26 W (pat) 65/14  - 26. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



26 W (pat) 65/14
_______________
(Aktenzeichen)



An Verkündungs Statt
zugestellt am
16. August 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



- 2 -
betreffend die Marke 30 2012 008 911

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 26. April 2017 unter Mitwirkung der Richter Reker,
Schödel und Dr. von Hartz

beschlossen:

1. Auf die Beschwerde der Widersprechenden wird der Be-
schluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 26. August 2014 aufgehoben,
soweit der Widerspruch aus der Marke 2 068 360 und aus
dem Unternehmenskennzeichen „flowconsultinggmbh“ der
Widersprechenden in Bezug auf die Dienstleistungen der
Klasse 41 „Erziehung; Ausbildung“ der angegriffenen Marke
30 2012 008 911 zurückgewiesen worden ist.

Das Deutsche Patent- und Markenamt wird angewiesen, die
Löschung der Marke 30 2012 008 911 für die Dienstleistun-
gen der Klasse 41 „Erziehung; Ausbildung“ anzuordnen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Gegen die Eintragung der beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) am
12. November 2012 angemeldeten Marke 30 2012 008 911
- 3 -



für die Waren und Dienstleistungen

Klasse 9:
Wissenschaftliche, Schifffahrts-, Vermessungs-, photographische, Film-, optische,
Wäge-, Mess-, Signal-, Kontroll-, Rettungs- und Unterrichtsapparate und -instru-
mente; Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern,
Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung
und/oder Wiedergabe von Ton und/ oder Bild; Magnetaufzeichnungsträger,
Schallplatten; CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger; Mechaniken
für geldbetätigte Apparate; Registrierkassen, Rechenmaschinen, Hardware für die
Datenverarbeitung; Datenverarbeitungsgeräte; Feuerlöschgeräte; Telekommuni-
kationsgeräte, insbesondere für den Festnetz- und Mobilfunkbereich; Computer;
Computersoftware; Unfall-, Strahlen- und Feuerschutzbekleidungsstücke; Schutz-
helme; Brillen, Brillengläser, Sonnenbrillen, Schutzbrillen und Etuis hierfür; Kon-
taktlinsen; elektronisch herunterladbare Veröffentlichungen; Magnete, Magnet-
karten; kodierte Karten; Teile und Zusatzteile für alle vorstehend genannten Wa-
ren, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind;

Klasse 41:
Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Dienst-
leistungen eines Zeitungsreporters; Fernsehunterhaltung; Herausgabe und Veröf-
fentlichung von Druckereierzeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke), auch in
elektronischer Form

hat die Widersprechende Widerspruch erhoben

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1. aus ihrer beim DPMA am 30. Dezember 1993 angemeldeten und am
17. Juni 1994 für die Dienstleistungen

Klassen 35 und 41:
Personalberatung, Organisationsberatung in Fragen der Personalführung und -
entwicklung; Beratung bei der Organisation und Führung eines Unternehmens;
Marketing; Organisation und Durchführung von Seminaren, Tagungen und Kon-
gressen; Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung, Erstellung von Bil-
dungskonzepten und Bildungsbedarfsanalysen sowie Durchführung von Bildungs-
controlling; Beratung bei der Anwendung rhetorischer Methoden und Kenntnisse

eingetragenen deutschen Wortmarke 2 068 360

flow

sowie

2. aus dem Unternehmenskennzeichen

flowconsultinggmbh

das nach dem Widerspruchsvortrag von der Widersprechenden bzw. ihrer Rechts-
vorgängerin seit 1993 im Zusammenhang mit den Dienstleistungen

Durchführung von Beratungsleistungen gegen Honorar auf dem Gebiet der Unter-
nehmens- und Organisationsberatung, der Unternehmens- und Organisationsent-
wicklung, der Personalberatung und -entwicklung, der Marketing- und Strategiebe-
ratung inklusive der Durchführung von Veranstaltungen, Kongressen und Work-
shops

im Inland im Verkehr benutzt worden ist.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit ihrem Schriftsatz vom 19. Juli 2013
gegenüber der Widerspruchsmarke zu 1. die Einrede der Nichtbenutzung erhoben
und gegenüber dem Widerspruch aus dem Unternehmenskennzeichen geltend
gemacht, dass es an dem Nachweis der Benutzung dieses Kennzeichens fehle.

Die Widersprechende hat daraufhin Unterlagen vorgelegt, die die rechtserhaltende
Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft machen sollen, und ferner die An-
sicht vertreten, durch die Glaubhaftmachung der Benutzung der Widerspruchs-
marke sei zugleich der Nachweis der firmenmäßigen Benutzung des geltend ge-
machten Unternehmenskennzeichens geführt worden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des DPMA hat den Widerspruch mit Beschluss
vom 26. August 2014 zurückgewiesen.

Zur Begründung hat die Markenstelle ausgeführt, die von der Widersprechenden
vorgelegten Unterlagen reichten weder aus, um die rechtserhaltende Benutzung
der Widerspruchsmarke noch die Verkehrsgeltung des behaupteten Unterneh-
menskenzeichens glaubhaft zu machen. Es fehle an einer konkreten und eindeuti-
gen Darlegung und Glaubhaftmachung der unter der Widerspruchsmarke mit den
einzelnen eingetragenen Dienstleistungen getätigten Umsätze. Die vorgelegte ei-
desstattliche Versicherung führe zwar einzelne Dienstleistungen auf, die getätigten
Umsätze seien jedoch nur pauschal für alle genannten Dienstleistungen angege-
ben worden. Der Widerspruch aus dem behaupteten Unternehmenskennzeichen
habe keinen Erfolg haben können, weil es sowohl an einem Nachweis der Benut-
zung als auch an einem Nachweis der Verkehrsgeltung dieses Kennzeichens
fehle.

Dagegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer Beschwerde. Sie ist der An-
sicht, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchsmarke sei anhand der von
ihr vorgelegten Unterlagen glaubhaft gemacht worden. Bei der Glaubhaftmachung
der rechtserhaltenden Benutzung gehe es nur darum, eine bloße Scheinbenut-
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zung auszuschließen. Dazu seien die bei der Markenstelle vorgelegten Unterlagen
mehr als ausreichend. Die vorgelegten Rechnungen belegten in Verbindung mit
der eidesstattlichen Versicherung für jede der von der Widerspruchsmarke er-
fassten Dienstleistungen eine rechtserhaltende Benutzung in dem angegebenen
Zeitraum. Dazu seien Gesamtumsätze benannt worden, weil es unerheblich sei,
wie hoch der Umsatz für jede einzelne Dienstleistung sei.

Ergänzend zu den bei der Markenstelle eingereichten Unterlagen hat die Wider-
sprechende zur Beschwerdeakte weitere Unterlagen, insbesondere Internetseiten,
Werbeanzeigen sowie eine weitere eidesstattliche Versicherung vorgelegt. In die-
sen Unterlagen sei sowohl das Zeichen „flow“ allein als auch in Verbindung mit
anderen Begriffen wie „flowsales“ „Flow leadership“ „flowchange“ zu finden. Das
Landgericht Hamburg habe in einem in einer Verletzungsstreitsache ergangenen
Urteil aus dem Jahre 2014 die Benutzung der Marke „Midlife Flow“ als rechtser-
haltende Benutzung der Widerspruchsmarke angesehen.

Zwischen den beiderseitigen Marken bestehe auch die Gefahr von Verwechslun-
gen.

Die Widerspruchsmarke weise von Haus aus eine normale Kennzeichnungskraft
auf, da sie die Dienstleistungen, für die sie eingetragen wurde, nicht beschreibe,
wie sich auch aus dem vorgelegten sprachwissenschaftlichen Gutachten ergebe.
Jedenfalls wegen ihrer intensiven Benutzung seit mehr als 20 Jahren sowie wegen
der vielfachen Auszeichnungen für die unter der Marke im deutschen Raum ange-
botenen Dienstleistungen, wie etwa dem Ludwig-Erhard-Preis im Jahre 2013 oder
dem Deutschen Excellence-Preis 2010, verfüge sie über eine mindestens durch-
schnittliche Kennzeichnungskraft.

Die Dienstleistungen „Erziehung; Ausbildung“ in der Klasse 41 der angegriffenen
Marke seien, da sie auch die Beratung auf diesen Gebieten umfassten, mit den
Beratungsdienstleistungen der Widersprechenden identisch. Zwischen den übri-
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gen Dienstleistungen der angegriffenen Marke in der Klasse 41, nämlich „Unter-
haltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten; Dienstleistungen eines Zeitungsre-
porters; Fernsehunterhaltung; Herausgabe und Veröffentlichung von Druckereier-
zeugnissen (ausgenommen für Werbezwecke), auch in elektronischer Form“ und
den Dienstleistungen „Organisation und Durchführung von Seminaren, Tagungen
und Kongressen; Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung“ der Wider-
spruchsmarke bestünden enge, die Ähnlichkeit dieser Dienstleistungen begrün-
dende Berührungspunkte, weil zu Seminaren und Kongressen auch Begleitmate-
rialien in Form von Druckereierzeugnissen herausgegeben würden. Zwischen den
Waren der Klasse 9 der jüngeren Marke „Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung
und/oder Wiedergabe von Ton und/ oder Bild; Magnetaufzeichnungsträger,
Schallplatten; CDs, DVDs und andere digitale Aufzeichnungsträger; Computer-
software; elektronisch herunterladbare Veröffentlichungen“ und den Dienstleistun-
gen der Klasse 41 der älteren Marke „Ausbildungs- und Erziehungsberatung“ be-
stehe ebenfalls eine hochgradige Ähnlichkeit, da solche Waren in Zusammenhang
mit Ausbildungsleistungen einsetzbar seien.

Auf Seiten der angegriffenen Marke liege ein klassischer Fall einer Markenusurpa-
tion vor. Die Widerspruchsmarke sei derart in die angegriffene Marke identisch
übernommen worden, dass sie dort eine selbstständig kennzeichnende Stellung
im Sinne der „Thomson Life“-Entscheidung des EuGH aufweise.

Die Widersprechende verweist ferner auf weitere eigene Marken, wie „flow-
change“, „flowleadership“, „flowsales“ und „personal flow“, so dass auch die Ge-
fahr einer gedanklichen Verbindung der Streitmarken bestehe, da davon auszuge-
hen sei, dass der Verkehr die angegriffene Marke als ein weiteres Serienzeichen
der Widersprechenden ansehe.

Die Benutzung des als weiterer Widerspruchsgrund geltend gemachten Unter-
nehmenskennzeichens sei durch die vorgelegten Unterlagen hinreichend belegt.
Das Unternehmenskennzeichen „flow“ verfüge auch über Verkehrsgeltung, wie die
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zahlreichen und namhaften vorgetragenen Veranstaltungen, Publikationen, Wer-
bungen und Auszeichnungen zeigten. Außerdem sei es unzutreffend, dass für ei-
nen Widerspruch aus einem Unternehmenskennzeichen dessen Verkehrsgeltung
erforderlich sei.

Die Widersprechende beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen
Patent- und Markenamts (DPMA) vom 26. August 2014 aufzuhe-
ben und das DPMA anzuweisen, die Löschung der Marke
30 2012 088 911 anzuordnen, soweit diese Marke für Waren und
Dienstleistungen der Klassen 9 und 41 eingetragen worden ist.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist zum einen der Ansicht, die rechtserhaltende Benutzung der Widerspruchs-
marke sei nicht glaubhaft gemacht worden. Insbesondere werde der Begriff „flow“
nicht allein verwendet, sondern lediglich in zusammengesetzten Begriffen wie
„flowstrategies“, „flowcommontarget“, „flowchange“, „flowcoaching“, „flowrese-
arch“. Diese Zusätze veränderten den kennzeichnenden Charakter der Marke
“flow” und die jeweiligen Begriffe seien selbst Marken der Widersprechenden. Die
einzigen Unterlagen, die den Begriff „flow“ allein zeigten, seien nicht ausreichend
zahlreich und für die fraglichen Dienstleistungen sowie den fraglichen Zeitraum
nicht relevant. Es sei außerdem nicht möglich, die vorgelegten Glaubhaftma-
chungsunterlagen den einzelnen Dienstleistungen der Widerspruchsmarke zuzu-
ordnen. Zudem könne der von der Widersprechenden glaubhaft gemachte Ge-
samtumsatz ebenfalls nicht den beanspruchten Dienstleistungen zugeordnet wer-
den, womit die Widersprechende Ihrer Darlegungs- und Glaubhaftmachungspflicht
nicht genüge.
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Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke sowie dem be-
haupteten Unternehmenskennzeichen der Widersprechenden bestehe auch keine
Verwechslungsgefahr. Der die Widerspruchsmarke bildende Begriff „flow“ verfüge
über eine nur geringe Kennzeichnungskraft, da er das englische Wort für Bewe-
gung sei, das einen engen Sachbezug zu den Dienstleistungen der Wider-
spruchsmarke, insbesondere zu Veränderungsprozessen und Personalentwick-
lungen, aufweise. Zwischen den beiderseitigen Marken bestehe ein deutlicher Ab-
stand, da der Gesamteindruck der angegriffenen Marke durch den Bestandteil „O2“
geprägt werde und der Begriff „flow“ in der angegriffenen Marke auch keine
selbstständig kennzeichnende Stellung einnehme. Es fehle zudem auch an der
erforderlichen Ähnlichkeit der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen.


II.

Die Beschwerde der Widersprechenden ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
Sie führt nur insoweit zu einer teilweisen Löschung der angegriffenen Marke, wie
sich die Widersprechende mit dem Widerspruch gegen die Eintragung der Marke
30 2012 008 911 für die Dienstleistungen der Klasse 41 „Erziehung; Ausbildung“
wendet. Im Übrigen kann sie hingegen keinen Erfolg haben.

1. Widerspruch aus der deutschen Marke 2 068 360

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere der zueinan-
der in Wechselbeziehung stehenden Faktoren der Identität oder Ähnlichkeit der
Marken, der Identität oder Ähnlichkeit der damit gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke zu
beurteilen, wobei ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Marken durch einen hö-
heren Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen oder durch eine er-
höhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und um-
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gekehrt (EuGH, GRUR 2010, 1098, Rn. 44 – Calvin Klein/HABM; GRUR 2010,
933, Rn. 32 – Barbara Becker; GRUR 2006, 237 – PICARO/PICASSO; BGH,
GRUR 2012, 1040, Rn. 25 – pjur/pure; GRUR 2010, 235 Rn. 15 – AIDA/AIDU;
GRUR 2009, 484, Rn. 23 – METROBUS; GRUR 2008, 905, Rn. 12 – Pantohexal;
GRUR 2008, 258, Rn. 20 – INTERCONNECT/T-Interconnect; GRUR 2006, 859,
Rn. 16 – Malteser-Kreuz I; GRUR 2006, 60, Rn. 12 – coccodrillo m. w. N.). Ist die
Benutzung der prioritätsälteren Marke vom Inhaber der jüngeren Marke zulässig
bestritten worden, werden bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr nur die Wa-
ren oder Dienstleistungen berücksichtigt, für die die Benutzung glaubhaft gemacht
worden ist (§ 43 Abs. 1 S. 3 MarkenG).

a. Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat mit Schriftsatz vom 19. Juli 2013
die rechtserhaltende Benutzung der am 17. Juni 1994 eingetragenen Wider-
spruchsmarke bestritten.

aa) Da die Nichtbenutzungseinrede nicht auf einen der Zeiträume des § 43
Abs. 1 MarkenG beschränkt ist und die Widerspruchsmarke zum Zeitpunkt der
Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke bereits mehr als fünf
Jahre im Markenregister eingetragen war, ist darin ein Bestreiten der Benutzung
sowohl gemäß § 43 Abs. 1 S. 1 MarkenG als auch nach § 43 Abs. 1 S. 2 MarkenG
zu sehen, so dass die Widersprechende die Obliegenheit traf, die Benutzung der
Widerspruchsmarke sowohl für den Zeitraum von fünf Jahren vor der Veröffentli-
chung der Eintragung der angegriffenen Marke, also für den Zeitraum vom
28. Dezember 2007 bis 27. Dezember 2012, als auch für den Zeitraum von fünf
Jahren vor der Entscheidung über den Widerspruch, hier also für den Zeitraum
vom 26. April 2012 bis 25. April 2017, glaubhaft zu machen.

bb) Die Glaubhaftmachung der Benutzung hat sich auf alle maßgeblichen Um-
stände einer Markenbenutzung zu erstrecken. Insbesondere ist darzulegen und
glaubhaft zu machen, wer die Marke wo und wann in welchem Umfang in welcher
Art und Weise wofür benutzt hat. Bei umfangreicheren Waren- und Dienstleis-
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tungsverzeichnissen muss auf Grund der glaubhaft gemachten Angaben die Fest-
stellung möglich sein, für welche Waren bzw. Dienstleistungen in welchem Um-
fang, in welchem Zeitraum und in welcher Weise die Marke eingesetzt worden ist
(EuG 13. Juni 2012, T-312/11, Nr. 38-44 – CERATIX/CERATOFIX). Dabei sind
alle vorgelegten Glaubhaftmachungsunterlagen grundsätzlich als im Zusammen-
hang stehend anzusehen (BGH GRUR 2008, 719, Rdnr. 27 – idw Informations-
dienst Wissenschaft).

Eine Marke wird ernsthaft benutzt, wenn sie entsprechend ihrer Hauptfunktion, die
Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen zu garantieren, für die sie
eingetragen wurde, verwendet wird, um für diese Waren und Dienstleistungen ei-
nen Absatzmarkt zu erschließen oder zu sichern. Ausgeschlossen sind die Fälle,
in denen die Marke nur symbolisch benutzt wird, um die durch sie begründeten
Rechte zu wahren. Die Ernsthaftigkeit der Benutzung der Marke ist anhand sämtli-
cher Tatsachen und Umstände zu beurteilen, durch die die wirtschaftliche Ver-
wertung der Marke im Geschäftsverkehr belegt werden kann. Dazu rechnen ins-
besondere der Umfang und die Häufigkeit der Benutzung. Die Frage, ob eine Be-
nutzung mengenmäßig hinreichend ist, um Marktanteile für die durch die Marke
geschützten Waren oder Dienstleistungen zu behalten oder hinzuzugewinnen,
hängt somit von mehreren Faktoren und einer Einzelfallbeurteilung ab (vgl. EuGH
GRUR 2008, 343 Rn. 72 und 73 – Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE];
BGH GRUR 2013, 725 Rn. 38 – Duff Beer; GRUR 2012, 832 Rn. 49 – ZAPPA;
GRUR 2010, 729 Rn. 15 – MIXI).

cc. Durch die von der Widersprechenden im Widerspruchsverfahren vor der
Markenstelle des DPMA sowie im Beschwerdeverfahren eingereichten Unterla-
gen, insbesondere die beiden von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen
vom 27. September 2013 und 3. Februar 2015 in Verbindung mit den beispielhaft
vorgelegten Rechnungen aus den Jahren 2009 bis 2014, ist in der maßgeblichen
Gesamtschau glaubhaft gemacht, dass die Widersprechende die Widerspruchs-
marke in beiden maßgeblichen Glaubhaftmachungszeiträumen für die Dienstleis-
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tungen der Klasse 35 und 41 „Personalberatung, Organisationsberatung in Fragen
der Personalführung und -entwicklung; Beratung bei der Organisation und Füh-
rung eines Unternehmens; Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung, Er-
stellung von Bildungskonzepten und Bildungsbedarfsanalysen sowie Durchfüh-
rung von Bildungscontrolling“ bzw. darunter zu subsumierende Dienstleistungen in
einem über eine bloße Scheinbenutzung hinausgehenden Umfang und in einer
Form verwendet hat, die als rechtserhaltend anzuerkennen ist. Insbesondere ent-
hält die im Beschwerdeverfahren vorgelegte eidesstattliche Versicherung vom
3. Februar 2015 eine nach Unternehmensberatungsdienstleistungen und Fort- und
Ausbildungsdienstleistungen differenzierte Angabe über die auf die jeweilige
Dienstleistungsgruppe entfallenden Umsatzanteile, die eine Zuordnung der Um-
sätze zu den entsprechenden, im Dienstleistungsverzeichnis der Widerspruchs-
marke aufgeführten Dienstleistungen ermöglicht.

Die vorgelegten Rechnungsbeispiele lassen zudem mit der zweizeiligen Angabe
„flow consulting“, bei der die Angabe „flow“ erkennbar größer dargestellt ist als die
ihr hinzugefügte rein beschreibende und damit den kennzeichnenden Charakter
der Widerspruchsmarke nicht verändernde Angabe „consulting“, zumindest eine
rechtserhaltende Benutzungsform in beiden Glaubhaftmachungszeiträumen er-
kennen, die durchgängig verwendet worden ist.

Für die Dienstleistung „Organisation und Durchführung von Seminaren, Tagungen
und Kongressen“ liegen dagegen keine ausreichenden Glaubhaftmachungsunter-
lagen vor. Insbesondere fehlt es insoweit an ausreichend differenzierten Angaben
über die mit dieser Dienstleistung erzielten Umsätze und die speziell hierfür getä-
tigten Werbeaufwendungen.

b. Für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr der Marken ist somit auf Sei-
ten der Widerspruchsmarke lediglich von den Dienstleistungen der Klassen 35 und
41 „Personalberatung, Organisationsberatung in Fragen der Personalführung und
-entwicklung; Beratung bei der Organisation und Führung eines Unternehmens;
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Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung, Erstellung von Bildungskon-
zepten und Bildungsbedarfsanalysen sowie Durchführung von Bildungscontrolling“
auszugehen.

c. Zu den zuvor genannten Dienstleistungen weisen nur die Dienstleistungen
der Klasse 41 „Erziehung; Ausbildung“ der angegriffenen Marke die zur Bejahung
einer Verwechslungsgefahr notwendige Identität oder Ähnlichkeit auf. Alle übrigen
Waren und Dienstleistungen der angegriffenen Marke sind den Dienstleistungen
der Widerspruchsmarke, für die eine Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft
gemacht worden ist, hingegen nicht ähnlich, so dass der auf die Widerspruchs-
marke gestützte Widerspruch und damit auch die Beschwerde der Widerspre-
chenden in Bezug auf diese weiteren Waren und Dienstleistungen schon deshalb
keinen Erfolg haben können.

aa) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen sind
alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den
Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen. Zu diesen Faktoren gehören insbe-
sondere deren Art, Verwendungszweck und ihre Nutzung sowie ihre Eigenart als
miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienstleistun-
gen. Auch die maßgeblichen wirtschaftlichen Zusammenhänge, wie Herstellungs-
stätten und Vertriebswege, stoffliche Beschaffenheit und Zweckbestimmung oder
Verwendungsweise sind relevante Gesichtspunkte (EuGH GRUR 1998, 922
Rdnr. 15 – Canon; BGH GRUR 2012, 1145 Rdnr. 34 f. – Pelikan; GRUR 2009,
484 Rdnr. 25 – METROBUS; GRUR 2007, 321 Rdnr. 20 – COHIBA).

bb) Zwischen der Dienstleistung „Erziehung“ der Klasse 41 der jüngeren Marke
und den Dienstleistungen „Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung“ der
Widerspruchsmarke besteht Identität, da der Begriff „Erziehung“ der Dienstleis-
tungsklasse 41 nicht nur die erzieherische Tätigkeit, sondern auch die Vermittlung
erzieherischen Wissens durch Beratung und Information über Erziehung erfasst
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(BGH GRUR 2016, 604 Rdnr. 48 – Kinderstube). Gleiches gilt sinngemäß auch in
Bezug auf die Dienstleistung „Ausbildung“ der Klasse 41 der jüngeren Marke.

cc) Im Übrigen besteht zwischen den Waren und Dienstleistungen der Klas-
sen 9 und 41 der angegriffenen Marke und den Dienstleistungen „Personalbera-
tung, Organisationsberatung in Fragen der Personalführung und -entwicklung; Be-
ratung bei der Organisation und Führung eines Unternehmens; Aus- und Fortbil-
dungs- sowie Erziehungsberatung, Erstellung von Bildungskonzepten und Bil-
dungsbedarfsanalysen sowie Durchführung von Bildungscontrolling“, für die die
Benutzung der Widerspruchsmarke glaubhaft gemacht ist, keine Waren- und
Dienstleistungsähnlichkeit.

aaa) Zwischen den Beratungs- sowie Aus- und Fortbildungsdienstleistungen auf
Seiten der Widersprechenden sowie den Dienstleistungen „Unterhaltung; sportli-
che und kulturelle Aktivitäten; Fernsehunterhaltung“ der Klasse 41 der jüngeren
Marke besteht keine Ähnlichkeit, da es sich einerseits um schulische und berufli-
che Angebote und andererseits um Freizeit- und Unterhaltungsangebote handelt,
die sowohl ihrer Art als auch den regelmäßigen Anbietern und Vertriebsstätten
nach erhebliche Unterschiede aufweisen und auch keine einander ergänzenden
oder miteinander konkurrierenden Dienstleistungen darstellen. Der Begriff „Orga-
nisation von Seminaren“ umfasst auch nicht die Organisation von sportlichen oder
kulturellen Ereignissen, wie z. B. sportlichen Wettbewerben oder Unterhaltungs-
veranstaltungen.

bbb) Auch die „Herausgabe und Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen
(ausgenommen für Werbezwecke), auch in elektronischer Form“ weist mit den
Beratungsdienstleistungen der Widersprechenden keine markenrechtlich relevante
Ähnlichkeit auf. Beide Dienstleistungsgruppen werden regelmäßig von verschie-
denen Unternehmen erbracht (vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von Waren und
Dienstleistungen: Unternehmensberatung nicht ähnlich mit Herausgabe und Ver-
öffentlichung von Büchern und Zeitschriften, HABM 1998, WidAbt E Nr. 97/98).
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ccc) Zwischen den Waren der Klasse 9 der angegriffenen Marke und den
maßgeblichen, unter der Widerspruchsmarke ausgeübten Dienstleistungen der
Klassen 35 und 41 besteht ein noch größerer Abstand als zu den Dienstleistungen
der Klasse 41.

cc) Soweit es an jeglicher Ähnlichkeit der Waren und/oder Dienstleistungen
fehlt, kommt eine Verwechslungsgefahr i. S. d. § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG auch bei
identischen Marken und erhöhter Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke
nicht in Betracht (EuGH GRUR Int 2009, 911, 913, Rdnr. 34 – WATERFORD
STELLENBOSCH; BGH GRUR 2014, 488, Rdnr. 9 –DESPERADOS/DESPE-
RADO).

d. Maßgebliche Verkehrskreise in Bezug auf die beiderseitigen Dienstleistun-
gen, die im Identitäts- und Ähnlichkeitsbereich zu den Widerspruchsdienstleistun-
gen liegen, sind insbesondere Geschäftsführer von Unternehmen und andere An-
gehörige der unternehmerischen Führungsebene. Die Dienstleistungen der
Klasse 41 „Erziehung; Ausbildung“ auf Seiten der angegriffenen Marke richten
sich zudem an Endverbraucher. Allen Dienstleistungen ist gemeinsam, dass es
sich um solche handelt, die mit überdurchschnittlicher Aufmerksamkeit ausgewählt
werden.

e. Die Widerspruchsmarke „flow“ verfügt von Haus aus über eine
durchschnittliche Kennzeichnungskraft.

aa) Die originäre Kennzeichnungskraft wird durch die Eignung einer Marke be-
stimmt, sich unabhängig von der jeweiligen Benutzungslage als Unterschei-
dungsmittel für die Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens bei den be-
teiligten Verkehrskreisen einzuprägen und die Waren und Dienstleistungen damit
von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH GRUR 2010,
1096 Rdnr. 31 – BORCO/HABM [Buchst. A]; BGH, Beschl. V. 14. Januar 2016 –
I ZB 56/14 Rdnr. 31 – BioGourmet).
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Der englische Begriff „flow“ hat die Bedeutungen „fließen“ bzw. „Strom“, „Fluss“
oder „Bewegung“. Mit diesen Bedeutungen beschreibt er keine Eigenschaft der
Beratungsdienstleistungen der Widersprechenden.

bb) Andererseits ist aber auch nicht feststellbar, dass die Widerspruchsmarke
„flow“ eine erhöhte Kennzeichnungskraft aufweist.

Für die Zuerkennung einer erhöhten Kennzeichnungskraft und damit eines erwei-
terten Schutzumfangs ist eine durch intensive und nicht nur kurzfristige Benutzung
entstandene gesteigerte Verkehrsbekanntheit erforderlich, zu deren Feststellung
alle relevanten Umstände heranzuziehen sind. Dazu zählen insbesondere der von
der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, geografische Verbreitung und
Dauer der Markenverwendung, die dafür aufgewendeten Werbemittel und die
dadurch erreichte Bekanntheit in den jeweiligen Verkehrskreisen. Diese Bekannt-
heit kann nicht ohne weiteres allein aus den erzielten Umsätzen hergeleitet wer-
den, weil selbst umsatzstarke Marken wenig bekannt sein können. Insoweit lassen
nur objektive Statistiken oder demoskopische Befragungen sowie Angaben über
Werbeaufwendungen zuverlässige Schlüsse auf die Verkehrsbekanntheit einer
Marke zu (BGH GRUR 2003, 1040, 1043 – Kinder; GRUR 2002, 544, 547 - BANK
24).

Die vorgelegten Unterlagen reichen nicht aus, um eine erhöhte Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarke festzustellen. Allein anhand der vorgetragenen Ge-
samtumsätze können für die von der Widerspruchsmarke erfassten Dienstleistun-
gen keine Feststellungen zu den Marktanteilen und der Marktstellung der Wider-
sprechenden bei den einzelnen Dienstleistungen getroffen werden. Auch die vor-
gelegten Werbemittel genügen nicht, um eine gesteigerte Kennzeichnungskraft zu
begründen. Entgegen der Meinung der Widersprechenden ist es für die Beurtei-
lung der Kennzeichnungskraft einer Marke unerheblich, dass das Zeichen beson-
ders kreativ und fantasievoll ist.

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f. Ausgehend von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke hält die angegriffene Marke jener gegenüber im Bereich der identi-
schen Ausbildungs- und Erziehungsdienstleistungen den erforderlichen deutlichen
Abstand nicht ein.

aa) Maßgeblich für die Beurteilung der Ähnlichkeit von Marken ist deren
Gesamteindruck unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen und domi-
nierenden Elemente, wobei von dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszuge-
hen ist, dass der Verkehr eine Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne
sie einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen (EuGH GRUR 2004,
428 Rdnr. 53 - Henkel; BGH, GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch). Das schließt
nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen
Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrs-
kreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (EuGH, GRUR
2005, 1042, Rdnr. 28. f – THOMSON LIFE; BGH, GRUR 2012, 64, Rdnr. 14 –
Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür ist, dass die anderen Bestandteile
weitgehend in den Hintergrund treten und den Gesamteindruck der Marke nicht
mitbestimmen. Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach
deren Ähnlichkeit im Schrift(-Bild), im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt
zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in
bildlicher, klanglicher, begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die
Bejahung der Zeichenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der
genannten Wahrnehmungsbereiche (vgl. EuGH, GRUR 2006, 413, Rdnr. 19 –
ZIRH/SIR; BGH a. a. O. Rdnr. 37 – BioGourmet).

bb) Die Vergleichszeichen „O2 flow“ und „flow“ unterscheiden sich auf Grund
des zusätzlichen Bestandteils „O2“ in der angegriffenen Marke insgesamt schrift-
bildlich, klanglich und begrifflich deutlich voneinander. Da beide Bestandteile der
angegriffenen Marke für die maßgeblichen Dienstleistungen der Klasse 41 „Erzie-
hung; Ausbildung“ nicht beschreibend und somit normal kennzeichnungskräftig
sind, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass der Verkehr den Be-
- 18 -
standteil „O2“ vernachlässigt und der Gesamteindruck angegriffenen Marke allein
durch deren mit der Widerspruchsmarke übereinstimmenden Bestandteil „flow“
geprägt wird.

cc) Es besteht aber die Gefahr, dass die Vergleichsmarken im Sinne von § 9
Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz MarkenG gedanklich miteinander in Verbindung gebracht
werden. Diese Art von Verwechslungsgefahr setzt voraus, dass der Verbraucher
die Unterschiede beider Marken zwar wahrnimmt, auf Grund von Gemeinsamkei-
ten in der Zeichenbildung jedoch Anlass hat, die angegriffene Marke (irrtümlich)
der Inhaberin der Widerspruchsmarke zuzuordnen oder auf sonstige wirtschaftli-
che oder organisatorische Verbindungen zwischen den Markeninhabern, vor allem
im Sinne einer gemeinsamen Verantwortung für das Waren- oder Dienstleistungs-
angebot zu schließen (EuGH GRUR 2005, 1042 - Thomson Life; BGHZ 167, 322 -
Malteserkreuz).

aaa) Eine Verwechslungsgefahr unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt ist
gegeben, wenn ein älteres Zeichen, das als Bestandteil in eine jüngere zusam-
mengesetzte Marke oder eine komplexe Kennzeichnung aufgenommen wird, in
dieser eine selbständig kennzeichnende Stellung behält, ohne dass es das Er-
scheinungsbild der zusammengesetzten Marke oder komplexen Kennzeichnung
dominiert oder prägt. Bei einer Identität oder Ähnlichkeit dieses selbstständig
kennzeichnenden Bestandteils mit einer angemeldeten oder eingetragenen Marke
mit älterem Zeitrang ist das Vorliegen von Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9
Abs. 1 Nr. 2, 2. Halbsatz MarkenG zu bejahen, weil bei den angesprochenen Ver-
kehrskreisen der Eindruck hervorgerufen werden kann, dass die fraglichen Waren
oder Dienstleistungen zumindest aus wirtschaftlich miteinander verbundenen Un-
ternehmen stammen (EuGH GRUR 2005, 1042 Rdnr. 31- Thomson Life; BGH
GRUR 2006, 859 - Malteserkreuz).

bbb) Das Wort „flow“ hat in der mit dem Widerspruch angegriffenen Marke eine
selbstständig kennzeichnende Stellung inne. Es ist aus der Widerspruchsmarke
- 19 -
identisch in die angegriffene Marke übernommen worden. Der ihm in der ange-
griffenen Marke vorangestellte Bestandteil „O2“ ist der kennzeichnende Bestandteil
der Firmenbezeichnung der Inhaberin der angegriffenen Marke und als solcher
dem inländischen Verkehr auf dem Gebiet der Telekommunikation seit langem
weithin bekannt. „O2“ zählt zu den bekanntesten Anbietern von Telekommunikati-
onsleistungen und stellt zudem eine der bekanntesten Marken in Deutschland für
Mobilfunkprodukte dar. Zwar handelt es sich bei den hier maßgeblichen Dienst-
leistungen der Erziehung und Ausbildung nicht um die Dienstleistungen, für die die
Marke „O2“ weithin bekannt ist. Die sehr große Bekanntheit dieser Marke strahlt
aber weit über den Bereich der Telekommunikation hinaus auch auf andere
Dienstleistungsbereiche aus, so dass der Verkehr den Bestandteil „O2“ auch bei
einem Markenauftritt auf anderen Gebieten als Firmenbezeichnung verstehen und
seine Aufmerksamkeit in erster Linie den weiteren Markenbestandteilen zuwenden
wird.

Die bildliche Gestaltung der angegriffenen Marke, die sich in einer gewöhnlichen
Schriftart mit einer untersetzten Zahl „2“ erschöpft, behindert dabei die Erkennung
der Marke nicht, da der Verkehr gewöhnt ist, der Marke „O2“ in einer Vielzahl von
abweichenden Darstellungsformen zu begegnen, wie die Widersprechende aus-
führlich und zutreffend dargelegt hat. Bei dieser Sachlage ist zu erwarten, dass
der Verkehr, der den beiderseitigen Marken begegnet, dem Irrtum unterliegen
wird, dass zwischen den Inhabern der angegriffenen Marke und der Wider-
spruchsmarke unternehmerische oder wirtschaftliche Verbindungen bestehen, und
damit auch einem Irrtum über die betriebliche Herkunft der Marken und die Quali-
tätsverantwortung unterliegt.

2. Widerspruch aus dem Unternehmenskennzeichen „flowconsulting-
gmbh“

Die Beschwerde der Widersprechenden hat, soweit sie auf das Unternehmens-
kennzeichen „flowconsultinggmbh“ gestützt ist, ebenfalls teilweise Erfolg und führt
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im gleichen Umfang wie auf Grund des Widerspruchs aus der Marke 2 068 360
zur teilweisen Löschung der angegriffenen Marke für die Dienstleistungen der
Klasse 41 „Erziehung; Ausbildung“, ist jedoch im Übrigen unbegründet.

a. Die Widersprechende ist Inhaberin einer gegenüber der angegriffenen
Marke prioritätsälteren geschäftlichen Bezeichnung i. S. d. §§ 5, 12 MarkenG, die
Wege des Widerspruchs gemäß § 42 Abs. 2 Nr. 4 MarkenG geltend gemacht wer-
den kann.

aa) Nach § 5 Abs. 1 MarkenG werden als geschäftliche Bezeichnungen neben
Werktiteln auch Unternehmenskennzeichen geschützt: Das sind Zeichen, die im
geschäftlichen Verkehr als Name, als Firma oder als besondere Bezeichnung ei-
nes Geschäftsbetriebs oder eines Unternehmens benutzt werden (§ 5 Abs. 2 Mar-
kenG). Der Schutz des Unternehmenskennzeichens entsteht, sofern es die erfor-
derliche Unterscheidungskraft aufweist, durch namensmäßigen Gebrauch im ge-
schäftlichen Verkehr unabhängig vom Umfang der Benutzung (BGH GRUR 2013,
1150, Rn. 34 - Baumann; GRUR 2009, 685, 686, Rn. 17 - ahd.de). Erforderlich ist
eine nach außen in Erscheinung tretende Benutzung als Hinweis auf das Unter-
nehmen, die auf den Beginn einer dauerhaften wirtschaftlichen Betätigung schlie-
ßen lässt (BGH GRUR 2008, 1099, 1100, Rn. 16 - afilias.de; Ströbele/Hacker,
MarkenG, 10. Aufl. 2012, § 5 Rn. 46). Insoweit kann auch ein Firmenschlagwort
Objekt eines kennzeichenrechtlichen Schutzes nach § 5 Abs. 2 S. 1 MarkenG sein
(BGH GRUR 2009, 772, Rn. 75 - Augsburger Puppenkiste; Ströbele/Hacker,
a. a. O., § 5 Rn. 24). Es muss sich insoweit aber um einen unterscheidungskräfti-
gen Bestandteil handeln, der seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmen-
oder Namensbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortarti-
ger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen (vgl. BGH GRUR 2002, 898 –
defacto; GRUR 2008, 803, Rn. 19 – HEITEC; GRUR 2011, 831, Rn. 16 - BCC).
Unterscheidungskräftig ist eine geschäftliche Bezeichnung allgemein dann, wenn
der Verkehr sie als namensmäßigen Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen
versteht (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 5 Rn. 34). Dabei genügt es, dass sich ein
- 21 -
ausschließlich unternehmensbeschreibender Sinngehalt nicht feststellen lässt
(BGH GRUR 2008, 1104, 1105, Rn. 17 - Haus & Grund II).

bb) Die Bezeichnung „flowconsultinggmbh“ stellt eine Unternehmensbezeich-
nung im Sinne der vorstehend aufgeführten Definition dar, die auch über die erfor-
derliche Unterscheidungskraft verfügt. Zwar sind deren Bestandteile „consulting“
und „gmbh“ rein beschreibende Angaben zur Art der Tätigkeit und der Rechtsform
des Unternehmens. Dagegen stellt der Begriff „flow“, wie bereits im Rahmen der
Begründung zum Widerspruch aus der Marke 2 068 360 dargelegt worden ist,
keine unmittelbar beschreibende Angabe für hier maßgeblichen Dienstleistungen
dar. Auch die Zusammenfügung der Begriffe „flowconsulting“ weist entgegen der
Ansicht der Inhaberin der angegriffenen Marke für diese Dienstleistungen keinen
für die angesprochenen inländischen Verkehrskreise ohne weiteres erfassbaren,
glatt beschreibenden Begriffsgehalt auf. Der Interpretation der Markeninhaberin,
nach der der Begriff „flowconsulting“ als „fließende Beratung“ zu übersetzen und
daher beschreibend sei, kann nicht gefolgt werden. Allenfalls könnte der Verkehr
„flowconsulting“ als „Fluss-Beratung“ übersetzen, was aber im Zusammenhang mit
den beanspruchten Dienstleistungen keinen sinnvollen begrifflichen Inhalt auf-
weist.

cc) Da das Unternehmenskennzeichen kennzeichnungskräftig ist, sind keine
zu hohen Anforderungen an seine Benutzung zu stellen. Insbesondere ist eine
qualifizierte Verkehrsgeltung für die Bejahung der Benutzung nicht erforderlich.
Vielmehr entsteht bei originär kennzeichnungskräftigen Unternehmensbezeich-
nungen i. S. d. § 5 Abs. 2 Satz 1 MarkenG der Schutz durch namensmäßigen
Gebrauch im geschäftlichen Verkehr unabhängig vom Umfang der Benutzung
(BGH GRUR 2013, 1150, 1152, Rdnr. 29 – Baumann). Erforderlich ist lediglich
eine nach außen in Erscheinung tretende Benutzung als Hinweis auf das Unter-
nehmen, die auf den Beginn einer dauerhaften wirtschaftlichen Betätigung
schließen lässt (BGH RUR 1997, 905 – GARONOR).

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dd) Mit den von ihr vorgelegten eidesstattlichen Versicherungen sowie den
weiteren vorgelegten Unterlagen hat die Widersprechende eine Benutzung des
Unternehmenskennzeichens „flowconsultinggmbh“ im deutschen Raum zwischen
2010 und 2014 bewiesen.

Den vorgelegten Unterlagen, insbesondere den zahlreichen Rechnungen, in de-
nen die Firmenbezeichnung aufgeführt ist, ist zu entnehmen, dass die Wider-
sprechende nach außen in Deutschland seit mindestens 2010 als „flowconsul-
ting“ oder „flowconsultinggmbh“ aufgetreten ist.

b. Die Aufnahme der Benutzung des im Wege des Widerspruchs geltend
gemachten Unternehmenskennzeichens ist nach den vorgelegten Unterlagen
zumindest für die Dienstleistungen der „Durchführung von Beratungsleistungen
gegen Honorar auf dem Gebiet der Unternehmens- und Organisationsberatung,
der Unternehmens- und Organisationsentwicklung, der Personalberatung und -
entwicklung, der Marketing- und Strategieberatung incl. der Durchführung von
Veranstaltungen, Kongressen und Workshops“ feststellbar. Diese Dienstleistun-
gen entsprechen den Dienstleistungen, für die die Benutzung der Widerspruchs-
marke „flow“ glaubhaft worden ist.

c. Auf Grund des Unternehmenskennzeichens mit dem Zeitrang des Jahres
2010 hat die Widersprechende einen Anspruch auf Löschung der angegriffenen
Marke, soweit zwischen dem Unternehmenskennzeichen und der angegriffenen,
prioritätsjüngeren Marke die Gefahr von Verwechslungen besteht. Diese ist unter
Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände des Einzelfalls zu beurteilen, wo-
bei eine Wechselwirkung zwischen dem Ähnlichkeitsgrad der einander gegen-
überstehenden Bezeichnungen, der Kennzeichnungskraft der geschäftlichen Be-
zeichnung und dem wirtschaftlichen Abstand der Tätigkeitsgebiete der Beteiligten
besteht (st.Rspr.: BGH GRUR 2010, 738, Rdnr. 22 - Peek & Cloppenburg I; GRUR
2008, 801, Rdnr. 20 - Hansen-Bau; Ströbele/Hacker, a. a. O., § 15 Rn. 34 ff.).
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aa) Die Vergleichszeichen „O2 flow“ und „flowconsultinggmbh“ weisen zwar in
ihrer Gesamtheit schriftbildlich, klanglich und begrifflich ausreichende Unter-
schiede auf.

bb) Bei dem komplexen Zeichen „flowconsultinggmbh“ prägt der Begriff „flow“
jedoch den Gesamteindruck, weil die weiteren Bestandteile „consulting“ und
„gmbh“ nur auf die Art und die Rechtsform des Unternehmens hinweisen.

cc) Daher ist für die Beurteilung der Ähnlichkeit der Zeichen nach dem
maßgeblichen Gesamteindruck auf die Bezeichnungen „O2 flow“ und „flow“ abzu-
stellen. Bei diesen besteht, wie bereits im Einzelnen dargelegt worden ist, die
Gefahr von Verwechslungen auf Grund gedanklicher Verbindung, weil der Be-
standteil „flow“ innerhalb der Gesamtbezeichnung „O2 flow“ eine selbständig kenn-
zeichnende Stellung innehat.

dd) Die Gefahr einer gedanklichen Verbindung des Unternehmenskennzei-
chens „flowconsultinggmbh“ mit der angegriffenen Marke besteht jedoch, ebenso
wie im Falle der Widerspruchsmarke 2 068 360, nur soweit, wie eine Ähnlichkeit
der beiderseitigen Waren und Dienstleistungen vorliegt, weshalb die Beschwerde,
soweit sie auf ein prioritätsälteres Unternehmenskennzeichen gestützt ist, auch
nur insoweit Erfolg haben, als sie sich gegen die Eintragung der angegriffenen
Marke für die Dienstleistungen der Klasse 41 „Erziehung; Ausbildung“ richtet. In-
soweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Beschlussbegründung
unter Ziffer 1 Buchstaben b und c verwiesen. Im Übrigen musste die Beschwerde
erfolglos bleiben.

3. Kosten

Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1
MarkenG sind nicht gegeben.

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4. Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Reker Schödel Dr. von Hartz

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