26 W (pat) 63/14  - 26. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



26 W (pat) 63/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
28. Juni 2017
Obermaier
Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache




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betreffend die Marke 395 08 178 – S 230/13 Lösch

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 28. Juni 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden
Richterin Kortge sowie der Richter Reker und Schödel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

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G r ü n d e

I.

Die dreidimensionale Marke



ist am 23. Februar 1995 angemeldet und am 5. September 1996 unter der Num-
mer 395 08 178 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte
Register eingetragen worden für Waren der

Klasse 32: alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und
Fruchtnektare.

Am 9. August 2013 hat die Beschwerdeführerin die Löschung dieser Marke mit der
Begründung beantragt, die angegriffene Marke sei entgegen § 3 Abs. 2 Nr. 2 und
1 MarkenG eingetragen, weil alle Merkmale, die den Gesamteindruck dieser Ver-
packungsmarke bestimmten, zur Erreichung einer technischen Wirkung erforder-
lich oder durch die Art der Ware selbst bedingt seien. Die angegriffene Marke
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gebe die einfachste und zweckmäßigste Form eines sog. Standbeutels aus fle-
xibler, metallisch beschichteter Kunststoff– oder Laminatfolie wieder. Sämtliche
Merkmale seien Gegenstand längst abgelaufener Patente. Wegen der Einzelhei-
ten der vorgelegten Patent- und Offenlegungsschriften wird auf die Anlagen A 1
bis A 4 (Bl. S. 14 – S. 37 VA) sowie BE 2 und BE 3 (Bl. 96 – 112 GA) Bezug ge-
nommen.

Die Antragsgegnerin hat am 28. Oktober 2013 dem ihr am 30. August 2013 zuge-
stellten Löschungsantrag widersprochen mit der Begründung, keines der wesentli-
chen Merkmale der angegriffenen Marke erfülle eine technische Funktion. Die
Streitmarke zeichne sich durch gerade umlaufende Seitenkanten aus, die zum
dichten Verschluss der Verpackung nicht erforderlich seien. Diese könnten auch
von links nach rechts, schräg, rund oder anders verlaufen und breiter oder dünner
sein. Dass die Form der angegriffenen Marke nicht zur Erreichung einer techni-
schen Wirkung erforderlich sei, zeige sich auch daran, dass es noch drei andere
für die Beschwerdeführerin im Jahre 1998 als 3-D-Marken eingetragene Beutel-
formen (39836281, 39836282, 39836283) gebe.

Mit Beschluss vom 21. August 2014 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA die
angegriffene Marke gelöscht. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die den Ge-
samteindruck der angegriffenen Marke im Wesentlichen bestimmenden Merkmale
seien die in der Vorderansicht viereckige Verpackungsform aus flexibler Folie, die
durch Schweißnähte abgesetzten umlaufenden Seitenkanten, die gefaltete mit den
Seitenflächen verbundene Unterseite, die sich kreisförmig ausbreiten lasse, die in
der Seitenansicht nach oben spitz zulaufenden Seiten, die zusammen mit dem
Boden eine dreieckige Form bildeten und die sich in der Vorderansicht nach unten
leicht verjüngende Form. Allen diesen Merkmalen könnten technische Funktionen
zugeschrieben werden. Die viereckige Verpackungsform aus flexibler Folie diene
der besseren Handhabbarkeit der Verpackung, indem sie platzsparend gelagert
oder transportiert werden könne und auf Druck nachgebe, so dass sie Schäden
durch Stoß oder Druck entgegenwirke. Die Schweißnähte an den Rändern dienten
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der Verbindung und dem sicheren Verschluss der Folienseiten. Die gefaltete Un-
terseite erlaube der eingefüllten Flüssigkeit sich auszubreiten und gebe dem
Beutel den nötigen Stand. Für einen besseren Stand des befüllten Beutels sorge
auch die Zusammenführung der beiden Folienseite oben, indem der Schwerpunkt
der Flüssigkeit am ausgeweiteten Boden liege. Die Wölbung des Standbeutels
bzw. seine optisch wahrgenommene Verjüngung nach unten ergebe sich aus dem
Volumen, das die Flüssigkeit im Standbeutel aufgrund seiner Form einnehme, und
diene gleichfalls dem besseren Stand des Beutels. Mit der Streitmarke vergleich-
bare Formen seien in den von der Antragstellerin eingereichten Patentschriften
beschrieben. Über individualisierende nicht-technische Gestaltungsmerkmale
verfüge die angegriffene Marke nicht.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Antragsgegnerin. Sie trägt vor, das
Foto eines Regals für alkoholfreie Getränke vom 17. Juni 2017 belege, dass es
sich bei der angegriffenen Marke nicht um eine Grundform im Bereich der Geträn-
keverpackungen handele. Sie habe als erste diese Form vor fast 50 Jahren als
Verpackungsform für Fruchtsaftgetränke auf den Markt gebracht. Weder die durch
Schweißnähte abgesetzten umlaufenden geraden Seitenkanten noch die in der
Seitenansicht nach oben spitz zulaufenden Seiten, die sich in der Vorderansicht
nach unten leicht verjüngende Form, die gewölbte und bauchige Form oder der
nach innen gewölbte Boden ließen als wesentliche Merkmale der Streitmarke eine
technische Bedingtheit erkennen. Die Schweißnähte, nicht aber die umlaufenden,
formgebenden geraden Seitenkanten des Beutels als wesentliches, die Form mit-
bestimmendes Merkmal verhinderten das Auslaufen der Flüssigkeit. Die Form der
Seitenkanten, mit der sich das DPMA nicht auseinandergesetzt habe, sei frei
wählbar, wie zahlreiche am Markt erhältliche Standbeutel im Getränkebereich
zeigten, bei denen kreativ gestaltete Formen der Seitenkanten als ästhetisches
Mittel eingesetzt würden (Anlage B2, Bl. 38 GA und Anlagenkonvolut B3, Bl. 39
GA). Sie erfüllten somit eine ästhetische Funktion. Sie ermöglichten auch keine
Platzersparnis bei Lagerung oder Transport. Mehrere dreidimensionale Formmar-
ken in Klasse 32 hätten dann nicht eingetragen werden dürfen (Anlagenkonvolut
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B4, Bl. 41 GA). Keine der Patentschriften beziehe sich auf die (gerade) Form der
Seitenkanten, sondern nur auf die Verschweißungen. Ob dadurch eine kosten-
günstige Produktion der Beutel möglich sei, sei unbeachtlich, da der Herstellungs-
prozess für die Frage der Erreichung einer technischen Wirkung rechtlich außer
Betracht zu bleiben habe. Auch ein Handelsgericht in Brüssel habe am
23. Dezember 2015 (Anlagenkonvolut B 6, Bl. 126 GA ff.) in einem Verletzungs-
verfahren mit Löschungswiderklage zum Benelux-Teil der identischen IR-Marke
die Auffassung vertreten, die geraden Ränder seien ein wichtiges, nicht funktional
bedingtes Element, weil es zahllose Beutel gebe, bei denen die seitlichen Ränder
anders verliefen. Da der Boden leicht nach innen gewölbt sei, stehe der Beutel auf
sehr schmalen Kanten, so dass schon kleinste Erschütterungen oder eine un-
ebene Standfläche den Beutel zum Kippen brächten. Selbst bei ebener Fläche
bestehe wegen der bauchigen Form eine Kippgefahr, weil der Boden mit der Wöl-
bung der langen Seitenkanten maximal auf drei Punkten stehen könne. Die nach
oben spitz zulaufenden Seiten sowie die sich in der Vorderansicht nach unten
leicht verjüngende Form bewirkten ebenfalls keine bessere Standfestigkeit. Der
Beutel sei zudem nicht ergonomisch geformt und habe keine Greifmulde. Die vier-
eckige Verpackungsform und die flexible Folie führten nicht zu einer besseren
Handhabbarkeit. Der Beutel könne auch nicht platzsparend gelagert oder trans-
portiert werden, weil anders als bei quaderförmigen Getränkekartons die bauchige
und gewölbte Form unvorteilhafte Lücken entstehen lasse, die zu Impulsstau-
chungen und zu Schäden am Verpackungsgut führten. Die Form des eingetrage-
nen Beutels sei weder gattungstypisch noch gebrauchstauglich, so dass auch der
Löschungsgrund nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG nicht gegeben sei.

Sie beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 21. August 2014 aufzuheben und den Lö-
schungsantrag zurückzuweisen.

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Die Antragstellerin und die Streithelferin beantragen,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigen beide die angefochtene Entscheidung und vertreten die Auffas-
sung, bei den gerade verlaufenden Seitenkanten handele es sich nicht um ein für
den Gesamteindruck der Marke wesentliches Gestaltungsmerkmal. Denn sie
seien Bestandteil der typischen rechteckigen Grundform für Fruchtsaftverpackun-
gen in Standbeutelform und führten zu keinem nicht-technischen, ästhetischen
Überschuss. Technisch sorgten die Seitenkanten nicht nur für den Abschluss der
Verpackungen, der ein Austreten der Flüssigkeit verhindere, sondern gewährleis-
teten im Gegensatz zu Beuteln mit seitlichen Einbuchtungen oder Ausstülpungen
oder mit einer dreieckigen Form auch ein gutes Verhältnis zwischen Verpa-
ckungsvolumen und Standfestigkeit. Durch die parallel verlaufenden Seitenkanten
könnten zudem bei der Produktion die Folienbahnen gerade und ohne Material-
verlust geschnitten werden, so dass diese die technisch sinnvollste, einfachste
und kostengünstigste Lösung bildeten. Ferner sparten Standbeutel mit geraden
Längsseiten Platz bei der Lagerung und erleichterten den Transport gegenüber
Schlauchbeuteln desselben Volumens mit nach innen gerundeten Seitenkanten
(Anlage BE 4). Die Zusammenführung der beiden Folienseiten oben sorgten für
einen besseren Stand des befüllten Beutels. Die in der Vorderansicht bauchige,
sich nach unten verjüngende Form, die sich zwangsläufig bei der Befüllung des
Beutels ergebe, habe den Vorteil, dass der Benutzer ihn im unteren Bereich sehr
gut greifen könne. Durch den steifen Rahmen der Bodenschweißnaht und die
ovale, faltige Bodenform werde dem Beutel nach Befüllung eine außerordentliche
Standfestigkeit verliehen. Die Flexibilität der Verpackungsfolie wirke nicht nur
Schäden bei Lagerung und Transport entgegen, weil sie starkem Druck und
Schlag nachgebe, ohne das Risiko einer Rissbildung bestehe, sondern erleichtere
die Handhabung und ermögliche eine platzsparende Entsorgung. Ein Standbo-
denbeutel als Verpackung für Getränke sei gattungstypisch, an ihn seien die Ver-
braucher schon im Anmeldezeitpunkt gewöhnt gewesen. Er weise mehrere we-
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sentliche Gebrauchseigenschaften auf, die zu den gattungstypischen Funktionen
von Getränkeverpackungen zählten: Er stehe gut und beanspruche als stehende
Verpackung weniger Platz. Aufgrund seiner Flexibilität lasse er sich gut festhalten
und beuge Verpackungsbrüchen vor. Deshalb seien auch alle Voraussetzungen
des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG erfüllt.

In der mündlichen Verhandlung haben die Verfahrensbeteiligten ihre Standpunkte
vertieft und näher erläutert. Die Antragsgegnerin hat unter Verwahrung gegen die
Beweislast beantragt, ein Sachverständigengutachten einzuholen zu der Frage, ob
es sich bei der Streitmarke um die Grundform einer Verpackung im Bereich der
alkoholfreien Getränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare handelt,
und zu der Behauptung, dass die gerade umlaufenden Seitenkanten nicht tech-
nisch bedingt sind. Ferner hat sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde zu mehre-
ren Fragen angeregt, erstens, ob es für die Frage der Grundform eine Rolle spiele,
ob es zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke andere von der Verpackungsge-
staltung abweichende Formen gegeben habe bzw. ob eine Verpackungsformart
grundsätzlich und immer die Grundform dieser Verpackung im hier betroffenen
Warenbereich darstelle, zweitens, nach welchen Kriterien sich die Grundform ei-
ner Verpackung in den Fällen einer formlosen Ware bestimme, drittens, ob es sich
bei den aufgeworfenen Fragen um Rechts- oder Tatsachenfragen handele, und
viertens, wie man die technische Wirkung prüfe und ob es sich dabei um eine Tat-
sachen- oder Rechtsfrage handele.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin ist nicht begründet, da der ange-
griffenen dreidimensionalen Marke sowohl zum Anmeldezeitpunkt als auch zum
Entscheidungszeitpunkt das Schutzhindernis der technisch bedingten Form ge-
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mäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegenstand bzw. entgegensteht. Die Marken-
abteilung hat sie deshalb zu Recht gelöscht (§§ 50 Abs. 1 und 2, 54 MarkenG).

1. Eine Marke ist auf Antrag gemäß § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 MarkenG
wegen absoluter Schutzhindernisse nach §§ 3, 7, 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG zu
löschen, wenn sie sowohl bezogen auf den Anmeldezeitpunkt (BGH GRUR 2013,
1143, Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten) als auch bezogen auf den Zeitpunkt
der Entscheidung über den Löschungsantrag (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG)
schutzunfähig war bzw. ist.

2. Die nach § 3 Abs. 1 MarkenG grundsätzlich markenfähige angegriffene
dreidimensionale Gestaltung bestand schon zum Anmeldzeitpunkt ausschließlich
aus einer Form, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich ist, und
dieses Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht auch gegenwärtig
fort.

a) Gegenstand der angegriffenen Marke ist die dreidimensionale
photographische Wiedergabe der Form eines Standbeutels aus fünf Perspektiven,
die in Verbindung mit den beanspruchten Waren der Klasse 32 „alkoholfreie Ge-
tränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare“ eine Getränkeverpackung
darstellt.

b) Zwar ist hier nicht die Ware selbst, sondern deren Verpackung zu beurtei-
len, diese ist aber dann der Ware gleichzustellen, wenn die Ware – wie hier – we-
gen ihrer flüssigen Konsistenz keine eigene Form besitzt und eine Verpackung
zwingend braucht (EuGH, GRUR 2004, 428 Rdnr. 37 – Henkel).

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c) Das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 MarkenG gilt daher nicht nur für Wa-
ren-, sondern auch für Verpackungsformen.

d) Nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist ein Zeichen, das ausschließlich aus ei-
ner Form besteht, dem Markenschutz nicht zugänglich, wenn die Form zur Errei-
chung einer technischen Wirkung erforderlich ist.

aa) Zweck dieses – nicht durch Verkehrsdurchsetzung überwindbaren – Aus-
schlussgrundes ist es, eine Monopolisierung technischer Lösungen oder Ge-
brauchseigenschaften von Waren im Wege des Markenschutzes zu verhindern
(EuGH MarkenR 2017, 266 Rdnr. 33 – Yoshida/EUIPO; GRUR 2010, 1008
Rdnr. 43 - 46 – Lego; GRUR 2003, 514 Rdnr. 72 – Linde, Winward u. Rado; BGH
GRUR 2010, 231 Rdnr. 25 – Legostein; GRUR 2008, 71 Rdnr. 13 – Fronthaube;
GRUR 2008, 510 Rdnr. 11 – Milchschnitte). Technische Lösungen stehen entwe-
der unter dem – zeitlich begrenzten – Sonderschutz des Patent- oder Gebrauchs-
musterrechts oder sie sind gemeinfrei. Durch das in § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
normierte Verbot wird sichergestellt, dass Unternehmen nicht das Markenrecht in
Anspruch nehmen können, um ausschließliche Rechte für technische Lösungen
ohne zeitliche Begrenzung auf Dauer festzuschreiben (EuGH a. a. O Rdnr. 45 –
Lego). Mit den Wörtern „ausschließlich” und „erforderlich” stellt diese Bestimmung
sicher, dass allein diejenigen Warenformen von der Eintragung ausgeschlossen
sind, durch die nur eine technische Lösung verkörpert wird und deren Eintragung
als Marke deshalb die Verwendung dieser technischen Lösung durch andere Un-
ternehmen tatsächlich behindern würde (EuGH a. a. O. Rdnr. 26 – Yos-
hida/EUIPO; a. a. O. Rdnr. 48 – Lego).

bb) Dieses Eintragungshindernis setzt voraus, dass die Form in ihren wesentli-
chen Merkmalen für das Erreichen der fraglichen technischen Wirkung technisch
kausal und hinreichend ist, selbst wenn diese Wirkung durch andere Formen er-
zielt werden kann, die die gleiche oder eine andere technische Lösung nutzen
(EuGH a. a. O. Rdnr. 50 ff. – Lego; EuGH GRUR 2002, 804 Rdnr. 83 - Phi-
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lips/Remington; BGH a. a. O. – Legostein; GRUR 2006, 589 Rdnr. 18 - Rasierer
mit drei Scherköpfen). Es kommt daher nicht darauf an, ob sich die gleiche techni-
sche Wirkung auch unter Verwendung anderer Formalternativen erreichen lässt.

cc) Die Schutzfähigkeit einer solchen Marke kann nach dieser Bestimmung
allerdings dann nicht abgelehnt werden, wenn in der Form ein wichtiges nichtfunk-
tionales Element, wie ein dekoratives oder phantasievolles Element, verkörpert
wird, das für diese Form von Bedeutung ist (EuGH a. a. O. Rdnr. 27 – Yos-
hida/EUIPO; a. a. O. Rdnr. 52, 59, 72 – Lego). Dabei ist der Ausdruck „wesentli-
che Merkmale“ so zu verstehen, dass er sich auf die wichtigsten Merkmale der
Marke bezieht (EuGH a. a. O. Rdnr. 69 – Lego).

dd) Die Ermittlung dieser Merkmale ist im Wege einer Einzelfallbeurteilung
vorzunehmen und kann bei einem nicht allzu schwierig gelagerten Fall – wie hier –
anhand einer bloßen visuellen Prüfung der Marke erfolgen (EuGH a. a. O.
Rdnr. 70 f. – Lego). Dabei ist die vermutete Wahrnehmung der Marke durch die
angesprochenen Verkehrskreise allenfalls ein nützliches Beurteilungskriterium
(EuGH a. a. O. Rdnr. 76 – Lego).

e) Zur Prüfung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind
zunächst die wesentlichen Merkmale der Form zu bestimmen (EuGH a. a. O. –
Philips/Remington; BGH a. a. O. – Rasierer mit drei Scherköpfen, BGH a. a. O. –
Legostein), wobei die Sicht der angesprochenen Verkehrskreise, nämlich der
Durchschnittsverbraucher und des Getränkefachhandels, zu berücksichtigen ist.

aa) Der Senat, dessen Mitglieder ebenfalls zu den von den registrierten Geträn-
ken angesprochenen Verkehrskreisen gehören, ist nach einer Prüfung der dreidi-
mensionalen Formmarke zu dem Ergebnis gelangt, dass die folgenden sechs au-
genfälligen Merkmale der angegriffenen Verpackungsform als wesentlich anzuse-
hen sind:

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1. ein aufrecht stehender Beutel,
2. mit flachen Kanten an den Seiten und am oberen Rand,
3. mit einem oval aufgefalteten Boden,
4. mit bauchiger Wölbung, nach unten leicht verjüngend,
5. mit in der Seitenansicht keilförmig nach oben spitz zulaufenden Seiten
6. aus flexiblem, undurchsichtigem Material.

bb) Die Prüfung, ob alle diese Merkmale eine technische Funktion erfüllen, be-
stimmt sich nach objektiven Kriterien und unabhängig von der Verkehrsauffas-
sung.

aaa) Zur Bestimmung der technischen Bedingtheit von Formelementen können
bei der markenrechtlichen Prüfung einschlägige Patent- und Offenlegungsschrif-
ten, insbesondere auch Unterlagen über frühere Patente, herangezogen werden
(EuGH a. a. O. Rdnr. 85 – Lego; BGH a. a. O. Rdnr. 20 - Rasierer mit drei Scher-
köpfen), weil diese Schriften notwendigerweise den Stand der Technik und die
technische Bedingtheit der Erfindung im Einzelnen belegen. Es stellt daher ein
starkes Indiz für die Annahme einer technisch bedingten Formgebung dar, wenn
es sich bei den fraglichen Gestaltungselementen um technische Merkmale han-
delt, die in Patent- oder Offenlegungsschriften entweder in den Ansprüchen oder
in der Beschreibung dargestellt sind (BPatG 28 W (pat) 2/02 – Scherkopf).

bbb) Ferner ist bei der Beurteilung der Funktionalität der wesentlichen Merkmale
auch zu berücksichtigen, für welche konkreten Waren die Marke angemeldet bzw.
eingetragen ist (EuGH GRUR 2017, 66 Rdnr. 46 ff. – Simba Toys/EUIPO [Rubik´s
Cube].

cc) Allen sechs Merkmalen, die den Gesamteindruck dieser dreidimensionalen
Verpackungsmarke wesentlich bestimmen, sind technische Wirkungen zuzu-
schreiben (§ 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

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Dies ergibt sich unter Berücksichtigung der registrierten Waren „alkoholfreie Ge-
tränke, Fruchtgetränke, Fruchtsäfte und Fruchtnektare“ entweder aus offenkundi-
gen technischen Gegebenheiten und/oder aus den folgenden abgelaufenen bzw.
widerrufenen Patentschriften:

- das dem französischen Ursprungspatent der Erfinder Doyen Nr. 1.349.272
vom 14. November 1962 (Anlage A 1, Bl. S14 – S. 17 VA) entsprechende,
am 24. Oktober 1968 veröffentlichte deutsche Patent Nr. 1 281 140 für ei-
nen „Beutel aus thermoplastischem Kunststoff und Verfahren zu seiner
Herstellung“ (Anlage A 2, Bl. S. 18 – S. 25 VA), das die Erfindungen eines
Standbeutels zur Verpackung von Flüssigkeiten aus dem am 12. Mai 1942
veröffentlichten US-Patent Nr. 2,283,069 (Anlage A 3, Bl. S. 26 – S. 28 VA)
und aus dem am 20. September 1955 veröffentlichten US-Patent Nr.
2,718,105 (Anlage A 4, Bl. S. 29 – S. 37 VA) verbessert,

- die Offenlegungsschrift des deutschen Patents Nr. 2 234 933 vom
31. Januar 1974 für eine „Beutelpackung“ (Anlage BE 3, Bl. 108 – 112 GA),
die sich durch die Wiederverschließbarkeit im oberen Bereich unterschei-
det, und

- das am 16. Oktober 1980 veröffentlichte und 1985 widerrufene deutsche
Patent der Antragsgegnerin Nr. 29 15 238 für einen „Getränkebeutel aus
mehrschichtigem Verbundmaterial“ (Anlage BE 2, Bl. 96 - 107 GA).

(1) Das aufrechte Stehen des Beutels ermöglicht das Aufstellen in
Verkaufsregalen und erleichtert ein Abstellen des Beutels beim Gebrauch. Laut
Beschreibung der Offenlegungsschrift Nr. 2 234 933 bieten sich zur Verpackung
von Flüssigkeiten „standfeste Beutel“ an, „die ebenso wie Flaschen oder Dosen
aufstellbar sind“ (Seite 2 Absatz 1). Der aufrechte Stand verhindert zudem das
Austreten der Flüssigkeit nach der Öffnung, was das am 20. September 1955 ver-
öffentlichte US-Patent Nr. 2,718,105 wie folgt beschreibt: „A further object of the
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invention is the provision of an improved container having a stiffened base of a
type that it will remain upright when so set on a table or support, thereby eliminat-
ing the possibility of the contents draining therefrom after opening” (Spalte 1
Zeilen 30 - 31).

(2) Die flachen Kanten an den Seiten und am oberen Rand dienen dem siche-
ren Verschluss. Soweit die Antragsgegnerin anführt, dass nicht die Kanten, son-
dern nur die Schweißnähte das Austreten der Getränkeflüssigkeit verhindern, ist
darauf hinzuweisen, dass nur Kanten, aber keine Schweißnähte als wesentliche
Merkmale erkennbar sind.

(3) Da der Boden an den beiden Seitenkanten fixiert ist, faltet er sich beim
Befüllen oval auf. Die Faltung am Beutelboden erlaubt der eingefüllten Flüssigkeit,
sich ohne weiteres auszubreiten. Der durch das Befüllen oval aufgefaltete Boden
verleiht dem Beutel eine Standfestigkeit. Dazu wird in der Beschreibung der Of-
fenlegungsschrift Nr. 2 234 933 ausgeführt, dass die Beutelpackung in Bodennähe
einen Querschnitt annimmt, welcher der Form einer Ellipse nahekommt, so dass
die Beutelpackung eine gute Standfestigkeit hat (Seite 4 Absatz 1).

(4) Die bauchige Wölbung und die sich nach unten leicht verjüngende Form
wird durch die Befüllung des Beutels bewirkt, weil sie den Boden auffaltet und die
linken und rechten Kanten leicht nach innen zieht.

(5) Die in der Seitenansicht keilförmig nach oben spitz zulaufenden Seiten des
Beutels ergeben sich zwangsläufig durch die flache Kante im oberen Bereich und
den ovalen Boden im unteren Bereich nach Einfüllen der Flüssigkeit. In der Kom-
bination mit der im befüllten Zustand des Beutels entfalteten Standfläche entsteht
notwendigerweise eine dreieckige Silhouette.

(6.1) Ein Beutel besteht schon definitionsgemäß aus flexiblem Material (vgl. Blei-
sch, Goldhahn, Schricker, Vogt, Lexikon Verpackungstechnik, 2003, S. 52). Wie
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sich auch aus der Beschreibung des deutschen Patents Nr. 1 281 140 ergibt
(Spalte 1 Zeile 30 ff., Spalte 5 Zeilen 1 - 5) kann das flexible Material starkem
Druck und Schlag widerstehen, ohne dass das Risiko einer Rissbildung besteht,
da der Druck der Flüssigkeit immer gleichmäßig auf den Behälterboden verteilt
wird. Durch dieses robuste Material ist der Beutel somit sicher vor Transportschä-
den. Gleichzeitig erleichtert dieses Material vor der Befüllung eine platzsparende
Lagerung und reduziert anschließend den Müllanfall (Offenlegungsschrift
Nr. 2 234 933, Seite 2 Absatz 1).

(6.2) Undurchsichtiges Material reduziert den Eintritt von Licht, so dass lichtemp-
findliche Getränke und ihr Aroma nicht beeinträchtigt werden.

Somit dienen alle wesentlichen Merkmale der eingetragenen Formmarke allein
technischen Zwecken.

dd) Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin stellen gerade Seitenränder kein
wesentliches Gestaltungsmerkmal der angegriffenen Marke dar.

aaa) Denn aufgrund der Knicke und Falten des von der angegriffenen Marke
abgebildeten Beutels kann nicht genau erkannt werden, ob der Beutel tatsächlich
gerade Seitenkanten aufweist.

bbb) Selbst wenn diese aber erkannt würden, wären sie für den Gesamteindruck
nur von unwesentlicher Bedeutung, weil sich senkrecht verlaufende Seitenkanten
gestalterisch absolut im Rahmen dessen bewegen, was bei Getränkeverpackun-
gen (z. B. Dosen, Flaschen, quaderförmige Getränkekartonverpackungen aus
mehrschichtigem Material, wie z. B. Tetra-Paks) seit Jahrzehnten wegen der
Platzersparnis bei Lagerung, Transport und Präsentation üblich ist, so dass sie
auch unter Berücksichtigung des angesprochenen Verkehrs als nützliches Beur-
teilungskriterium (EuGH a. a. O. Rdnr. 76 – Lego) nicht als wesentlich für die Ge-
samtgestaltung wahrgenommen würden.
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ee) Unterstellt, gerade Seitenränder bildeten ein wesentliches Merkmal der
angegriffenen Marke, wären sie jedoch ebenfalls technisch bedingt.

aaa) Denn die kürzeste Verbindung zwischen zwei Punkten ist eine Gerade, so
dass sich bei dem zur Aufnahme von Flüssigkeit notwendigen Verschluss des
Beutels zwangsläufig gerade Kanten bilden. Ferner ermöglichen gerade Längs-
seiten ein größeres Füllvolumen.

bbb) Außerdem können durch parallel verlaufende Seitenkanten bei der Produk-
tion die Folienbahnen gerade und ohne Materialverlust geschnitten werden, so
dass sie auch die technisch zweckmäßigste, einfachste und kostengünstigste
Herstellungsweise darstellen.

(1) Die Offenlegungsschrift des deutschen Patents Nr. 2 234 933 vom
31. Januar 1974, die eine Beutelpackung mit zwei aus flexiblem Packstoff beste-
henden Wänden beschreibt, die u. a. an ihren seitlichen Rändern durch Längs-
nähte fest miteinander verbunden sind (Seiten 1 - 3), gibt an, dass für eine derar-
tige, standfeste Beutelpackung die Materialkosten und der Herstellungsaufwand
gering sei (Seite 3 Absatz 1).

(2) Die Offenlegungsschrift der Antragsgegnerin Nr. 29 15 238 vom
16. Oktober 1980 spricht in der Beschreibung u. a. von zwei entlang ihrer Längs-
seiten durch Längsschweißnähte miteinander verbundenen Folienbahnen und da-
von, dass durch die Erfindung „ein einfacher und kostengünstiger herstellbarer
Getränkebeutel“ geschaffen werden soll (Seite 4 Absatz 2).

(3) Soweit der EuGH in seiner Entscheidung vom 16. September 2015 (GRUR
2015, 1198 Rdnr. 52 - 57 – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]) entschieden hat, dass die
Herstellungsmodalitäten im Rahmen der Beurteilung der wesentlichen funktionel-
len Merkmale der Form einer Ware nicht maßgeblich seien, weil aus der Sicht des
Verbrauchers die Funktionalitäten der Ware maßgeblich und die Modalitäten ihrer
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Herstellung unerheblich seien, kann sich diese Entscheidung nur auf den ersten
Prüfvorgang der Bestimmung der wesentlichen Merkmale der Form beziehen, bei
der die Verkehrsauffassung ein nützliches Beurteilungskriterium darstellt (EuGH
a. a. O. Rdnr. 76 f. – Lego), weil die Frage der technischen Wirkung nach objekti-
ven Kriterien und unabhängig von der Verkehrsauffassung zu beurteilen ist (EuG
MarkenR 2009, 75 Rdnr. 70 – Roter Lego-Stein, bestätigt von EuGH a. a. O.
Rdnr. 84 f. – Lego).

ccc) Aber selbst wenn die Herstellungsweise bei der technischen Bedingtheit
nicht zu berücksichtigen und die geraden Seitenränder nichtfunktional wären,
handelte es sich nicht um ein signifikantes (EuGH a. a. O. Rdnr. 59 – Lego), näm-
lich dekoratives oder phantasievolles Element (EuGH a. a. O. Rdnr. 52 – Lego),
der angegriffenen Verpackungsformmarke, das für diese Form von Bedeutung
wäre. Ein derartiger nicht-technischer, ästhetischer Überschuss läge nur bei einer
verzierenden oder kreativen Gestaltung, nicht aber bei der hier vorliegenden gera-
den und damit einfachsten Art der Kantenausgestaltung vor, die bei Getränkever-
packungen üblich ist und an die die angesprochenen Verkehrskreise seit langem
gewöhnt sind, wie bereits eingehend erörtert worden ist.

ff) Soweit die Markenabteilung die viereckige Form als wesentliches Merkmal
bezeichnet hat, ist dies unzutreffend, weil bei der vorliegenden Markenabbildung
kaum eindeutige Ecken zu erkennen sind. Selbst wenn man aber die Erkennbar-
keit von vier Ecken unterstellte, wären sie für den Gesamteindruck nur von unter-
geordneter und damit unwesentlicher Bedeutung. Denn das Viereck zählt zu den
einfachsten geometrischen und bei Getränkeverpackungen weit verbreiteten For-
men.

gg) Die Entscheidung des Handelsgerichts in Brüssel vom 23. Dezember 2015
(Anlagenkonvolut B 6, Bl. 126 GA ff.) in einem Verletzungsverfahren mit Lö-
schungswiderklage zum Benelux-Teil der identischen IR-Marke, in dem es die
Auffassung vertreten hat, die geraden Ränder seien ein wichtiges, nicht funktional
- 18 -
bedingtes Element, weil es zahllose Beutel gebe, bei denen die seitlichen Ränder
anders verliefen, steht nicht in Übereinstimmung mit der gefestigten Rechtspre-
chung des EuGH und BGH, wonach es nicht darauf ankommt, ob sich die gleiche
technische Wirkung auch unter Verwendung anderer Formalternativen erreichen
lässt (EuGH a. a. O. Rdnr. 50 ff. – Lego; EuGH a. a. O. – Philips/Remington; BGH
a. a. O. – Legostein; a. a. O. Rdnr. 18 – Rasierer mit drei Scherköpfen).

hh) Angesichts der Offenkundigkeit der dargestellten technischen Sachverhalte,
bestand für den Senat keine Veranlassung für eine Beweiserhebung durch Ein-
holung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens nach § 74 Abs. 1 Mar-
kenG, wie sie im markenrechtlichen Beschwerdeverfahren ohnehin nur in Aus-
nahmefällen zum Tragen kommt, beispielsweise bei besonders schwierigen tech-
nischen Fragestellungen. Da es sich bei der Streitmarke um einen Gegenstand
des täglichen Gebrauchs handelt, dessen Gestaltungsmerkmalen überschaubare
technische Fakten zugrunde liegen, konnte der Senat nach umfassender Würdi-
gung der vorgelegten Patent- und Offenlegungsschriften ohne weiteres die Frage
der technischen Funktionalität der fraglichen Merkmale in eigener Sachkunde be-
urteilen (vgl. BPatG 28 W (pat) 2/02 – Scherkopf).

Auch von der Einholung des von der Antragsgegnerin beantragten Sachverständi-
gengutachtens zu der Frage, ob es sich bei der Streitmarke um die Grundform
einer Verpackung im Bereich der alkoholfreien Getränke, Fruchtgetränke, Frucht-
säfte und Fruchtnektare handelt, und zu der Behauptung, dass die gerade umlau-
fenden Seitenkanten nicht technisch bedingt sind, konnte der Senat, der an Be-
weisanträge nicht gebunden ist (§ 73 Abs. 1 MarkenG), absehen. Denn die Frage
der Getränkegrundform hat bei der Beurteilung der technischen Funktionalität der
wesentlichen Merkmale der angegriffenen Marke keine Rolle gespielt. Da die von
der Antragsgegnerin behaupteten geraden Seitenkanten kein wesentliches Merk-
mal der Streitmarke darstellen, bedarf es auch keiner Überprüfung, ob sie tech-
nisch bedingt sind. Soweit der Senat sich zur technischen Bedingtheit gerader
- 19 -
Seitenkanten geäußert hat, handelt es sich nicht um entscheidungserhebliche
Ausführungen.

3. Da schon das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt,
kann dahinstehen, ob die Marke darüber hinaus gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
schutzunfähig ist.

4. Die von der Antragsgegnerin genannten Voreintragungen rechtfertigen
keine andere Entscheidung.

a) Soweit die Beschwerdeführerin auf drei andere für sie im Jahre 1998 als
dreidimensionale Marken eingetragene Beutelformen verweist, nämlich
(39836281), (39836282) und (39836283), beruft sie sich
lediglich auf die unmaßgebliche Voreintragung eigener vergleichbarer Marken
(BGH GRUR 2008, 1093 Rdnr. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis I).

b) Die dreidimensionalen Formmarken (30133521), (30150364),
(30228922) und (30231961) sind als Flaschen oder Gläser mit der Streit-
marke in Form eines Standbeutels nicht vergleichbar.

- 20 -
c) Die 3-D-Marken (30139138), (30139139),
(30139140) sind erst im Jahre 2002, also lange nach dem Anmeldezeitpunkt, ein-
getragen worden. Ferner kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie im Gegen-
satz zur Streitmarke jeweils über mindestens ein signifikantes nichtfunktionales
Designelement verfügen.

5. Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeits-
gründen gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG gibt weder die Sach- und Rechtslage
noch das Verhalten der Beteiligten Anlass.

6. Die von der Antragsgegnerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde
nach § 83 Abs. 2 MarkenG ist nicht veranlasst.

Weder war über eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden
(§ 82 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch war die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur
Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung als
erforderlich zu erachten (§ 82 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG).

a) Die tatsächliche oder wirtschaftliche Bedeutung eines Falles kann die An-
nahme einer grundsätzlichen Rechtsfrage lediglich dann begründen, wenn die
Auswirkungen der Entscheidung nicht nur für die Vermögensinteressen der jewei-
ligen Beteiligten, sondern auch für den allgemeinen Rechtsverkehr von wesentli-
cher Bedeutung sind (BGH GRUR 2003, 259 Rdnr. 29 f.). Die ordnungsgemäße
Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung unter diesem Gesichtspunkt setzt
voraus, dass die tatsächlichen oder wirtschaftlichen Auswirkungen des Rechts-
streits auf die Allgemeinheit konkret dargestellt werden. Ferner sind Ausführungen
darüber erforderlich, warum das Interesse der Allgemeinheit ein korrigierendes
- 21 -
Eingreifen des Rechtsbeschwerdegerichts erforderlich macht. Solche konkreten
Angaben hat die Antragsgegnerin nicht gemacht.

b) Die von der Antragsgegnerin formulierte Frage, ob es für die Frage der
Grundform eine Rolle spiele, ob es zum Zeitpunkt der Anmeldung der Marke an-
dere von der Verpackungsgestaltung abweichende Formen gegeben habe, haben
der EuGH und der BGH schon dahingehend beantwortet, dass es nicht darauf
ankommt, ob sich die gleiche technische Wirkung auch unter Verwendung anderer
Formalternativen erreichen lässt (EuGH GRUR a. a. O. Rdnr. 50 ff. – Lego; EuGH
a. a. O. – Philips/Remington; BGH a. a. O. – Legostein; a. a. O. – Rasierer mit drei
Scherköpfen).

c) Die Frage, ob eine Verpackungsformart grundsätzlich und immer die
Grundform dieser Verpackung im hier betroffenen Warenbereich darstelle, ist
schon deshalb nicht entscheidungserheblich, weil der Senat weder bei der Ermitt-
lung der wesentlichen Merkmale noch bei der Beurteilung ihrer jeweiligen techni-
schen Funktion eine Grundformbetrachtung vorgenommen hat.

d) Aus dem gleichen Grund ist auch die Frage der Antragsgegnerin, nach wel-
chen Kriterien sich die Grundform einer Verpackung in den Fällen einer formlosen
Ware bestimme, nicht entscheidungserheblich. Außerdem handelt es sich um eine
Tatsachen- und keine Rechtsfrage.

e) Die Beurteilung, ob es sich um eine Rechts- oder Tatsachenfrage handelt,
obliegt bei der Prüfung der Zulassung der Rechtsbeschwerde dem erkennenden
Gericht.

f) Die von der Beschwerdeführerin gestellte Frage, wie man die technische
Wirkung prüfe, ist eine Tatsachen- und keine Rechtsfrage und rechtfertigt daher
nicht die Zulassung einer Rechtsbeschwerde.

- 22 -
g) Auch für den Fall, dass der Senat durch die von ihm vorgenommene Ausle-
gung zu der Frage der Maßgeblichkeit der Herstellungsmodalitäten im Rahmen
des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Entscheidung des EuGH (GRUR 2015,
1198 Rdnr. 52 - 57 – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]) abgewichen sein sollte, würde dies
weder die Zulassung einer Rechtsbeschwerde noch eine EuGH-Vorlage erforder-
lich machen, da der Senat seine Entscheidung nicht auf diesen Gesichtspunkt
stützt.

h) Im Übrigen hat der Senat die Rechtsprechungsgrundsätze des Europäi-
schen Gerichtshofs und des Bundesgerichtshofs zum Ausschlussgrund der tech-
nisch bedingten Form angewendet und nicht über neue Rechtsfragen von grund-
sätzlicher Bedeutung entschieden.


III.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

- 23 -
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Kortge Reker Schödel

prö


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