26 W (pat) 4/17  - 26. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




26 W (pat) 4/17
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache




- 2 -
betreffend die Marke 30 2011 061 370

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
24. Mai 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der Rich-
ter Schödel und Dr. von Hartz

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die Wort-/Bildmarke (schwarz/weiß)



ist am 11. November 2011 angemeldet und am 21. Dezember 2011 unter der
Nummer 30 2011 061 370 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt
(DPMA) geführte Register als Marke für Waren und Dienstleistungen der Klas-
sen 9, 35, 38, 42 und 45 eingetragen worden. Im Laufe des Widerspruchsverfah-
rens hat die Inhaberin der angegriffenen Marke auf die Waren der Klasse 9 und
die Dienstleistungen der Klassen 42 und 45 verzichtet, so dass nur noch eine Ein-
tragung bestanden hat für Dienstleistungen der Klasse 38 und Dienstleistungen
der

- 3 -
Klasse 35: Werbung; Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung;
Büroarbeiten, Nachforschung und Bewertung in Geschäftsan-
gelegenheiten, Direkte Hilfe bei der Abwicklung von Geschäf-
ten und der Leitung von Handelsbetrieben.

Gegen die Eintragung dieser Marke, die am 20. Januar 2012 veröffentlicht worden
ist, hat die Beschwerdeführerin Widerspruch erhoben aus der Wortmarke

DomiNIC

die am 12. März 2001 in das Register unter der Nummer 300 91 825 eingetragen
worden ist für Waren und Dienstleistungen der

Klasse 9: Computer und Peripheriegeräte, nämlich Dateneingabe-, -aus-
gabe-, -speicher- und -übertragungsgeräte; auf Datenträger
aufgezeichnete Programme; Software (soweit in Klasse 9 ent-
halten);

Klasse 41: Schulung, Ausbildung und Unterricht auf dem Gebiet der
Datenverarbeitung und der Informationstechnologie, Veran-
staltung und Durchführung von Seminaren;

Klasse 42: technische Beratung und Planung für die Verwendung von
Computern und Computerprogrammen; Entwickeln und Er-
stellen von Programmen für die Datenverarbeitung und für die
Steuerung von Peripheriegeräten.

Mit Beschlüssen vom 20. Juni 2014 und 14. September 2016, wobei letzterer im
Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat die Markenstelle für Klasse 38 des DPMA
die angegriffene Marke für alle Dienstleistungen der Klasse 38 gelöscht und den
Widerspruch in Bezug auf die Dienstleistungen der Klasse 35 mangels Ähnlichkeit
- 4 -
mit den Widerspruchswaren und -dienstleistungen zurückgewiesen. Zur Begrün-
dung hat sie ausgeführt, es sei ausschließlich die Registerlage und nicht das tat-
sächliche Dienstleistungsangebot der Widersprechenden auf ihrer Webseite in
Form von Buchhaltungssoftware („Accounting“), Software zur Integration externer
Abrechnungssysteme („Integration“) und zur Automatisierung der Auftragseinrei-
chung („Automation“) maßgeblich. Das Anbieten einer „Software“, mit der der An-
wender selbständig sein Unternehmen verwalten und Büroarbeiten effizient erledi-
gen könne, sei nicht mit dem Erbringen der Dienstleistungen „Unternehmensver-
waltung“ und „Büroarbeiten“ für Dritte gleichzusetzen. Diese Beurteilung gelte
auch für die angegriffenen Dienstleistungen „Geschäftsführung; Nachforschung
und Bewertung in Geschäftsangelegenheiten, Direkte Hilfe bei der Abwicklung von
Geschäften und der Leitung von Handelsbetrieben“. Bei der Dienstleistung „Wer-
bung“ stehe die Werbebotschaft im Vordergrund. Aus dem Einsatz von Computer
und Software bei der Erstellung von Werbeträgern schließe das angesprochene
Publikum nicht, dass der Werbedienstleister sich auch gewerblich mit der Herstel-
lung oder dem Vertrieb dieser Hilfsmittel befasse.

Gegen die Teilzurückweisung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Sie ist der Ansicht, der Widerspruchsmarke komme aufgrund ihrer originellen Ge-
staltung und der verwendeten Kurzform „NIC“ für „Network Information Center“
gesteigerte Kennzeichnungskraft zu. Es sei zwar zutreffend, dass das angespro-
chene Publikum die erbrachte Dienstleistung nicht mit der dafür verwendeten
Hard- und Software in Verbindung bringe, weil sich die Verwendung digitaler Lö-
sungen im Geschäftsleben mittlerweile fast vollständig durchgesetzt habe. Etwas
anderes müsse aber dann gelten, wenn die Softwarelösung in Teilen die Dienst-
leistung ersetze. Dann ergebe sich eine Nähe zwischen der Ware und der durch
die Ware ersetzten Dienstleistung, so dass beim Verkehr der Eindruck eines er-
gänzenden Angebots des Herstellers der Softwarelösung vermittelt werde.

- 5 -
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des DPMA vom
20. Juni 2014 und 14. September 2016 aufzuheben und das
DPMA anzuweisen, die Löschung der Marke 30 2011 061 370
wegen des Widerspruchs aus der Marke 300 91 825 auch für die
Dienstleistungen der Klasse 35 anzuordnen.


Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, es bestehe keine Waren- und Dienstleistungsähnlich-
keit, da es an einem engen Zusammenhang des Themenbereichs der sich gegen-
überstehenden Waren und Dienstleistungen fehle. Von einer erhöhten Kennzeich-
nungskraft der Widerspruchsmarke könne mangels vorgetragener Tatsachen nicht
ausgegangen werden.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 30. Januar 2017 sind die Verfahrensbeteiligten
auf die Rechtsauffassung des Senats hingewiesen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Zwischen der angegriffenen Marke und der Widerspruchsmarke besteht in Bezug
auf die beschwerdegegenständlichen Dienstleistungen der jüngeren Marke in
- 6 -
Klasse 35 keine Verwechslungsgefahr gemäß §§ 42 Abs. 2 Nr. 1, 9 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG, so dass die Markenstelle den Widerspruch insoweit zu Recht zurück-
gewiesen hat.

Die Frage der Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG ist
unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Da-
bei ist von einer Wechselwirkung zwischen der Identität oder der Ähnlichkeit der
Waren oder Dienstleistungen, dem Grad der Ähnlichkeit der Marken und der
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke in der Weise auszugehen, dass
ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen
höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine gesteigerte Kennzeich-
nungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.;
EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 45 f. – Éditions Albert René/HABM
[OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2016, 382 Rdnr. 19 – BioGourmet m. w. N.).

Auszugehen ist dabei von dem angesprochenen inländischen Verkehr, der alle
Kreise umfasst, in denen die fragliche Marke aufgrund der beanspruchten Waren
und Dienste Verwendung finden oder Auswirkungen haben kann (vgl. EuGH
GRUR 2004, 428 Rdnr. 65 – Henkel). Maßgeblich ist dabei nicht ein flüchtiger,
sondern ein normal informierter, angemessen aufmerksamer und verständiger
Durchschnittsverbraucher (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Con-
cord/Hukla; GRUR 1999, 723 Rdnr. 29 – Chiemsee).

1. Nach der maßgeblichen Registerlage werden die Vergleichsmarken im be-
schwerdegegenständlichen Umfang zur Kennzeichnung unähnlicher Waren und
Dienstleistungen verwendet. Die angegriffenen Dienstleistungen der Klasse 35
weisen keine Ähnlichkeit mit den für die Widerspruchsmarke geschützten Waren
und Dienstleistungen der Klassen 9, 41 und 42 auf.

a) Da allein von den im Register eingetragenen Waren und Dienstleistungen
auszugehen ist, kommt es nicht darauf an, für welche Waren und Dienstleistungen
- 7 -
die Marken tatsächlich im Verkehr eingesetzt werden und welcher Art die tatsäch-
lichen Umstände der Benutzung sind, weil Vermarktungsstrategien oder Marke-
tingkonzeptionen jederzeit geändert werden können (BGH GRUR 2004, 600, 601
– d-c-fix/CD-FIX, juris-Tz. 21; GRUR 2002, 544, 546 – BANK 24, juris-Tz. 50;
GRUR 1999, 245, 247 – LIBERO, juris-Tz. 36; 1998, 1034, 1036 – Makalu, juris-
Tz 31; BPatG 33 W (pat) 554/10 – KREDIT iNFORM/CREDITREFORM). Entge-
gen dem Vorbringen der Widersprechenden spielt es daher keine Rolle, welche
Dienstleistungen sie tatsächlich auf ihrer Homepage anbietet.

b) Eine Ähnlichkeit ist grundsätzlich anzunehmen, wenn die sich
gegenüberstehenden Waren und/oder Dienstleistungen unter Berücksichtigung
aller für die Frage der Verwechslungsgefahr erheblicher Faktoren wie insbeson-
dere ihrer Beschaffenheit, ihrer regelmäßigen betrieblichen Herkunft, ihrer regel-
mäßigen Vertriebs- und Erbringungsart, ihres Verwendungszwecks und ihrer Nut-
zung, ihrer wirtschaftlichen Bedeutung sowie ihrer Eigenart als miteinander kon-
kurrierender oder einander ergänzender Produkte oder Leistungen so enge Berüh-
rungspunkte aufweisen, dass die beteiligten Verkehrskreise der Meinung sein
könnten, sie stammten aus demselben Unternehmen oder wirtschaftlich verbun-
denen Unternehmen (EuGH GRUR-RR 2009, 356 Rdnr. 65 – Éditions Albert
René/HABM [OBELIX/MOBILIX]; BGH GRUR 2014, 488 Rdnr. 12 –
DESPERADOS/DESPERADO; GRUR 2015, 176 Rdnr. 16 – ZOOM).

Das stärkste Gewicht kommt im Hinblick auf die Herkunftsfunktion der Marke der
regelmäßigen betrieblichen Herkunft, also dem gemeinsamen betrieblichen Ver-
antwortungsbereich für die Qualität der Waren und/oder Dienstleistungen zu, wäh-
rend der regelmäßigen Vertriebs- und Erbringungsstätte ein geringeres Gewicht
zugemessen wird. Bei der funktionellen Ergänzung ist ein enger Zusammenhang
in dem Sinne erforderlich, dass die Ware oder Dienstleistung für die Verwendung
der anderen unentbehrlich oder wichtig ist (BGH a. a. O. Rdnr. 16 –
DESPERADOS/DESPERADO m. w. N.; BPatG 26 W (pat) 18/14 – Cada De-
sign/CADA; EuG GRUR Int 2007, 1023, 1025 Rdnr. 36, 37 – TOSCA BLU).
- 8 -
aa) Zwischen der Dienstleistung „Werbung“ der angegriffenen Marke in Klasse
35 und den Widerspruchswaren und -dienstleistungen in den Klassen 9, 41 und 42
besteht keine Ähnlichkeit.

aaa) Nach der bei der Anmeldung der jüngeren Marke maßgeblichen und bis zur
Gegenwart unveränderten Erläuternden Anmerkung zu Klasse 35 in Teil I der
Nizza Klassifikation (9. Ausgabe, gültig ab 1.1.2007), auf die § 65 Abs. 1 Nr. 3
MarkenG i. V. m. § 19 MarkenV verweist, gehören zur „Werbung“ „Dienstleistun-
gen von Werbeunternehmen, die sich in Bezug auf alle Arten von Waren oder
Dienstleistungen hauptsächlich mit Mitteilungen an die Öffentlichkeit und mit Erklä-
rungen und Anzeigen durch alle Mittel der Verbreitung befassen“. Damit umfasst
der markenrechtliche Dienstleistungsbegriff „Werbung“ alle Beratungs-, Mittei-
lungs-, Konzeptions-, Gestaltungs- und Realisationsleistungen, die von Werbeun-
ternehmen – in erster Linie Werbeagenturen – gegen Entgelt im Kundenauftrag für
Dritte auf dem Gebiet der Werbung erbracht werden (vgl. BPatG 33 W (pat) 45/98
– INDIGO IMAGES, juris-Tz. 30; OLG Frankfurt GRUR-RR 2007, 277, 280, juris-
Tz. 52; EUIPO R 998/2011-4 Rdnr. 14 – MISSIS UNIVERSE/MISS UNIVERSE;
EuG T-76/09 Rdnr. 32 - Mundipharma). Ziel der Werbung ist es, Menschen unter
Einsatz spezifischer Werbemittel im Sinne des Werbenden zu beeinflussen (vgl.
Der Brockhaus Wirtschaft, 2. Aufl., Stichwort: Werbung; Vahlens Großes Wirt-
schaftslexikon, 2. Aufl., Band 2, Stichwort: Werbung).

bbb) Die Widerspruchswaren in Klasse 9 „Computer und Peripheriegeräte, näm-
lich Dateneingabe-, -ausgabe-, -speicher- und -übertragungsgeräte; auf Datenträ-
ger aufgezeichnete Programme; Software (soweit in Klasse 9 enthalten)“ weisen
keine markenrechtlich relevanten Berührungspunkte mit Werbedienstleistungen
auf.

(1) Dabei dürfen an eine Ähnlichkeit zwischen Waren und Dienstleistungen
keine unüberwindbar hohen Anforderungen gestellt werden. Zwar sind
Dienstleistungen generell weder mit den zu ihrer Erbringung verwendeten Waren
- 9 -
und Hilfsmitteln noch mit den durch sie erzielten Ergebnissen, soweit sie Waren
hervorbringen, ohne weiteres als ähnlich anzusehen. Besondere Umstände kön-
nen jedoch die Feststellung der Ähnlichkeit nahelegen (vgl. BGH GRUR 2012,
1145 Rdnr. 35 – Pelikan; GRUR 2000, 883, 884 – PAPPAGALLO; GRUR 1999,
731 Rdnr. 36 – Canon II). Maßgeblich ist insoweit die Verkehrsanschauung. Eine
die Verwechslungsgefahr begründende Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistun-
gen liegt vor, wenn das Publikum annimmt, das Dienstleistungsunternehmen be-
fasse sich selbständig auch mit der Herstellung bzw. dem Vertrieb der Ware oder
der Warenhersteller oder –vertreiber betätige sich selbständig gewerblich im ent-
sprechenden Dienstleistungsbereich (BGH a. a. O. – Pelikan).

(2) Wie bereits eingehend dargestellt, dient Werbung der Bekanntmachung von
Gütern oder Dienstleistungen Dritter mit dem Ziel, diese zu verkaufen. Hierbei be-
dient sich der Anbieter von Werbedienstleistungen kommerzieller Werbeträger wie
Anschlagtafeln, Litfasssäulen, Flugzetteln, Radio und Fernsehen, Inseraten, Web-
Banner, skywriting, Bushaltestellen, Zeitschriften, Zeitungen, Omnibusflächen, der
Öffnungsbereiche des Audio- und Videostreams oder der Rückseiten von Eintritts-
karten etc.. Bei der Erstellung der für diese Werbeträger bestimmten Werbebot-
schaften kommen auch Computer und Software zum Einsatz. Bei Erbringung und
Inanspruchnahme der Dienstleistung Werbung steht jedoch die Werbebotschaft im
Vordergrund. Sie bildet den Schwerpunkt. Mit welchen technischen Mitteln diese
hervorgebracht wird, ist zweitrangig. Dass dabei selbstverständlich Computer
nebst Software eingesetzt werden, ist dem angesprochenen Publikum ohne weite-
res bekannt. Denn Hard- und Software samt Bau- oder Zubehörteilen sind zu
Hilfsmitteln und Arbeitsgeräten in nahezu jedem Arbeitsbereich und damit auch für
die Anbieter der Werbedienstleistungen geworden. Die angesprochenen Ver-
kehrskreise werden daher in Kenntnis der Zweckbestimmung des Computers
nebst Software als reinem Hilfsmittel nicht davon ausgehen, der Anbieter befasse
sich gewerblich selbständig mit deren Herstellung und Vertrieb (29 W (pat) 104/02
– PiN – Präsenz im Netz; 26 W (pat) 506/13 – MUSIC MONSTER/MONSTER
MUSIC).
- 10 -
ccc) Zu verneinen ist auch eine Ähnlichkeit von „Werbung“ mit den für die Wider-
spruchsmarke geschützten Dienstleistungen in Klasse 41 „Schulung, Ausbildung
und Unterricht auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und der Informationstech-
nologie, Veranstaltung und Durchführung von Seminaren“.

(1) Bei der Beurteilung der Dienstleistungsähnlichkeit sind alle erheblichen
Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Dienstleistungen
kennzeichnen. Hierzu gehören nicht zuletzt angesichts der fehlenden Körperlich-
keit von Dienstleistungen in erster Linie Art und Zweck der Dienstleistung, das
heißt der Nutzen für den Empfänger der Dienstleistung, und die Vorstellung des
Verkehrs, dass die Dienstleistungen unter der gleichen Verantwortung erbracht
werden (BGH a. a. O. – BANK 24, juris Tz. 29; GRUR 2001, 164, 165 – Winter-
garten, juris Tz. 31).

(2) Dass die Ausbildung im IT-Bereich nicht zu den Aufgaben von
Werbeagenturen gehört, versteht sich von selbst (vgl. auch BPatG
27 W (pat) 571/10 – Palazzo Klenze/Palazzo; BPatG 29 W (pat) 39/10 –
CIROCOM/CIROSEC).

Aber auch der Umstand, dass einige Werbeagenturen Workshops und Seminare
zum Thema „Marketing“ anbieten (www.tb-hallenberger.de; www.hcmedia.de;
www.satzzeichen.eu; www.engelhardt-wetzel.de; www.module23.com), reicht
nicht aus, um eine markenrechtliche Dienstleistungsähnlichkeit zwischen der an-
gegriffenen Dienstleistung „Werbung“ und der Widerspruchsdienstleistung „Veran-
staltung und Durchführung von Seminaren“ zu begründen. Werbedienstleistungen
verfolgen in erster Linie mit ihren Kampagnen den Zweck, den Verkauf von Waren
und/oder Dienstleistungen Dritter zu fördern. Schulungen in Seminaren, z. B. im
Marketing, sind von untergeordneter Bedeutung und werden, wenn überhaupt, nur
als Neben- oder Zusatzleistung erbracht. Dabei unterscheiden sich auch die Art
der Schulungsdienstleistung, deren Methode und Zweck ganz erheblich von der
charakteristischen Werbedienstleistung, so dass sie sich im maßgeblichen Kern-
- 11 -
bereich nicht begegnen (vgl. auch EUIPO R 998/2011-4 Rdnr. 15 u. 16 – MISSIS
UNIVERSE/MISS UNIVERSE). Gegen ein funktionelles Ergänzungsverhältnis
spricht, dass die Dienstleistung der „Veranstaltung und Durchführung von Semina-
ren“ für Werbedienstleistungen weder unentbehrlich noch wichtig ist. Da viele Wa-
renhersteller und Dienstleister in ihrem jeweiligen Fachbereich auch Seminare
anbieten können, würde die Einstufung als ähnlich im Sinne von § 9 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Kriterien völ-
lig außer Acht lassen und zu einer Aushöhlung des Begriffs der Waren-
/Dienstleistungsähnlichkeit führen.

ddd) Auch zu den Widerspruchsdienstleistungen „technische Beratung und Pla-
nung für die Verwendung von Computern und Computerprogrammen; Entwickeln
und Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung und für die Steuerung
von Peripheriegeräten“ weist die für die angegriffene Marke in Klasse 35 ge-
schützte Dienstleistung „Werbung“ keine Ähnlichkeit auf. Zwischen ihnen beste-
hen keine Berührungspunkte (vgl. BPatG 29 W (pat) 39/10 –
CIROCOM/CIROSEC).

bb) Die Widerspruchswaren und -dienstleistungen kommen den angegriffenen
Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unternehmensverwaltung; Direkte Hilfe bei
der Abwicklung von Geschäften und der Leitung von Handelsbetrieben“ ebenfalls
nicht nahe genug, um eine relevante Ähnlichkeit annehmen zu können.

Beim Angebot der Dienstleistung „Geschäftsführung“ oder „Unternehmensverwal-
tung“ für Dritte, wozu auch „Hilfe bei der Abwicklung von Geschäften und der Lei-
tung von Handelsbetrieben“ gehört, geht es um das Angebot einer Management-
Dienstleistung eines Einzelnen oder eines Unternehmens zur Führung eines ande-
ren Unternehmens. Gegenstand ist dabei eine (Re-)Organisation der Unterneh-
mensstruktur, eine Überprüfung fachlicher Entscheidungen, Mitarbeiterführung,
eine Ausrichtung des Unternehmens in personeller und fiskalischer Hinsicht und
Ähnliches. Gegenstand sind somit vielfältige Dienstleistungen von der Übernahme
- 12 -
der Führung eines gesamten Unternehmens bis hin zur Übernahme von Teilberei-
chen eines Unternehmens, wie die Errichtung und Erhaltung von Verfahrenswei-
sen, Aufzeichnungen und Regeln im Geschäftsleben
(http://www.onpulson.de/lexikon/unternehmensverwaltung/).

aaa) Der Umstand, dass die Dienstleistung der Geschäftsführung oder Unterneh-
mensverwaltung einschließlich der „Hilfe bei der Abwicklung von Geschäften und
der Leitung von Handelsbetrieben“ unter Zuhilfenahme vom Computern und Com-
puterprogrammen getätigt werden kann, begründet, wie bereits bei der „Werbung“
näher ausgeführt, noch keine Ähnlichkeit mit den für die Widerspruchsmarke ge-
schützten Waren der Klasse 9.

Soweit Software dazu benötigt wird, die Dienstleistung gegenüber Dritten zu er-
bringen, sieht der Verkehr die Software und Hardware als zweckgebundenes Me-
dium an, das dem Dienstleistungserbringer die Nutzung der angebotenen Dienst-
leistung erleichtern soll. Solche zweckgebundene Software wird in der Regel ne-
ben der beworbenen Dienstleistung nicht als selbständig beworbene und bezeich-
nete Handelsware in Erscheinung treten (vgl. BGH GRUR 2004, 241 Rdnr. 25 –
GeDIOS).

bbb) Mangels eines funktionellen Ergänzungsverhältnisses gilt dies aus den be-
reits bei der „Werbung“ erörterten Gründen auch in Bezug auf die in Klasse 41
aufgeführten Widerspruchsdienstleistungen „Schulung, Ausbildung und Unterricht
auf dem Gebiet der Datenverarbeitung und der Informationstechnologie“ und
„Veranstaltung und Durchführung von Seminaren“.

ccc) Eine Ähnlichkeit zwischen den Dienstleistungen „Geschäftsführung; Unter-
nehmensverwaltung; Hilfe bei der Abwicklung von Geschäften und der Leitung von
Handelsbetrieben““ der angegriffenen Marke und den Widerspruchsdienstleistun-
gen in Klasse 42 „technische Beratung und Planung für die Verwendung von
Computern und Computerprogrammen; Entwickeln und Erstellen von Program-
- 13 -
men für die Datenverarbeitung und für die Steuerung von Peripheriegeräten“ be-
steht ebenfalls nicht.

Aufgabe des geschäftsführenden Personals in der Führungsebene ist es in erster
Linie, die Unternehmenspolitik zu bestimmen. Zu diesem Dienstleistungskernbe-
reich gehört es nicht, selbst EDV-Beratung und –entwicklung durchzuführen. Eine
dahingehende Branchenübung konnte der Senat nicht feststellen (vgl. auch
EUIPO R 982/2005-4 – IP MANAGER/MANAGER; a. A. ohne belegte Begrün-
dung: BPatG 33 W (pat) 182/98 – CAT-PRO/PATPRO; 29 W (pat) 39/10 –
CIROCOM/CIROSEC). Soweit in kleinen Firmen der Geschäftsführer oder Unter-
nehmensverwalter auch diese Aufgaben übernehmen sollte, handelt es sich um
eine Zusatzleistung, die weder wichtig noch unentbehrlich für die Geschäftsfüh-
rung als solche ist, so dass auch ein funktionelles Ergänzungsverhältnis ausschei-
det.

cc) Die Dienstleistungen der angegriffenen Marke „Nachforschungen und
Bewertungen in Geschäftsangelegenheiten“ sind den Waren und Dienstleistungen
der Widerspruchsmarke unähnlich (vgl. EUIPO BK R 248/20011-4 –
UFA/SCHUFA). Da sie inhaltlich enge Berührungspunkte zu den Dienstleistungen
„Geschäftsführung“ und „Unternehmensverwaltung“ aufweisen, kann zur Begrün-
dung auf obige Ausführungen Bezug genommen werden.

dd) Keine Ähnlichkeit besteht auch zwischen der Dienstleistung „Büroarbeiten“
der angegriffenen Marke und den Widerspruchswaren und –dienstleistungen in
den Klassen 9, 41 und 42.

Bei Büroarbeiten handelt es sich um unternehmensbezogene Dienste (vgl. BPatG
29 W (pat) 533/13 – VITA CUR/Verticur), die größtenteils durch Erzeugung, Bear-
beitung und Übermittlung von Informationen gekennzeichnet sind. Büroarbeit be-
steht vorwiegend, etwa zu zwei Dritteln, aus Kommunikationsvorgängen
(http://wirtschaftslexikon.gabler.de/Archiv/75904/bueroarbeit-v8.html). Dazu
- 14 -
gehören neben der Telefonbetreuung die Vorbereitung und Bearbeitung der
Geschäftspost mit allen erforderlichen Schreibarbeiten, d. h. Angebote und
Rechnungen erstellen, Korrespondenz mit Kunden und Behörden führen, sowie
das Ordnen, Sortieren, Ablegen und Archivieren der Geschäftsunterlagen, das
Überwachen der Zahlungseingänge und das außergerichtliche Mahnwesen.

aaa) Der Umstand, dass bei Büroarbeiten auch Computer und Software zum
Einsatz kommen, begründet, wie bereits eingehend erörtert, noch keine
Ähnlichkeit mit den Widerspruchswaren in Klasse 9 „Computer und
Peripheriegeräte, nämlich Dateneingabe-, -ausgabe-, -speicher- und -
übertragungsgeräte; auf Datenträger aufgezeichnete Programme; Software
(soweit in Klasse 9 enthalten)“.

bbb) Keine Berührungspunkte haben die in Klasse 35 angegriffenen
Dienstleistungen „Büroarbeiten“ mit den Widerspruchsdienstleistungen in
Klasse 41 „Schulung, Ausbildung und Unterricht auf dem Gebiet der
Datenverarbeitung und der Informationstechnologie; Veranstaltung und
Durchführung von Seminaren“ (vgl. BPatG 27 W (pat) 571/10 – Palazzo
Klenze/Palazzo).

ccc) Dienstleister, die Büroarbeiten anbieten, erbringen auch keine „technische
Beratung und Planung für die Verwendung von Computern und
Computerprogrammen“, für die die Widerspruchsmarke in Klasse 42 Schutz
genießt. Büroarbeiten umfassen auch nicht die in derselben Klasse aufgeführten
Widerspruchsdienstleistungen „Entwickeln und Erstellen von Programmen für die
Datenverarbeitung und für die Steuerung von Peripheriegeräten“. Wenn Erbringer
von Büroarbeiten solche Aufgaben ebenfalls anbieten sollten, was der Senat nicht
hat feststellen können, handelte es sich um eine Zusatzleistung, die weder wichtig
noch unentbehrlich für die Ausführung der Büroarbeiten wäre, so dass auch ein
funktionelles Ergänzungsverhältnis ausschiede.

- 15 -
2. Da die sich gegenüber stehenden, beschwerdegegenständlichen Waren
und Dienstleistungen einander nicht ähnlich sind, ist eine Verwechslungsgefahr
ausgeschlossen. Eine absolute Unähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen
kann selbst bei Identität der Zeichen nicht einmal durch eine erhöhte
Kennzeichnungskraft der prioritätsälteren Marke ausgeglichen werden (st. Rspr.;
vgl. EuGH GRUR 1998, 922 Rdnr. 22 – Canon; GRUR Int. 2009, 911 Rdnr. 34 –
Waterford Wedgwood/HABM [WATERFORD STELLENBOSCH]; BGH a. a. O.
Rdnr. 9 – DESPERADOS/DESPERADO; a. a. O. Rdnr. 10 – ZOOM).


III.

Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1 Satz 1
MarkenG sind nicht gegeben.


IV.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur
gegeben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,

- 16 -
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach
Zustellung des Beschlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133
Karlsruhe eingereicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Kortge Schödel Dr. von Hartz

prö


Full & Egal Universal Law Academy