26 W (pat) 18/17  - 26. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:220318B26Wpat18.17.0


BUNDESPATENTGERICHT




26 W (pat) 18/17
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache















betreffend die Marke 30 2012 015 853 – S 4/16 Lösch

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hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
22. März 2018 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Kortge sowie der
Richter Jacobi und Schödel

beschlossen:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die Wortmarke

51°

ist am 20. Februar 2012 angemeldet und am 22. Juni 2012 unter der Nummer
30 2012 015 853 in das beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) geführte
Register eingetragen worden für Waren und Dienstleistungen der Klassen 31, 33
und 35.

Am 14. Januar 2016 hat die Beschwerdegegnerin die Löschung dieser Marke mit
der Begründung beantragt, diese sei entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG
eingetragen, weil das Markenwort für einen bestimmten Breitengrad stehe und es
mittlerweile üblich sei, durch Angabe des Breitengrades auf ein bestimmtes An-
baugebiet hinzuweisen.

Der Antragsgegner hat am 25. Februar 2016 dem Löschungsantrag, der ihm mit
am 27. Januar 2016 abgesandtem Übergabeeinschreiben zugestellt worden ist,
widersprochen mit der Begründung, die angegriffene Marke sei in ihrem
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Sinngehalt abstrakt. Der Durchschnittsverbraucher halte das Markenwort für eine
Temperaturangabe, zumal der Zusatz „Breitengrad“ fehle. Ferner wisse er, dass
die Bestimmung der geographischen Herkunft deutscher Weine nach Regionen
und nicht nach Breitengraden erfolge. Das deutsche und europäische Weinbe-
zeichnungsrecht sehe Herkunftsbezeichnungen vor, die entweder aus einer
Regionsangabe, einem regionalen Produkthinweis oder einer Lagebezeichnung
bestünden.

Mit Beschluss vom 30. Januar 2017 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA die
angegriffene Marke wegen Freihaltebedürftigkeit und fehlender Unterscheidungs-
kraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG teilweise gelöscht, nämlich für die
Waren der

Klasse 31: Land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit sie
nicht in anderen Klassen enthalten sind;

Klasse 33: Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere).

Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Marke erschöpfe sich in der Nennung ei-
nes exakt bezifferten Wertes der geographischen Breite mit dem entsprechenden
Symbol für die Einheit „Grad“. Der Breitengrad bestimme eine konkrete geogra-
phische Region, die auf oder an diesem Breitengrad liege. In Bezug auf die dem
beanspruchten Oberbegriff „alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ unter-
fallende Ware „Wein“, die in der angegebenen Region angebaut werden könne,
weil in Deutschland der 51. Breitengrad beispielsweise durch das Anbaugebiet
Saale-Unstrut verlaufe, weise die angegriffene Marke zumindest mittelbar auf des-
sen geographische Herkunft hin. Dass diese Angabe von dortigen Anbietern be-
reits im Anmeldezeitpunkt verwendet worden sei, habe eine Internetrecherche er-
geben. Im Hinblick auf die Waren „land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeug-
nisse“, zu denen auch Weinreben gehörten, vermittle die Streitmarke den rein be-
schreibenden Hinweis, dass diese für den Anbau in dieser für den Weinbau relativ
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kühlen und wenig sonnenreichen Klimaregion besonders geeignet seien, weshalb
sie als unmittelbar warenbeschreibende Herkunfts- bzw. Bestimmungsangabe frei
von Monopolrechten Dritter zu halten sei. Ihrem Verständnis als Eigenschaftsan-
gabe für Wein und Weinreben stehe nicht entgegen, dass mit „51°“ keine konkrete
regionale Herkunft angegeben, sondern vielmehr auf die vergleichsweise sehr
nördliche Herkunft des Weins hingewiesen werde, was wiederum Rückschlüsse
auf die Rebsorte, den Geschmack und den Charakter des Weines zulasse. Da
sich der Weinanbau auf der südlichen Erdhalbkugel auf die Regionen zwischen
dem 30. und 40. Breitengrad beschränke, komme nur der 51. Breitengrad Nord in
Betracht. Darüber hinaus sei die angegriffene Marke auch nicht unterscheidungs-
kräftig. Angesichts der belegten Üblichkeit, insbesondere auf nördlich gelegene
Weinanbaugebiete mittels Nennung der jeweiligen Breitengrade hinzuweisen,
werde der Verkehr ihr nur eine entsprechende Sachaussage, aber keinen betrieb-
lichen Herkunftshinweis entnehmen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragsgegners. Er ist der Ansicht, der
Verkehr orientiere sich bei der geographischen Herkunft von Weinen an Ländern,
Regionen und Lagen, die gesetzlich vorgegeben seien. Für das Verständnis der
Marke als Hinweis auf einen bestimmten Breitengrad würden die Voranstellung
einer Ordnungszahl und die Nachstellung weiterer Zusätze wie z. B. „nördlicher
Breite“ benötigt. Keine der dem angefochtenen Beschluss beigefügten Anlagen
zeige das Markenwort in Alleinstellung. Umgangssprachlich werde „51°“ aus-
schließlich als Temperaturangabe ohne beschreibenden Charakter für die zurück-
gewiesenen Waren aufgefasst. Auch Fachkreise ordneten dem Markenwort kei-
nen Bedeutungsinhalt zu. Seine Lieferanfrage bei drei renommierten großen
Weinhäusern nach 51-Grad-Wein sei ergebnislos geblieben und habe weder zu
einem Hersteller noch zu einem Produkt aus den Regionen Sachsen oder Saale-
Unstrut geführt. Die Marke weise auch nicht auf das Mostgewicht von Wein hin,
das in Grad Oechsle gemessen werde, da es an dem Zusatz „Oechsle“ fehle. Im
Übrigen sei ein Mostgewicht von 51° Oechsle von so minderer Qualität, dass der
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Verkehr keinen Zusammenhang zwischen der Marke und dem beworbenen Wein
herstellen werde.

Der Markeninhaber beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 30. Januar 2017 aufzuheben und den Lö-
schungsantrag insgesamt zurückzuweisen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung und nimmt zur Begründung auf das
gerichtliche Schreiben an die Verfahrensbeteiligten vom 13. Juli 2017 Bezug, in
dem unter Beifügung von Recherchebelegen (Anlagen 1 bis 4, Bl. 28 – 52 GA)
darauf hingewiesen worden ist, dass die angegriffene Marke in dem vom DPMA
beschlossenen Umfang für löschungsreif gehalten werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg, weil der angegriffenen Wortmarke
„51°“im Umfang des angegriffenen Beschlusstenors bereits zum Anmeldezeitpunkt
das auch aktuell bestehende Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft
gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegengestanden hat. Die Markenabteilung
hat die Streitmarke deshalb insoweit zu Recht gelöscht (§§ 50 Abs. 1 und 2, 54
MarkenG).

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1. Der am 14. Januar 2016 beim DPMA eingegangene Löschungsantrag ist
innerhalb der seit der Eintragung der angegriffenen Marke am 22. Juni 2012 lau-
fenden Zehnjahresfrist gestellt worden (§ 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG).

2. Die Unterrichtung über den Löschungsantrag gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1
MarkenG ist dem Markeninhaber mit Übergabeeinschreiben übersandt worden.
Nach § 94 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 4 Abs. 2 Satz 2
Verwaltungszustellungsgesetz (VwZG) gilt das Dokument am dritten Tag nach der
tatsächlichen Aufgabe zur Post als zugestellt. Die Aufgabe zur Post ist am
27. Januar 2016 erfolgt, so dass die Mitteilung des DPMA seit dem
30. Januar 2016 als zugestellt gilt. Mit seinem am 25. Februar 2016 beim DPMA
eingegangenen Schriftsatz hat er daher fristgerecht innerhalb der Zweimonatsfrist
nach Zustellung widersprochen (§ 54 Abs. 2 Satz 2 MarkenG). Dies gälte aufgrund
des frühzeitigen Widerspruchs selbst dann, wenn man, da der 30. Januar 2016 ein
Samstag war, entsprechend § 193 BGB eine Verschiebung des „dritten Tages“ auf
den nächsten Werktag, nämlich Montag, den 1. Februar 2016, vornähme, wie es
in der neueren Rechtsprechung und Literatur vertreten wird (BFH NJW 2004, 94;
BPatG GRUR 1999, 569, 570 – Beschluß-Zustellung;
Engelhardt/App/Schlatmann, VwVG, VwZG, 10. Aufl., § 4 VwZG Rdnr. 6 f.;
Büscher in Büscher/Dittmer/Schiwy, Gewerblicher Rechtsschutz Urheberrecht
Medienrecht, 3. Aufl., § 94 MarkenG Rdnr. 6), so dass die Streitfrage, ob sich die
Drei-Tages-Frist nach Kalendertagen oder Werktagen bemisst, vorliegend nicht
entschieden werden muss.

3. Für die absoluten Löschungsgründe nach § 50 Abs. 1 MarkenG gilt, dass
eine Löschung nur erfolgen kann, wenn das Vorliegen von Schutzhindernissen zu
den jeweils maßgeblichen Zeitpunkten zweifelsfrei feststeht. Wird geltend ge-
macht, die Eintragung habe gegen einen oder mehrere Tatbestände des § 8
Abs. 2 MarkenG verstoßen, kann eine Löschung nur erfolgen, wenn das Eintra-
gungshindernis sowohl im Zeitpunkt der Anmeldung der Marke (BGH GRUR 2013,
1143 Rdnr. 15 – Aus Akten werden Fakten; GRUR 2014, 483 Rdnr. 22 – test;
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GRUR 2014, 565 Rdnr. 10 – smartbook) bestanden hat als auch – soweit es um
die Tatbestände nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 9 MarkenG geht – im Zeitpunkt der Ent-
scheidung über den Löschungsantrag noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).

4. Der Eintragung der angegriffenen Marke „51°“ stand bereits zum Anmelde-
zeitpunkt für die im angefochtenen Beschluss tenorierten Waren das Schutzhin-
dernis fehlender Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen
(§ 50 Abs. 1 MarkenG).

a) Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen
als von einem bestimmten Unternehmen stammend kennzeichnet und diese Wa-
ren oder Dienstleistungen somit von denjenigen anderer Unternehmen unter-
scheidet (EuGH GRUR 2015, 1198 Rdnr. 59 f. – Nestlé/Cadbury [Kit Kat]; BGH
GRUR 2016, 934 Rdnr. 9 – OUI; GRUR 2015, 173, 174 Rdnr. 15 – for you). Denn
die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekenn-
zeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten (EuGH GRUR 2010,
228 Rdnr. 33 – Audi AG/HABM [Vorsprung durch Technik]; BGH a. a. O. – OUI;
a. a. O. – for you). Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintra-
gungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede
auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutzhindernis zu
überwinden (BGH GRUR 2017, 1262 Rdnr. 17 – Schokoladenstäbchen III).
Ebenso ist zu berücksichtigen, dass der Verkehr ein als Marke verwendetes Zei-
chen in seiner Gesamtheit mit allen seinen Bestandteilen so aufnimmt, wie es ihm
entgegentritt, ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterziehen
(EuGH GRUR 2004, 428 Rdnr. 53 – Henkel; BGH a. a. O. Rdnr. 10 – OUI; a. a. O.
Rdnr. 16 – for you).

Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft sind einerseits die bean-
spruchten Waren oder Dienstleistungen und andererseits die Auffassung der be-
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teiligten inländischen Verkehrskreise, wobei auf die Wahrnehmung des Handels
und/oder des normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen
Durchschnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustel-
len ist (EuGH GRUR 2006, 411 Rdnr. 24 – Matratzen Concord/Hukla; BGH GRUR
2014, 376 Rdnr. 11 – grill meister). Durch die Wortwahl „und/oder” wird klarge-
stellt, dass auch einer dieser beiden Verkehrskreise allein von ausschlaggebender
Bedeutung sein kann (vgl. EuGH GRUR 2004, 682 Rdnr. 26 – Bostongurka;
BPatG 26 W (pat) 507/17 – SMART SUSTAINABILITY; 24 W (pat) 18/13 – CID;
26 W (pat) 550/10 – Responsible Furniture; MarkenR 2007, 527, 529 f. – Rapido).

Ausgehend hiervon besitzen Wortzeichen dann keine Unterscheidungskraft, wenn
ihnen die angesprochenen Verkehrskreise lediglich einen im Vordergrund stehen-
den beschreibenden Begriffsinhalt zuordnen (EuGH GRUR 2004, 674, Rdnr. 86 –
Postkantoor; BGH GRUR 2012, 270 Rdnr. 11 – Link economy) oder wenn diese
aus gebräuchlichen Wörtern oder Wendungen der deutschen Sprache oder einer
bekannten Fremdsprache bestehen, die vom Verkehr – etwa auch wegen einer
entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solche und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden werden (BGH a. a. O. Rdnr. 12 – OUI; GRUR
2014, 872 Rdnr. 21 – Gute Laune Drops). Dabei reicht es aus, dass ein
Wortzeichen, selbst wenn es bislang für die beanspruchten Waren und
Dienstleistungen nicht beschreibend verwendet wurde oder es sich gar um eine
sprachliche Neuschöpfung handelt, in einer seiner möglichen Bedeutungen ein
Merkmal dieser Waren und Dienstleistungen bezeichnen kann (EuGH GRUR
2004, 146 Rdnr. 32 – DOUBLEMINT).

Zahlen fehlt nicht von Haus aus jegliche Unterscheidungskraft. Vielmehr ist eine
auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen bezogene Einzelfallbetrach-
tung unter Berücksichtigung der jeweiligen Branchenverhältnisse erforderlich.
Nicht unterscheidungskräftig sind Zahlen, die für die betreffenden Waren oder
Dienstleistungen, z. B. als Preis-, Maß- oder Mengenangaben, eine beschrei-
bende Bedeutung haben (EuGH GRUR 2011, 1035 Rdnr. 29 – 1000; BGH GRUR
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2002, 970, 971 – Zahl 1). Diese Grundsätze gelten auch für die Kombination von
Zahlen mit anderen Zeichen.

b) Diesen Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG hat die angegriffene Wortmarke „51°“ bereits zum
Anmeldezeitpunkt, dem 20. Februar 2012, nicht genügt, weil zumindest die
angesprochenen inländischen Fachverkehrskreise ihm in Bezug auf die
beschwerdegegenständlichen Waren der Klassen 31 und 33 ohne besonderen
gedanklichen Aufwand einen im Vordergrund stehenden beschreibenden
Begriffsgehalt zugeordnet haben, so dass sich das Anmeldezeichen nicht als
Hinweis auf die Herkunft aus einem bestimmten Unternehmen geeignet hat.

aa) Die von den noch verfahrensgegenständlichen Produkten der Klassen 31
und 33 angesprochenen Verkehrskreise sind die Endverbraucher sowie die
Fachkreise der Getränke-, Garten- und Landwirtschaftsbranche sowie der
Forstwirtschaft.

bb) Die angegriffene Marke setzt sich aus der Zahlenangabe „51“ und dem
Gradzeichen „°“ zusammen.

aaa) „51“ ist eine natürliche Zahl.

bbb) Das Gradzeichen „°“ hat u. a. die Bedeutung „Maßeinheit einer gleichmäßig
eingeteilten Skala für das mehr oder weniger starke Vorhandensein bestimmter
Eigenschaften (z. B. Wärme [der Luft]), besonders Einheit für die
Temperaturmessung“ oder bezeichnet in der Geographie und Astronomie den
Breiten- oder Längengrad“ (www.duden.de, Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).

cc) Das aus der Verbindung der Zahl „51“ mit dem Gradzeichen bestehende
Markenwort kann mehrere Gesamtbedeutungen haben.

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aaa) Es entspricht der Positionsangabe „51 Grad nördlicher Breite“, die auch mit
„51. Breitengrad Nord“ bezeichnet wird. Denn wenn die Buchstaben N oder S
fehlen, stehen positive Werte für nördliche Breite und negative für südliche Breite.
Da bei Ortskoordinaten die Breite stets vor der Länge anzugeben ist, kommt nur
der Breitengrad und nicht auch der Längengrad in Betracht. Entgegen der Ansicht
des Markeninhabers wird zur schriftlichen Darstellung des Breitengrades auch
kein Punktzeichen, also keine Ordnungszahl benötigt
(https://de.wikipedia.org/wiki/Geographische_Breite).

bbb) „51°“ kann in verkürzter Weise auch auf eine entsprechende Temperatur
hinweisen. Die Einheit dieser physikalischen Größe wird in Deutschland, Öster-
reich und der Schweiz in Grad Celsius (°C) angegeben
(https://de.wikipedia.org/wiki/Temperatur).

ccc) Die angemeldete Zeichenkombination kann sich auch auf das Mostgewicht
von 51° Oechsle beziehen, das einen Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete
(Q.b.A) auszeichnet (Anlagenkonvolut 2 zum gerichtlichen Hinweis). Im deutschen
Weinbau wird das Mostgewicht, das spezifische Gewicht von Traubenmost als
Indikator des zu erwartenden Alkoholgehalts, üblicherweise in der nach ihrem
Erfinder Ferdinand Oechsle benannten Maßeinheit „Grad Oechsle“ angegeben,
die „°Oechsle“ oder „°Oe“ abgekürzt wird
(https://de.wikipedia.org/wiki/Grad_Oechsle). Das Mostgewicht ist das wichtigste
Kriterium für die Einteilung der Weine in die verschiedenen Qualitätsklassen (Der
Brockhaus, Wein, 2005, S. 206 u. S. 294, Anlage 1 zum gerichtlichen Hinweis).

dd) Allerdings kommt vorliegend nur die Positionsangabe als Gesamtbedeutung
des Markenwortes in Betracht, weil sie als einzige ohne weitere Zusätze wie
„Celsius“ oder „C“ bzw. „Oechsle“ oder „Oe“ eindeutig ist. Solche Ergänzungen
dürfen auch nicht hinzugedacht werden, weil sie das Markenwort verändern, das
ausschließlich in seiner Gesamtheit Gegenstand der Registereintragung ist (vgl.
BGH GRUR 2011, 65 Rdnr. 10 – Buchstabe T mit Strich).
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ee) In Bezug auf die noch verfahrensgegenständlichen Waren der Klasse 31
„land-, garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit sie nicht in anderen
Klassen enthalten sind“ und der Klasse 33 „Alkoholische Getränke (ausgenommen
Biere)“, zu denen auch die Produkte Weintrauben, Weinreben und Wein gehören,
werden zumindest die angesprochenen Fachkreise, deren Verständnis allein aus-
schlaggebend sein kann, der angegriffenen Marke „51°“ die Gesamtbedeutung „51
Grad nördlicher Breite“ und damit eine für die genannten Weinprodukte bedeut-
same geographische Herkunftsangabe entnehmen.

aaa) Nahezu alle Weinanbaugebiete der Welt liegen in den gemäßigten Klimazo-
nen zwischen dem 30/32. und 50/51. Breitengrad, die durchschnittliche Jahres-
temperaturen zwischen 10 °C und 20 °C aufweisen. Die nördlichsten Weinberge
Deutschlands befinden sich an der Grenze, nämlich zwischen dem 50. und 51.
Breitengrad. Damit ist der 51. Breitengrad die nördlichste Region Deutschlands für
Qualitätsweinanbau (Tom Stevenson, Die neue Sotheby´s Wein Enzyklopädie,
2001, S. 21; Jancis Robinson, Das Oxford Weinlexikon, 2. Aufl. 2003, S. 109 und
Anlagenkonvolut 2 zum gerichtlichen Hinweis, Anlage 1 zum angefochtenen Be-
schluss), zu der beispielweise die Anbaugebiete „Saale-Unstrut“ und das Elbtal
zwischen Meißen und Pillnitz in Sachsen gehören, die mit ihrer exponierten Lage
häufig gezielt werben (Anlagen 2 bis 7 zum angefochtenen Beschluss). Soweit
vereinzelt bedingt durch den Klimawandel inzwischen im Inland noch weiter nörd-
lich Wein angebaut wird, erfolgt dies stets unter Hinweis auf den dazugehörigen
Breitengrad (Anlagenkonvolut 3 zum gerichtlichen Hinweis, Anlage 12 zum ange-
fochtenen Beschluss). Da sich der Weinanbau auf der südlichen Erdhalbkugel auf
die Regionen zwischen dem 28./30. und 40/42. Breitengrad beschränkt und der
51. Breitengrad Süd etwa durch die Südspitze Südamerikas verläuft, wo das raue,
auch im Sommer kühle Klima einen Weinanbau nicht zulässt, kann es sich aus
Sicht des Fachverkehrs auch aus diesem Grund ohne die Zusätze „nördlicher
Breite“ oder „Nord“ nur um eine Angabe auf der nördlichen Erdhalbkugel handeln
(Jancis Robinson, Das Oxford Weinlexikon, 2. Aufl. 2003, S. 109 und Anlagen 8
und 9 zum angefochtenen Beschluss).
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bbb) Das Anmeldezeichen erschöpft sich somit in der im Vordergrund stehenden
beschreibenden Angabe, dass Weintrauben, Weinreben und Wein aus einer geo-
graphischen Region Deutschlands stammen, die auf oder an dem 51. Grad nördli-
cher Breite liegt. Angesichts einer betroffenen Fläche von etwa 60.000 km² ver-
bindet der Verkehr mit einer solchen Angabe erfahrungsgemäß keinen Hinweis
auf die Herkunft der Waren aus einem bestimmten Unternehmen, weil mehrere
Hersteller in demselben Gebiet tätig sein können.

ccc) Da Weintrauben und Weinreben von den Waren der Klasse 31 „land-
garten- und forstwirtschaftliche Erzeugnisse, soweit sie nicht in anderen Klassen
enthalten sind“ umfasst sind und Wein zu den Produkten der Klasse 33
„Alkoholische Getränke (ausgenommen Biere)“ gehört, ist die angegriffene Marke
für diese Oberbegriffe zu löschen. Einer Eintragung als Marke für mit einem
weiten Oberbegriff bezeichnete Waren stehen Eintragungshindernisse schon dann
entgegen, wenn sie hinsichtlich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren
vorliegen (BGH GRUR 2015, 1012 Rdnr. 44 – Nivea-Blau; GRUR 2002, 262, 262
– AC).

ddd) Die Behauptung, eine Lieferanfrage bei drei renommierten großen
Weinhäusern nach 51-Grad-Wein sei ergebnislos geblieben und habe weder zu
einem Hersteller noch zu einem Produkt aus den Regionen Sachsen oder Saale-
Unstrut geführt, hat der Markeninhaber weder durch konkrete Bezeichnung der
angefragten Unternehmen substantiiert noch belegt. Aber selbst wenn sein Vor-
trag zuträfe, reichten diese geringe Anzahl der Befragten allein nicht aus, um die
Nachweise des DPMA und des Senats für das Verständnis der Fachkreise in
Frage zu stellen.

eee) Abgesehen davon, dass nach der Recherche des Senats auch schon vor
dem Anmeldezeitpunkt und 2016 auf Weinetiketten deren Herkunft in Ortskoordi-
naten angegeben worden ist (Anlage 4 zum gerichtlichen Hinweis und Anlage 10b
zum angefochtenen Beschluss), sind seit der Liberalisierung des Weinbezeich-
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nungsrechts im Jahre 2003 zusätzliche Herkunftsangaben auf dem Etikett nicht
mehr verboten.

c) Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft ist auch zum ge-
genwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht entfallen.

Die Weinanbaugebiete auf oder am 51. Breitengrad Nord werben immer noch mit
dieser außergewöhnlichen geographischen Lage ihrer Weingüter
(http://www.schloss-wackerbarth.de/deutsch/erlebnisweingut/zahlen-und-
fakten/index.html: http://www.saale-unstrut-wein.com/Probierpakete/Saale-
Unstrut-Wein-Probierpaket-Breitengrad-51::1208.html;
http://www.faz.net/aktuell/stil/essen-trinken/saale-unstrut-das-noerdlichste-
deutsche-Weinanbaugebiet-15280125.html). In der Mitteldeutschen Zeitung ist am
7. April 2016 unter dem Titel „Breitengrad-Winzer – ,Allerhand‘ als gelungene ge-
meinsame Mischung in der Flasche“ über eine Kostprobe des fünften gemeinsa-
men Wein-Jahrgangs der inzwischen gut bekannten sogenannten Breitengrad-51-
Winzer berichtet worden, von denen sich vor fünf Jahren acht Winzer der Weinre-
gion Saale-Unstrut zum Verein Breitengrad 51 zusammengeschlossen hatten und
dem mittlerweile noch sechs weitere Weingüter angehören (https://www.mz-
web.de/burgenlandkreis/breitengrad-winzer--allerhand--als-gelungene-gemein-
same-mischung-in-der-flasche-23845268).

5. Da schon das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vorliegt,
kann dahinstehen, ob das angemeldete Zeichen zum Anmeldezeitpunkt darüber
hinaus gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die fraglichen Waren freihaltungsbe-
dürftig gewesen ist und dieses Schutzhindernis noch fortbesteht.

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III.

Für eine Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens aus Billigkeitsgrün-
den gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG gibt weder die Sach- und Rechtslage
noch das Verhalten der Beteiligten Anlass.


IV.

R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde nur gege-
ben, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt
war,

2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der
Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen
oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt
war,

3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,

4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Geset-
zes vertreten war, sofern er nicht der Führung des Verfah-
rens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,

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5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung
ergangen ist, bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit
des Verfahrens verletzt worden sind, oder

6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerdeschrift muss von einer beim Bundesgerichtshof zugelasse-
nen Rechtsanwältin oder von einem beim Bundesgerichtshof zugelassenen
Rechtsanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats nach Zustellung des Be-
schlusses beim Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45a, 76133 Karlsruhe einge-
reicht werden. Die Frist kann nicht verlängert werden.


Kortge Jacobi Schödel

prö


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