25 W (pat) 563/14  - 25. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



25 W (pat) 563/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
27. April 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Markenanmeldung 30 2014 016 646.1

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 27. April 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Knoll, der Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde der Anmelderin wird zurückgewiesen.
- 2 -
G r ü n d e

I.

Die Bezeichnung

ONU

ist am 10. März 2014 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent-
und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Dienstleistungen ange-
meldet worden:

Klasse 35:
Aktualisierung und Pflege von Daten in Computer-Datenbanken; Beratung auf dem
Gebiet des Marketing; Beratung in Bezug auf die Zusammenstellung und Syste-
matisierung von Daten in Computerdatenbanken; Betriebswirtschaftliche Projekt-
leitung von Bauprojekten; Computergestützte Aktualisierung und Pflege von Daten
in Datenbanken; Erstellen von Statistiken; Geschäftsführung von Hotels; Online-
Werbung; Sponsorensuche; Verbreitung von Werbeanzeigen; Werbung und Mar-
keting;

Klasse 36:
Beratung bei der Bewertung von Immobilien; Beratung beim Kauf von Immobilien;
Beratung in Bezug auf Immobilienbesitz; Beratung in Immobilienangelegenheiten;
Beratung über Immobilien; Bewertung und Verwaltung von Immobilien; Computer-
gestützte Erteilung von Auskünften über Immobilien; Dienstleistungen betreffend
das Timesharing im Immobilienbereich [Immobilienwesen]; Dienstleistungen be-
treffend den Erwerb von Immobilien für Dritte [Immobilienwesen]; Dienstleistungen
betreffend die Verwaltung des Timesharing in Bezug auf Immobilien [Immobilien-
wesen]; Dienstleistungen der Immobilienberatung; Dienstleistungen der Immobili-
enverwaltung; Dienstleistungen des Immobilieninvestments; Dienstleistungen des
Immobilienwesens; Dienstleistungen einer Immobilienagentur für den Verkauf und
die Vermietung von Gebäuden; Dienstleistungen einer Immobilienagentur für den
Verkauf und die Vermietung von Unternehmen; Dienstleistungen eines Immobili-
enbüros; Dienstleistungen eines Immobilienmaklers; Dienstleistungen eines Immo-
bilienvermittlers; Dienstleistungen eines Maklers; Dienstleistungen für Immobili-
eninvestments; Dienstleistungen für Investitionen in Immobilien; Dienstleistungen
im Bereich Immobilienwesen; Dienstleistungen zur Abtretung von Immobilien-
pachtverträgen [Immobilienwesen]; Einziehen von Miet- und Pachterträgen; Ein-
ziehen von Mieterträgen; Einziehung von Forderungen aus Immobilienvermietun-
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gen; Ermitteln von Immobilienwerten; Erstellung von Kapitalanlageplänen bezüg-
lich Immobilien; Erteilen von Auskünften über den Immobilienmarkt; Erteilen von
Auskünften über Immobilien; Erteilen von Auskünften über Liegenschaften [Immo-
bilien]; Finanzielle Bewertung von Immobilien; Finanzielle Förderung; Gebäude-
verwaltung; Immobilien verwalten; Immobilienberatung; Immobilienbewertung; Im-
mobilienvermietungsdienste; Immobilienvermittlung; Immobilienverpachtung; Im-
mobilienverwaltung; Immobilienverwaltung bei der Abwicklung von Grundstücksge-
schäften; Immobilienwesen; Investieren in Immobilien; Investmentgeschäfte; Mak-
lerdienste; Maklerdienste zur Vermietung von Gebäuden; Maklerdienste zur Ver-
mittlung von Miet- und Pachtverträgen für Grundstücke; Organisation von Finanzie-
rungen für Bauprojekte; Recherchedienstleistungen im Zusammenhang mit dem
Erwerb von Immobilien [Immobilienwesen]; Recherchedienstleistungen im Zusam-
menhang mit der Auswahl von Immobilien [Immobilienwesen]; Vermietung von Bü-
ros [Immobilien]; Vermietung von Immobilien; Vermittlung der Vermietung von Im-
mobilien; Vermittlung von Grundstücken; Vermittlung von Immobilien für Dritte;
Vermittlung von Mietverträgen [für Immobilien]; Vermittlung von Mitinhaberschaften
an Immobilien; Vermittlung von Pachtverträgen [für Immobilien]; Vermittlung von
Verpachtungen und Vermietungen von Immobilien; Verwaltung von Immobilien und
Grundbesitz; Verwaltung von Immobilienbeständen; Verwaltung von Immobilien-
portfolios; Wohnungsvermittlung [Immobilien];

Klasse 37:
Auskünfte in Bauangelegenheiten; Auskünfte über Reparaturen; Bauberatung;
Bauwesen; Beratungsdienste in Bezug auf den Umbau von Immobilien; Reinigung
von Immobilien; Renovierung von Immobilien;

Klasse 38:
Bereitstellung des Zugriffs auf Computerdatenbanken; Bereitstellung des Zugriffs
auf globale Computernetzwerke und andere elektronische Datenbanken; Bereit-
stellung des Zugriffs auf Inhalte, Webseiten und Internetportale; Elektronische An-
zeigenvermittlung [Telekommunikation]; Elektronische Nachrichtenübermittlung [E-
Mail];

Klasse 41:
Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung; Berufsberatung [Aus- und
Weiterbildungsberatung]; Coaching; Karriere- und Berufsberatung;

Klasse 42:
Aktualisieren von Computer-Software; Beratung auf dem Gebiet der Informations-
technologie [IT]; Beratungsdienste bezüglich Bauanträgen; Cloud-Computing;
Computersystemanalysen; Design von Computer-Datenbanken; Design, Pflege
und Update von Computersoftware; Dienstleistungen eines Innenarchitekten;
Dienstleistungen in der Architektur; Elektronische Datenspeicherung; Erstellen und
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Aktualisieren von Homepages für Computernetzwerke; Erstellen von Programmen
für die Datenverarbeitung; Erstellen, Aktualisieren und Anpassen von Computer-
programmen; Hosting-Dienste, Software as a Service (SaaS) und Vermietung von
Software; Server-Hosting; Software as a Service [SaaS];

Klasse 43:
Betrieb von Hotels; Betrieb von Hotels und -anlagen; Betrieb von Motels; Betrieb
von Pensionen; Betrieb von Restaurants in Hotels; Buchung von Unterkünften in
Hotels; Vermietung von Ferienhäusern; Vermietung von Gästezimmern; Zimmer-
vermittlung; Zimmervermittlung [Hotels, Pensionen].


Mit Beschluss vom 8. Oktober 2014 hat die Markenstelle für Klasse 36 des DPMA
die unter der Nummer 30 2014 016 646.1 geführte Anmeldung für alle bean-
spruchten Dienstleistungen zurückgewiesen.

Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung stehe die Bestimmung des § 8
Abs. 2 Nr. 8 MarkenG entgegen. Danach seien von der Eintragung solche Marken
ausgeschlossen, die Wappen, Flaggen oder andere Kennzeichen, Siegel oder
Bezeichnungen internationaler zwischenstaatlicher Organisationen enthielten, die
nach einer Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz im Bundesge-
setzblatt von der Eintragung als Marke ausgeschlossen seien. Die Bezeichnung
„ONU“ sei als französische Abkürzung für die Vereinten Nationen unstrittig nach
der Bekanntmachung des Bundesministeriums der Justiz im Bundesgesetzblatt
(BGBL. I 1963, 781) vom 12.09.1963 von der Eintragung als Marke ausgeschlos-
sen. Eine Eintragung sei nur dann möglich, wenn der Anmelder zur Führung des
dort aufgeführten Zeichens befugt sei (§ 8 Abs. 4 Satz 2 MarkenG) oder die an-
gemeldete Marke nicht geeignet sei, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck
einer Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation hervor-
zurufen (§ 8 Abs. 4 Satz 3 MarkenG).
Der Anmelder habe eine Befugnis, dass er das Zeichen führen dürfe, nicht vorge-
legt.
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Auch sei die Marke durchaus als geeignet anzusehen, beim Publikum den unzu-
treffenden Eindruck einer Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen
Organisation der ONU bzw. UNO hervorzurufen. Die hier beanspruchten Dienst-
leistungen wendeten sich einerseits an den Durchschnittsverbraucher, der die
Buchstabenfolge „ONU“ zwar regelmäßig nicht in Verbindung mit der Organisation
der Vereinten Nationen, die hier landläufig mit „UNO“ bezeichnet werde, bringen
werde. Andererseits würden die hier beanspruchten Dienstleistungen aber in nicht
unerheblichem Umfang auch solchen Verkehrskreisen begegnen, welche die Be-
zeichnungen „ONU“ und „UNO“ als jeweils alternative Bezeichnungen für die „Or-
ganisation des Nations Unies“ bzw. „United Nations Organisation“ erfassten. Fran-
zösisch sei als „Sprache der Diplomatie“ daher dem Englischen zumindest gleich-
zusetzen, wobei insbesondere zu berücksichtigen sei, dass die - abgekürzten -
englischen und französischen Bezeichnungen der internationaler Organisationen
vielfach entweder nebeneinander Verwendung fänden (NATO - OTAN) und/oder
aber alternativ (WIPO - OMPI). Mit Verweis auf eine Entscheidung des Bundes-
patentgerichts vom 18. Oktober 2009 (Aktenzeichen 25 W (pat) 3/09 - „Vital Life
Europe“) führt die Markenstelle weiter aus, dass ein unzutreffender Eindruck einer
Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation auch in sol-
chen Bereichen bejaht werden könne, in denen diese lenkend, regulierend und
auch informierend tätig sei. Die UNO/ONU nähme – zum Teil auch durch ihre Un-
terorganisationen vielfältige Aufgaben war (Schulbau durch UNICEF; UN Campus
in Bonn als weiteres Bauprojekt), so dass von unmittelbaren und mittelbaren Be-
zügen zwischen der UNO/ONU und den hier beanspruchten Dienstleistungen
auszugehen sei. Daher sei das angemeldete Zeichen als geeignet anzusehen,
beim Publikum den unzutreffenden Eindruck einer Verbindung hervorzurufen.

Gegen die Zurückweisung ihrer Anmeldung richtet sich die Beschwerde der An-
melderin. Sie macht geltend, dass das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 8
MarkenG vorliegend nicht anzuwenden sei, da die Voraussetzungen für eine Be-
schränkung des Tatbestands nach § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG vorlägen. Denn die
Abkürzung ONU werde weder von den angesprochenen Verkehrskreisen als sol-
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ches mit den Vereinten Nationen in Verbindung gebracht, noch gäben die kon-
kreten Dienstleistungen Anlass, eine solche Verbindung anzunehmen. ONU sei
als französische Bezeichnung für die Vereinten Nationen dem deutschen Durch-
schnittsverbraucher schon nicht geläufig, denn die weltweit bekannte Abkürzung
sei das englischsprachige UNO. Zudem kämen der Abkürzung ONU noch weitere
Bedeutungsinhalte wie beispielsweise Ohio Northern University oder Ohio Naza-
ren University zu. Selbst wenn aber von einer Verbindung der relevanten Ver-
kehrskreise zu den Vereinten Nationen ausgegangen werde, sei kein sachlicher
Zusammenhang zwischen dem Tätigkeitsbereich der UN und den angemeldeten
Dienstleistungen zu erkennen. Mit Ausnahme der Dienstleistungen im Zusam-
menhang mit Immobilienwesen sei eine Begründung, worin eine Verbindung zwi-
schen der Bezeichnung und den beanspruchten Dienstleistungen bestehe, im Be-
schluss der Markenstelle nicht erläutert worden und auch nicht zu erkennen. Aus
den Zielen und Grundsätzen der Charta der UN sei kein sachlicher Zusammen-
hang zu erkennen, im Rahmen der humanitären Tätigkeit der UNO würden die
beanspruchten Dienstleistungen schlichtweg nicht angeboten. Auch eine Verbin-
dung mit den beanspruchten Immobiliendienstleistungen sei nicht gegeben. Dabei
sei schon das Einbeziehen der Tätigkeit der UNICEF, die nicht mit der ONU
gleichgesetzt werden könne, nicht möglich. Selbst wenn aber auch im Rahmen
der humanitären Hilfe eine Verbindung mit Immobilien oder dem Bau von Gebäu-
den in Entwicklungsländern bestehe, richteten sich die Dienstleistungen der An-
melderin an unterschiedliche Abnehmerkreise und erfüllten völlig unterschiedliche
Zwecke. Die Vereinten Nationen würden jedenfalls selbst immobilienbezogene
Dienstleistungen nicht erbringen, sondern, wenn überhaupt, solche Dienstleistun-
gen lediglich nutzen. Damit gebe es keine Überschneidung der sachlichen Tätig-
keitsbereiche und insoweit käme auch keinerlei Assoziation mit der zwischen-
staatlichen Organisation zustande. Soweit für die Anwendung des Schutzhinder-
nisses gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG ausreichend sei, dass irgendeine Verbin-
dung mit dem geschützten Kennzeichen entstehe, führe dies zu einer Aushöhlung
der Regelung des § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG, dessen Voraussetzungen dann nie
erfüllt wären. So sei es vom Gesetzgeber aber nicht gewollt. Denn nach dem Sinn
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und Zweck der Regelung sollten unbillige Beschränkungen eintragungsfähiger
Zeichen aufgrund der Kennzeichen internationaler zwischenstaatlicher Organisati-
onen vermieden werden. Soweit die Einschränkung des § 8 Abs. 4 Satz 4 Mar-
kenG vorliegend nicht greife, führe dies im Ergebnis dazu, dass die für den deut-
schen Verbraucher bekanntere Bezeichnung UNO, die nicht Gegenstand der Be-
kanntmachung des Bundesjustizministeriums gewesen sei, vielfach Markenschutz
genieße; wohingegen die für den deutschen Verkehr eher unbekannte Bezeich-
nung ONU dagegen schutzunfähig sei.


Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 36 des DPMA vom
8. Oktober 2014 aufzuheben.


Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und auf den übrigen Akteninhalt verwie-
sen.


II.

Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. § 66 Abs. 1 Satz 1
MarkenG statthafte Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Eintragung
der angemeldeten Bezeichnung „ONU“ als Marke steht in Bezug auf alle bean-
spruchten Dienstleistungen entgegen, dass es sich um eine Bezeichnung einer
internationalen zwischenstaatlichen Organisation handelt, die nach § 8 Abs. 2
Nr. 8 MarkenG nicht schutzfähig ist und die geeignet ist, den unzutreffenden Ein-
druck einer Verbindung mit der Organisation hervorzurufen, § 8 Abs. 4 Satz 4
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MarkenG. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke daher zu Recht die Ein-
tragung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

1. Nach § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG sind Marken von der Eintragung aus-
geschlossen, die unter anderem Bezeichnungen internationaler Organisationen
enthalten. Das bis zum 1. Juli 2016 und damit zum Zeitpunkt der Anmeldung am
10. März 2014 noch in der Fassung des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG enthaltene Er-
fordernis einer Bekanntmachung der schutzunfähigen Kennzeichen, Siegel oder
Bezeichnungen der internationalen zwischenstaatlichen Organisationen durch das
Bundesministerium der Justiz im Bundesgesetzblatt ist mittlerweile entfallen (die
Veröffentlichung von ONU als Bezeichnung der Vereinten Nationen erfolgte im
Bundesgesetzblatt vom 12. September 1963, 781). Unstreitig handelt es sich bei
der Buchstabenfolge ONU (französisch: Organisation des Nations Unies, spa-
nisch: Organicatión de las Naciones Unidas, italienisch: Organizzazione delle Na-
zioni Unite) um die Bezeichnung einer internationalen zwischenstaatlichen Orga-
nisation, nämlich um die jedenfalls französische, italienische und spanische Be-
zeichnung der Kurzform für die Vereinten Nationen (UN). Damit sind jedenfalls die
Voraussetzungen für das Schutzhindernis erfüllt. Insoweit kann es nicht darauf
ankommen, ob die Bezeichnung ONU als solche in Deutschland auch verstanden
wird.

2. Eine Befugnis zum Führen des Zeichens nach § 8 Abs. 4 Satz 2 MarkenG
liegt nicht vor. Auch die nach § 8 Abs. 4 Satz 4 MarkenG mögliche Ausschlussbe-
stimmung, wonach § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG nicht anzuwenden ist, wenn die an-
gemeldete Marke nicht geeignet ist, beim Publikum den unzutreffenden Eindruck
einer Verbindung mit der internationalen zwischenstaatlichen Organisation hervor-
zurufen, ist vorliegend nicht einschlägig. Diese Bestimmung setzt Art. 6 ter Abs. 1
lit. c PVÜ in das deutsche Recht um. Damit sollen Markeneintragungen auch in
Fällen des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG möglich sein, wenn der Tätigkeitsbereich der
betreffenden internationalen zwischenstaatlichen Organisation in keiner sachli-
chen Beziehung zu dem Gebiet stehen kann, dem die Waren und Dienstleistun-
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gen der jeweiligen Marke angehören (vgl. Ströbele, Der Schutz von Kennzeichen
internationaler zwischenstaatlicher Organisationen (§ 4 Abs. 2 Nr. 3 a WZG),
GRUR 1989, 84, 87 f.; Ströbele/Hacker, Markengesetz, 11. Aufl., § 8 Rn. 815).
Differenziert nach den beanspruchten Dienstleistungen ist daher zunächst zu
prüfen, ob ein hinreichender Bezug zum Tätigkeitsbereich der internationalen
zwischenstaatlichen Organisation für die einzelnen Dienstleistungen gegeben ist,
also ein naheliegender Bezug zu der internationalen Organisation besteht, weil
beispielsweise der Eindruck einer Prüfung, Genehmigung, Qualitätskontrolle be-
steht (vgl. Ströbele, a. a. O. S. 87). Von einem sachlichen Bezug zur Tätigkeit ei-
ner internationalen zwischenstaatlichen Organisation ist aber nicht nur in den Be-
reichen auszugehen, in denen die Organisation sich mit dem gewerblichen Ver-
trieb der Waren und Dienstleistungen befasst, für die die jeweils streitgegenständ-
liche Marke registriert werden soll. Dies würde den in der Regel primär hoheitlich
ausgerichteten Aufgaben internationaler zwischenstaatlicher Organisationen nicht
hinreichend gerecht werden. Auch erscheint es mit Blick auf den Normzweck des
§ 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG in Verbindung mit Art. 6 ter Abs. 1 lit. b PVÜ ebenfalls
zu eng, wenn der Anwendungsbereich des hieraus resultierenden Ausschlusses
von Markeneintragungen auf solche Waren und Dienstleistungen beschränkt wird,
bei denen eine finanzielle Förderung durch die internationale zwischenstaatliche
Organisation oder eine Qualitätskontrolle durch diese selbst in Betracht kommt.
Ein sachlicher Bezug ist vielmehr bereits dann zu bejahen, wenn die Organisation
im weitesten Sinne lenkend, regulierend und auch informierend tätig ist (vgl.
BPatG Beschluss vom 19. Oktober 2003, 25 W (pat) 3/09 - Vital Life Europe; Ent-
scheidungstext öffentlich zugänglich über die Homepage des Bundespatentge-
richts). Insbesondere gilt dies in Bereichen, in denen die jeweilige internationale
zwischenstaatliche Organisation auch und insbesondere mit Blick auf den Schutz
und die Rechte der Verbraucher oder eines besonderen schutzbedürftigen Ver-
braucherkreises tätig ist, insoweit auch eigene Kompetenzen hat, Grundsätze und
Regeln aufstellt und auch selbst oder durch beauftragte Dritte gegenüber der Öf-
fentlichkeit Informations- und Aufklärungsarbeit leistet.

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Das Aufgabenspektrum und die Handlungsfelder der Vereinten Nationen als zwi-
schenstaatlicher Zusammenschluss von 193 Staaten und als globale internatio-
nale Organisation umfasst nach ihrer Charta die Sicherung des Weltfriedens, die
Einhaltung des Völkerrechts, der Schutz der Menschenrechte und die Förderung
der internationalen Zusammenarbeit. Im Vordergrund stehen außerdem die Unter-
stützung im wirtschaftlichen, sozialen und humanitären Gebiet (vgl. die Aufstellung
der Bundeszentrale für politische Bildung, 2010, www.bpb.de, die der Anmelderin
in der mündlichen Verhandlung überreicht wurde; siehe auch die Millennium-Ent-
wicklungsziele der UNO/ONU: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger;
Primärschulbildung für alle; Gleichstellung der Geschlechter / Stärkung der Rolle
der Frauen; Senkung der Kindersterblichkeit; Verbesserung der Gesundheitsver-
sorgung der Mütter; Bekämpfung von HIV/AIDS, Malaria und anderen schweren
Krankheiten; Ökologische Nachhaltigkeit; Aufbau einer globalen Partnerschaft für
Entwicklung). Die Vereinten Nationen werden durch die Verabschiedung diverser
Resolutionen und Konventionen, die häufig in innerstaatliches Recht umgesetzt
werden, tätig. Dies gilt beispielsweise für die UN-Behindertenrechtskonvention, die
seit dem Jahr 2009 in Deutschland unmittelbar geltendes Recht ist. Ebenso hat
die UN in der UN-Kinderrechtskonvention, der UN-Wanderarbeiterkonvention so-
wie der UN-Frauenrechtskonvention und nicht zuletzt dem UN Sozialpakt Grunds-
ätze, (Teilhabe)Rechte und Ansprüche formuliert und postuliert. Insoweit wird die
ONU/UNO in Bezug auf ein außerordentlich weites Spektrum von Aufgaben bei-
nahe schon allumfassend informierend, lenkend und auch regulierend tätig.
Durch zahlreiche Missionen, Programme und Fonds engagiert sich die UN oder
ONU auch mit Hilfe ihrer Institutionen und Organisationen innerhalb des UN-Sys-
tems operativ. Das UN-Entwicklungsprogramm (UNDP = United Nations Develop-
ment Programme) fördert Demokratie und Umweltschutz sowie infrastrukturelle
Maßnahmen in den verschiedenen Ländern. Das UN-Umweltprogramm (UNEP =
United Nations Environment Programme) erhebt Daten und wertet diese aus,
leistet Aufklärungsarbeit und (Entwicklungs-)Hilfe im Bereich des Umweltschutzes.
Das UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR = United Nations High Commissioner
for Refugees) bietet auf Grundlage der Genfer Flüchtlingskonvention Hilfe und
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Schutz für Flüchtlinge. Das Kinderhilfswerk (UNICEF = United Nations Internatio-
nal Children's Emergency Fund) setzt sich mit zahlreichen Projekten vor Ort für
den Schutz und die Wahrung von Kinderrechten ein. Die UN-Konferenz für Handel
und Entwicklung (UNCTAD = United Nations Conference on Trade and Develop-
ment) zielt auf die Integration der Entwicklungsländer in die Weltwirtschaft, die
Vertiefung des Handels zwischen Entwicklungsländern und Industrienationen so-
wie die Entwicklung von neuen Grundsätzen in der Weltwirtschaftsordnung. Der
UN-Bevölkerungsfonds (UNFPA = United Nations Population Fund) legt Pro-
gramme auf zur Aufklärung über Familienplanung und Verhütung in Entwick-
lungsländern und der Schutz von Frauen und Mädchen vor sexueller Gewalt. Das
Hilfswerk UNRWA (= United Nations Relief and Works Agency) leistete bis zum
30. Juni 2011 Hilfe, Schutz und Rechtsbeistand für palästinische Flüchtlinge. Das
UN-Programm für menschliche Siedlungen (UN-HABITAT) fördert in Entwick-
lungs- und Transformationsländern Konzepte der nachhaltigen Stadtentwicklung
und Wohnungsversorgung.
Angesichts der großen Bandbreite der Tätigkeitsfelder, in der die UN/UNO oder
eben die ONU aktiv wird bzw. werden kann, ist durch die Art der in der Anmeldung
aufgeführten Dienstleistungen nicht ausgeschlossen, dass bei den relevanten
Verkehrskreisen der Endverbraucher und der gewerblich Tätigen der unzutref-
fende Eindruck einer Verbindung mit der ONU entsteht.
Die oben genannten UN-Konventionen beinhalten Teilhaberechte, Themen der
Gleichberechtigung und das Recht auf Arbeit und Aus- bzw. Weiterbildung (vgl.
Art. 27 der UN-Behindertenkonvention). Daher kann für alle Dienstleistungen im
Bereich der Klasse 41, der Aus- und Fortbildungs- sowie Erziehungsberatung; Be-
rufsberatung [Aus- und Weiterbildungsberatung]; Coaching; Karriere- und Berufs-
beratung ein hinreichender sachlicher Bezug, etwa im Sinn einer Übereinstim-
mung mit den UN Vorgaben oder einer Zertifizierung der Dienstleistungen durch
die UN, bestehen.
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Entsprechendes gilt für sämtliche beanspruchten Dienstleistungen die Klasse 43
im Zusammenhang mit dem Betrieb eines Hotels, eines Restaurants und der Ver-
mietung von Zimmern bzw. deren Vermittlung. Gerade im Bereich der Hotel- und
Gaststättenbranche spielen Klassifizierungen in Kategorien und Zertifizierungen
eine große Rolle. Solche Kategorisierungen werden häufig in besonderer Weise
hervorgehoben und etwa auch im Eingangsbereich angebracht. Auch in diesem
Dienstleistungsbereich ist daher durchaus vorstellbar, dass bei den angesproche-
nen Verkehrskreisen die Vorstellung entsteht, dass bei der Verwendung des Kür-
zels ONU es sich im Zusammenhang mit den angebotenen Leistungen um UN
zertifizierte Dienstleistungen dergestalt handelt, dass diese Vorgaben aus den UN-
Konventionen entsprechen, sei es dass die Dienstleistungen barrierefrei in An-
spruch genommen werden können.

Gleiches trifft für die beanspruchten Dienstleistungen im Bereich der Klassen 35,
38 und 42 zu, die sich inhaltlich mit der Verarbeitung von Daten befassen oder
damit in einem engen sachlichen Zusammenhang stehen. Denn auch hier hat die
UN mit einer (zwar rechtlich nicht bindenden) Resolution zum Datenschutz und
dem Einsatz eines Sonderberichterstatters Klarstellungen zu den Rechten des
Einzelnen und dem Schutz von Metadaten und Empfehlungen erlassen (vgl. die
Anlage 3 des der Anmelderin mit der Terminsladung vom 29. März 2017 über-
sandten Anlagenkonvoluts). Insoweit kann auch im Zusammenhang mit solchen
Dienstleistungen ein hinreichender Bezug der Tätigkeit der UN zu den Dienstleis-
tungen der streitgegenständlichen Marke angenommen werden. Auch im Bereich
der Marketing- und Werbedienstleitungen der Klasse 35 kann im Zusammenhang
mit der Bezeichnung der UN bzw. ONU bei den Verbrauchern die Vorstellung ent-
stehen, dass diese in besonderer Weise ethischen Grundsätzen aus den Vorga-
ben der UN-Konventionen entsprechen.

In verschiedenen Resolutionen (UN Charta der Menschenrechte; UN- Behinder-
tenrechtskonvention – Artikel 28 „… angemessene Wohnung …“ – Anlage 2 des
der Anmelderin mit der Terminsladung vom 29. März 2017 übersandten Anlagen-
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konvoluts) und Programmen (UN Programm HABITAT – Anlage 4 des der Anmel-
derin mit der Terminsladung vom 29. März übersandten Anlagenkonvoluts; UN
Genfer Flüchtlingskonvention) beschäftigt sich die UN thematisch mit den men-
schlichen Siedlungen, dem Siedlungsbau, der Städteentwicklung und mit Fragen
der Wohnungsversorgung und Wohnungsnot. Auch insoweit ist ein sachlicher Zu-
sammenhang zwischen dem informierenden, lenkenden und regulierenden Tä-
tigwerden der UN und solchen beanspruchten Dienstleistungen, die mit der Woh-
nungsbau- und Städteplanung im Zusammenhang stehen können, also mit den
baubezogenen Dienstleistungen der Klasse 37 und den Dienstleistungen in der
Klasse 42 eines Innenarchitekten und in der Architektur möglich.

Hinsichtlich der übrigen Dienstleistungen der Klasse 37 (Reinigung und Renovie-
rung von Immobilien) und der Dienstleistungen der Klasse 36, bei welchen es sich
um solche rund um den Erwerb, den Bestand, die Verwaltung, die Finanzierung
oder die Wertermittlung von Immobilien handelt, ist ebenso eine hinreichende
thematische Verbindung zu der UN vorstellbar. Denn soweit sich die UN um die
Versorgung und die Unterbringung von Flüchtlingen - auch im Zusammenhang mit
dem besonderen Schutz von Kindern - kümmert, kann dies die Beschaffung ent-
sprechender Unterkünfte und den Erwerb entsprechend geeigneter Immobilien
umfassen. Insoweit ist vorstellbar, dass die UN als Eigentümerin verschiedener
Immobilien auch die typischerweise damit zusammenhängenden Dienstleistungen,
beispielsweise die Einziehung von Mieterträgen, Reinigungs- oder Renovierungs-
leistungen etc. durchführt. Sofern solche Dienstleistungen zum Anmeldezeitpunkt
im Jahr 2014 noch nicht erbracht wurden, erscheint es aber angesichts der aktu-
ellen weltweiten Migrationsbewegungen und zunehmenden Bedeutung einer an-
gemessenen Unterbringung und Zurverfügungstellung von Wohnraum durchaus
naheliegend, dass jedenfalls zukünftig der Tätigkeitsbereich der UN eine dahinge-
hende Erweiterung erfährt (vgl. insoweit auch Ströbele, a. a. O. Seite 87). Insoweit
hält der Senat einen ausreichenden sachlichen Bezug zwischen der Tätigkeit der
UN und den auf das Immobilienwesen bezogenen Dienstleistungen der Klasse 36
für gegeben.
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Da eine nicht unerhebliche Anzahl von im Inland lebenden Verbrauchern einen
französisch, italienisch oder spanisch sprachigen Hintergrund hat, sieht der Senat
auch einen durchaus beachtlichen Teil des Verkehrs davon betroffen, tatsächlich
einem unzutreffenden Eindruck einer Verbindung zwischen der angemeldeten Ab-
kürzung ONU mit den Vereinten Nationen zu unterliegen.

Was den Hinweis der Anmelderin auf zahlreiche Eintragungen der in Deutschland
gebräuchlicheren englischen Kurzbezeichnung UNO für die Vereinten Nationen
angeht, ist auf die für die Prüfung von Schutzhindernissen nach § 8 Abs. 2 Nr. 1
und 2 MarkenG gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 -
Bild.T-Online u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR
2008, 229 Rn. 47-51 - BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42-44 - Postkantoor), des BGH
(vgl. GRUR 2008, 1093 Rn. 18 - Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des Bundespa-
tentgerichts (vgl. z. B. GRUR 2009, 1175 - Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 -
VOLKSFLAT und die Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 - Linuxwerkstatt)
zu verweisen, wonach weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist
(vgl. auch Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 58 und Rn. 59 mit zahlrei-
chen weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Der dieser Rechtsprechung zu-
grunde liegende Grundsatz, wonach die Entscheidung über die Schutzfähigkeit
keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Ent-
scheidung ist und selbst identische Voreintragungen nach ständiger Rechtspre-
chung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen, gilt auch für die Frage der
Einschränkung des Schutzhindernisses des § 8 Abs. 2 Nr. 8 MarkenG gemäß § 8
Abs. 4 Satz 4 MarkenG. Auch insoweit haben das Gericht und das Patentamt in
jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen und danach eine Entscheidung zu treffen.
Auf eine fehlerhafte Rechtsanwendung zugunsten eines anderen kann sich nie-
mand berufen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass eine inhaltlich-argumenta-
tive Auseinandersetzung mit bloßen Eintragungsentscheidungen nicht möglich ist,
da diese regelmäßig nicht begründet werden. Gleichwohl ist festzustellen, dass -
anders als die angemeldete Bezeichnung - die Abkürzung UNO jedenfalls nach
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der bis zum 1. Juli 2016 geltenden Rechtslage dem Schutzhindernis des § 8
Abs. 2 Nr. 8 MarkenG nicht unterfallen ist.


Nach alledem war die Beschwerde der Anmelderin zurückzuweisen.


III.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbe-
schwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

- 16 -
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.


Knoll Kriener Dr. Nielsen

Hu


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