26 W (pat) 576/16  - 26. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




26 W (pat) 576/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Markenanmeldung 30 2016 216 486.0

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
24. Juli 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Richter
Schödel und Dr. von Hartz

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beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Das Wortzeichen

DelmeStrom

ist am 6. Juni 2016 unter der Nummer 30 2016 216 486.0 zur Eintragung in das
beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet
worden für Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 35, 39 und 40.

Mit Beschluss vom 13. September 2016 hat die Markenstelle für Klasse 39 des
DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebe-
dürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG teilweise zurück-
gewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen der

Klasse 4: Elektrizität;

Klasse 39: Distribution [Verteilung] von Energie; Stromversorgung
durch Verteilung von Elektrizität; Verteilung durch
Leitungen und Kabel; Verteilung von Elektrizität zur
Stromversorgung; Verteilung von Energie; Verteilung
von Energie an Haushalte;

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Klasse 40: Dienstleistungen der Stromerzeugung; Energieerzeu-
gungsdienste; Erzeugen von Strom; Erzeugung von
elektrischem Strom; Erzeugung von Energie; Gas-
und Stromerzeugung; Stromerzeugung; Stromerzeu-
gung aus erneuerbaren Quellen; Stromerzeugung aus
Solarenergie; Stromerzeugung aus Windenergie;
Stromerzeugung durch Kraftwerke; Stromerzeugung
durch Wasserkraft; Stromerzeugungsdienstleistungen.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei sprach- und
branchenüblich gebildet und setze sich aus der geographischen Angabe „Delme“,
die einen 46 km langen Fluss in Niedersachsen bezeichne, und dem gebräuchli-
chen Begriff „Strom“ zusammen, der für elektrischen Strom, elektrische Energie
oder Leistung stehe. In Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleis-
tungen eines Energieversorgers sei das Anmeldezeichen unmittelbar geeignet, als
geographischer Hinweis im Sinne von „Strom bzw. elektrische Energie von der
Delme“ oder als Bestimmungsangabe im Sinne von „elektrische Energie für die
Delme bzw. im geographischen Bereich des Delme-Gebiets“ zu dienen. Die ange-
sprochenen Verkehrskreise würden dem Zeichen daher keinen individualisieren-
den Herkunftshinweis entnehmen, sondern dieses als bloße Sachangabe verste-
hen. Auch die Binnengroßschreibung führe nicht zur Schutzfähigkeit, da diese Ge-
staltung dem heutigen werbegraphischen Standard entspreche. Da es Mitbewer-
bern der Anmelderin möglich sein müsse, ihre gleichen oder ähnlichen Produkte
und Dienstleistungen auch mit dieser sachbeschreibenden Angabe bezeichnen zu
können, bestehe zudem ein Freihaltebedürfnis. Die Anmelderin könne sich auch
nicht auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen berufen, da die Entschei-
dung über die Schutzfähigkeit einer Markenanmeldung keine Ermessens-, son-
dern eine reine Rechtsfrage darstelle. Die Anmeldungen „RuppinStrom“, „Spree-
waldstrom“, „PaderStrom“, „Losse-Strom“, „Pader-Energie“, „ohra Energie“,
„elbenergie“, „Ruppin-Gas“, „SpreewaldGas“, „PaderGas“ und „Losse-Gas“ seien
ebenfalls zurückgewiesen worden.
- 4 -
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß be-
antragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des DPMA vom
13. September 2016 aufzuheben.

Zeitgleich mit der Beschwerdeeinlegung hat sie bezüglich der nicht zurückgewie-
senen Dienstleistungen der Klasse 35 die Teilung der Anmeldung erklärt.

Sie ist der Ansicht, das Anmeldezeichen enthalte keine eindeutige Sachaussage,
sondern sei begrifflich unscharf und aufgrund seiner Mehrdeutigkeit interpretati-
onsbedürftig. Denn es könne sowohl die Versorgung mit elektrischer Energie im
Raum des Flusses Delme bedeuten als auch Strom aus oder für Delmenhorst be-
zeichnen, auf die schönen, besonderen Seiten der in Niedersachsen bekannten
Region im Oldenburgischen hinweisen oder eine Assoziation mit dem Unterneh-
mensnamen der Anmelderin herstellen. Ferner handele es sich um eine gramma-
tikalisch ungewöhnliche Wortneuschöpfung, weil die einfache Aneinanderreihung
einer geographischen Herkunftsangabe und einer Sachbezeichnung ohne Präpo-
sition, Genitiv oder in adjektivischer Form in der deutschen Sprache regulär nicht
vorgesehen sei. Zudem sei es in der Energiebranche üblich, Unternehmenskenn-
zeichen aus einer geographischen Angabe und einem Sachbegriff zu bilden. Ver-
gleichbare Bezeichnungen ihrer Konkurrenten seien in der Vergangenheit in das
Register eingetragen worden, wie z. B. die Marken „UckerStrom“
(30 2013 021 096), „RuhrStrom“ (399 52 074), „Emscher-Lippe-Strom“
(396 12 227), „Nordstrom“ (701 414), „Lausitzstrom“ (398 39 237), „Bayernstrom“
(398 63 293) (vgl. auch BPatG 29 W 106/03 – Berlinwasser). Insofern bestehe
auch eine Selbstbindung der Verwaltung. Das Anmeldezeichen sei auch deshalb
keine geographische Herkunftsbezeichnung, weil Stromanbieter kein eigenes Netz
betrieben, der Strom auch an anderen Orten erzeugt werden könne und die Ver-
sorger ihre Produkte heutzutage bundesweit anböten. Die „Delme“ sei eher ein
langer Bach als ein die Region prägender Fluss, außerhalb der Region unbekannt
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(vgl. BPatG 26 W (pat) 114/72 – Apia) und werde nicht für die Erzeugung von
elektrischer Energie aus Wasserkraft genutzt. Dies sei aus Umweltschutzgründen
auch für die Zukunft nicht geplant. Die Stadt Delmenhorst sei mit
74.500 Einwohnern als Markt für eine Regionalmarke eines überregionalen
Stromvertriebs zu klein. Sie sei als Stadtwerk in Delmenhorst der einzige lokale
Energieversorger. Kein anderer örtlicher Versorger habe ein vernünftiges Inte-
resse an der Verwendung des Flussnamens. Auch die künftige Gründung eines
neuen Stadtwerks am Verlauf der Delme sei unwahrscheinlich. Außer dem Namen
der Stadt Delmenhorst leiteten sich keine weiteren geographischen Angaben von
dem Flussnamen ab. Ähnliche Wortkombinationen mit ihm seien im Internet al-
lenfalls vereinzelt und nicht für die verfahrensgegenständlichen Waren und
Dienstleistungen gebräuchlich.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 10. April 2017 ist die Anmelderin unter Beifügung
von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 4, Bl. 34 – 46 GA) darauf hingewiesen wor-
den, dass das angemeldete Wortzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig,
aber unbegründet.

Für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 4,
39 und 40 steht dem Anmeldezeichen „DelmeStrom“ das Eintragungshindernis
der Freihaltebedürftigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, so dass die
Markenstelle die Anmeldung insoweit zu Recht nach § 37 Abs. 1 MarkenG
zurückgewiesen hat.

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1. a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung Marken
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im
Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der
Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung
der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung
sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Die Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen
oder Angaben, die eines oder mehrere Merkmale der beanspruchten Waren oder
Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren
oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können (vgl. EuGH
GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 – 1000; GRUR 1999, 723 Rdnr. 25 – Chiemsee; BGH
GRUR 2017, 186 Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen; BGHZ 167, 278
Rdnr. 35 - FUSSBALL WM 2006). Bei einer geographischen Herkunftsangabe
besteht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass sie vom Verkehr als solche und
nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrgenommen wird (vgl.
EuGH a. a. O. Rdnr. 31 - 34 – Chiemsee). Ob ein Zeichen oder eine Angabe
beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der Verbraucherkreise, die
als Abnehmer oder Interessenten der Waren oder Dienstleistungen in Betracht
kommen, für die die Marke geschützt ist (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 29 – Chiemsee;
BGH a. a. O. – Stadtwerke Bremen).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die angemeldete Wortkombina-
tion „DelmeStrom“ freihaltebedürftig.

aa) Die hier verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen richten
sich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und ver-
ständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matrat-
zen Concord/Hukla; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Chiemsee) als auch an Unter-
nehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene sowie
die Fachverkehrskreise im Energiebereich.
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bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Bestandteilen „Delme“ und
„Strom“ zusammen.

aaa) Dem Wort „Delme“ kommen verschiedene Bedeutungen zu.

(1) Die Delme ist ein 46 km langes Fließgewässer in Niedersachsen südwest-
lich von Bremen. Der Fluss entspringt in der Kleinstadt Twistringen mit
12.200 Einwohnern, verläuft durch das Stadtgebiet der Mittelstadt Delmenhorst mit
76.000 Einwohnern und mündet am Rande von Bremen in die Ochtum, einen Ne-
benfluss der Weser. Sie fließt außerdem durch die Gemeinden Köbbinghausen,
Beckeln, Groß Köhren, Klein Köhren, Harpstedt und Horstedt (www.wikipedia.de,
s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).

(2) Delme ist aber auch eine französische Gemeinde mit 1.098 Einwohnern im
Département Moselle in der Region Lothringen (https://de.wikipedia.org/wiki/
Delme_(Moselle).

(3) Ferner stellt „Delme“ eine lokale Abkürzung für die Stadt Delmenhorst oder
das Gebiet entlang der Delme dar, wie eine Internetrecherche des Senats ergeben
hat: „DelmeNews.de“ und „Delme Report“ weisen auf Medien für die Stadt
Delmenhorst hin. „Delme-Werkstätten“ bezieht sich auf an der Delme angesiedelte
Behindertenwerkstätten. Die Internetseite „www.delme-shop.de“ wirbt für handge-
fertigte Produkte aus den Manufakturen der Delme und zwei Vereinigungen
nennen sich „DELME SQUARE DANCER DELMENHORST E. V.“ und „DELME
SHANTY SINGERS“ (s. Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis).

(4) Da die kleine französische Gemeinde und die lokale Abkürzung bundesweit
noch weniger bekannt sind, steht vorliegend die Bedeutung als niedersächsischer
Fluss im Vordergrund.

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bbb) Das Substantiv „Strom“ bezeichnet u. a. einen „großen (meist ins Meer
mündenden) Fluss“ oder „fließende Elektrizität“, also „in einer (gleichbleibenden
oder periodisch wechselnden) Richtung sich bewegende elektrische Ladung“
(www.duden.de, s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis). Da es sich bei der Delme
nur um einen kleines Fließgewässer handelt, das in einen Nebenfluss der Weser
mündet, kommt vorliegend nur die Bedeutung „elektrische Energie“ in Betracht.

ccc) In seiner Gesamtheit bedeutet das Wortzeichen daher „elektrische Energie
an der Delme, von der Delme oder für die Delme(region)“.

ddd) In Bezug auf die zurückgewiesene Ware „Elektrizität“ und die versagten
Dienstleistungen eines Energieversorgers ist die angemeldete Bezeichnung aus
Sicht der angesprochenen Verkehrskreise geeignet, als geographische Herkunfts-
angabe im Sinne von „elektrische Energie an oder von der Delme“ oder als
Bestimmungsangabe im Sinne von „elektrische Energie für das Gebiet an der
Delme bzw. die Delmeregion“ zu dienen.

(1) Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht um eine
grammatikalisch ungewöhnliche Wortverbindung, sondern diese Verknüpfung
einer geografischen Bezeichnung mit einem Substantiv entspricht den
grammatikalischen Regeln der deutschen Sprache, wie die Beispiele
„Frankenwein“, „Bayernmilch“, „Schwabenkinder“, „Elbfischer“, „Rheinbrücke“,
„Schwabenstrom“ (BPatG 33 W (pat) 38/12), „Schwabengas“ (BPatG
26 W (pat) 156/01), „Schwabenwasser“ (BPatG 26 W (pat) 153/01) und
„niederrheinStrom“ (BPatG 26 W (pat) 549/11) zeigen.

(2) Selbst wenn der beanspruchten Wortkombination auch die Bedeutungen
„Strom aus oder für Delmenhorst“, „elektrische Energie aus oder für die französi-
sche Gemeinde Delme“ zukämen, oder sie auf die schönen, besonderen Seiten
der in Niedersachsen bekannten Region im Oldenburgischen hinweisen oder eine
Assoziation mit dem Unternehmensnamen der Anmelderin herstellen würde,
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könnte diese Mehrdeutigkeit keine Schutzfähigkeit begründen. Denn ein Zeichen
kann bereits dann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zu-
mindest in einer seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der betreffenden
Waren oder Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH GRUR 2004, 146
Rdnr. 32 - DOUBLEMINT). Die Annahme einer beschreibenden Bedeutung eines
Begriffs setzt zudem nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Kontu-
ren erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausge-
bildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann auszu-
gehen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt
vage und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die
Waren oder Dienstleistungen beschreibt (BGH GRUR 2014, 872 Rdnr. 25 - Gute
Laune Drops; GRUR 2014, 569 Rdnr. 18 – HOT; GRUR 2013, 522 Rdnr.
13 - Deutschlands schönste Seiten). Der allein durch die verschiedenen
Deutungsmöglichkeiten hervorgerufene Interpretationsaufwand der angespro-
chenen Verkehrskreise reicht für die Bejahung der Schutzfähigkeit nicht aus
(BGH, a. a. O., Rdnr. 24 – HOT). Eine gewisse Allgemeinheit oder Unschärfe ist
sogar unvermeidbar, um den gewünschten möglichst weiten Bereich waren- oder
dienstleistungsbezogener Eigenschaften beschreibend erfassen zu können.

(3) Die bloße Kombination von Bestandteilen, von denen jeder Merkmale der
Waren oder Dienstleistungen beschreibt, stellt im Allgemeinen selbst eine
beschreibende Angabe dar, auch wenn es sich – wie hier – um eine sprachliche
Neuschöpfung handelt. Der Charakter einer Sachangabe entfällt nur dann, wenn
die beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche
Änderung erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH
MarkenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. – CELLTECH; GRUR 2004, 680 Rdnr. 43 – BIO-
MILD; BGH a. a. O. Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Dies ist vorliegend aber nicht
der Fall. Das sowohl in semantischer wie in syntaktischer Hinsicht normal gebilde-
te Gesamtzeichen „DelmeStrom“ enthält keine über den Sinngehalt „elektrische
Energie von der Delme bzw. für die Delmeregion“ hinausgehende Aussage.

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(4) Auch die Binnengroßschreibung kann keine Schutzfähigkeit bewirken. Denn
ein Wortzeichen kann Schutz in jeder üblichen Schreibweise beanspruchen. Die
Binnenmajuskel kann daher nur in einer Wort-/Bildmarke als graphische
Ausgestaltung Berücksichtigung finden (BPatG 27 W (pat) 95/12 – Franco-
Musiques). Ungeachtet dessen ist die Binnengroßschreibung ein einfaches und
werbeübliches Gestaltungsmittel, das nicht geeignet ist, Eintragungsfähigkeit zu
vermitteln (BGH GRUR 2003, 963, 965 – Anti-Vir/AntiVirus; BPatG
24 W (pat) 23/14 – PreisRoboter; 29 W (pat) 550/12 – GoldHouSe24).

fff) Die angemeldete Bezeichnung eignet sich zur unmittelbaren Beschreibung
der zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen.

(1) Bei dem Produkt der Klasse 4 „Elektrizität“ gibt sie an, dass die elektrische
Energie aus der Delme oder der Delmeregion stammt oder für diese Region
bestimmt ist.

(2) Bei den Dienstleistungen der Klasse 39 „Distribution [Verteilung] von
Energie; Stromversorgung durch Verteilung von Elektrizität; Verteilung durch
Leitungen und Kabel; Verteilung von Elektrizität zur Stromversorgung; Verteilung
von Energie; Verteilung von Energie an Haushalte“ weist das Anmeldezeichen auf
den zu verteilenden Gegenstand, nämlich auf Strom aus dem oder für das Delme-
gebiet, hin.

(3) Bei den Dienstleistungen der Klasse 40 „Dienstleistungen der Strom-
erzeugung; Energieerzeugungsdienste; Erzeugen von Strom; Erzeugung von
elektrischem Strom; Erzeugung von Energie; Gas- und Stromerzeugung; Strom-
erzeugung; Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen; Stromerzeugung aus
Solarenergie; Stromerzeugung aus Windenergie; Stromerzeugung durch
Kraftwerke; Stromerzeugung durch Wasserkraft; Stromerzeugungsdienst-
leistungen“ enthält die angemeldete Wortkombination den unmittelbar
beschreibenden Hinweis, dass der Strom an der Delme bzw. im Delmegebiet
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erzeugt oder für die Delmeregion bestimmt ist. Da aus Strom auch Gas erzeugt
werden kann, gilt dies auch für die „Gaserzeugung“.

ggg) Der von der Anmelderin vorgetragene Umstand, dass die „Delme“
außerhalb der Region unbekannt sei und nicht für die Erzeugung elektrischer
Energie aus Wasserkraft genutzt werde, ist unerheblich. Auch wenn der Fluss
„Delme“ nicht überregional bekannt sein sollte, spricht für die Schutzunfähigkeit
der angemeldeten Bezeichnung, dass das Gebiet an diesem Flusslauf zur
Herstellung der zurückgewiesenen Ware bzw. zum Anbieten der versagten Dienst-
leistungen geeignet ist.

(1) Ein Freihaltebedürfnis setzt nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht voraus,
dass das fragliche Zeichen nach dem zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden
Verkehrsverständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten
Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet wird. Es reicht vielmehr
aus, dass es entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung für eine solche
Verwendung geeignet ist (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 42 – Stadtwerke Bremen). Für
die Annahme einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es allerdings der
Feststellung, dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist
(vgl. EuGH GRUR 2010, 534 Rdnr. 53 – PRANAHAUS; GRUR 2004, 674 Rdnr. 56
– Postkantoor; GRUR 1999, 723 Rdnr. 31, 37 – Chiemsee; BGH a. a. O. Rdnr. 43
– Stadtwerke Bremen). Die damit verbundene Prognoseentscheidung darf nicht
nur auf theoretischen Erwägungen beruhen, sondern muss anhand der voraus-
sichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen (BGH a. a. O.
Rdnr. 43 – Stadtwerke Bremen).

(2) Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Eignung der Angabe „DelmeStrom“ zur
Beschreibung der geographischen Herkunft der zurückgewiesenen Waren und
Dienstleistungen ist der Umstand, dass die Anmelderin bereits als Stromanbieterin
in der Delmeregion tätig ist (vgl. BPatG 25 W (pat) 549/14 – Grevensteiner;
26 W (pat) 517/13 – Laucala). Ferner besteht angesichts der Liberalisierung des
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Energiemarktes die nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende, zukünftige
vernünftigerweise nicht ausschließbare Möglichkeit, dass sich weitere Anbieter
von Strom oder Gas in dieser Gegend niederlassen. Der deutsche Gesetzgeber
hat den Strommarkt bereits 1998 auf der Grundlage des Gesetzes über die
Elektrizitäts- und Gasversorgung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) liberalisiert
und den Stromanbietern ermöglicht, ihre Leistungen auch überregional, also unab-
hängig von ihrem Standort, anzubieten. Damit stellte die regionale Herkunft eines
Anbieters, der Strom erzeugt und verteilt, schon im Jahre 1998 einen maß-
geblichen Wirtschaftsfaktor dar, der mit einem Bedürfnis der Allgemeinheit
einhergeht, Zeichen freizuhalten, die geeignet sind, auf derartige Faktoren
hinzuweisen (vgl. BPatG 33 W (pat) 38/12 – Schwabenstrom).

(2.1) Im Anmeldezeitpunkt existierten in Deutschland knapp 1.100 Stroman-
bieter, darunter eine Vielzahl an privaten Unternehmen. Es ist auch nicht
unrealistisch, dass sich in einer verhältnismäßig kleinen Region wie dem Gebiet
entlang der Delme neue Versorgungsunternehmen etablieren. In dem flächen-
mäßig in etwa vergleichbaren Gebiet des Chiemgaus existierten im Anmelde-
zeitpunkt mindestens 13 Stromversorger (http://www.stromseite.de/ stromanbieter/
?vxcp_SearchString=all).

(2.2) Zudem stellen die zurückgewiesene Ware „Elektrizität“ und die versagten
Stromerzeugungs- und -verteilungsdienstleistungen keine besonderen Ansprüche
im Hinblick auf die geographische Herkunft. Sie lassen sich von überall her ver-
treiben und erbringen. Auch die Erzeugung von Strom ist im Delmegebiet denkbar.
Dieses ist von Landwirtschaft geprägt und nahe der Nordseeküste im nord-
deutschen Tiefland gelegen, so dass eine Stromerzeugung nicht nur in konventio-
nellen Kraftwerken, sondern auch aus Biomasse und Windenergie möglich ist.

(2.3) Eine rechtlich und tatsächlich bestehende Monopollage der Anmelderin
vermag zwar der Annahme eines Freihaltebedürfnisses entgegenstehen (BPatG
26 W (pat) 209/04 – Warburger-Quelle; BPatGE 34, 154, 158 = GRUR 1994, 627
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– ERDINGER), aber zu einer rechtlich abgesicherten Monopolstellung hat die An-
melderin nichts vorgetragen.

hhh) Entgegen der Ansicht der Anmelderin kann auch nicht festgestellt werden,
dass es in der Energiebranche üblich sei, aus einer geographischen Angabe und
einem Sachbegriff betriebliche Herkunftshinweise zu bilden.

(1) Die Marken „Nordstrom“ (701 414), „Emscher-Lippe-Strom“ (396 12 227),
„Lausitzstrom“ (398 39 237) und „Bayernstrom“ (398 63 293) stammen aus der
Zeit vor der Veröffentlichung des „Chiemsee“-Urteils des EuGH vom 4. Mai 1999
(GRUR 1999, 723), das Grundsätze aufgestellt hat, die wesentlich von der
früheren deutschen Rechtsprechung abweichen. Während früher besondere Fest-
stellungen erforderlich waren, um von einem Freihaltungsbedürfnis ausgehen zu
können, besteht seit dieser Entscheidung eine Vermutung dafür, dass eine
Ortsbezeichnung als schutzunfähige Herkunftsangabe und damit nicht als Hinweis
auf ein bestimmtes Unternehmen in Betracht kommt. Deshalb bedarf es seitdem
besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine Ortsangabe ausnahmsweise nicht
geeignet ist, im Verkehr als Hinweis auf die geographische Herkunft der betroffe-
nen Waren bzw. Dienstleistungen zu dienen. Durch diese Grundsätze ist eine
Verschärfung der Eintragungsvoraussetzungen für geografische Angaben erfolgt,
weshalb die Eintragung dieser alten Marken nicht als Vergleichsmaßstab dienen
kann. Eine durch sie etwaig entstandene Kennzeichnungsgewohnheit auf dem
Energiemarkt ist durch die Rechtsprechungsänderung hinfällig geworden (vgl.
BPatG 26 W (pat) 541/16 – Schwaben Bräu). Deshalb ist auch die von der
Anmelderin angeführte Entscheidung des BPatG vom 16. Oktober 1973
(BPatGE 15, 214 = 26 W (pat) 114/72 – Apia) überholt und unmaßgeblich.

(2) Die Marke „RuhrStrom“ (399 52 074) ist zwar nach der Chiemsee-
Entscheidung, nämlich im Jahre 2002, aufgrund einer Entscheidung des BPatG
vom 7. November 2001 (26 W (pat) 114/00) eingetragen worden. Dies geschah
aber noch unter Berücksichtigung der früheren, strengeren vom EuGH aufge-
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stellten Schutzversagungskriterien, wonach noch eine eindeutig beschreibende
Sachaussage erforderlich war und die Schutzfähigkeit begründet werden konnte,
wenn ein weiterer möglicher Sinngehalt denkbar war. Diese Rechtsprechung hat
der EuGH in den Entscheidungen zu DOUBLEMINT (GRUR 2004, 146 Rdnr. 32)
aufgegeben (vgl. BPatG 26 W (pat) 549/11 – niederrheinStrom).

(3) Obwohl der Beschluss des BPatG vom 29. Juni 2005 zu „Berlinwasser“
(29 W (pat) 106/03), also nach der Veröffentlichung der DOUBLEMINT-Entschei-
dung ergangen ist, bejaht das BPatG entgegen der neuen EuGH-Rechtsprechung
die Schutzfähigkeit wegen des Vorliegens mehrerer beschreibender Bedeutungen.
Daher ist auch diese Markeneintragung nicht berücksichtigungsfähig.

(4) Die verbleibende, am 13. August 2013 u. a. für Dienstleistungen im
Energiebereich eingetragene Marke „UckerStrom“ (30 2013 021096) kann allein
weder eine Kennzeichnungsgewohnheit noch eine Verwaltungspraxis begründen,
zumal nach den Ausführungen der Markenstelle im angefochtenen Beschluss eine
deutlich größere Zahl vergleichbarer Anmeldungen zurückgewiesen worden ist. Es
kann sich vielmehr um eine rechtswidrig vorgenommene Eintragung handeln.
Niemand kann sich jedoch auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten
eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu erlangen (EuGH
GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 – Volks.Handy, Volks.Camcorder, Volks.Kredit
und SCHWABENPOST). Für die erforderliche Bereinigung des Markenregisters
sieht das Gesetz das Löschungsverfahren vor, das von jedermann eingeleitet
werden kann.

2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt,
kann dahinstehen, ob es dem angemeldeten Zeichen darüber hinaus gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an der
nötigen Unterscheidungskraft fehlt.

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III.
Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur
gegeben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach
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Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a,
76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Kortge Schödel Dr. von Hartz

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