25 W (pat) 56/15  - 25. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT



25 W (pat) 56/15
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(Aktenzeichen)


B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache







betreffend die Markenanmeldung 30 2011 043 827.7

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
23. Februar 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin
Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der Mar-
kenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
5. August 2014 und vom 13. Juli 2015 aufgehoben, soweit die Anmel-
dung bzw. die Erinnerung zurückgewiesen worden ist.
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G r ü n d e

I.

Die Bezeichnung

Topdent

ist am 10. August 2011 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Patent-
und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren angemeldet wor-
den:

Klasse 5: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hy-
gienepräparate für medizinische Zwecke; Pflaster, Verband-
material; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche
Zwecke; Desinfektionsmittel;
Klasse 10: Chirurgische, ärztliche, zahn- und tierärztliche, zahntechnische
Instrumente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und
Zähne; orthopädische Artikel; chirurgisches Nahtmaterial.

Mit zwei Beschlüssen vom 5. August 2013 und vom 13. Juli 2015 hat die Marken-
stelle für Klasse 5 des DPMA die unter der Nummer 30 2011 043 827.7 geführte
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft zunächst in vollem Umfang,
zuletzt im Erinnerungsbeschluss noch für die nachfolgenden Waren

Klasse 5: pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Hy-
gienepräparate für medizinische Zwecke; Pflaster, Verband-
material; Zahnfüllmittel und Abdruckmassen für zahnärztliche
Zwecke; Desinfektionsmittel;
Klasse 10: Chirurgische, zahn- und tierärztliche, zahntechnische Instru-
mente und Apparate, künstliche Gliedmaßen, Augen und Zäh-
ne; chirurgisches Nahtmaterial;


zurückgewiesen.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass dem angemeldeten Zeichen hinsichtlich der
zurückgewiesenen Waren die erforderliche Unterscheidungskraft fehle, § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG. Das Zeichen sei ein dahingehender beschreibender Hinweis, dass
es sich bei den beanspruchten Waren um hochwertige Waren aus dem Bereich
der Zahnmedizin handle. Das Zeichen sei sprachüblich aus den Bestandteilen
„Top“ als einem Hinweis auf ein Spitzenprodukt und dem Bestandteil „Dent“ als
einem Hinweis auf die Zahnmedizin zusammengesetzt. Der Begriff sei bewusst
weit gefasst, um einen großen Bereich an medizinischen Waren abzudecken.
Diese Unschärfe führe aber ebensowenig zur Unterscheidungskraft wie auch
weitere mögliche Bedeutungen des Begriffs „dent“. Der Umstand, dass „dent“ in
der englischen Sprache „Beule“ oder „Delle“ bedeute und die Tatsache, dass
nachweisbare, jedoch fernliegende Akronyme existierten (z. B. „Demolution
Events National Tour“), änderten nichts daran, dass der Verkehr im Zusammen-
hang mit den beanspruchten Waren den Begriff als Abkürzung von „dental“ ver-
stehe. Der Umstand, dass es sich bei „Dent“ nicht um eine offizielle Abkürzung für
das Wort „dental“ handle, ändere gleichfalls nichts an der Verständlichkeit dieser
Abkürzung. Nur für die Waren „ärztliche Instrumente und Apparate; orthopädische
Artikel“ habe das angemeldete Zeichen Unterscheidungskraft, da diese Waren in
der Regel in der Zahnmedizin keine Anwendung fänden. Ob auch ein Freihaltebe-
dürfnis im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliege, könne angesichts der
fehlenden Unterscheidungskraft dahingestellt bleiben.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Es sei in der Branche völ-
lig unüblich, die sehr speziellen Produkte für Zahntechniker und Zahnärzte mit
dem unbestimmten Werbeschlagwort „Top“ zu bezeichnen. Für Medizinprodukte
gelte eine spezielle Nomenklatur, die die Kennzeichnungsgewohnheiten in der
Branche mitprägten, so dass „Topdent“ zur Kennzeichnung der beanspruchten
Waren ungewöhnlich sei. Das DPMA könne nicht belegen, dass bereits andere
Unternehmen mit der Wortkombination „Topdent“ werben würden, so dass der
Verkehr das Zeichen einem bestimmten Unternehmen zuordnen werde. Zudem
gebiete es die vom DPMA zu gewährende Chancengleichheit, die Marke vollum-
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fänglich einzutragen, nachdem ein Mitbewerber der Anmelderin das Zeichen „Top
Dent“ als Gemeinschaftsmarke habe eintragen lassen, so dass dieses nahezu
identische Zeichen auch in Deutschland für vergleichbare Waren Schutz genieße,
obwohl die Anmelderin schon seit 30 Jahren Inhaberin der schutzfähigen Marke
„Topdent“ sei.


Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 5. August 2014 und vom 13. Juli 2015 aufzuhe-
ben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.


Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Markenanmelderin und auf den übrigen Akteninhalt
verwiesen.


II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung des
angemeldeten Zeichens stehen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1
oder 2 MarkenG entgegen. Deshalb waren die angefochtenen Beschlüsse aufzu-
heben.

1. Entgegen der Auffassung der Markenstelle besteht hinsichtlich keiner der bean-
spruchten Waren ein Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Trotz der
deutlichen beschreibenden Anklänge kann dem angemeldeten Zeichens nicht jeg-
liche Unterscheidungskraft abgesprochen werden kann.
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Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom
Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die
Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichne-
ten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004,
428 Rn. 30, 31 - Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 - FUSSBALL WM 2006).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der
Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vor-
dergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850
Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 - Postkantoor).
Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben,
die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht
unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem
betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH - FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).

Mit der Markenstelle ist davon auszugehen, dass das aus den zwei Bestandteilen
„Top“ und „dent“ zusammengesetzte Zeichen insofern eine deutliche Kennzeich-
nungsschwäche aufweist, als der Begriff „Top“ in zusammengesetzten Hauptwör-
tern häufig benutzt wird (z. B. „Topspiel“, „Topmannschaft“, etc.) und die werbliche
Verwendung des Begriffs „Top“ den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt ist
(vgl. hierzu: BPatG 25 W (pat) 535/13 - Topscan - die Entscheidung ist über die
Homepage des BPatG öffentlich zugänglich). Darüber hinaus wird der Begriff
„Top“ entgegen der Darstellung der Anmelderin auch in der Zahntechnikerbranche
werblich benutzt. Der Zeichenbestandteil „dent“ kann als beschreibendes Element
und als ein allgemeiner Hinweis auf alles verstanden werden, was die Zähne be-
trifft, weil „dent“ bei genauer Betrachtung als Verkürzung des Wortes „dental“ (die
Zähne betreffend) noch erkennbar ist. Allerdings ist „dent“ als Abkürzung für die
beanspruchten Waren nicht gebräuchlich. Nur in der Abkürzung des akademi-
schen Grades „Dr. med. dent.“ („dent“ als Abkürzung für das lateinische Wort
„dentalis“) wird „dent“ - zumindest von den angesprochenen Fachkreisen - ver-
standen. Insofern hat der Zeichenbestandteil „dent“ jedenfalls keinen unmittelbar
beschreibenden Begriffsinhalt (vgl. hierzu BGH GRUR 2013, 731 Rn. 16-21 - Ka-
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leido). Soweit sich der lexikalisch nicht nachweisbare Begriff „dent“ in bekannten
Wortkombinationen auffinden lässt, handelt es sich regelmäßig um markenmäßige
Bezeichnungen (wie z. B. in „Dentagard“ oder „Kukident“).

Unabhängig von den zumindest für die Fachkreise möglicherweise erkennbaren
warenbeschreibenden Anklängen des Zeichenbestandteils „dent“ und dem werbli-
chen Charakter des Zeichenbestandteiles „top“ kommt nach Auffassung des Se-
nats der angemeldeten Wortkombination insgesamt aber noch keine sich aufdrän-
gende, ohne weiteres ersichtliche beschreibende bzw. werbliche Bedeutung ohne
kennzeichnenden Charakter für die beanspruchten Waren zu. Gegenstand der
Frage der Schutzfähigkeit bei einer mehrteiligen Marke ist die Marke in ihrer Ge-
samtheit. Zwar geht der beschreibende Charakter mehrerer Wörter nicht grund-
sätzlich schon durch deren Zusammenführung verloren. Vielmehr verbleibt im All-
gemeinen die bloße Kombination von beschreibenden Bestandteilen selbst be-
schreibend. Die Bezeichnung kann im Einzelfall aber in ihrer Gesamtheit einen
anderen Eindruck vermitteln als die Summe ihrer Bestandteile (vgl. BGH GRUR
2009, 949 Rn. 13 - My World). In der Gesamtschau eröffnet die angemeldete
Wortkombination einen gewissen Interpretationsspielraum, so dass die von der
Markenstelle dargelegte Bedeutung der angemeldeten Bezeichnung erst in meh-
reren gedanklichen Schritten nachvollzogen werden kann und zudem nicht hinrei-
chend eindeutig ist. Zunächst müsste in dem Bestandteil „dent“ - über den ge-
danklichen Umweg des oben genannten akademischen Grades - eine Abkürzung
für „Zahn“ erkannt werden. Erst dann ist der Begriff „Top“, wie oben dargelegt, als
werbliche Anpreisung erkennbar, lässt aber in der hier vorliegenden Wortkombi-
nation wegen ihrer Unbestimmtheit keine ausreichend naheliegende, dahinge-
hende Schlussfolgerung zu, welche Ware angepriesen wird. Dem Verkehr wird
sich bei unbefangener Wahrnehmung aus diesem Grund kein entsprechendes
warenbeschreibendes Verständnis aufdrängen, so dass die Vorstellungen, was
mit der Bezeichnung gemeint sein könnte, eher diffus sein werden.

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Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass der Verkehr die Bedeutung der an-
gemeldeten Bezeichnung i. S. v. zahnmedizinisches bzw. zahnhygienisches Spit-
zenprodukt im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren ohne weiteres er-
kennen kann, führt dies nicht zur Schutzunfähigkeit unter dem Gesichtspunkt feh-
lender Unterscheidungskraft. Die angemeldete Bezeichnung weist in Bezug auf
die Wortbildung eine ungewöhnliche Struktur auf, die von einem sachbezogenen
Aussagegehalt wegführt, so dass die angemeldete Bezeichnung "Topdent" in der
Summe ihrer Bestandteile im Sinne einer sprechenden Marke kennzeichnend wir-
ken kann. Es besteht ein merklicher Unterschied zwischen der angemeldeten Ge-
samtbezeichnung und der Bedeutung der Einzelbestandteile. Maßgeblich ist letzt-
lich bei solchen Wortkombinationen, ob die Kombination der Bestandteile - so wie
vorliegend - über die bloße Zusammenfügung beschreibender Elemente hinaus-
geht - dann unterscheidungskräftig - oder sich in deren Summenwirkung erschöpft
- dann nicht unterscheidungskräftig (siehe dazu auch Ströbele/Hacker, MarkenG,
11. Aufl., § 8 Rn. 182 mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Die hier zu
beurteilende Kombination der Einzelbestandteile ist nach Auffassung des Senats
sprachlich ungewöhnlich und geeignet, vom Verkehr als betrieblicher Her-
kunftshinweis verstanden zu werden, auch wenn es sich um einen Grenzfall han-
deln mag. Denn es wird hier das Wortbildungselement „Top“ mit der Bedeutung
von „höchst, best- oder Spitzen“ nicht in sprachüblicher Form mit einem Adjektiv
(vgl. z. B. topfit oder topmodisch) oder einem Substantiv (vgl. z. B. Topmanager,
Topmodell oder Toplage) verknüpft, sondern sprachunüblich mit dem Element
„dent“ verknüpft, das nur in wenigen Zusammenhängen als spezielle Abkürzung
des lateinischen Begriffes „dentalis“ verwendet wird (bei Dr. med. dent.) und nur
deshalb als Hinweis auf „Zahn/Zähne“ verstanden werden kann. Im Übrigen ist zu
berücksichtigen, dass mit Blick auf die Kennzeichnungsgewohnheiten im vorlie-
gend relevanten Warenbereich von pharmazeutischen und medizinischen Pro-
dukten der Verkehr an sprechende Marken und Markenelemente gewöhnt ist, die
auf den Indikations- bzw. den Anwendungsbereich oder auch die Wirkungsweise
der so gekennzeichneten Präparate hindeuten, ohne dass deswegen einem ent-
sprechend gebildeten, aus mehreren Elementen bestehenden Zeichen jegliche
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Unterscheidungskraft i. S. d. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG fehlen muss (vgl. dazu
z. B. Kennzeichnungen wie Dentagard für Zahnhygieneprodukte mit dem spre-
chenden Inhalt „Zahnschutz“ oder Pedifit u. a. für Hygienepräparate für medizini-
sche Zwecke mit dem sprechenden Inhalt „für die Fitness des Fusses“, vgl. Se-
natsbeschluss vom 14. Oktober 2013 - 25 W (pat) 94/12; die vorgenannte Ent-
scheidung ist zugänglich über die Homepage des Bundespatentgerichts). Vorlie-
gend kommt hinzu, dass das angemeldete Zeichen zumindest prima facie wie ein
Gesamtbegriff erscheint, bei dem eine Aufspaltung in die Bestandteile „Top“ und
„dent“ sich nicht ohne weiteres, jedenfalls nicht ohne jedweden analysierenden
Gedankenschritt aufdrängt.


2. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Bezeichnung „Topdent“ zur unmittel-
baren Beschreibung der beanspruchten Waren unterliegt das Zeichen auch kei-
nem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.


Nach alledem waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.


Knoll Kriener Dr. Nielsen

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