26 W (pat) 570/16  - 26. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




26 W (pat) 570/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Markenanmeldung 30 2016 216 480.1

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
7. August 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der
Richter Schödel und Dr. von Hartz

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beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Das Wortzeichen

DelmeGas

ist am 6. Juni 2016 unter der Nummer 30 2016 216 480.1 zur Eintragung in das
beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register angemeldet
worden für Waren und Dienstleistungen der Klassen 4, 35, 37 und 39.

Mit Beschluss vom 13. September 2016 hat die Markenstelle für Klasse 39 des
DPMA die Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und Freihaltebe-
dürftigkeit gemäß §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG teilweise zurück-
gewiesen, nämlich für die Waren und Dienstleistungen der

Klasse 4: Brennbare Gase; Brennstoffe und Leuchtstoffe;
Brennstoffmischungen [gasförmig]; Gas zum Heizen;
Gas zum Kochen; Gase zur Verwendung als Brenn-
stoff; Gasförmige Brennstoffe; Gasförmige Brenn-
stoffmischungen;

Klasse 35: Ablesen von Gaszählern zu Abrechnungszwecken;

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Klasse 37: Installation von Gasversorgungs- und
Gasverteilungsgeräten; Installation von Rohrleitungs-
systemen für Gase; Unterirdische Bauarbeiten im Zu-
sammenhang mit Gasversorgungsleitungen; Unterirdi-
sche Bauarbeiten im Zusammenhang mit Gasversor-
gungsrohren;

Klasse 39: Distribution [Verteilung] von Energie; Gasauslieferung
[Verteilung]; Gasverteilungsdienste; Transport von Öl
oder Gas durch Rohrleitungen; Verteilung von Ener-
gie; Verteilung von Energie an Haushalte; Verteilung
von Gas.

Zur Begründung hat sie ausgeführt, das angemeldete Zeichen sei sprach- und
branchenüblich gebildet und setze sich aus der geographischen Angabe „Delme“,
die einen 46 km langen Fluss in Niedersachsen bezeichne, und dem gebräuchli-
chen Begriff „Gas“ zusammen, der für einen Treibstoff oder Energieträger stehe.
In Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen eines Energie-
versorgers sei das Anmeldezeichen unmittelbar geeignet, als geographischer
Hinweis im Sinne von „Gas bzw. Gasversorgung von der Delme“ oder als Bestim-
mungsangabe im Sinne von „Versorgung mit Gas für die Delme bzw. im geogra-
phischen Bereich des Delme-Gebiets“ zu dienen. Die angesprochenen Verkehrs-
kreise würden dem Zeichen daher keinen individualisierenden Herkunftshinweis
entnehmen, sondern dieses als bloße Sachangabe verstehen. Auch die Binnen-
großschreibung führe nicht zur Schutzfähigkeit, da diese Gestaltung dem heutigen
werbegraphischen Standard entspreche. Da es Mitbewerbern der Anmelderin
möglich sein müsse, ihre gleichen oder ähnlichen Produkte und Dienstleistungen
auch mit dieser sachbeschreibenden Angabe bezeichnen zu können, bestehe zu-
dem ein Freihaltebedürfnis. Die Anmelderin könne sich auch nicht auf vermeintlich
vergleichbare Voreintragungen berufen, da die Entscheidung über die Schutzfä-
higkeit einer Markenanmeldung keine Ermessens-, sondern eine reine Rechts-
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frage darstelle. Die Anmeldungen „RuppinStrom“, „Spreewaldstrom“, „Pader-
Strom“, „Losse-Strom“, „Pader-Energie“, „ohra Energie“, „elbenergie“, „Ruppin-
Gas“, „SpreewaldGas“, „PaderGas“ und „Losse-Gas“ seien ebenfalls zurückge-
wiesen worden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie sinngemäß be-
antragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 39 des DPMA vom
13. September 2016 aufzuheben.

Zeitgleich mit der Beschwerdeeinlegung hat sie bezüglich der nicht zurückgewie-
senen Dienstleistungen der Klasse 35 die Teilung der Anmeldung erklärt.

Sie ist der Ansicht, das Anmeldezeichen enthalte keine eindeutige Sachaussage,
sondern sei begrifflich unscharf und aufgrund seiner Mehrdeutigkeit interpretati-
onsbedürftig, denn es könne sowohl die Versorgung mit Gas im Raum des Flus-
ses Delme bedeuten als auch Gas für Delmenhorst bezeichnen, auf die schönen,
besonderen Seiten der in Niedersachsen bekannten Region im Oldenburgischen
hinweisen oder eine Assoziation mit dem Unternehmensnamen der Anmelderin
herstellen. Ferner handele es sich um eine grammatikalisch ungewöhnliche Wort-
neuschöpfung, weil die einfache Aneinanderreihung einer geographischen Her-
kunftsangabe und einer Sachbezeichnung ohne Präposition, Genitiv oder in ad-
jektivischer Form in der deutschen Sprache regulär nicht vorgesehen sei. Zudem
sei es in der Energiebranche üblich, Unternehmenskennzeichen aus einer geo-
graphischen Angabe und einem Sachbegriff zu bilden. Vergleichbare Bezeichnun-
gen ihrer Konkurrenten seien in der Vergangenheit in das Register eingetragen
worden, wie z. B. die Marken „Wesergas“ (304 35 169), „badengas“ (397 05 301),
„Düsselgas“ (307 52 679) und „niederrheinGas (30 2011 002 813) (vgl. auch
BPatG 29 W 106/03 - Berlinwasser). Insofern bestehe auch eine Selbstbindung
der Verwaltung. Das Anmeldezeichen sei auch deshalb keine geographische Her-
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kunftsbezeichnung, weil 95 % des in Deutschland vertriebenen Brenngases im-
portiert sei und die Versorger ihre Produkte heutzutage bundesweit anböten. Die
„Delme“ sei eher ein langer Bach als ein die Region prägender Fluss, der außer-
halb der Region unbekannt sei (vgl. BPatG 26 W (pat) 114/72 - Apia) und in des-
sen Einzugsgebiet kein Gas gefördert werde. Die Stadt Delmenhorst sei mit
74.500 Einwohnern als Markt für eine Regionalmarke eines überregionalen Gas-
vertriebs zu klein. Sie sei als Stadtwerk in Delmenhorst der einzige lokale Ener-
gieversorger. Kein anderer örtlicher Versorger habe ein vernünftiges Interesse an
der Verwendung des Flussnamens. Auch die künftige Gründung eines neuen
Stadtwerks am Verlauf der Delme sei unwahrscheinlich. Außer dem Namen der
Stadt Delmenhorst leiteten sich keine weiteren geographischen Angaben von dem
Flussnamen ab. Ähnliche Wortkombinationen mit ihm seien im Internet allenfalls
vereinzelt und nicht für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistun-
gen gebräuchlich.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 10. April 2017 ist die Anmelderin unter Beifügung
von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 4, Bl. 33 – 46 GA) darauf hingewiesen wor-
den, dass das angemeldete Wortzeichen nicht für schutzfähig erachtet werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig,
aber unbegründet.

Für die beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistungen der Klassen 4,
35, 37 und 39 steht dem Anmeldezeichen „DelmeGas“ das Eintragungshindernis
der Freihaltebedürftigkeit nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen, so dass die
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Markenstelle die Anmeldung insoweit zu Recht nach § 37 Abs. 1 MarkenG
zurückgewiesen hat.

1. a) Nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung Marken
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im
Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Menge, der
Bestimmung, des Wertes, der geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung
der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung
sonstiger Merkmale der Waren oder Dienstleistungen dienen können.

Die Bestimmung verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, dass Zeichen
oder Angaben, die eines oder mehrere Merkmale der beanspruchten Waren oder
Dienstleistungen beschreiben, von allen Wirtschaftsteilnehmern, die solche Waren
oder Dienstleistungen anbieten, frei verwendet werden können (vgl. EuGH
GRUR 2011, 1035 Rdnr. 37 - 1000; GRUR 1999, 723 Rdnr. 25 - Chiemsee; BGH
GRUR 2017, 186 Rdnr. 38 - Stadtwerke Bremen; BGHZ 167, 278
Rdnr. 35 - FUSSBALL WM 2006). Bei einer geographischen Herkunftsangabe
besteht grundsätzlich eine Vermutung dafür, dass sie vom Verkehr als solche und
nicht als Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen wahrgenommen wird (vgl.
EuGH a. a. O. Rdnr. 31 - 34 - Chiemsee). Ob ein Zeichen oder eine Angabe
beschreibend ist, bestimmt sich nach dem Verständnis der Verbraucherkreise, die
als Abnehmer oder Interessenten der Waren oder Dienstleistungen in Betracht
kommen, für die die Marke geschützt ist (vgl. EuGH a. a. O. Rdnr. 29 - Chiemsee;
BGH a. a. O. - Stadtwerke Bremen).

b) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist die angemeldete Wortkombina-
tion „DelmeGas“ freihaltebedürftig.

aa) Die hier verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen richten
sich sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und ver-
ständigen Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 - Matrat-
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zen Concord/Hukla; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Chiemsee) als auch an Unter-
nehmensinhaber und Angehörige der unternehmerischen Führungsebene sowie
die Fachverkehrskreise im Energiebereich.

bb) Das Anmeldezeichen setzt sich aus den beiden Bestandteilen „Delme“ und
„Gas“ zusammen.

aaa) Dem Wort „Delme“ kommen verschiedene Bedeutungen zu.

(1) Die Delme ist ein 46 km langes Fließgewässer in Niedersachsen südwest-
lich von Bremen. Der Fluss entspringt in der Kleinstadt Twistringen mit
12.200 Einwohnern, verläuft durch das Stadtgebiet der Mittelstadt Delmenhorst mit
76.000 Einwohnern und mündet am Rande von Bremen in die Ochtum, einen Ne-
benfluss der Weser. Sie fließt außerdem durch die Gemeinden Köbbinghausen,
Beckeln, Groß Köhren, Klein Köhren, Harpstedt und Horstedt (www.wikipedia.de,
s. Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).

(2) Delme ist aber auch eine französische Gemeinde mit 1.098 Einwohnern im
Département Moselle in der Region Lothringen
(https://de.wikipedia.org/wiki/Delme_(Moselle).

(3) Ferner stellt „Delme“ eine lokale Abkürzung für die Stadt Delmenhorst oder
das Gebiet entlang der Delme dar, wie eine Internetrecherche des Senats ergeben
hat: „DelmeNews.de“ und „Delme Report“ weisen auf Medien für die Stadt
Delmenhorst hin. „Delme-Werkstätten“ bezieht sich auf an der Delme angesiedelte
Behindertenwerkstätten. Die Internetseite „www.delme-shop.de“ wirbt für hand-
gefertigte Produkte aus den Manufakturen der Delme und zwei Vereinigungen
nennen sich „DELME SQUARE DANCER DELMENHORST E. V.“ und „DELME
SHANTY SINGERS“ (s. Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis).

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(4) Da die kleine französische Gemeinde und die lokale Abkürzung bundesweit
noch weniger bekannt sind, steht vorliegend die Bedeutung als niedersächsischer
Fluss im Vordergrund.

bbb) Das Substantiv „Gas“ bezeichnet u. a. einen „[im Normalzustand] luftförmi-
gen Stoff oder Brenngas“ (www.duden.de, s. Anlage 2 zum gerichtlichen Hinweis).

ccc) In seiner Gesamtheit bedeutet das Wortzeichen daher „luftförmiger Stoff
oder Brenngas an der Delme, von der Delme oder für die Delme(region)“.

ddd) In Bezug auf die zurückgewiesenen Waren der Klasse 4 und die versagten
Dienstleistungen der Klassen 35, 37 und 39 ist die angemeldete Bezeichnung aus
Sicht der angesprochenen Verkehrskreise geeignet, als geographische Herkunfts-
angabe im Sinne von „Brenngas an oder von der Delme“ oder als Bestimmungs-
angabe im Sinne von „Brenngas für das Gebiet an der Delme bzw. die Delmere-
gion“ zu dienen.

(1) Dabei handelt es sich entgegen der Ansicht der Anmelderin nicht um eine
grammatikalisch ungewöhnliche Wortverbindung, sondern diese Verknüpfung ei-
ner geografischen Bezeichnung mit einem Substantiv entspricht den grammatika-
lischen Regeln der deutschen Sprache, wie die Beispiele „Frankenwein“,
„Bayernmilch“, „Schwabenkinder“, „Elbfischer“, „Rheinbrücke“, „Schwabenstrom“
(BPatG 33 W (pat) 38/12), „Schwabengas“ (BPatG 26 W (pat) 156/01), „Schwa-
benwasser“ (BPatG 26 W (pat) 153/01) und „niederrheinStrom“ (BPatG 26 W (pat)
549/11) zeigen.

(2) Selbst wenn der beanspruchten Wortkombination auch die Bedeutungen
„Brenngas aus oder für Delmenhorst“, „Brenngas aus oder für die französische
Gemeinde Delme“ zukämen, oder sie auf die schönen, besonderen Seiten der in
Niedersachsen bekannten Region im Oldenburgischen hinweisen oder eine Asso-
ziation mit dem Unternehmensnamen der Anmelderin herstellen würde, könnte
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diese Mehrdeutigkeit keine Schutzfähigkeit begründen. Denn ein Zeichen kann be-
reits dann von der Eintragung ausgeschlossen werden, wenn es zumindest in ei-
ner seiner möglichen Bedeutungen ein Merkmal der betreffenden Waren oder
Dienstleistungen bezeichnet (vgl. EuGH GRUR 2004, 146
Rdnr. 32 - DOUBLEMINT). Die Annahme einer beschreibenden Bedeutung eines
Begriffs setzt zudem nicht voraus, dass die Bezeichnung feste begriffliche Kontu-
ren erlangt und sich damit eine einhellige Auffassung zum Sinngehalt herausge-
bildet hat. Von einem beschreibenden Begriff kann vielmehr auch dann auszuge-
hen sein, wenn das Zeichenwort verschiedene Bedeutungen hat, sein Inhalt vage
und nicht klar umrissen ist oder nur eine der möglichen Bedeutungen die Waren
oder Dienstleistungen beschreibt (BGH GRUR 2014, 872 Rdnr. 25 - Gute Laune
Drops; GRUR 2014, 569, Rdnr. 18 - HOT; GRUR 2013, 522, Rdnr. 13 - Deutsch-
lands schönste Seiten). Der allein durch die verschiedenen Deutungsmöglichkei-
ten hervorgerufene Interpretationsaufwand der angesprochenen Verkehrskreise
reicht für die Bejahung der Schutzfähigkeit nicht aus (BGH a. a. O. Rdnr. 24 -
HOT). Eine gewisse Allgemeinheit oder Unschärfe ist sogar unvermeidbar, um
den gewünschten möglichst weiten Bereich waren- oder dienstleistungsbezogener
Eigenschaften beschreibend erfassen zu können.

(3) Die bloße Kombination von Bestandteilen, von denen jeder Merkmale der
Waren oder Dienstleistungen beschreibt, stellt im Allgemeinen selbst eine be-
schreibende Angabe dar, auch wenn es sich - wie hier - um eine sprachliche Neu-
schöpfung handelt. Der Charakter einer Sachangabe entfällt nur dann, wenn die
beschreibenden Angaben durch die Kombination eine ungewöhnliche Änderung
erfahren, die hinreichend weit von der Sachangabe wegführt (EuGH Mar-
kenR 2007, 204 Rdnr. 77 f. - CELLTECH; GRUR 2004, 680 Rdnr. 43 - BIOMILD;
BGH a. a. O. Rdnr. 38 – Stadtwerke Bremen). Dies ist vorliegend aber nicht der
Fall. Das sowohl in semantischer wie in syntaktischer Hinsicht normal gebildete
Gesamtzeichen „DelmeGas“ enthält keine über den Sinngehalt „Brenngas von der
Delme bzw. für die Delmeregion“ hinausgehende Aussage.

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(4) Auch die Binnengroßschreibung kann keine Schutzfähigkeit bewirken. Denn
ein Wortzeichen kann Schutz in jeder üblichen Schreibweise beanspruchen. Die
Binnenmajuskel kann daher nur in einer Wort-/Bildmarke als graphische Ausge-
staltung Berücksichtigung finden (BPatG 27 W (pat) 95/12 - Franco Musiques).
Ungeachtet dessen ist die Binnengroßschreibung ein einfaches und werbeübli-
ches Gestaltungsmittel, das nicht geeignet ist, Eintragungsfähigkeit zu vermitteln
(BGH GRUR 2003, 963, 965 - Anti-Vir/AntiVirus; BPatG 24 W (pat) 23/14 - Preis-
Roboter; 29 W (pat) 550/12 - GoldHouSe24).

fff) Die angemeldete Bezeichnung eignet sich zur unmittelbaren Beschreibung der
zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen.

(1) Bei den Waren der Klasse 4 „Brennbare Gase; Brennstoffe und Leucht-
stoffe; Brennstoffmischungen [gasförmig]; Gas zum Heizen; Gas zum Kochen;
Gase zur Verwendung als Brennstoff; Gasförmige Brennstoffe; Gasförmige
Brennstoffmischungen“ gibt sie an, dass das Gas aus der Delmeregion stammt
oder für diese Region bestimmt ist. Da die Region sehr landwirtschaftlich geprägt
ist, ist auch die Produktion von Biogas möglich. Tatsächlich bewirtschaftet der Hof
„Wendbüdel“ des BUND Landesverbandes Niedersachsen ca. 40 ha Feuchtgrün-
land in den Flusstälern von Delme und Hunte und 10 ha Geestland und betreibt
seit 2006 eine Biogasanlage, in die ausschließlich Gras von den hofeigenen Flä-
chen eingebracht wird https://dnaturschutzakademiea.wordpress.com/projekte/
biogas-aus-grunlandschnitt/.

(2) Bei den Dienstleistungen der Klasse 39 „Distribution [Verteilung] von Ener-
gie; Gasauslieferung [Verteilung]; Gasverteilungsdienste; Transport von Gas durch
Rohrleitungen; Verteilung von Energie; Verteilung von Energie an Haushalte;
Verteilung von Gas“ weist das Anmeldezeichen auf den zu verteilenden Gegen-
stand, nämlich auf Gas aus dem oder für das Delmegebiet, hin. Dies gilt auch für
den „Transport von Öl durch Rohrleitungen“, weil aus Gas synthetisches Öl her-
- 11 -
gestellt werden kann, so dass auf die Herkunft des Ausgangsstoffes hingewiesen
wird.

(3) Auch bei den Dienstleistungen der Klasse 35 „Ablesen von Gaszählern zu
Abrechnungszwecken“ und der Klasse 37 „Installation von Gasversorgungs- und
Gasverteilungsgeräten; Installation von Rohrleitungssystemen für Gase; Unterirdi-
sche Bauarbeiten im Zusammenhang mit Gasversorgungsleitungen; Unterirdische
Bauarbeiten im Zusammenhang mit Gasversorgungsrohren“ kann die angemel-
dete Wortkombination deren Gegenstand in diesem Sinne angeben.

ggg) Der von der Anmelderin vorgetragene Umstand, dass die „Delme“
außerhalb der Region unbekannt sei und in dem Gebiet, in dem sie verläuft, kein
Gas gefördert werde, ist unerheblich. Auch wenn der Fluss „Delme“ nicht
überregional bekannt sein sollte, spricht für die Schutzunfähigkeit der
angemeldeten Bezeichnung, dass das Gebiet an diesem Flusslauf zur Herstellung
der zurückgewiesenen Waren, z. B. in Form von Biogas, oder als Angebots-
und/oder Erbringungsort der versagten Dienstleistungen geeignet ist.

(1) Ein Freihaltebedürfnis setzt nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nicht voraus,
dass das fragliche Zeichen nach dem zum Zeitpunkt der Anmeldung bestehenden
Verkehrsverständnis bereits tatsächlich für die Merkmale der beanspruchten
Waren oder Dienstleistungen beschreibend verwendet wird. Es reicht vielmehr
aus, dass es entsprechend dem Wortlaut der Bestimmung für eine solche
Verwendung geeignet ist (vgl. BGH a. a. O. Rdnr. 42 - Stadtwerke Bremen). Für
die Annahme einer zukünftig beschreibenden Angabe bedarf es allerdings der
Feststellung, dass eine derartige Verwendung vernünftigerweise zu erwarten ist
(vgl. EuGH GRUR 2010, 534 Rdnr. 53 – PRANAHAUS; GRUR 2004, 674
Rdnr. 56 - Postkantoor; GRUR 1999, 723 Rdnr. 31, 37 - Chiemsee; BGH a. a. O.
Rdnr. 43 - Stadtwerke Bremen). Die damit verbundene Prognoseentscheidung
darf nicht nur auf theoretischen Erwägungen beruhen, sondern muss anhand der
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voraussichtlichen wirtschaftlichen Entwicklung realitätsbezogen erfolgen (BGH
a. a. O. Rdnr. 43 - Stadtwerke Bremen).

(2) Ein wichtiger Anhaltspunkt für die Eignung der Angabe „DelmeGas“ zur Be-
schreibung der geographischen Herkunft der zurückgewiesenen Waren und
Dienstleistungen ist der Umstand, dass die Anmelderin bereits als Gasanbieterin
in der Delmeregion tätig ist (vgl. BPatG 25 W (pat) 549/14 – Grevensteiner;
26 W (pat) 517/13 - Laucala). Ferner besteht angesichts der Liberalisierung des
Energiemarktes die nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende, zukünftige
vernünftigerweise nicht ausschließbare Möglichkeit, dass sich weitere Gasanbieter
in dieser Gegend niederlassen. Das Gesetz über die Elektrizitäts- und Gasversor-
gung (Energiewirtschaftsgesetz – EnWG) hat 1998 für den Gasmarkt die Grundla-
gen für eine Liberalisierung geschaffen. Die Novellierungen dieses Gesetzes in
den Jahren 2003 und 2005 führten zu weiteren Detailregelungen und seit dem
Jahre 2006 konnten Gaskunden ihren Gasversorger auch tatsächlich wechseln.
Gasanbieter hatten daher schon lange vor dem Anmeldezeitpunkt die Möglichkeit,
ihre Leistungen auch überregional, also unabhängig von ihrem Standort, zu er-
bringen. Damit stellte die regionale Herkunft eines Anbieters, der Gas verteilt,
spätestens im Jahre 2006 einen maßgeblichen Wirtschaftsfaktor dar, der mit ei-
nem Bedürfnis der Allgemeinheit einhergeht, Zeichen freizuhalten, die geeignet
sind, auf derartige Faktoren hinzuweisen (vgl. BPatG 33 W (pat) 38/12 - Schwa-
benstrom).

(2.1) Im Anmeldezeitpunkt existierten in Deutschland mehrere hundert Gasanbie-
ter, wobei der Kunde je nach Region aus bis zu 95 Anbietern auswählen kann.
Eine Recherche des Senats für die Stadt Delmenhorst ergab neben der Anmelde-
rin weitere zehn Anbieter (http://www.stern.de/wirtschaft/gas-vergleich/vergleich-
gasanbieter-3534644.html).

(2.2) Zudem stellen die zurückgewiesenen Waren der Klasse 4 und die versag-
ten Dienstleistungen in den Klassen 35, 37 und 39 keine besonderen Ansprüche
- 13 -
im Hinblick auf die geographische Herkunft. Sie lassen sich von überall her ver-
treiben und erbringen. Auch die Produktion von Gas ist im Delmegebiet denkbar.
Biogas wird bereits dort erzeugt.

(2.3) Eine rechtlich und tatsächlich bestehende Monopollage der Anmelderin ver-
mag zwar der Annahme eines Freihaltebedürfnisses entgegenstehen (BPatG
26 W (pat) 209/04 - Warburger-Quelle; BPatGE 34, 154, 158 = GRUR 1994,
627 - ERDINGER), aber zu einer rechtlich abgesicherten Monopolstellung hat die
Anmelderin nichts vorgetragen.

hhh) Entgegen der Ansicht der Anmelderin kann auch nicht festgestellt werden,
dass es in der Energiebranche üblich sei, aus einer geographischen Angabe und
einem Sachbegriff betriebliche Herkunftshinweise zu bilden.

(1) Die am 14. April 1997 registrierte Marke „badengas“ (397 05 301) stammt
aus der Zeit vor der Veröffentlichung des „Chiemsee“-Urteils des EuGH vom
4. Mai 1999 (GRUR 1999, 723), das Grundsätze aufgestellt hat, die wesentlich
von der früheren deutschen Rechtsprechung abweichen. Während früher beson-
dere Feststellungen erforderlich waren, um von einem Freihaltungsbedürfnis aus-
gehen zu können, besteht seit dieser Entscheidung eine Vermutung dafür, dass
eine Ortsbezeichnung als schutzunfähige Herkunftsangabe und damit nicht als
Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen in Betracht kommt. Deshalb bedarf es
seitdem besonderer Anhaltspunkte dafür, dass eine Ortsangabe ausnahmsweise
nicht geeignet ist, im Verkehr als Hinweis auf die geographische Herkunft der be-
troffenen Waren bzw. Dienstleistungen zu dienen. Durch diese Grundsätze ist eine
Verschärfung der Eintragungsvoraussetzungen für geografische Angaben erfolgt,
weshalb die Eintragung dieser alten Marke nicht als Vergleichsmaßstab dienen
kann. Eine durch sie etwaig entstandene Kennzeichnungsgewohnheit auf dem
Energiemarkt ist durch die Rechtsprechungsänderung hinfällig geworden (vgl.
BPatG 26 W (pat) 541/16 - Schwaben Bräu). Deshalb ist auch die von der Anmel-
- 14 -
derin angeführte Entscheidung des BPatG vom 16. Oktober 1973 (BPatGE 15,
214 = 26 W (pat) 114/72 - Apia) überholt und unmaßgeblich.

(2) Die Marke „niederrheinGas“ (30 2011 002 813) ist für Waren und Dienstleis-
tungen eingetragen, die nicht im Zusammenhang mit Gas stehen.

(3) Im Beschluss des BPatG vom 29. Juni 2005 zu „Berlinwasser“
(29 W (pat) 106/03) bejaht das BPatG entgegen der EuGH-Entscheidung zu
„DOUBLEMINT“ (GRUR 2004, 146 Rdnr. 32) die Schutzfähigkeit wegen des Vor-
liegens mehrerer beschreibender Bedeutungen. Daher ist auch diese Markenein-
tragung nicht berücksichtigungsfähig.

(4) Die beiden verbleibenden Marken „Wesergas“ (304 25 169) und „Düssel-
gas“ (307 52 679), die in den Jahren 2006 bzw. 2008 in das Register eingetragen
worden sind, können allein weder eine Kennzeichnungsgewohnheit noch eine
Verwaltungspraxis begründen, zumal nach den Ausführungen der Markenstelle im
angefochtenen Beschluss eine größere Zahl vergleichbarer Anmeldungen zurück-
gewiesen worden ist. Es kann sich vielmehr um rechtswidrig vorgenommene Ein-
tragungen handeln. Niemand kann sich jedoch auf eine fehlerhafte Rechtsanwen-
dung zugunsten eines anderen berufen, um eine identische Entscheidung zu er-
langen (EuGH GRUR 2009, 667, 668 Rdnr. 18 - Volks.Handy, Volks.Camcorder,
Volks.Kredit und SCHWABENPOST). Für die erforderliche Bereinigung des Mar-
kenregisters sieht das Gesetz das Löschungsverfahren vor, das von jedermann
eingeleitet werden kann.

2. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt,
kann dahinstehen, ob es dem angemeldeten Zeichen darüber hinaus gemäß § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen an der
nötigen Unterscheidungskraft fehlt.

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III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur
gegeben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach
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Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a,
76133 Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.



Kortge Schödel Dr. von Hartz

Pr
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