinsicht sei eine Prägung der Vergleichsmarken durch ihre Wortbe-
standteile „Gracia N°1“ und „GARCIA G“ anzunehmen. Diese Wortbestandteile
würden sich aufgrund der unterschiedlichen Endungen „Nummer 1“ und „Ge“ so-
wie auch aufgrund des schnell erfassbaren Sinngehalts des in der jüngeren Marke
enthaltenen spanischen Wortes „Gracia“ im Sinne von „Grazie“ (Anmut) hinreichen
unterscheiden. Die jeweils graphisch herausgestellten Bestandteile „N°1“ und „G“
träten nicht derart in den Hintergrund, dass sie nicht zum Gesamteindruck der Zei-
chen beitragen würden. Dies gelte auch für den Fall, dass der angesprochene
- 5 -
Verkehr den Wortbestandteil „N°1“ anpreisend im Sinne von „Premiumprodukt“
oder als Sortimentsbezeichnung verstehe, da dieser Bestandteil aufgrund seiner
Schriftgröße, seiner Stellung und Hervorhebung bei einer Benennung des Wortbe-
standteils nicht weggelassen werde, sondern vielmehr die angegriffene Marke
mitpräge.

Hiergegen richtet sich die Widersprechende mit ihrer am 16. März 2015 erhobe-
nen Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin verweist zur Begründung ihrer Beschwerde auf die Ent-
scheidung des Bundespatentgerichts pn printnet/PRINECT (BPatG, GRUR 2010,
441). Sie ist der Ansicht, der angesprochene Verkehr werde den räumlich und
gestalterisch von dem weiteren Bestandteil der Widerspruchsmarke abgesetzten
Einzelbuchstaben „G“ als Abkürzung von „GARCIA“ wahrnehmen und ihm keine
eigenständige Bedeutung zumessen. Ebenso setze sich der Bestandteil „N°1“ der
angegriffenen Marke gestalterisch, räumlich und größenmäßig von dem Wort
„Gracia“ ab und habe eine beschreibende Bedeutung, so dass der Verkehr diesem
die Aussage „Topprodukt der Marke Gracia“ oder „Gracia ist die Nummer 1“ ent-
nehmen werde und ihn nicht als ein den Gesamteindruck prägendes Element
auffassen werde. Aus diesem Grunde seien die Worte „Garcia“ und „GRACIA“
gegenüberzustellen. Zur Verwechslungsgefahr könne auf die zutreffenden Ausfüh-
rungen im Erstbeschluss verwiesen werden.

Die Widersprechende und Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss des DPMA, Markenstelle für Klasse 25, vom
6. Februar 2015 aufzuheben und wegen des Widerspruchs aus der
Marke IR 947 352 die Löschung der angegriffenen Marke
30 2011 042 821 anzuordnen.

Die Beschwerdegegnerin und Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.
- 6 -
Zur Begründung ihres Antrags verweist sie auf ihre im Verfahren vor dem DPMA
eingereichten Schriftsätze. Zur mündlichen Verhandlung ist sie nicht erschienen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Beschlüsse des DPMA, die
Schriftsätze der Beteiligten und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die zulässige, insbesondere gem. § 66 Abs. 1 MarkenG statthafte und gem. § 66
Abs. 2 MarkenG fristgerecht eingelegte Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Zwischen den Vergleichsmarken besteht Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs. 1
Nr. 2 MarkenG i. V. m. § 119 MarkenG. Daher war der Erinnerungsbeschluss auf-
zuheben und zudem war – aus Gründen der besseren Verständlichkeit des Tenors
der Entscheidung (vgl. zu den unterschiedlichen Tenorierungen Knoll in: Strö-
bele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. 2015, § 70, Rn. 16) – gem. §§ 43 Abs. 2 Satz 1,
42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG die Löschung der angegriffenen Marke 30 2011 042 821
anzuordnen.

Das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr für das Publikum ist nach ständiger
Rechtsprechung sowohl des Europäischen Gerichtshofes als auch des Bundesge-
richtshofes unter Berücksichtigung aller relevanten Umstände des Einzelfalls zu
beurteilen (vgl. hierzu z. B. EuGH, GRUR 2010, 933, Rn. 32 – BARBARA
BECKER; EuGH, GRUR 2010, 1098, Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; BGH, GRUR
2012, 64, Rn. 9 – Maalox/Melox–GRY; BGH, GRUR 2012, 1040, Rn. 25 –
pjur/pure; BGH, GRUR 2013, 833, Rn. 30 – Culinaria/Villa Culinaria; BGH, GRUR
2016, 382, Rn. 19 – BioGourmet; BGH, GRUR 2016, 283, Rn. 7, BSA/DSA
DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Von maßgeblicher Bedeutung
sind insoweit insbesondere die Identität oder Ähnlichkeit der Waren, die Identität
oder Ähnlichkeit der Marken sowie die Kennzeichnungskraft und der daraus fol-
gende Schutzumfang der Widerspruchsmarke. Diese einzelnen Faktoren sind
- 7 -
zwar für sich gesehen voneinander unabhängig, bestimmen aber in ihrer Wech-
selwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungsgefahr (vgl. dazu EuGH, GRUR
2008, 343, Rn. 48 – Il Ponte Finanziaria Spa/HABM; BGH, GRUR 2012, 64, Rn. 9
– Maalox/Melox–GRY; BGH, GRUR 2012, 1040, Rn. 25 – pjur/pure; siehe auch
Hacker in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 41 ff. m. w. N.).
Darüber hinaus können für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr weitere
Faktoren relevant sein, wie u. a. etwa die Art der Ware, die im Einzelfall angespro-
chenen Verkehrskreise und daraus folgend die zu erwartende Aufmerksamkeit
und das zu erwartende Differenzierungsvermögen dieser Verkehrskreise bei der
Wahrnehmung der Kennzeichen. Bei dieser umfassenden Beurteilung der Ver-
wechslungsgefahr ist auf den durch die Zeichen hervorgerufenen Gesamteindruck
abzustellen, wobei insbesondere ihre unterscheidungskräftigen und dominieren-
den Elemente zu berücksichtigen sind (BGH, GRUR 2016, 382, Rn. 37 – Bio-
Gourmet; BGH, GRUR 2014, 382, Rn. 14 – REAL-Chips; BGH, GRUR 2013, 833,
Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria).

1. Die Vergleichszeichen können sich vorliegend auf identischen Waren der
Klassen 18 und 25 begegnen. Bei der Beurteilung der Warenähnlichkeit ist
von der Registerlage auszugehen, da Benutzungsfragen nicht aufgeworfen
wurden.

2. Die Widerspruchsmarke verfügt über durchschnittliche Kennzeichnungs-
kraft.
Die originäre Kennzeichnungskraft wird bestimmt durch die Eignung der
Marke, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterschei-
dungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei
den beteiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienst-
leistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden
(vgl. EuGH, GRUR 2010, 228, Rn. 33 – Audi/HABM [Vorsprung durch
Technik]; BGH, GRUR 2016, 283, Tz. 10 – BSA/DSA DEUTSCHE
SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; BGH, GRUR 2015, 1127, Rn. 10 –
- 8 -
ISET/ISETsolar; BGH, GRUR 2014, 382, Rn. 18 – REAL-Chips; BGH,
GRUR 2012, 1040, Tz. 29 – pjur/pure). Liegen keine konkreten Anhalts-
punkte vor, die für eine hohe oder geringe Kennzeichnungskraft sprechen,
ist von normaler oder – was dem entspricht – durchschnittlicher Kennzeich-
nungskraft auszugehen (vgl. BGH, GRUR 2016, 283, Rn. 10 – BSA/DAS
DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; BGH, GRUR 2012, 64,
Rn. 12 – Maalox/Melox-GRY).
Vorliegend weist die Widerspruchsmarke keinen beschreibenden Gehalt in
Bezug auf die von ihr beanspruchten Waren auf und verfügt dementspre-
chend über eine originär durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Für eine
Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aufgrund Be-
nutzung sind Anhaltspunkte nicht ersichtlich.

3. Die hier relevanten Vergleichswaren der Klassen 18 und 25 richten sich ins-
besondere an den Endverbraucher. Bei der Prüfung der Verwechslungs-
gefahr kommt es daher auf die Auffassung des normal informierten, ange-
messen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers der in
Rede stehenden Waren an (BGH, GRUR 2013, 631, 1. Leitsatz -
AMARULA/Marulablu).
Bei preislich gehobenen Produkten dieser Klassen, bei denen die Verbrau-
cher oftmals ein besonderes Markenbewusstsein an den Tag legen, ist die
Aufmerksamkeit und Sorgfalt des angesprochenen Verkehrs beim Kauf et-
was erhöht, bei sonstigen, häufig niedrigpreisigen Waren dieser Klassen ist
demgegenüber von einem geringeren Aufmerksamkeitsgrad auszugehen
(vgl. auch BPatG, Beschluss vom 1.6.2016 – 29 W (pat) 64/14 – Inselkind).
Zugunsten der Beschwerdeführerin wird vorliegend bei der Beurteilung der
Verwechslungsgefahr eine leicht erhöhte Aufmerksamkeit des angespro-
chenen Verkehrs zugrunde gelegt.

4. Im Rahmen der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr erforderlichen
Gesamtabwägung hält die jüngere Marke den vor dem Hintergrund der
- 9 -
Identität der Vergleichswaren und der durchschnittlichen Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarke gebotenen deutlichen Abstand (vgl. BGH,
GRUR 2015, 1004, Rn. 51 – IPS/ISP) nicht ein.

a) Eine für das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr relevante Markenähn-
lichkeit kann in klanglicher, schriftbildlicher oder begrifflicher Hinsicht be-
stehen, wobei es für die Annahme einer Verwechslungsgefahr regelmäßig
ausreicht, wenn zwischen den jeweiligen Vergleichsmarken nur in einer
dieser Kategorien ausreichende Übereinstimmungen festzustellen sind
(BGH, GRUR 2015, 1004, Rn. 22 – IPS/ISP; BGH, GRUR 2014, 382,
Rn. 25 – REAL-Chips; BGH, GRUR 2011, 824, Rn. 25 f. – Kappa; Hacker
in: Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 254 m. w. N.).
Dabei sind grundsätzlich die Vergleichsmarken als Ganzes gegenüberzu-
stellen und in ihrem Gesamteindruck miteinander zu vergleichen, da der
Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer
analysierenden und zergliedernden Betrachtungsweise zu unterziehen
(BGH, GRUR 2013, 833, Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; Hacker in: Strö-
bele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 237 m. w. N.).
Dies schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestand-
teile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der
angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend
sein können (vgl. EuGH, GRUR 2005, 1042 – THOMSON LIFE; BGH,
GRUR 2013, 833, Rn. 45 – Culinaria/Villa Culinaria; BGH, GRUR 2006,
859, Rn. 18 – Malteserkreuz I).
Des Weiteren kann ein Zeichen, das als Bestandteil in eine zusammenge-
setzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, eine
selbstständig kennzeichnende Stellung haben, ohne dass es das Erschei-
nungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung
im vorgenannten Sinne dominiert oder prägt (vgl. EuGH, GRUR 2005,
1042, Rn. 30 – THOMSON LIFE; BGH, GRUR 2013, 833, Rn. 45 – Culina-
ria/Villa Culinaria; BGH, GRUR 2009, 772, Rn. 57 – Augsburger Puppen-
- 10 -
kiste m. w. N.). Bei Identität oder relevanter Ähnlichkeit dieses selbstständig
kennzeichnenden Bestandteils mit einer angemeldeten oder eingetragenen
Marke mit älterem Zeitrang kann das Vorliegen von Verwechslungsgefahr
zu bejahen sein, weil dadurch bei den angesprochenen Verkehrskreisen
der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren oder
Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen
Unternehmen stammen (vgl. EuGH, GRUR 2005, 1042, Rn. 30 –
THOMSON LIFE; BGH, GRUR 2013, 833, Rn. 45 – Culinaria/Villa Culina-
ria; BGH, GRUR 2009, 772, Rn. 57 – Augsburger Puppenkiste m. w. N.).
Bei der Feststellung des Gesamteindrucks können auch für sich genommen
schutzunfähige Bestandteile mit zu berücksichtigen sein (vgl. EuGH, GRUR
2016, 80 – BGW/Scholz; BGH, GRUR 2016, 382, Rn. 37 – BioGourmet;
BGH, GRUR 2004, 783 – NEURO-VIBOLEX/NEURO-FIBRAFLEX). Jedoch
kann eine zur Verwechslungsgefahr führende Zeichenähnlichkeit allein im
Hinblick auf eine Übereinstimmung in schutzunfähigen Bestandteilen nicht
angenommen werden (vgl. BGH, GRUR 2016, 382, Rn. 37 – BioGourmet;
BGH, GRUR 2016, 283, Rn. 18 – BSA/DSA DEUTSCHE SPORTMANAGE-
MENTAKADEMIE).

b) Bei den Vergleichsmarken handelt es sich jeweils um komplexe Marken,
die aus mehreren Elementen bestehen. Es handelt sich jeweils um Wort-
Bildmarken, deren Wortbestandteile wiederum aus mehreren Elementen
bestehen. So setzt sich die angegriffene Marke aus den
graphisch gestalteten Bestandteilen „Grazia“ und „N°1“ zusammen, die Wi-
derspruchsmarke aus dem Wort „GARCIA´“ sowie dem hochge-
stellten, sich in einer roten „Sprechblase“ befindlichen Buchstaben „G“. Der
angesprochene Verkehr wird sowohl in der angegriffenen Marke als auch in
der Widerspruchsmarke jeweils ein einheitliches Kennzeichen – und nicht
die Kombination zweier Kennzeichen – sehen. Dies ergibt sich in Bezug auf
- 11 -
die Widerspruchsmarke bereits aus der schriftbildlichen Anordnung des
Buchstabens „G“, der sich gleichsam wie ein Akzentzeichen über dem
Buchstaben „I“ im Wort „GARCIA“ befindet. Ebenso wird der Verkehr in der
jüngeren Marke ein einheitliches Kennzeichen und nicht die Verbindung
zweier selbständiger Kennzeichen sehen. Auch wenn die beiden Bestand-
teile der angegriffenen Marke einen jeweils in unterschiedlichen Schriftty-
pen ausgestaltet sind, so steht dem Verständnis zweier selbständiger
Kennzeichnungen entgegen, dass das Element „N°1“ als werbliche Anprei-
sung, nämlich als Hinweis auf eine besondere Qualität der Waren oder auf
eine Marktführerschaft des Herstellers im Sinne von „Die Nummer 1“, oder
aber als Bezeichnung einer Produktserie/-linie verstanden wird und daher
inhaltlich auf das vorangestellte Wort „Gracia“ bezogen wird. Zudem sind
die beiden Bestandteile durch ihre Anordnung auch optisch aufeinander
bezogen.

c) Die angegriffene Marke wird klanglich durch den Bestandteil „Gracia“, die
Widerspruchsmarke durch das Wort „GARCIA“ geprägt.

Damit einzelne Bestandteile eines Zeichens dessen Gesamteindruck prä-
gen, müssen die anderen Bestandteile des Kombinationszeichens weitge-
hend in den Hintergrund treten und dürfen den Gesamteindruck des Zei-
chens nicht mitbestimmen (BGH, GRUR 2016, 283, Rn. 13 – BSA/DAS
DEUTSCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE; Büscher / Dittmer /
Schiwy: Gewerblicher Rechtsschutz, 3. Aufl. 2014, § 14, Rn. 324).

Dies ist zunächst im Hinblick auf den Bestandteil „GRACIA´“ der Wider-
spruchsmarke anzunehmen.
In Bezug auf den klanglichen Gesamteindruck einer Wort-/Bildmarke gilt
der Erfahrungssatz, dass der Verkehr in der Regel dem Wortbestandteil als
einfachster und kürzester Bezeichnungsform die prägende Bedeutung zu-
- 12 -
misst (BGH, GRUR 2014, 378 Rn. 30 – OTTO CAP; Hacker in: Strö-
bele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 433).
Zudem ist für den Zeichenvergleich in klanglicher Hinsicht maßgeblich, wie
die angesprochenen Verkehrskreise die Marke, wenn sie diese in ihrer re-
gistrierten Form vor sich haben, mündlich wiedergeben werden, wobei die
klangliche Widergabe auch durch die graphische Gestaltung der Marke be-
einflusst werden kann (BPatG, GRUR 2010, 441 – pn printnet/PRINECT;
BPatG, Beschluss vom 1.6.2016 – 29 W (pat) 64/14 – Inselkind; Hacker in:
Ströbele/Hacker, MarkenG, 11.Aufl. 2015, § 9 Rn. 280).
Die angesprochenen Verkehrskreise werden sich bei der Benennung der
Widerspruchsmarke auf den Bestandteil „GARCIA“ beschränken und die
ältere Marke demgegenüber nicht als „GARCIA Ge“ oder „Ge GARCIA“
mündlich wiedergeben. Dies entspricht dem Erfahrungssatz, dass der Ver-
kehr zur vereinfachenden Aussprache eines Zeichens neigt (BGH, GRUR
2015, 1004, Rn. 33 – IPS/ISP; BGH, GRUR 2002, 613 – GERRI/KERRY
Spring). Zwar ist der Buchstabe „G“ in der älteren Marke durch die rote Ge-
staltung farblich und auch von seiner Position her hervorgehoben. Aller-
dings spricht gegen die mündliche Wiedergabe unter Einbeziehung dieses
Buchstabens bereits, dass für den angesprochenen Verkehr nicht eindeutig
ist, wie eine solche Benennung zu erfolgen hätte (vgl. BPatG, GRUR 2010,
441 – pn printnet/PRINECT). Insoweit wäre eine Wiedergabe als „GARCIA
Ge“ oder – da der Buchstabe „G“ oberhalb des Wortes „GARCIA“ angeord-
net ist – auch als „Ge Garcia“ denkbar. Zudem handelt es sich bei dem
Buchstaben „G“ zugleich um den Anfangsbuchstaben des Wortes
„GARCIA“, so dass der Verbraucher hierin lediglich eine – mündlich nicht
notwendigerweise wiederzugebende – Akzentuierung bzw. eine Wiederho-
lung des Anfangsbuchstabens sehen wird.
Schließlich handelt es sich bei dem Zeichenelement „GARCIA“ auch um ein
normal kennzeichnungskräftiges Wort, einen Namen, so dass dieser Be-
standteil auch aus Rechtsgründen zur Prägung geeignet ist.

- 13 -
Die angegriffene Marke wird ihrerseits in phonetischer Hinsicht durch das
Wort bzw. den Namen „Gracia“ geprägt. Die angesprochenen Verkehrs-
kreise werden den weiteren Bestandteil „N°1“ demgegenüber bei der
mündlichen Wiedergabe des prioritätsjüngeren Zeichens vernachlässigen.
Der Name Gracia ist im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren als
normal kennzeichnungskräftig anzusehen und damit zur Prägung der an-
gegriffenen Marke geeignet. Zwar ist der weitere Bestandteil „N°1“ gra-
phisch durch seinen Fettdruck hervorgehoben und ist – wie oben ausge-
führt – auch die graphische Gestaltung bei der Beurteilung der mündlichen
Wiedergabe einer Marke zu berücksichtigen. Andererseits sind die Be-
standteile „Gracia“ und „N°1“ in deutlich unterschiedlichen Schrifttypen ge-
halten, was zwar im Hinblick auf die Anordnung der Bestandteile „in einer
Linie“ und ihren inhaltlichen Bezug zueinander nicht zu einer Annahme
zweier getrennter Kennzeichen führt (s. o. Ziff. 4 b)), diese Bestandteile
aber sehr wohl als eigenständig erkennen lässt. Der Name „Gracia“ ist zu-
dem in einer an eine Handschrift erinnernden, „individuellen“ Schrift ge-
staltet. Hierdurch wird der herkunftshinweisende Gehalt dieses Bestandteils
im Verhältnis zu dem in Druckschrift gehaltenen Bestandteil „N°1° verstärkt.
Vor allem aber ist der Bestandteil „N°1“ allenfalls kennzeichnungsschwach,
sofern ihm nicht sogar jegliche Unterscheidungskraft abzusprechen ist. Wie
bereits im Erstbeschluss zutreffend ausgeführt, wird der Bestandteil „N°1“
anpreisend als Verweis auf ein Premium-Produkt – bzw. auf einen Pre-
mium-Hersteller – oder als eine Sortiments- oder Serienbezeichnung bzw.
Bestellnummer (N° 1, N° 2, N° 3 etc.) aufgefasst werden. Er ist vor diesem
Hintergrund als nicht unterscheidungskräftig bzw. äußerst kennzeichnungs-
schwach anzusehen.
Zwar können auch schutzunfähige Bestandteile den Gesamteindruck des
angegriffenen Zeichens mitprägen, insbesondere wenn sie auf Grund der
besonderen graphischen Gestaltung als das dominierende Element wahr-
genommen werden (BGH, GRUR 2016, 283, Rn. 19 – BSA/DAS DEUT-
SCHE SPORTMANAGEMENTAKADEMIE). Vorliegend tritt der allenfalls
- 14 -
kennzeichnungsschwache Bestandteil „N°1“ jedoch neben das normal
kennzeichnungskräftige Wort „Gracia“, so dass der Bestandteil „N°1“ den
Gesamteindruck des jüngeren Zeichens nicht mitbestimmt und die ange-
sprochenen Verkehrskreise alleine in dem Namen „Gracia“ einen Her-
kunftshinweis sehen werden.
Dies gilt auch deshalb, weil der Verkehr – wie oben bereits ausgeführt – zur
vereinfachenden bzw. verkürzenden Benennung von Mehrwortzeichen
neigt, sofern es sich nicht um einen Gesamtbegriff handelt (Hacker in: Strö-
bele/Hacker, a. a. O., § 9 Rn. 410). Von Letzterem ist vorliegend aber ge-
rade nicht auszugehen; das Weglassen der nachgestellten Angabe „N°1“
führt nicht zu einer Änderung im Sinngehalt der jüngeren Marke.

d) Da der angesprochene Verkehr sich gerade an die unterscheidungskräfti-
gen Bestandteile eines Zeichens erinnert, so dass ihre Übereinstimmung
mit den prägenden Bestandteilen eines anderen Zeichens eine Zeichen-
ähnlichkeit und im Zusammenwirken mit den übrigen Parametern die Ver-
wechslungsgefahr begründen kann (Büscher / Dittmer / Schiwy: Gewerbli-
cher Rechtsschutz, 3. Aufl. 2014, § 14, Rn. 410), sind somit der die Wider-
spruchsmarke prägenden Bestandteil „GARCIA“ sowie das die angegriffene
Marke prägende Wort „Gracia“ miteinander zu vergleichen. Bei dieser Ge-
genüberstellung sind Verwechslungen im relevanten Umfang nicht auszu-
schließen.
Die beiden Worte bzw. Namen „Gracia“ und „Garcia“ unterscheiden sich le-
diglich in der Reihenfolge des zweiten und des dritten Buchstabens. Diese
Buchstabenrotation in der Wortmitte kann die Verwechslungsgefahr nicht
verhindern, da sie im Gesamtklangbild der Vergleichszeichen nicht hinrei-
chend zur Geltung kommt. Auch wenn man die Möglichkeit mit einbezieht,
dass beide Vergleichswörter auf der Anfangs- oder der Mittelsilbe betont
werden könnten, bleiben die Zeichen verwechselbar ähnlich. Denn bei der
Ähnlichkeitsprüfung von Marken in klanglicher Hinsicht sind sämtliche dem
Sprachgefühl entsprechenden und im Bereich des Wahrscheinlichen lie-
- 15 -
genden Möglichkeiten der Aussprache und Betonung zu beachten, wobei
zu berücksichtigen ist, inwieweit auf dem jeweiligen Gebiet der Waren und
Dienstleistungen fremdsprachige Betonungen oder eine fremdsprachige
Aussprache naheliegen (Hacker in: Ströbele/Hacker, Markengesetz,
11. Aufl. 2015, § 9 Rn. 274, 275). Bei Zugrundelegung der Betonung beider
Vergleichszeichen jeweils auf der ersten Silbe „Gar“ oder aber auf dem Vo-
kal „i“ stimmen die beiden Marken in ihrem Sprechrhythmus überein und
weisen eine weit überdurchschnittliche Ähnlichkeit auf.
Aber auch bei Zugrundelegung einer Betonung der angegriffenen Marke
auf der ersten Silbe und einer – möglicherweise naheliegenden – Betonung
der Widerspruchsmarke auf dem Buchstaben „i“ ist von einer zumindest
durchschnittlichen phonetischen Ähnlichkeit der Vergleichszeichen auszu-
gehen, da diese im vom Verkehr besonders beachteten Wortanfang (vgl.
BGH, GRUR 2015, 1004, Rn. 36 – IPS/ISP), nämlich dem Buchstaben „G“,
in der Silbenzahl und in der Vokalfolge „a-i-a“ übereinstimmen. Ein ggf. ab-
weichender Sprechrhythmus und die Vertauschung der Buchstaben „a“ und
„r“ stehen der Annahme eines klanglich ähnlichen Gesamteindrucks nicht
entgegen (vgl. auch BGH, GRUR 2015, 1004, Rn. 44 – IPS/ISP zur Vertau-
schung von Konsonanten).

Vor dem Hintergrund identischer Waren sowie einer durchschnittlichen
Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält die angegriffene Marke
auch bei Annahme einer möglicherweise leicht erhöhten Aufmerksamkeit
der angesprochenen Verkehrskreise und selbst unter Zugrundelegung einer
unterschiedlichen Betonung der Vergleichsmarken den gebotenen deutli-
chen Abstand zur Widerspruchsmarke in klanglicher Hinsicht nicht ein.

Auf den weiteren Zeichenvergleich in schriftbildlicher und begrifflicher Hin-
sicht kommt es daher nicht weiter an.

4. Eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen auf einen der Beteiligten ist nicht
veranlasst, § 71 Abs. 1 MarkenG.
- 16 -
III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht
zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.


Klante Paetzold Lachenmayr-Nikolaou

Hu


Full & Egal Universal Law Academy