26 W (pat) 20/15  - 26. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:240817B26Wpat20.15.0


BUNDESPATENTGERICHT




26 W (pat) 20/15
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache




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betreffend die Marke 30 2009 039 402 – SB 327/14 Lö

hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
24. August 2017 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der
Richter Schödel und Dr. von Hartz

beschlossen:

1. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird
zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Der Beschwerdegegner hat am 3. Dezember 2014 die Löschung der am
6. Juli 2009 angemeldeten und am 2. Dezember 2009 unter der Nummer
30 2009 039 402 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte
Register für Waren der

Klasse 32: Bier; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und
andere alkoholfreie Getränke, Fruchtgetränke und Fruchtsäfte;

Klasse 33: alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)

eingetragenen Wortmarke

Goldkehlchen
- 3 -
der Antragsgegnerin wegen Verfalls gemäß §§ 49 Abs. 1, 53 MarkenG beantragt.
Der Löschungsantrag ist der Antragsgegnerin am 22. Dezember 2014 per
Einschreiben zugestellt worden. Da sie dem Löschungsantrag nicht
widersprochen hat, ist die angegriffene Marke mit Beschluss der
Markenabteilung 3.4 des DPMA vom 7. Mai 2015 nach § 53 Abs. 3 MarkenG
ohne weitere Sachprüfung gelöscht worden.

Hiergegen richtet sich die am 6. Juni 2015 beim DPMA eingegangene
Beschwerde der Antragsgegnerin, in der sie mitteilt, dass ihr bisher unter einer
anderen Bezeichnung als Einzelkaufmann geführtes Unternehmen in eine KG mit
dem im Rubrum aufgeführten Namen umgewandelt worden sei. Gleichzeitig
widerspricht sie dem Löschungsantrag. Sie ist der Ansicht, ihre
Verfahrensvertreter hätten bereits mit Schreiben vom 24. September 2014, mit
dem sie in ihrem Auftrag beim DPMA Widerspruch gegen die für den Antragsteller
eingetragene Marke „Goldkehlchen“ (30 2014 033 723) eingelegt hätten, ihre
Bevollmächtigung durch sie, die Antragsgegnerin, angezeigt. Deshalb hätte das
DPMA den am 3. Dezember 2014 eingereichten Löschungsantrag zwingend an
ihre Verfahrensbevollmächtigten zustellen müssen. Die seit Jahrzehnten
bestehende Praxis des DPMA unterscheide nicht zwischen einer Vollmacht nur für
ein bestimmtes Verwaltungsverfahren und einer „allgemeinen Vollmacht“. Bestelle
sich ein Vertreter in einem bestimmten Verfahren, werde er im Register vermerkt
und fortan würden alle die entsprechende Marke betreffenden Zustellungen an ihn
bewirkt. Das DPMA habe sogar in drei Beispielsfällen aus den Jahren 2011, 2014
und 2016, in denen eine anwaltliche Bestellung nur für ein Widerspruchsverfahren
angezeigt worden sei, den bestellten Vertreter in das Register eingetragen. Diese
ständige Verwaltungspraxis führe zu einer Selbstbindung der Verwaltung und
begründe einen entsprechenden Vertrauensschutz bei den Markeninhabern. Bei
einer unbeschränkten Vertretungsanzeige eines Widerspruchsführers habe das
DPMA daher grundsätzlich von einer umfassenden Vollmacht auszugehen, ohne
dass es dazu besonderer Hinweise bedürfe. Eine Beschränkung dürfe nur dann
angenommen werden, wenn diese „unzweideutig zum Ausdruck gebracht“ werde
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(vgl. BPatG 29 W (pat) 63/14). Das DPMA habe somit die Grundsätze zum
Umfang der Vollmacht rechtsfehlerhaft verkannt. Die Zustellung des
Löschungsantrags an die Antragsgegnerin sei daher unwirksam. Dieser
Zustellungsmangel sei erst am 15. Mai 2015 geheilt worden, nämlich an dem Tag,
an dem ein Mitarbeiter der Antragsgegnerin den Löschungsantrag ihren
Verfahrensbevollmächtigten als den richtigen Zustellungsadressaten per E-Mail
übersandt habe. Da die Beschwerde ausschließlich wegen dieses
Zustellungsfehlers des DPMA habe eingelegt werden müssen, sei ihr die
Beschwerdegebühr zu erstatten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

1. den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des DPMA vom
7. Mai 2015 aufzuheben und
2. die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.

Zudem regt sie die Zulassung der Rechtsbeschwerde an, weil die Frage, ob nach
der Bestellung eines Vertreters in einem Widerspruchsverfahren dieser als
Zustellungsbevollmächtiger für alle weiteren die Marke betreffenden Verfahren
anzusehen sei, grundsätzliche Bedeutung habe (§ 83 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Ferner sei das DPMA von seiner ständigen Verwaltungspraxis abgewichen und
habe unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG gleiche Sachverhalte unterschiedlich
behandelt. Die Rechtsbeschwerde sei aber auch zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zuzulassen (§ 83 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG), weil die Annahme einer
wirksamen Zustellung an die Markeninhaberin trotz des im Widerspruchsverfahren
bestellten Vertreters nicht im Einklang stehe mit den Entscheidungen des BGH
(GRUR 1991, 814 – Zustellungsadressat) und des BPatG (GRUR 2008, 364 –
Zustellung an Verfahrensbevollmächtigten des Insolvenzverwalters), die eine
zwingende Zustellung an den bestellten Verfahrensvertreter vorsähen.

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Der Antragsteller beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Er vertritt die Auffassung, dass der Löschungsantrag wirksam zugestellt worden
sei. Die Vertretungsanzeige der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin
vom 24. September 2014 betreffe allein das Widerspruchsverfahren. Die
Bestellung eines Vertreters für ein Widerspruchsverfahren führe nach der Praxis
des DPMA noch nicht zu seiner Registrierung als Vertreter für die
Widerspruchsmarke auch in allen anderen Verfahren. Häufig beauftragten
Markeninhaber einen anwaltlichen Vertreter nur für die Durchführung von
Widerspruchsverfahren, weil sie die Markenverwaltung im Übrigen selbst
übernähmen. Träfe die Ansicht der Antragsgegnerin zu, käme es zu ständigen
Korrekturen des Registers und zu Unsicherheiten über die Person des Vertreters,
wenn ein Markeninhaber in mehreren Widerspruchsverfahren unterschiedliche
Anwälte beauftrage.

Der Senat hat mit Schreiben vom 3. Dezember 2015 (Bl. 30 f. GA) und
25. Juli 2016 (Bl. 60 f. GA) auf seine Rechtsauffassung hingewiesen. Ferner hat er
mit den Schreiben vom 22. November 2016 (Bl. 94 - 97 GA) und 23. März 2017
(Bl. 157 GA) bei der Präsidentin des DPMA Auskünfte zur Verwaltungspraxis des
DPMA eingeholt. Wegen des Inhalts dieser Auskünfte wird auf die Stellungnahmen
des DPMA vom 24. Januar 2017 (Bl. 124 f. GA) und 19. Mai 2017 (Bl. 161 f. GA)
Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

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II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Die angegriffene Marke ist von der Markenabteilung 3.4 des DPMA wegen
Verfalls gemäß §§ 49 Abs. 1, 53 Abs. 3 MarkenG zu Recht gelöscht worden, weil
die Markeninhaberin dem Löschungsantrag des Beschwerdegegners nicht
rechtzeitig widersprochen hat.

a) Das Verfahren vor dem DPMA nach § 53 MarkenG ist ein dem
Klageverfahren nach § 55 MarkenG vorgeschaltetes, fakultatives
Registerverfahren, in dem keine Entscheidung über die Löschungsreife der Marke
wegen Verfalls ergeht. Die materiell-rechtliche Prüfung, ob die Marke gemäß § 49
MarkenG verfallen ist, ist vielmehr dem Löschungsverfahren vor den ordentlichen
Gerichten vorbehalten (BGH GRUR 2012, 315 Rdnr. 13 – akustilon). Das DPMA
ist somit im Verfahren nach § 53 MarkenG auf die formelle Prüfung beschränkt, ob
der Inhaber der eingetragenen Marke der Löschung innerhalb von zwei Monaten
nach Zustellung der Mitteilung über den Löschungsantrag widersprochen hat (§ 53
Abs. 3 MarkenG). Dies war vorliegend nicht der Fall.

b) Der am 3. Dezember 2014 beim DPMA eingegangene Löschungsantrag ist
der Antragsgegnerin am 22. Dezember 2014 per Einschreiben zugestellt worden.
Die Zweimonatsfrist des § 53 Abs. 3 MarkenG ist, da das Ende der Frist auf
Sonntag, den 22. Februar 2015, gefallen ist, erst am Montag, dem
23. Februar 2015, abgelaufen (§§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2, 193 BGB). Die
Antragsgegnerin hat aber erst mit der am 6. Juni 2015 eingelegten Beschwerde
und damit nicht fristgerecht widersprochen.

c) Die Zustellung des Löschungsantrags an die Antragsgegnerin am
22. Dezember 2014 ist wirksam gewesen. Das DPMA durfte diesen an die
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Antragsgegnerin bzw. an das zuvor als Einzelkaufmann geführte Unternehmen
zustellen.

aa) Für Zustellungen in Verfahren vor dem DPMA gilt gemäß § 94 Abs. 1
MarkenG das Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) mit den Maßgaben nach
§ 94 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 MarkenG. Liegt – wie im vorliegenden Fall – keine
schriftliche Vollmacht vor, so kann nach § 7 VwZG wahlweise an den Vertretenen
oder an den Bevollmächtigten zugestellt werden. Dieses Ermessen ist jedoch
durch Abschnitt 3.5.3 der Hausverfügung Nr. 10 des Präsidenten des DPMA vom
1. Februar 2006 dahingehend eingeschränkt, dass zur Vorbeugung von
Verwechslungen und im Interesse einer einheitlichen Handhabung in Verfahren
vor dem DPMA stets an den Bevollmächtigten zuzustellen ist, also auch dann
wenn eine schriftliche Vollmacht nicht vorgelegt worden ist und deshalb eine
Zustellungspflicht an diesen gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 VwZG entfällt. Aufgrund
dieser Einschränkung des gesetzlich eingeräumten Ermessens durch eine
allgemeine Verwaltungsvorschrift entspricht auch ohne die Vorlage einer
schriftlichen Vollmacht nur die Zustellung an den Bevollmächtigten den rechtlichen
Vorgaben (vgl. BGH GRUR 1991, 814, 815 – Zustellungsadressat; BPatG GRUR
2008, 364 Rdnr. 26 – Zustellung an Verfahrensbevollmächtigten des
Insolvenzverwalters).

bb) Für das patentamtliche Löschungsverfahren, das durch den
Löschungsantrag des Beschwerdegegners am 3. Dezember 2014 eingeleitet
worden ist, hat die Antragsgegnerin keinen Bevollmächtigten bestellt.

cc) Die von ihr bereits im September 2014 erteilte Vollmacht an ihre
Verfahrensbevollmächtigten für die Vertretung im Widerspruchsverfahren gegen
die Marke „Goldkehlchen“ (30 2014 033 723) des Antragstellers kann nicht als
gleichzeitige Vollmachtserteilung auch für das erst seit dem 3. Dezember 2014
anhängige Löschungsverfahren ausgelegt werden.

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aaa) Der auf dem amtlichen Formular des DPMA am 25. September 2014
eingelegte Widerspruch vom 24. September 2014 sowie das begleitende
Schreiben der Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom selben Tag
lassen nicht den Schluss zu, dass die Vertreterbestellung über das konkrete
Widerspruchsverfahren hinausgehen sollte.

bbb) Der Umfang einer Vollmacht als Willenserklärung bestimmt sich -
vorbehaltlich der für Prozessvollmachten geltenden Sonderregelungen in § 82
Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. §§ 81 ff. ZPO - entsprechend der Auslegungsregel
des § 133 BGB danach, wie sie die Behörde als Vollmachtsempfänger bei
objektiver Würdigung verstehen durfte (BVerwG, Beschl. v. 5. September 2013 –
10 B 16/13, juris Tz. 3).

ccc) Die für ein bestimmtes Verwaltungsverfahren erteilte Vollmacht schließt
nicht automatisch die Vollmacht für ein davon selbständiges Verwaltungsverfahren
ein (BayVGH DÖV 2013, 950, juris Tz. 14; VGH BW, NVwZ-RR 1994, 384, juris
Tz. 20; Schlatmann in Engelhardt/Schlatmann, Verwaltungs-Vollstreckungsgesetz,
Verwaltungszustellungsgesetz, 10. Aufl., § 7 Rdnr. 3 m. w. N.).

ddd) Das vorliegende Löschungsverfahren gegen die Marke der Antragsgegnerin
war im Zeitpunkt ihres Widerspruchs gegen die gleich lautende Wortmarke des
Antragstellers noch gar nicht anhängig und auch nicht zwingend absehbar. Das
DPMA hat somit keine Veranlassung gehabt, die für den Widerspruch erteilte
Vollmacht dahingehend auszulegen, dass sie über das Widerspruchsverfahren
hinaus Geltung haben soll.

eee) Dafür hätte es vielmehr der Erteilung einer „Allgemeinen Vollmacht“ gemäß
§ 15 Abs. 2 DPMAV bedurft, die sich nach der Mitteilung Nr. 6/06 des Präsidenten
des DPMA „über die Hinterlegung Allgemeiner Vollmachten und
Angestelltenvollmachten“ beim DPMA vom 30. März 2006 (BlPMZ 2006, 165 f.)
ausdrücklich „auf alle Angelegenheiten“ bezieht und dem DPMA zum Zweck der
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Hinterlegung zugeleitet worden sein muss (vgl. auch Fezer/Bingener, Handbuch
der Markenpraxis, 3. Aufl., Teil I 1 1 Rdnr. 63). Da der Widerspruch der Vertreter
der Antragsgegnerin und das Begleitschreiben vom 24. September 2014 von einer
Fachanwältin für gewerblichen Rechtsschutz unterzeichnet worden sind, hat das
DPMA davon ausgehen müssen, dass den Vertretern der widersprechenden
Antragsgegnerin die Möglichkeit der Erteilung einer „Allgemeinen Vollmacht“
bekannt gewesen und bewusst davon abgesehen worden ist.

fff) Dieses Vorgehen hat auch der ständigen Verwaltungspraxis des DPMA
entsprochen. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin trägt das DPMA
Vertreterbestellungen nicht regelmäßig als allgemeine Vollmacht in das Register
ein.

(1) Bei den drei von der Antragsgegnerin angeführten Fallbeispielen aus den
Jahren 2011, 2014 und 2016 ist die Vollmacht durch den Markeninhaber als
Widerspruchsgegner erteilt worden mit der Folge, dass nach Auskunft des DPMA
der Bevollmächtigte als Vertreter des Markeninhabers im Register eingetragen
wird, weil das DPMA regelmäßig davon ausgeht, dass sich eine für das
Eintragungsverfahren erteilte Vollmacht auf alle die Marke betreffenden Neben-
und Folgeverfahren bezieht, zu denen auch das Widerspruchsverfahren als
nachgeschalteter Teil des „eigenen“ Eintragungsverfahrens zählt (Amtliche
Begründung zum Markenrechtsreformgesetz, BlPMZ 1994, 45 ff., 86 zu § 42
MarkenG; BPatG MarkenR 2007, 174 Rdnr. 26 - Focus Home Collection/FOCUS).
Diese Praxis hat auch das BPatG bereits bestätigt. Danach ist es im Verfahren vor
dem DPMA üblich, dass sich eine erteilte Vollmacht nicht nur auf das
Eintragungsverfahren, sondern darüber hinaus auf alle die Marke betreffenden
Neben- und Folgeverfahren bezieht, mithin auch darauf, einem möglichen
Löschungsantrag gegen die Marke zu widersprechen (BPatG 29 W (pat) 63/14,
juris Tz. 37).

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(2) An einer solchen Praxis fehlt es aber nach Auskunft des DPMA bei der
Vollmachtserteilung durch den Markeninhaber als Widerspruchsführer wie im
vorliegenden Fall. Denn dann tritt der Bevollmächtigte losgelöst vom eigenen
Eintragungsverfahren in einem „fremden“ Widerspruchsverfahren auf, so dass es
weiterer Hinweise bedarf, um auf eine Vollmacht auch für alle anderen die
Widerspruchsmarke betreffenden Angelegenheiten schließen zu können. Ein
Abweichen des DPMA von seiner ständigen Verwaltungspraxis kann daher nicht
festgestellt werden.

ggg) Da die Einlegung eines Widerspruchs nicht mehr zum Eintragungsverfahren
der Widerspruchsmarke gehört, hat aus Sicht des DPMA die von dem
Widerspruchsführer für das Widerspruchsverfahren erteilte Vollmacht ohne weitere
Hinweise nicht automatisch auch die Vollmacht für das Löschungsverfahren
einschließen können. Die Zustellung des Löschungsantrages an die
Antragsgegnerin ist daher wirksam erfolgt.

2. Eine Wiedereinsetzung von Amts wegen gemäß § 91 Abs. 1 und 4
MarkenG kommt nicht in Betracht.

a) Wiedereinsetzung bei Versäumung der Frist des § 53 Abs. 3 MarkenG ist
gemäß § 91 Abs. 1 MarkenG möglich. Zuständig für die Entscheidung über den
Wiedereinsetzungsantrag ist nach § 91 Abs. 6 MarkenG das DPMA als die Stelle,
die über den Widerspruch gegen die Löschung zu beschließen hat. Das
Bundespatentgericht als Rechtsmittelgericht kann die Entscheidung aber
ausnahmsweise an sich ziehen, wenn sich die Voraussetzungen der
Wiedereinsetzung ohne weiteres aus den Akten ergeben (vgl. BPatG
29 W (pat) 25/16 - ABDRUSCHIN IM LICHTE DER WAHRHEIT und
24 W (pat) 26/12 – Blower Door jeweils unter Hinweis auf BGH NJW 1982, 1873,
1875). Diese Voraussetzungen zur Entscheidung über den Wiedereinsetzung von
Amts wegen liegen hier vor.

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b) Eine Wiedereinsetzung scheitert aber schon daran, dass die
Antragsgegnerin die versäumte Handlung, nämlich die Erklärung des
Widerspruchs gegen den Löschungsantrag in der am 6. Juni 2015 beim DPMA
eingegangenen Beschwerdeschrift nicht innerhalb der seit dem
22. Dezember 2014 laufenden zweimonatigen Antragsfrist gemäß § 91 Abs. 2
MarkenG nach Wegfall des Hindernisses nachgeholt hat.

Nach der eidesstattlichen Versicherung ihres Mitarbeiters vom 20. Mai 2015
(Anlage A 2 zur Beschwerdeschrift) wird nicht in Abrede gestellt, dass die
Antragsgegnerin den Löschungsantrag des Beschwerdegegners vom
3. Dezember 2014 erhalten hat. Dieser ist ihr ausweislich der Postbestätigung per
Einschreiben am 22. Dezember 2014 zugestellt worden. Sie hatte also bereits seit
diesem Tage Kenntnis von dem Löschungsantrag und der seitdem laufenden
Zweimonatsfrist zur Erklärung des Widerspruchs. Ihr Mitarbeiter, dessen
Verschulden sie sich zurechnen lassen muss, hat diesen Löschungsantrag aber
nach seiner eidesstattlichen Versicherung erst am 15. Mai 2015, also fast drei
Monate nach Ablauf der Antragsfrist, an die Verfahrensbevollmächtigten der
Antragsgegnerin weitergeleitet.

c) Aber selbst wenn von einer rechtzeitigen Nachholung der
Widerspruchserklärung auszugehen wäre, fehlte es an einem
Wiedereinsetzungsgrund.

Denn die Antragsgegnerin hätte selbst oder durch unverzügliche Einschaltung
ihrer bereits am 24. September 2014 in einem Widerspruchsverfahren
beauftragten Anwälte den Widerspruch gegen den Löschungsantrag des
Beschwerdegegners gegenüber dem DPMA rechtzeitig erklären können und
müssen, was sie aber unterlassen hat, so dass sie das Fristversäumnis selbst
verschuldet hat.

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III.

Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr gemäß § 71 Abs. 3 MarkenG
ist unbegründet.

1. Die Rückzahlung ist nur anzuordnen, wenn die Einbehaltung der Gebühr
unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und bei Abwägung der
Interessen der Beschwerdeführerin einerseits und der Staatskasse andererseits
unbillig wäre. Billigkeitsgründe für die Rückzahlung können sich aus
Verfahrensfehlern oder einer völlig unvertretbaren Rechtsanwendung ergeben
(BPatG 30 W (pat) 20/08 – Signalblau und Silber).

2. Hier fehlt es bereits an einem Fehlverhalten des DPMA, weil, wie bereits
eingehend erörtert, die Zustellung des Löschungsantrages an die Antragsgegnerin
gesetzesgemäß gewesen ist und sonstige Fehler weder vorgetragen noch
ersichtlich sind.


IV.

Für die von der Beschwerdeführerin angeregte Zulassung der Rechtsbeschwerde
besteht kein Anlass.

1. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde setzt voraus, dass entweder über
eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden ist (§ 83 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG), oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BGH erfordert (§ 83 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG). Beide Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

2. Die Frage, ob nach der Bestellung eines Vertreters in einem
Widerspruchsverfahren dieser als Zustellungsbevollmächtiger auch für alle
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weiteren die Marke betreffenden Verfahren anzusehen ist, ist keine Rechtsfrage,
sondern nach den tatsächlichen Umständen des Einzelfalls unter
Berücksichtigung der Verwaltungspraxis des DPMA zu entscheiden.

Wie bereits eingehend dargelegt worden ist, ist das DPMA auch nicht von seiner
ständigen Verwaltungspraxis abgewichen, sondern hat unterschiedliche
Sachverhalte auch unterschiedlich behandelt.

3. Die Rechtsbeschwerde ist aber auch nicht zur Sicherung einer einheitlichen
Rechtsprechung zuzulassen, weil der Senat unter Beachtung der Entscheidungen
des BGH (GRUR 1991, 814 – Zustellungsadressat) und des BPatG (GRUR 2008,
364 – Zustellung an Verfahrensbevollmächtigten des Insolvenzverwalters) zur
Ermessensbeschränkung des DPMA bei der Zustellung an Bevollmächtigte
entschieden hat und nicht von ihnen abgewichen ist. Die dort behandelten
Sachverhalte sind zudem mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil dort
nur die Zustellung an Bevollmächtigte behandelt wird, die in ein und demselben
patentamtlichen Verfahren auftreten.


V.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,

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2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Kortge Schödel Dr. von Hartz

prö


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