26 W (pat) 515/14  - 26. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:220318B26Wpat515.14.0


BUNDESPATENTGERICHT




26 W (pat) 515/14
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache


- 2 -
betreffend die Marke 30 2011 057 534

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
22. März 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der
Richter Jacobi und Schödel

beschlossen:

1. Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. März 2014 un-
ter Ziffer 1.) wird aufgehoben, soweit die Teillöschung für die
Waren der

Klasse 30: Pralinen mit Füllung;

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige
Wässer und andere alkoholfreie Getränke,
entalkoholisierte Getränke; Fruchtgetränke und
Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für
die Zubereitung von Getränken;

Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)

auch aufgrund des Widerspruchs aus der Marke
30 2009 052 316 angeordnet worden ist. Insoweit wird der
Widerspruch aus der Marke 30 2009 052 316 zurückgewie-
sen.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
- 3 -
G r ü n d e

I.

Die Wortmarke

Freesecco

ist am 21. Oktober 2011 angemeldet und am 15. März 2012 unter der Nummer
30 2011 057 534 als Marke in das beim Deutschen Patent- und Markenamt
(DPMA) geführte Register eingetragen worden für Waren der

Klasse 30: Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, Reis, Tapioka, Sago, Kaffee-
Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine
Backwaren und Konditorwaren, Pralinen mit und ohne
Füllung, Schokoladewaren, soweit in Klasse 30 enthalten,
Bonbons, Fruchtgummi, Kaugummi (nicht für medizinische
Zwecke) und andere Zuckerwaren, Speiseeis; Honig, Me-
lassesirup; Hefe, Backpulver, Salz, Senf, Essig, Soßen
(Würzmittel), Gewürze, Kühleis;

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und
andere alkoholfreie Getränke, entalkoholisierte Getränke;
Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Prä-
parate für die Zubereitung von Getränken;

Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).

Gegen diese Marke, deren Eintragung am 20. April 2012 veröffentlicht worden ist,
hat die Beschwerdegegnerin Widersprüche erhoben

- 4 -
1. aus der Wortmarke

feelsecco

die am 8. Februar 2010 in das beim DPMA geführte Register unter der Nummer
30 2009 052 314 eingetragen worden ist für Waren der

Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)

und

2. aus der Wort-/Bildmarke



die am 28. Oktober 2009 in das beim DPMA geführte Register unter der Nummer
30 2009 052 316 eingetragen worden ist für Waren der

Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).

Mit Beschluss vom 11. März 2014 hat die Markenstelle für Klasse 33 des DPMA
unter Ziffer 1.) die teilweise Löschung der angegriffenen Marke wegen der Gefahr
der Verwechslung mit beiden Widerspruchsmarken für die Waren der

- 5 -
Klasse 30: Pralinen mit Füllung;

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und
andere alkoholfreie Getränke, entalkoholisierte Getränke;
Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Prä-
parate für die Zubereitung von Getränken;

Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).

angeordnet und die Widersprüche im Übrigen zurückgewiesen. Unter Ziffer 2.) hat
sie den Widerspruch aus einer dritten Marke zurückgewiesen und unter Ziffer 3.)
das Verfahren über den Widerspruch aus einer vierten Marke bis zur Rechtskraft
des vorliegenden Verfahrens ausgesetzt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die
Vergleichswaren in Klasse 33 seien identisch. Zwischen den Widerspruchspro-
dukten in Klasse 33 und den in Klasse 32 angegriffenen Waren sei eine mittlere
Ähnlichkeit anerkannt. Bei durchschnittlicher Kennzeichnungskraft der beiden Wi-
derspruchsmarken halte die jüngere Marke den erforderlichen deutlichen Abstand
nicht ein. Die ältere Wortmarke und die jüngere Marke seien mehrbestandteilige
Einwortmarken, weshalb eine Prägung durch Einzelbestandteile nicht in Betracht
komme. Die angegriffene Marke sei aus dem englischen Wort „Free“ für „frei“ und
das italienische Adjektiv „secco“ für „trocken“ zusammengesetzt, das bei Weinen
für die Geschmacksrichtung „herb“ verwendet werde und ein gängiges Kurzwort
für den Perlwein „Prosecco“ darstelle. Die ältere Marke habe den identischen Be-
griff dem englischen Wort „feel“ für „fühlen“ nachgestellt. Die Vergleichsmarken
stünden sich als untrennbare Gesamtbegriffe gegenüber, die phonetisch in der
Laut- und Buchstabenfolge weitgehend übereinstimmten und sich nur im wenig
auffälligen Wortinneren durch die klangschwachen Konsonanten „r“ und
„l“ unterschieden. Silbengliederung und Vokalfolge seien identisch. Der identische
Doppelvokal am jeweiligen Wortanfang werde von maßgebenden Teilen des Publi-
kums wie ein langgezogenes „i“ ausgesprochen. Die geringen klanglichen Unter-
schiede würden angesichts ungünstiger Hörbedingungen der Verkaufsstellen, wie
- 6 -
in Lokalen und Diskotheken, leicht überhört. Die Vergleichsmarken näherten sich
auch schriftbildlich deutlich an. Auch eine begriffliche Nähe sei gegeben, weil die
Wortanfänge „Free“ und „feel“ sich zu der Gesamtbedeutung „fühle (dich) frei“,
also zu einem oft verwendeten Slogan, verbänden. Da sich die Vergleichsmarken
unter jedem Aspekt sehr nahe kämen, könne wegen des Zusammenwirkens eine
komplexe Verwechslungsgefahr nicht ausgeschlossen werden. Das Gleiche gelte
für die ältere Wort-/Bildmarke, die durch das Wortelement „feelsecco“ geprägt
werde. Die Bildelemente, Schmetterling auf kreisförmigem Hintergrund mit zwei
Zierelementen, seien nicht geeignet, mündlich übermittelt zu werden.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Inhaberin der angegriffenen Marke. Sie
hat im Beschwerdeverfahren am 25. Mai 2016 die rechtserhaltende Benutzung der
beiden Widerspruchsmarken bestritten, worauf die Widersprechende eine eides-
stattliche Versicherung ihres Marketing- und Vertriebsleiters vom 26. Juli 2016
vorgelegt hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die Anlage B 1 zum Schriftsatz
vom 28. Juli 2016 Bezug genommen. Die Inhaberin der jüngeren Marke ist der
Ansicht, die in der eidesstattlichen Versicherung genannten Umsatzzahlen seien
im Hinblick auf die vorliegenden Massenwaren und bei der Größe des Geschäfts-
betriebs der Widersprechenden zu gering, um eine quantitativ ausreichende Be-
nutzung zu belegen. Bei der Benutzung ab 2012 sei der kennzeichnende Charak-
ter der beiden Widerspruchsmarken verändert. Im Gegensetz zur Einwortmarke
„feelsecco“ werde die getrennte Wiedergabe „feel secco“ als Imperativ im Sinne
von „fühle, spüre trocken!“ verstanden und auf das Geschmackserlebnis hinge-
wiesen. Beide Widerspruchsmarken verfügten nur über äußerst geringe Kenn-
zeichnungskraft, weil sie aus beschreibenden bzw. verbrauchten Elementen zu-
sammengesetzt seien. Wegen des in der Werbesprache häufig verwendeten
Wortes „feel“, in dem der Verkehr mühelos den Hinweis auf „feel good“ im Sinne
von „Wohlfühlen“ erkenne, sei dieses rein beschreibend. Deshalb habe die Be-
schwerdekammer des EUIPO in der Entscheidung vom 13. Februar 2012
(R 1754/2010-4) die Verwechslungsgefahr zwischen den Marken „DOLE MAKES
YOU FEEL GOOD“ und „THE FEEL GOOD DRINKS COMPANY“ für Waren der
- 7 -
Klasse 32 verneint. Die Vergleichsmarken unterschieden sich klanglich und
schriftbildlich aufgrund der unterschiedlichen und für jeden sofort erfassbaren
Sinngehalte in den jeweiligen Anfangsbestandteilen „Free“ für „frei“ und „feel“ für
„fühlen“ ausreichend voneinander. Der gemeinsame Endbestandteil „secco“ habe
eine deutlich eingeschränkte Bedeutung, weil er eines der gebräuchlichsten Wort-
elemente im Bereich der Schaumweine sei. Auf dem Markt gebe es eine sehr
große Anzahl von Marken mit diesem verbrauchten Endbestandteil, weshalb der
Verkehr den übrigen Markenelementen größere Aufmerksamkeit widme. Wegen
der Einzelheiten dieser Marken wird auf die Beschwerdebegründung nebst Anla-
gen Bezug genommen. Auch der Senat habe in den Entscheidungen
26 W (pat) 89/07 – Rio Secco/Bro-Secco“ und 26 W (pat) 30/11 –
Perisecco/Riesecco die Verwechslungsgefahr verneint, obwohl es sich bei dem
gemeinsamen Bestandteil „secco“ um eine beschreibende Angabe handele und
die Wortanfänge die unterscheidungskräftigen Elemente darstellten. In zahlreichen
weiteren vergleichbaren Fällen habe das BPatG die Verwechslungsgefahr ver-
neint: 26 W (pat) 552/12 – Fleesengeist/Friesengeist, 25 W (pat) 33/98 –
Agilmed/ACIMED, 24 W (pat) BEMED/GERMED, 25 W (pat) 206/99 –
Isoral/NIZORAL, 30 W (pat) 118/04 – Nanokort/NASACORT und 30 W (pat) 67/04
– Viva Vita/VERAVITA.

Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA vom
11. März 2014 unter Ziffer 1. aufzuheben, soweit die Löschung der
angegriffenen Marke wegen der Widersprüche aus der Wortmarke
30 2009 052 314 und aus der Wort-/Bildmarke 30 2009 052 316
für die Waren der

- 8 -
Klasse 30: Pralinen mit Füllung;

Klasse 32: Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und
andere alkoholfreie Getränke, entalkoholisierte Getränke;
Fruchtgetränke und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Prä-
parate für die Zubereitung von Getränken;

Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).

angeordnet worden ist, und die Widersprüche aus der Wortmarke
30 2009 052 314 und der Wort-/Bildmarke 30 2009 052 316 auch insoweit
zurückzuweisen.

Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung. Sie trägt vor, dass beide
Widerspruchsmarken in den Jahren 2011 und 2012 auf dem Flaschenetikett für
alkoholische Getränke, nämlich für Fruchtwein-Cocktails, verwendet worden seien.
2011 seien über 2… Flaschen zu einem Umsatz von über … €
vertrieben worden, während 2012 der Verkauf von über 1… Flaschen einen
Umsatz von über … € erzielt habe. Ab dem Jahr 2012 seien mit den beiden
Widerspruchsmarken auf einem neuen Etikett gekennzeichnete
Fruchtschaumwein-Cocktails vertrieben worden. Von Anfang 2012 bis 2016 seien
über 2… Flaschen mit dem neuen, in der eidesstattlichen Versicherung
gezeigten Etikett auf den deutschen Markt gebracht und Umsätze in Höhe von
über … € erzielt worden. Soweit auf dem neuen Etikett der hintere
Bestandteil des Wortes „feelsecco“ etwas größer geschrieben worden sei, habe
dies nicht den kennzeichnenden Charakter der Wortmarke verändert. Auch das
Weglassen des Bildbestandteils der älteren Wort-/Bildmarke führe nicht zu einer
- 9 -
abweichenden Verwendung, weil das Wortelement als wesentlicher
Markenbestandteil erhalten bleibe. Die Widerspruchsmarken verfügten über
durchschnittliche Kennzeichnungskraft, weil „feelsecco“ eine originelle
Fantasiebezeichnung für die beanspruchten alkoholischen Getränke darstelle.
Angesichts der nachgewiesenen Vertriebszahlen könne sogar von einer
gesteigerten Kennzeichnungskraft ausgegangen werden. Die Vergleichswaren in
Klasse 33 seien identisch. Im Verhältnis zu den für die jüngere Ware registrierten
Produkten in Klasse 32 sei eine hochgradige Ähnlichkeit gegeben. Biere seien
auch alkoholische Getränke. Die alkoholfreien Getränke würden als Alternative
oder ergänzend zu Alkoholika angeboten oder gemischt konsumiert. Beide
Produktarten würden nebeneinander präsentiert oder beworben sowie in Flaschen
und Gläsern angeboten. Bei den in Klasse 30 für die angegriffene Marke
beanspruchten „Pralinen mit Füllung“ sei ebenfalls eine Ähnlichkeit anzunehmen,
weil alkoholische Getränke, wie z. B. bei Weinbrandbohnen, als Füllung dienten.
Die sich gegenüberstehenden Wortmarken seien klanglich und schriftbildlich
nahezu identisch. Beide seien exakt gleich lang und bestünden jeweils aus neun
Buchstaben, von denen acht übereinstimmen. Der die übrigen Buchstaben
überragende erste Buchstabe „f“ sowie der auffällige, runde Buchstabe „o“ am
Ende fielen dem Betrachter sofort ins Auge. Ebenso bildlich auffällig seien die
identischen Doppellaute „ee“ und „cc“. Solche übereinstimmenden Merkmale
fielen erfahrungsgemäß stärker aus. Beide Marken bestünden aus drei Silben und
ihre Vokalfolge stimme exakt überein. Beide Zeichen seien originelle
Fantasiebegriffe, weshalb eine Verwechslungsgefahr auch begrifflich nicht
ausgeschlossen sei. Die ältere Wort-Bildmarke werde von dem Wortbestandteil
„feelsecco“ geprägt, weshalb Vorstehendes auch für sie gelte. Die von der
Beschwerdeführerin aufgezählten Marken mit dem Bestandteil „secco“ seien nicht
vergleichbar, weil es sich im Gegensatz zu den vorliegenden Einwortmarken um
mehrgliedrige Kombinationsmarken handele. Die von der Beschwerdeführerin
genannten patentgerichtlichen Entscheidungen könnten auf den vorliegenden Fall
nicht übertragen werden.

- 10 -
Mit Schreiben vom 10. Mai 2016 und 25. August 2017, letzteres unter Beifügung
von Recherchebelegen (Anlagenkonvolute 1 und 3, Bl. 91 – 104 GA), sind die
Verfahrensbeteiligten auf die Rechtsauffassung des Senats hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die gemäß §§ 64 Abs. 6, 66 Abs. 1 MarkenG statthafte Beschwerde ist zulässig,
aber nur teilweise begründet.

Zwischen der angegriffenen Marke „Freesecco“ und der Widerspruchswortmarke
„feelsecco“ besteht in dem von der Markenstelle für Klasse 33 des DPMA mit Be-
schluss vom 11. März 2014 unter Ziffer 1.) festgestellten Umfang die Gefahr von
Verwechslungen gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2 i. V. m. § 42 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG, wäh-
rend die rechtserhaltende Benutzung der älteren Wort-/Bildmarke nicht
hinreichend glaubhaft gemacht worden ist.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist
unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Da-
bei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der
Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass
ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen
höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeich-
nungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.;
EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Éditions Albert René/HABM
[OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2018, 79 Rdnr. 9 – OXFORD/Oxford Club
m. w. N.).
- 11 -
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die rechtserhaltende Benutzung der
beiden Widerspruchsmarken am 25. Mai 2016 bestritten. Da sie die Einrede der
Nichtbenutzung undifferenziert erhoben hat, ist in ständiger Rechtsprechung da-
von auszugehen, dass die Einrede beide Zeiträume des § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2
MarkenG umfassen soll (BGH GRUR 1998, 938 – DRAGON; Ingerl/Rohnke,
Markengesetz, 3. Aufl., § 43 Rdnr. 12; Ströbele in Ströbele/Hacker/Thiering,
MarkenG, 12. Aufl., § 43 Rdnr. 26; Fezer/Grabrucker, Handbuch der Markenpra-
xis, 3. Aufl., Rdnr. 560).

I. Widerspruch aus der Wortmarke „feelsecco“ (30 2009 052 314)

1. a) Die Nichtbenutzungseinrede ist nur gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2 MarkenG
zulässig, weil die Benutzungsschonfrist für die am 8. Februar 2010 eingetragene
Widerspruchswortmarke mit Ablauf des 8. Februar 2015 und damit nach der Ver-
öffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am 20. April 2012 geendet
hat.

b) Der Widersprechenden oblag es daher, glaubhaft zu machen, dass sie ihre
ältere Wortmarke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den
Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also im Zeitraum von März 2013 bis März
2018, rechtserhaltend benutzt hat. Zur Glaubhaftmachung muss von der Wider-
sprechenden konkret angegeben und eidesstattlich versichert werden, wer die
Marke auf welche Weise für welche Waren und Dienstleistungen in welchen Jah-
ren an welchem Ort benutzt hat und wie viel Umsatz damit erwirtschaftet worden
ist. Dies ist ihr gelungen.

aa) Eine ernsthafte rechtserhaltende Benutzung im Sinne des § 26 Abs. 1
MarkenG liegt vor, wenn die Marke nicht symbolisch allein zum Zweck der Wah-
rung der durch die Marke verliehenen Rechte, sondern entsprechend ihrer
Hauptfunktion, die Ursprungsidentität der Waren oder Dienstleistungen, für die sie
eingetragen ist, zu garantieren, in einer Weise verwendet wird, die im betreffenden
- 12 -
Wirtschaftszweig als gerechtfertigt angesehen wird, Marktanteile für die betroffe-
nen Waren oder Dienstleistungen gegenüber denjenigen anderer Unternehmer zu
gewinnen oder zu behalten (vgl. EuGH GRUR 2009, 156 Rdnr. 13 – Radetzky-
Orden/BKFR; GRUR 2003, 425 Rdnr. 43 – Ansul/Ajax; BGH MarkenR 2017, 551
Rdnr. 17 – Glückskäse). Von einer ernsthaften Benutzung ist jedenfalls auszuge-
hen, wenn keine bloße Scheinbenutzung vorliegt, sondern die Marke tatsächlich,
stetig und mit stabilem Erscheinungsbild auf dem Markt präsent ist (EuGH GRUR
2003, 343 Rdnr. 72 - 74 – Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]). Die Benut-
zung der Marke braucht nicht immer umfangreich zu sein, um als ernsthaft einge-
stuft zu werden, da eine solche Einstufung von den Merkmalen der betreffenden
Ware oder Dienstleistung auf dem entsprechenden Markt abhängt (EuGH a. a. O.
Rdnr. 39 – Ansul/Ajax). Selbst eine geringfügige Benutzung kann als ernsthaft an-
zusehen sein, wenn sie mit Blick auf die Gewinnung oder Erhaltung von Marktan-
teilen wirtschaftlich gerechtfertigt ist; absolute Untergrenzen der ernsthaften Be-
nutzung gibt es nicht (vgl. EuGH GRUR 2006, 582 Rdnr. 70 f. – The Sunrider
Corp./HABM [Vitafruit], GRUR 2006, 582 Rn. 72 - VITAFRUIT: Verkauf von ca.
300 Kisten mit je zwölf Flaschen Fruchtsaft an einen Kunden innerhalb eines Jah-
res mit einem Umsatz von ca. 4.800 €).

bb) Die Widersprechende hat die rechtserhaltende Benutzung ihrer Wider-
spruchswortmarke „feelsecco“ für Fruchtschaumwein-Cocktails und damit für die
Untergruppe „Cocktails“ nach Ort und Umfang für den maßgeblichen Benutzungs-
zeitraum von März 2013 bis März 2018 hinreichend glaubhaft gemacht.

aaa) Die Widersprechende hat durch Vorlage der eidesstattlichen Versicherung
ihres Marketing- und Vertriebsleiters vom 26. Juli 2016 glaubhaft gemacht, dass
sie im Inland im Jahr 2013 über 890.000, im Jahr 2014 über 400.000, im Jahr
2015 über 100.000 und im Jahr 2016 noch über 1… Flaschen Fruchtschaum-
wein-Cocktail vertrieben und damit Umsätze von über … € in 2013, über …
… € in 2014, über … € in 2015 und über … € in 2016 erzielt hat. Zwar
enthält die Aufstellung in der eidesstattlichen Versicherung Angaben nur bis zum
- 13 -
Jahr 2016, aber für eine ernsthafte Benutzung ist keine Verwendung der Marke
während des gesamten in Rede stehenden Zeitraums erforderlich (EuGH a. a. O.
Rdnr. 74 – Il Ponte Finanziaria/HABM [BAINBRIDGE]; BGH GRUR 2013, 925
Rdnr. 40 – VOODOO). Wie der eidesstattlichen Versicherung zu entnehmen ist, ist
die Marke seit 2012 und damit seit vielen Jahren kontinuierlich benutzt worden, so
dass fehlende Angaben für das Jahr 2017 und wenige Monate bis März 2018 kei-
nen Anlass zu Zweifeln an der Ernsthaftigkeit der Benutzungshandlungen geben.

bbb) Bei der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtung kann trotz der
nachgewiesenen Benutzung nur für „Fruchtschaumwein-Cocktails“ von dem
Oberbegriff „Cocktails“ im Sinne alkoholischer Mischgetränke ausgegangen wer-
den. Insoweit handelt es sich nämlich um eine nach Zweck, Darreichung und re-
gelmäßiger stofflicher Zusammensetzung homogene Produktgruppe, deren Zu-
schnitt auch dem Interesse an der Freihaltung des Registers von Marken, die für
einen Teil der Waren und Dienstleistungen nicht benutzt werden, Rechnung trägt
(vgl. zur sog. erweiterten Minimallösung: BGH GRUR 2013, 833 Rdnr. 61 –
Culinaria/Villa Culinaria).

cc) Die Widersprechende hat ihre Wortmarke im maßgeblichen
Benutzungszeitraum auch der Art nach rechtserhaltend benutzt.

aaa) Wird die Marke in einer von der Eintragung abweichenden Form benutzt,
liegt eine rechtserhaltende Benutzung nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG nur vor,
wenn die Abweichungen den kennzeichnenden Charakter der Marke nicht verän-
dern. Das ist dann der Fall, wenn der Verkehr das abweichend benutzte Zeichen
gerade bei Wahrnehmung der Unterschiede dem Gesamteindruck nach noch mit
der eingetragenen Marke gleichsetzt, das heißt in der benutzten Form noch die-
selbe Marke sieht. Bei der Frage, ob eine Marke in der eingetragenen Form oder
in einer hiervon abweichenden Form benutzt worden ist, muss vorab geklärt wer-
den, ob weitere Elemente wie zusätzliche Wörter, Bilder, Formen, Farben einen
relevanten Bezug zur Marke aufweisen, oder ob es sich lediglich um von der
- 14 -
Marke völlig unabhängige allgemeine Sachangaben oder Ausstattungselemente
handelt, die für die Frage der rechtserhaltenden Benutzung der Marke ohne Be-
deutung sind (BGH GRUR 2017, 1043 Rdnr. 19 – Dorzo m. w. N.; GRUR 2014,
662 Rdnr. 18 – Probiotik m. w. N.).

bbb) Bei der Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung durch eine von der
Eintragung der Marke abweichende Form kommt es auf das Verständnis der an-
gesprochenen Verkehrskreise an (BGH GRUR 2013, 725 Rdnr. 31 – Duff Beer).
Die Widerspruchswaren „Cocktails“ richten sich an breite Verkehrskreise, nämlich
sowohl an den normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Con-
cord/Hukla; BGH GRUR 2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister) als auch an den Ge-
tränkefachhandel.

ccc) Auf den von der Widersprechenden seit dem Jahr 2012 verwendeten Flascheneti-
ketten
wird die dort abgebildete Wortmarke „feelsecco“ trotz der zusätzlichen Bild- und
Wortbestandteile noch deutlich wahrgenommen.

(1) Die auf den Etiketten dargestellte Voluten-
ranke bleibt aufgrund der feinen Linienführung eher im Hintergrund und wird nur
als schmückendes Beiwerk empfunden. Die neun kleinen ungefüllten Kreise un-
terschiedlicher Größe deuten den Schwarm hochsteigender Sektperlen an und
- 15 -
dienen lediglich der Illustration des Kohlensäuregehalts des Getränks. Werbeübli-
che Gestaltungselemente auf Flaschenetiketten sind auch der breite silberne,
schräg gestellte Balken und die dunkelblaue, an der unteren Kante weiß umran-
dete Banderole. Die drei kleinen, weiß oder farbig gefüllten Kreise auf der
Banderole stellen ebenfalls reine Zierelemente dar, wenn sie überhaupt ins Blick-
feld rücken.

(2) Bei den auf den Etiketten grö-
ßenmäßig herausgestellten Wortzusätzen „Hugo Rosé“ und „Hugo” jeweils „mit
Holunderblüte” sowie „Sprizz … bitter-süß” handelt es sich um glatt beschreibende
Angaben für bestimmte Getränke, Inhaltsstoffe und/oder Geschmacksrichtungen.
Denn „Hugo“ ist ein bekannter, schwach alkoholischer Cocktail aus Prosecco,
Zitronenmelisse- oder Holunderblüten-Sirup, frischer Minze und Mineral- oder So-
dawasser (https://de.wikipedia.org/wiki/Hugo_(Cocktail)) und Sprizz, auch Spritz
oder Veneziano, wird ein beliebtes Mixgetränk aus Weißwein, Mineralwasser und
einer Spirituose genannt (https://de.wikipedia.org/wiki/Spritz).

(3) Von einer markenmäßigen Kennzeichnung werden die angesprochenen
Verkehrskreise daher erst bei der in der Mitte des Etiketts aufgedruckten Wort-
kombination „feelsecco“ ausgehen, weil ihr im Gegensatz zu allen anderen Anga-
ben ein eindeutiger beschreibender Sinngehalt fehlt.

(3.1) Das Adjektiv „feel“ mit der Bedeutung „fühlen, empfinden, spüren“
(www.leo.org) gehört zum englischen Grundwortschatz und wird von den ange-
sprochenen Verkehrskreisen ohne weiteres in diesem Sinne verstanden.

(3.2) Der Bestandteil „secco“ stammt aus dem Italienischen und beschreibt
alkoholische Getränke als „trocken“ (www.leo.org), was selbst dem Durchschnitts-
- 16 -
verbraucher auf Grund seiner umfangreichen Verwendung auf Wein-, Schaum-
wein- und Perlweinetiketten bekannt ist. Ferner ist er an den Begriff „Prosecco“
angelehnt, mit dem ein aus der Prosecco-Traube hergestellter italienischer Perl-
bzw. Schaumwein bezeichnet wird, der im Inland allgemeine Bekanntheit genießt
(www.duden.de). Ob „Secco“ schon im Jahre 2011 zur Bezeichnung deutschen
Perlweins verwendet worden ist (https://de.wikipedia.org/wiki/Secco), kann letztlich
dahinstehen, weil auch dann die beschreibende Bedeutung im Vordergrund steht.

(3.3) In seiner Gesamtheit kann der Wortverbindung „feelsecco“ - egal, ob in ei-
nem Wort oder in der möglicherweise optisch getrennt wirkenden Schreibweise
auf dem benutzten Flaschenetikett - nur der Imperativsatz „fühle,
empfinde, spüre trocken“, „fühle (Dich) trocken“ oder „fühle Perlwein“ entnommen
werden, der über „Cocktails“ keine sinnvolle Aussage trifft und entgegen der An-
sicht der Beschwerdeführerin auch kein Geschmackserlebnis beschreibt. Denn
beim „Fühlen“ wird etwas mit dem Tastsinn wahrgenommen, während nur beim
Schmecken mit der Zunge und ggfls. zusätzlich mit dem Geruchssinn ein Ge-
schmack erkannt wird. Trotz des beschreibenden Anklangs des möglicherweise
auch verbrauchten Elements „secco“ stellt die um das vorangestellte Wort „feel“
ergänzte Widerspruchsmarke „feelsecco“ insgesamt ein Kunstwort dar.

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin kann dem Element „feel“ ohne
den Zusatz „good“ nicht die Bedeutung „Wohlfühlen“ zukommen, wie dies in der
von ihr angeführten Entscheidung der Beschwerdekammer des EUIPO vom
13. Februar 2012 zu den Vergleichsmarken „DOLE MAKES YOU FEEL GOOD“
und „THE FEEL GOOD DRINKS COMPANY“ (R 1754/2010-4) angenommen wer-
den konnte. Aber auch die Bedeutung „Fühle (Dich) trocken wohl“ würde nicht zu
einer sinnvollen Sachaussage über „Cocktails“ führen.

- 17 -
(3.4) Soweit aufgrund des auf dem Etikett größenmäßig hervorgehobenen Ele-
ments „secco“ trotz Beibehaltung des normalen Buchstabenabstandes die Marke
„feelsecco“ aufgespaltet wirken sollte, sieht der Verkehr darin noch keine wesentli-
che Veränderung, weil die in den Worten verkörperte Fantasiebezeichnung auch
in der geänderten Schreibweise noch ohne weiteres als Gesamtbegriff erkennbar
bleibt (BGH GRUR 1999, 167, 168 – Karolus Magnus).

(3.5) Da somit nur die Bezeichnung „feelsecco“ eigene Kennzeichnungskraft hat,
können weder die Grafikelemente noch die beschreibenden Zusätze den Gesamt-
eindruck wesentlich mitprägen. Eine Veränderung des kennzeichnenden Charak-
ters der älteren Wortmarke ist daher nicht eingetreten.

(3.6) Was die auf den Etiketten größenmäßig
hervorgehobenen Wortzusätze „Pretty Woman Erdbeere” oder „Rabarbara mit
Rhabarber” betrifft, könnten neben den beschreibenden Angaben „Erdbeere“ und
„mit Rhabarber“ auch die Bezeichnungen „Pretty Woman“ und „Rabarbara“ be-
schreibenden Charakter haben. Denn „Pretty Woman“ ist der Name eines Cock-
tails, der aus Sekt, Ananassaft, Erdbeeren und Zucker gemixt wird
(https://www.kochwiki.org/wiki/Pretty_Woman;
https://www.cocktaildatenbank.de/cocktail-rezepte/1793-pretty-woman), und der
osteuropäische Begriff für Rhabarber könnte aufgrund des fast gleichlautenden
deutschen Pflanzennamens sowie der Erläuterung auf dem Etikett als Hinweis auf
diesen Inhaltsstoff erkennbar sein. Aber selbst wenn die beiden - mit einem „R“ im
Kreis als Hinweis auf eine erfolgte Markenregistrierung versehenen - Bezeichnun-
gen dem Verkehr nicht geläufig wären, handelte es sich um in der fraglichen Bran-
che übliche Zweitkennzeichnungen, so dass der Verkehr von zwei eigenständigen
Herkunftshinweisen ausginge.

- 18 -
2. Die beschwerdegegenständlichen, angegriffenen Waren in den Klassen 30,
32 und 33 und die Widerspruchsprodukte „Cocktails“ sind identisch oder zumin-
dest durchschnittlich ähnlich.

a) Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen sind
alle erheblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den
Waren oder Dienstleistungen kennzeichnen; hierzu gehören die Art der Waren
oder Dienstleistungen, ihr Verwendungszweck, ihre Nutzung sowie die Eigenart
als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren oder Dienst-
leistungen. In die Beurteilung einzubeziehen ist, ob die Waren oder Dienstleistun-
gen regelmäßig von denselben Unternehmen oder unter ihrer Kontrolle hergestellt
oder erbracht werden oder ob sie beim Vertrieb Berührungspunkte aufweisen (vgl.
EuGH a. a. O. Rdnr. 85 – The Sunrider Corp./HABM [Vitafruit]; BGH a. a. O.
Rdnr. 11 – OXFORD/Oxford Club).

b) Identität besteht mit den angegriffenen Waren „alkoholische Getränke
(ausgenommen Biere)“ in Klasse 33, weil die Widerspruchsprodukte „Cocktails“
von diesem Oberbegriff umfasst werden.

c) Eine durchschnittliche Ähnlichkeit ist auch zwischen „Cocktails“ und den
von der jüngeren Marke beanspruchten Getränken und Getränkepräparaten in
Klasse 32 anzunehmen. Denn „Mineralwässer, kohlensäurehaltige Wässer, an-
dere alkoholfreie Getränke, entalkoholisierte Getränke, Fruchtgetränke, Frucht-
säfte sowie Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken“ kön-
nen stoffliche Bestandteile von „Cocktails“ sein.

d) Normale Ähnlichkeit besteht auch zu den für die angegriffene Marke
eingetragenen Waren „Biere“, da sowohl Biere mit Cocktailaroma als auch Cock-
tails mit Bier angeboten werden, wie eine Internetrecherche des Senats ergeben
hat (s. Anlagenkonvolut 2 zum gerichtlichen Hinweis vom 25. August 2017).

- 19 -
e) Da sog. „Cocktailpralinen“ hergestellt werden, die entweder mit Cocktails flüs-
sig gefüllt sind oder Cocktailaromen enthalten (s. Anlagenkonvolut 1 zum gerichtli-
chen Hinweis vom 25. August 2017) ist auch bei „Pralinen mit Füllung“ eine durch-
schnittliche Ähnlichkeit anzunehmen.

3. Die Aufmerksamkeit des Publikums bei der Auswahl der alkoholhaltigen Ver-
gleichswaren wird, auch unter Berücksichtigung der Altersbegrenzung für hoch-
prozentigen Alkohol, abhängig von der Preisklasse und dem Qualitätsniveau ent-
weder bei alltäglichen Massenartikeln gering oder bei Luxusartikeln erhöht sein.
Es kann daher insgesamt von keinem höheren als einem normalen Aufmerksam-
keitsgrad ausgegangen werden. Dies gilt erst recht für gefüllte Pralinen und alko-
holfreie Getränke.

4. Die Widerspruchswortmarke „feelsecco“ verfügt über durchschnittliche
Kennzeichnungskraft.

a) Wie bereits im Rahmen der rechtserhaltenden Benutzung ausgeführt wor-
den ist, handelt es sich trotz des beschreibenden Anklangs des möglicherweise
auch verbrauchten Elements „secco“ wegen des vorangestellten, kennzeich-
nungskräftigen Wortes „feel“ insgesamt um eine Fantasiebezeichnung für „Cock-
tails“.

b) Eine gesteigerte Kennzeichnungskraft kann nicht festgestellt werden.

aa) Für die Annahme einer erhöhten Kennzeichnungskraft durch eine gestei-
gerte Verkehrsbekanntheit bedarf es hinreichend konkreter Angaben zum Markt-
anteil, zu Intensität, geografischer Verbreitung und Dauer der Benutzung der
Marke, zum Werbeaufwand des Unternehmens inklusive Investitionsumfangs zur
Förderung der Marke sowie ggf. zu demoskopischen Befragungen zwecks Ermitt-
lung des Anteils der beteiligten Verkehrskreise, die die Waren oder Dienstleistun-
gen auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend er-
- 20 -
kennen (st. Rspr.; EuGH GRUR 2005, 763 Rdnr. 31 – Nestlé/Mars; BGH BGH
a. a. O. Rdnr. 29 – Wunderbaum II). Diese Voraussetzungen müssen bereits im
Anmeldezeitpunkt der jüngeren Marke vorgelegen haben (vgl. BGH GRUR 2008,
903 Rdnr. 13 f. – SIERRA ANTIGUO) und bis zum Entscheidungszeitpunkt fortbe-
stehen (BPatG GRUR-RR 2015, 468, 469 - Linien-/Balkendarstellung in gezack-
tem Muster).

bb) Tatsachen, aus denen sich eine aufgrund umfangreicher Benutzung er-
höhte Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ergibt, sind weder vorgetra-
gen noch gerichtsbekannt.

Die nachgewiesenen Umsatzzahlen reichen allein nicht aus, um einen erhöhten
Schutzumfang zuzuerkennen. Diese Zahlen erlauben schon deswegen keine
Rückschlüsse auf den Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, weil die Wider-
sprechende keine Zahlen über die Gesamtumsätze des einschlägigen Marktes
mitgeteilt hat und die Erfahrungstatsache gilt, dass umsatzstarke Marken wenig
bekannt und umsatzschwache Marken, z. B. wegen ihrer Exklusivität, sehr be-
kannt sein und bleiben können (vgl. OLG Köln, MarkenR 2007, 126 – Schlaufuchs
und Lernfuchs; BPatG; 29 W (pat) 15/09 – BLUE PANTHER/Panther;
26 W (pat) 23/06 – Grüne Bierflasche).

5. Ausgehend von teilweise identischen, teilweise durchschnittlich ähnlichen
Waren, durchschnittlicher Aufmerksamkeit der Verkehrskreise und normaler
Kennzeichnungskraft hält die angegriffene Marke den erforderlichen Abstand zur
Widerspruchsmarke „feelsecco“ wegen weit überdurchschnittlicher Zeichenähn-
lichkeit nicht mehr ein.

a) Maßgeblich für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der Gesamtein-
druck der Vergleichsmarken unter Berücksichtigung der unterscheidungskräftigen
und dominierenden Elemente (EuGH GRUR 2013, 922 Rdnr. 35 – Specsa-
vers/Asda; BGH GRUR 2013, 833 Rdnr. 30 – Culinaria/Villa Culinaria), wobei von
- 21 -
dem allgemeinen Erfahrungsgrundsatz auszugehen ist, dass der Verkehr eine
Marke so aufnimmt, wie sie ihm entgegentritt, ohne sie einer analysierenden Be-
trachtungsweise zu unterziehen (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428, Rdnr. 53 –
Henkel; BGH GRUR 2001, 1151, 1152 – marktfrisch). Das schließt nicht aus, dass
unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den
durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrskreise hervorgerufe-
nen Gesamteindruck prägend sein können (vgl. EuGH GRUR 2005, 1042
Rdnr. 28 f. – THOMSON LIFE; BGH a. a. O. Rdnr. 37 – OXFORD/Oxford Club
m. w. N.; GRUR 2012, 64 Rdnr. 14 – Maalox/Melox-GRY). Voraussetzung hierfür
ist, dass die anderen Bestandteile weitgehend in den Hintergrund treten und den
Gesamteindruck der Marke nicht mitbestimmen.

Die Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit
im (Schrift-)Bild, im Klang und im Bedeutungs- oder Sinngehalt zu beurteilen, weil
Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher
und begrifflicher Hinsicht wirken können. Dabei genügt für die Bejahung der Zei-
chenähnlichkeit regelmäßig bereits die Ähnlichkeit in einem der genannten Wahr-
nehmungsbereiche (vgl. EuGH GRUR 2006, 413 Rdnr. 19 – ZIRH/SIR; BGH
a. a. O. Rdnr. 37 – BioGourmet).

b) Die sich hier gegenüberstehenden Marken werden klanglich in sehr hohem
Maße ähnlich wahrgenommen.

aa) Trotz des beschreibenden Anklangs durch den übereinstimmenden
Bestandteil „secco“ werden die Vergleichsmarken nicht durch die Anfangswörter
„Free“ und „feel“ geprägt.

aaa) Eine derartige Prägung, die in erster Linie in Bezug auf mehrgliedrige Mar-
ken in Betracht kommt (vgl. BGH GRUR 2010, 729, 732 Rdnr. 34 – MIXI), ist auch
in Bezug auf Einwortmarken wie die Vergleichsmarken, die sich einer Aufteilung in
trennbare „Bestandteile“ an sich entziehen, nicht ausgeschlossen. Besondere
- 22 -
Umstände, die vorliegend Anlass gäben, die beiden Anfangswörter als eigenstän-
dige Komponenten wahrzunehmen, sind hier jedoch nicht ersichtlich.

bbb) Das zum englischen Grundwortschatz gehörende Adjektiv „Free“ mit der
Bedeutung „frei; kostenlos; befreit; offenherzig; ungebunden“ (www.leo.org) hat
zusammen mit der Endung „secco“ für „trocken“ die Gesamtbedeutung „frei tro-
cken“ oder „kostenlos trocken“. Damit beschreibt „Freesecco“ keine Merkmale der
beanspruchten, beschwerdegegenständlichen Waren der Klasse 30, 32 und 33.
Selbst wenn „secco“ mit „Perlwein“ gleichgesetzt würde, was die Gesamtbedeu-
tungen „freier, ungebundener Perlwein“ oder „kostenloser Perlwein“ zur Folge
hätte, würden sie keine sinnvolle Aussage übermitteln, weil es keine Freiheit für
den Perlwein gibt und dem Warenbegriff die Entgeltlichkeit immanent ist. Bei der
jüngeren Marke handelt es sich damit um einen künstlichen Gesamtbegriff.

ccc) Auch die Widerspruchsmarke „feelsecco“ stellt, wie bereits im Rahmen der
Prüfung der rechtserhaltenden Benutzung eingehend erörtert, einen einheitlichen
Fantasiebegriff dar, bei dem der Verkehr keine Veranlassung hat, zwischen einem
prägenden und einem vernachlässigungsfähigen Bestandteil zu unterscheiden.

bb) Abgesehen davon, dass schon der Endbestandteil des jüngeren Zeichens
„Freesecco“ mit demjenigen der Widerspruchsmarke „feelsecco“ identisch ist, be-
steht auch am Wortanfang eine weit überdurchschnittliche phonetische Ähnlich-
keit. Die Vergleichsmarken kommen sich im klanglichen Gesamteindruck zu nahe,
denn sie stimmen in acht von neun Buchstaben überein, insbesondere auch am
stärker beachteten Wortbeginn, nämlich im Anfangskonsonanten und im ersten
betonten Doppelvokal. Ferner verfügen sie über dieselbe Vokalfolge, dieselbe An-
zahl Silben und denselben Sprech- und Betonungsrhythmus. Die Unterschiede in
den klangschwachen Konsonanten „r“ bzw. „l“, die stimmlos gesprochen werden,
fallen insbesondere bei ungünstigen Übertragungsverhältnissen demgegenüber in
der Aussprache nicht ins Gewicht. Angesicht dieser überwiegenden Übereinstim-
mungen in Silbengliederung, Vokalfolge und Betonung sind sich die gegenüber-
- 23 -
stehenden Markenwörter in ihrem Gesamtklangbild so ähnlich, dass damit ge-
rechnet werden muss, dass auch der unterschiedliche Begriffsgehalt der An-
fangswörter, einerseits das englische Adjektiv „Free“ mit der Bedeutung „frei“ und
andererseits das englische Verb „feel“, das mit „fühlen“ übersetzt wird, nicht aus-
reichend wahrgenommen wird. Denn auch Käufern, denen diese unterschiedli-
chen Bedeutungen ohne weiteres geläufig sind, nützt die begriffliche Abgrenzung
nichts, wenn sie sich wegen der großen Klangähnlichkeit verhören, weil ihnen
dann der Sinngehalt überhaupt nicht oder der falsche Begriff zum Bewusstsein
kommen (EuGH MarkenR 2011, 22 Rdnr. 47 – Clina/CLINAIR; BGH GRUR 1986,
253, 255 – Zentis). Aufgrund der großen klanglichen Ähnlichkeit kommt ein Aus-
schluss der Verwechslungsgefahr durch die unterschiedlichen Sinngehalte daher
nicht in Betracht.

6. Eine andere Beurteilung kann auch nicht unter Berücksichtigung der von der
Beschwerdeführerin angeführten Entscheidungen des BPatG erfolgen, in denen
eine Verwechslungsgefahr verneint wurde.

Beim Beschluss 26 W (pat) 552/12 – Fleesengeist/FRIESENGEIST sind die An-
fangssilben klanglich und schriftbildlich nur gering ähnlich und die Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke ist unterdurchschnittlich. Die Marken „Agilmed“
und „ACIMED“ (25 W (pat) 33/98) unterscheiden sich am stärker beachteten
Wortanfang im Klang- und Schriftbild hinreichend deutlich. Dies gilt auch für die
Vergleichsmarken „BEMED/GERMED“ (24 W (pat) 247/94), „Viva Vita/VERAVITA“
(30 W (pat) 67/04) und „Isoral/NIZORAL“ (25 W (pat) 206/99). Bei den Marken
„Nanokort“ und „NASACORT“ fehlt es an der Übereinstimmung in allen Vokalen.
Sowohl die Marken „Rio Secco“ und „Bro-Secco“ (26 W (pat) 89/07) als auch die
Kennzeichen „Perisecco“ und „Riesecco“ (26 W (pat) 30/11 unterscheiden sich in
den Anfangskonsonanten, in der Silbenzahl und in den Vokalen.

- 24 -
II. Widerspruch aus der Wort-/Bildmarke „feelsecco“ (30 2009 052 316)

1. a) Die Nichtbenutzungseinrede ist auch hier nur gemäß § 43 Abs. 1 Satz 2
MarkenG zulässig, weil die Benutzungsschonfrist für die am 28. Oktober 2009
eingetragene Widerspruchsmarke mit Ablauf des 28. Oktober 2014 und damit
nach der Veröffentlichung der Eintragung der angegriffenen Marke am
20. April 2012 geendet hat.

b) Der Widersprechenden oblag es daher, glaubhaft zu machen, dass sie ihre
Widerspruchsmarke innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über
den Widerspruch im Beschwerdeverfahren, also im Zeitraum von März 2013 bis
März 2018, rechtserhaltend benutzt hat. Dies ist ihr nicht gelungen.

2. Die Widersprechende hat Nachweise für die Benutzung der älteren Wort-
/Bildmarke der Art nach nur für die Jahre 2011 und 2012 und da-
mit nur für eine Zeitspanne außerhalb des maßgeblichen Benutzungszeitraums
glaubhaft gemacht. Seit der Neugestaltung des Flaschenetiketts im Jahre 2012
hat sie nur Verwendungsformen dargelegt und glaubhaft gemacht, die gegenüber
der eingetragenen Wort-/Bildmarke durch das seitdem vollständig entfallene präg-
nante Bildsymbol „Schmetterling vor einem kreisförmigen Hintergrund“ eine rele-
vante Veränderung des kennzeichnenden Charakters bedeuten.

a) Wenn der Bildbestandteil eine eigenständig kennzeichnende Stellung ein-
nimmt, kann das dazu führen, dass der Verkehr in der benutzten Form nicht mehr
die ihm bekannte eingetragene Marke sieht, wenn der betreffende Bestandteil er-
satzlos wegfällt (vgl. BGH GRUR 1999, 498, 499 – Achterdiek). Dies ist vorliegend
der Fall.

- 25 -
b) Der dreiecksmäßige Gesamtaufbau der Wort/Bildmarke
macht das Bild des Schmetterlings, der vor einer dunklen, kreisförmigen Bildfläche
aufsteigt, zum zentralen Blickfang. Auf den seit dem Jahr 2012 verwendeten Fla-
schenetiketten
fehlt dieses aufgrund des Schwarz-Weiß-Kontrastes prägnante und auffällig gra-
fisch gestaltete Bildelement , das nicht nur als bedeutungslose
Ausschmückung oder Illustration des Wortbestandteils „feelsecco“ erscheint, son-
dern über gleichrangige Kennzeichnungskraft verfügt. Ferner findet eine erhebli-
che Umgestaltung und neue Betonung der Volutenranke durch deren obere statt
untere Positionierung sowie durch Hinzufügung ungefüllter Kreise unterschiedli-
cher Größe als Andeutung hochsteigender Sektperlen auf den Etiketten
statt. Zudem wird die Volutenranke in der benutz-
ten Darstellung durch den silbernen Balken und die dunkelblaue Banderole sowie
weitere Wortelemente, z. B. „Hugo Rosé mit Holunderblüte“, deutlich unterbro-
chen.

c) Das Weglassen des mitprägenden Grafikelements „Schmetterling vor ei-
nem kreisförmigen Hintergrund“ auf den Etiketten stellt eine derart deutliche Ab-
- 26 -
wandlung der älteren Wort-/Bildmarke dar, dass der Verkehr das eingetragene
Kennzeichen und die benutzten Formen nicht als ein und dasselbe Zeichen wer-
tet.

Die Veränderung des kennzeichnenden Charakters der Widerspruchsmarke kann
auch nicht im Hinblick auf den in ständiger Rechtsprechung anerkannten Grund-
satz verneint werden, dass bei einer Wort-Bild-Kombination in der Regel das Wort
als einfachste Benennungsform den Gesamteindruck prägt, denn die Frage der
Prägung einer Kombinationsmarke durch einen Einzelbestandteil dient aus-
schließlich der Bestimmung des Schutzumfangs bei der Prüfung der Verwechs-
lungsgefahr. Demgegenüber ist Gegenstand der Prüfung nach § 26 Abs. 3 Satz 1
MarkenG allein die Frage, ob der Verkehr die konkret eingetragene und benutzte
Form als ein und dasselbe Zeichen ansieht. Da für die Prüfung des kennzeich-
nenden Charakters nach § 26 Abs. 3 Satz 1 MarkenG grundsätzlich die konkret
eingetragene und die benutzte Form zu vergleichen sind, darf in keinem Fall ein
Bildbestandteil deshalb außer Acht bleiben, weil er bei der mündlichen Benennung
erfahrungsgemäß nicht wiedergegeben wird (BPatG 26 W (pat) 348/03 –
Vitality/MILRAM Vitality).


III.

Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1
MarkenG sind nicht gegeben.

- 27 -
IV.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
- 28 -
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Kortge Jacobi Schödel

prö


Full & Egal Universal Law Academy