26 W (pat) 529/16  - 26. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:300317B26Wpat529.16.0


BUNDESPATENTGERICHT




26 W (pat) 529/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache




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betreffend die Marke …

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
30. März 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der
Richter Reker und Schödel

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 3. November 2015 ist
wirkungslos.

2. Der Gegenstandswert wird auf 50.000 € festgesetzt.


G r ü n d e

I.

Mit Beschluss vom 3. November 2015 hat die Markenstelle für Klasse 33 des
Deutschen Patent- und Markenamts (DPMA) die teilweise Löschung der ange-
griffenen Marke … wegen des Widerspruchs aus der
Marke … angeordnet.

Gegen diese Entscheidung hat die Markeninhaberin form- und fristgerecht Be-
schwerde eingelegt.

Im Laufe des Beschwerdeverfahrens hat die Markeninhaberin mit ihrem am
8. August 2016 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz vom 5. August 2016 den
Widerspruch insgesamt zurückgenommen.

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Mit Schriftsatz vom 20. März 2017 hat die Widersprechende die Festsetzung des
Gegenstandswerts beantragt.


II.

Gemäß § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 269 Abs. 3 Satz 1 2. Halbsatz und
Abs. 4 Satz 1 ZPO ist nunmehr auszusprechen, dass der angefochtene Beschluss
vom 3. November 2015 wirkungslos ist (vgl. BGH Mitt. 1998, 264 - Puma). Dieser
Ausspruch erfolgt aus Gründen der Rechtssicherheit und unter Berücksichtigung
des Amtsermittlungsgrundsatzes von Amts wegen (vgl. dazu BPatGE 43, 96).


III.

Zu einer Kostenauferlegung (§ 71 Abs. 1 und 4 MarkenG) bestand kein Anlass.
Die Verfahrensbeteiligten haben ihre gegenseitigen Kostenanträge zurückge-
nommen.


IV.

Der Antrag der Widersprechenden nach § 33 Abs. 1 RVG, den Gegenstandswert
für das Beschwerdeverfahren festzusetzen, ist zulässig.

1. Die Widersprechende war in diesem Verfahren durch eine Rechtsanwältin
vertreten, deren Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 RVG fällig geworden ist, weil
das Beschwerdeverfahren durch die Rücknahme des Widerspruchs seinen Ab-
schluss gefunden hat, woraus sich gemäß § 33 Abs. 2 Sätze 1 und 2 RVG auch
die Zulässigkeit ihres Antrages auf Festsetzung des Gegenstandswerts ergibt.

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2. Der Gegenstandswert war auf 50.000 € festzusetzen.

a) Da in den markenrechtlichen Verfahren vor dem BPatG für die
Anwaltsgebühren keine speziellen Wertvorschriften existieren, ist der Gegen-
standswert gemäß §§ 33 Abs. 1, 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m. Abs. 3 Satz 2 RVG nach
billigem Ermessen zu bestimmen. Maßgeblich für die Bestimmung des Gegen-
standswertes im Widerspruchsverfahren ist nach ständiger Rechtsprechung das
wirtschaftliche Interesse des Inhabers der mit dem Widerspruch angegriffenen
Marke an der Aufrechterhaltung seiner Marke (BGH GRUR 2006, 704 – Marken-
wert). Dieses wirtschaftliche Interesse bemisst der Bundesgerichtshof bei unbe-
nutzten Marken regelmäßig mit 50.000 € (BGH a. a. O.).

b) Der erkennende Senat hält mit der Mehrheit der Senate des
Bundespatentgerichts einen Regelgegenstandswert von 50.000 € für angemessen
(27 W (pat) 14/13, 27 W (pat) 29/13, 27 W (pat) 99/12, 27 W (pat) 29/13,
27 W (pat) 108/10, 27 W (pat) 90/11, 27 W (pat) 34/11, 27 W (pat) 109/11;
28 W (pat) 17/15, 28 W (pat) 13/11, 28 W (pat) 36/12, 28 W (pat) 7/12;
29 W (pat) 67/13; 29 W (pat) 59/12, 29 W (pat) 115/11 = GRUR 2012, 1174 – Ge-
genstandswert im Widerspruchsverfahren; 30 W (pat) 113/11, 30 W (pat) 57/11;
26 W (pat) 19/12, 26 W (pat) 516/14; 26 W (pat) 34/13, 26 W (pat) 59/13,
26 W (pat) 573/10, 26 W (pat) 72/11 und 26 W (pat) 47/12).

c) Der Auffassung des 25. Senats (25 W (pat) 79/12 = GRUR-RR 2015, 229 –
Gegenstandswert im Widerspruchs(beschwerde)verfahren, 25 W (pat) 16/10 =
GRUR 2012, 1172, 25 W (pat) 510/11 = BlPMZ 2012, 421; 25 W (pat) 73/04 –
GRUR 2007, 176 - Gegenstandswert für Widerspruchs-Beschwerdeverfahren), die
auch der 24. Senat bis zu seiner Auflösung zum 1. Januar 2017 geteilt hat
(24 W (pat) 518/16, 24 W (pat) 35/13, 24 W (pat) 25/14), dass bei unbenutzten
angegriffenen Marken grundsätzlich der Regelwert gemäß § 23 Abs. 3 Satz 2
RVG zu verfünffachen sei, was im Hinblick auf die Anhängigkeit des vorliegenden
Verfahrens nach dem 31. Juli 2013 analog § 40 GKG unter Zugrundelegung des
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ab dem 1. August 2013 geltenden Regelwertes von 5.000 € insgesamt 25.000 €
ausmachen würde, kann sich der Senat nicht anschließen.

aa) Der BGH hatte schon 2006 die der Entscheidungspraxis des BPatG im
Widerspruchsbeschwerdeverfahren entsprechende Gegenstandswertfestsetzung
von 10.000 € ausdrücklich abgelehnt, weil sie für den Normalfall nicht dem wirt-
schaftlichen Interesse des Inhabers der jüngeren Marke am Bestand des Schutz-
rechts entspreche (BGH a. a. O.).

bb) Aber auch ein Wert von 25.000 € (bzw. 20.000 € bei Zugrundelegung des
bis zum 31. Juli 2013 geltenden Regelwertes von 4.000 €) wird der tatsächlichen
Bedeutung eingetragener Marken im Wirtschaftsleben nicht gerecht (so schon
27 W (pat) 75/08).

Denn das wirtschaftliche Interesse am Schutz der angegriffenen Marke umfasst
die Kosten für die Entwicklung und die Eintragung der Marke, die bereits insge-
samt einen Betrag von 50.000 € und mehr ausmachen können, insbesondere,
wenn man externe Beratung in Anspruch nimmt oder die Markenentwicklung Dritt-
firmen überlässt. Ferner kann zumindest nicht ausgeschlossen werden, dass sich
das wirtschaftliche Interesse des Inhabers der angegriffenen Marke auch darauf
richtet, Umsatzausfälle zu vermeiden, die durch die Verzögerung des Vertriebs der
Marke zu befürchten sind.

Auch wenn die vom 25. Senat angesprochene Möglichkeit besteht, dass es sich
nur um Vorratsmarken handelt, kann dieser Umstand nicht als einziger wirtschaft-
licher Hintergrund einer Markenanmeldung unterstellt werden. Es muss vielmehr
unter Berücksichtigung aller möglichen Fallgestaltungen ein angemessener Mit-
telwert gefunden werden, der auch steigende Kosten einbezieht und für einen län-
geren Zeitraum gelten kann. Letztlich stellt eine Verfünffachung des gesetzlichen
Regelwerts ebenso eine Schätzung dieses Mittelwertes dar wie eine Verzehnfa-
chung. Im Hinblick darauf, dass der BGH schon seit fast 10 Jahren einen Regel-
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wert von 50.000 € ansetzt und sich das wirtschaftliche Interesse des Markeninha-
bers am Schutz der angegriffenen Marke nicht instanzabhängig steigert, sondern
der Verfahrenswert derselbe bleibt (vgl. 27 W (pat) 29/13; Ingerl/Rhonke, Mar-
kenG, 3. Aufl., § 71 Rdnr. 29), erscheint unter Berücksichtigung der vorstehenden
Erwägungen ein Regelgegenstandswert von 50.000 € angemessen.

Soweit der 25. Senat seine gegenteilige Rechtsauffassung darauf stützt, dass die
Vorschriften für den Gegenstandswert im Instanzenzug voneinander abweichen,
weil die für den BGH anzuwendende Vorschrift des § 51 Abs. 1 GKG weder einen
Regelgegenstandswert noch eine Wertobergrenze enthalte, wie dies in der für das
Bundespatentgericht maßgeblichen Vorschrift des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG der
Fall sei, hat der BGH klargestellt, dass auch für die Gegenstandswertfestsetzung
im Rechtsbeschwerdeverfahren die Vorschrift des § 23 Abs. 2 Satz 1 i. V. m.
Abs. 3 Satz 2 RVG maßgeblich ist (Beschl. v. 30. Juli 2015 – I ZB 61/13 zur Ge-
genvorstellung gegen den Streitwertbeschluss, juris Rdnr. 6; a. A. Knoll, MarkenR
2016, 229, 231, der § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG für maßgeblich hält).

cc) Soweit mit der Festsetzung des Regelgegenstandswertes auf 50.000 € die
Kostenbelastung steigt bzw. bereits gestiegen ist, dürfte dies gerade im Fall von
Vorratsmarken, Unternehmen treffen, die sich diese Kosten leisten können. Für
den seltenen Fall, dass ein bedürftiger Privatmann oder ein finanzschwacher
Kleinunternehmer höhere als die bei einem Regelwert von 25.000 € anfallenden
Anwaltskosten nicht aufbringen kann, besteht die Möglichkeit, Verfahrenskosten-
hilfe nach § 81a MarkenG zu beantragen. § 81a MarkenG ist durch das Gesetz
zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom
31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) eingefügt worden und ist seit dem
1. Januar 2014 in Kraft, auch wenn diese Regelung nur die Rechtsprechung des
BGH seit dem Jahre 2008 umsetzt, wonach Prozesskostenhilfe auch in marken-
rechtlichen Verfahren zu gewähren sei (GRUR 2009, 88 Rdnr. 9 ff. – ATOZ I;
GRUR 2010, 270 Rdnr. 26 – ATOZ III).

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Eine deutliche Überteuerung des Verfahrens durch den höheren Regelwert von
50.000 € ist auch deshalb nicht erkennbar, weil die Verdoppelung des Gegen-
standswertes nur einen unterproportionalen Anstieg, aber nicht die Verdoppelung
der Kosten zur Folge hat. Hinzu kommt, dass die vom 24. und 25. Senat befür-
wortete restriktive Gegenstandswertfestsetzung den Druck von Seiten der Rechts-
und Patentanwälte auf ihre Mandanten zum Abschluss den Nachteil ausgleichen-
der Honorarvereinbarungen erhöht (vgl. Hoffmann/Albrecht, GRUR-Prax 2015, 96)
und so zum Gegenteil der beabsichtigten Kostendeckelung führt.

c) Eine Erhöhung dieses Regelgegenstandswertes von 50.000 € kommt
vorliegend nicht in Betracht, weil keine konkreten gegenstandswerterhöhenden
Umstände vorgetragen worden sind.

3. Das Verfahren über den Antrag auf Gegenstandswertfestsetzung ist ge-
richtsge-bührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).

4. Die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes ist nach
§ 33 Abs. 4 Satz 3 RVG unanfechtbar.


Kortge Reker Schödel

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