25 W (pat) 510/16  - 25. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




25 W (pat) 510/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Markenanmeldung 30 2012 063 820.1

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
5. Dezember 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin
Kriener und des Richters Dr. Nielsen

- 2 -
beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 12. November 2015 aufgehoben, soweit die Anmeldung In
Bezug auf die Dienstleistung „Vermietung von Webservern“ der
Klasse 42 zurückgewiesen worden ist.


G r ü n d e

I.

Die Bezeichnung

realTargeting

ist am 11. Dezember 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für verschiedene Waren und
Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 38, 41 und 42 angemeldet worden. Mit Be-
schluss vom 12. November 2015 hat die Markenstelle für Klasse 9 des DPMA die
unter der Nummer 30 2012 063 820.1 geführte Anmeldung teilweise, nämlich in
Bezug auf die nachfolgenden Waren und Dienstleistungen wegen fehlender Unter-
scheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen:


Klasse 09: Datenverarbeitungsprogramme, insbesondere zur
Darstellung von mobilen Inhalten; Datenverarbeitungsprogramme
als Werkzeuge zur Erleichterung der Herstellung und Entwicklung
von Hard- und Software oder zur Handhabe von Daten; Datenver-
arbeitungsprogramme zur Handhabe von Daten; Datenverarbei-
- 3 -
tungsprogramme zur Visualisierung von Daten; Datenverarbei-
tungsprogramme zum Messen und Bearbeiten von Daten;

Klasse 16: Papier, Pappe (Karton) und Waren aus diesen Mate-
rialien, soweit sie nicht in anderen Klassen enthalten sind; Drucke-
reierzeugnisse; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Appa-
rate); Verpackungsmaterial aus Kunststoff, soweit es nicht in
anderen Klassen enthalten ist; Plakate; Prospekte;

Klasse 38: Übermittlung digitaler Dateien; Telekommunikation;

Klasse 41: Veröffentlichung von Druckereierzeugnissen; Bereit-
stellung von Online-Informationen und Nachrichten;

Klasse 42: Vermietung von Computersoftware; Vermietung von
Webservern; Programmierung und Einstellung von Datenverarbei-
tungsprogrammen.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass die angemeldete Marke aus den englisch-
sprachigen Begriffen „real“, mit der Bedeutung von „wirklich, wahr, echt“, und
„Targeting“ im Sinne von „spezielles und trennscharf auf eine Zielgruppe zuge-
schnittenes Marketing“ bestehe. Das Zeichen sei sprachüblich gebildet und sei in
Bezug auf die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen in seiner Gesamt-
heit lediglich ein werbeüblich herausgestellter, beschreibender Hinweis auf Leis-
tungen, die dazu dienten ein „wahres, echtes Zielgruppenmarketing“ zu ermögli-
chen. Die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen könnten dazu dienen
bzw. dazu bestimmt sein, Werbung in den unterschiedlichsten Medien zielgrup-
pengerecht anzuzeigen. Insbesondere hinsichtlich der Dienstleistungen „Vermie-
tung von Computersoftware; Vermietung von Webservern; Programmierung und
Einstellung von Datenverarbeitungsprogrammen“ könne es sich um solche Dienst-
leistungen handeln, die für ein „real Targeting“ bestimmt, geeignet und notwendig
- 4 -
seien oder damit in unmittelbarem Zusammenhang stehen könnten. Soweit sich
die Anmelderin darauf berufe, dass die angemeldete Bezeichnung interpretations-
bedürftig sei, könne auch dieser Umstand die erforderliche Unterscheidungskraft
nicht begründen, da der beschreibende bzw. werblich anpreisende Charakter
eines Begriffs nicht dadurch aufgehoben werde, dass diesem in verschiedenen
Bedeutungen jeweils eine beschreibende oder allgemein anpreisende Aussage
innewohne.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Die angemeldete
Bezeichnung sei für unterschiedlichste Verkehrs- und Verbraucherkreise von Be-
deutung, weshalb allein auf die Durchschnittsverbraucher als angesprochene Ver-
kehrskreise und nicht auf die Fachpersonen im Bereich des Marketing abzustellen
sei. Aus deren Sicht könne das Wort „targeting“ auch andere Bedeutungen haben,
wie etwa „Zielausrichtung“ oder „Zielbestimmung“. Als Verb habe das Wort die
Bedeutung „planend“ bzw. „abzielend“. Damit sei der Begriffsinhalt in Bezug auf
die zurückgewiesenen Waren und Dienstleistungen vage und unklar. Im Übrigen
habe das Bundespatentgericht vergleichbare Anmeldungen wie „proloop“
(25 W (pat) 545/13) oder „MaxiBridge“ (25 W (pat) 22/13) für ausreichend phanta-
sievoll und damit eintragungsfähig gehalten.

Auf den Ladungszusatz des Senats vom 28. September 2017 hat die Anmelderin
die Beschwerde mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2017 teilweise zurückgenommen.
Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Anmelderin nur noch gegen die Zurückwei-
sung der Anmeldung hinsichtlich der Dienstleistung der Klasse 42: „Vermietung
von Webservern“.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 12. November 2015 auf-
zuheben, soweit die Anmeldung in Bezug auf die Dienstleistung
- 5 -
der Klasse 42: „Vermietung von Webservern“ zurückgewiesen
worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Markenanmelderin und auf den übrigen Akteninhalt
verwiesen. Nach Übersendung des Ladungszusatzes vom 28. September 2017
hat die Anmelderin ihren ursprünglichen Antrag auf Durchführung einer mündli-
chen Verhandlung mit Schriftsatz vom 24. Oktober 2017 zurückgenommen, so
dass im schriftlichen Verfahren zu entscheiden war.


II.

Die Beschwerde ist zulässig und hat im zuletzt noch beschwerdegegenständlichen
Umfang Erfolg. Der Eintragung des angemeldeten Zeichens stehen in Bezug auf
die Dienstleistung der Klasse 42 „Vermietung von Webservern“ keine Schutzhin-
dernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG entgegen. Deshalb war der ange-
fochtene Beschluss insoweit aufzuheben.


1. Im Hinblick auf die zuletzt beschwerdegegenständliche Dienstleistung kann
der angemeldeten Bezeichnung im Ergebnis nicht jegliche Unterscheidungskraft
abgesprochen werden, § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom
Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Haupt-
funktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Wa-
ren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428
Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der
Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vor-
- 6 -
dergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850
Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor).
Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben,
die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht
unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem
betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).

Das angemeldete Zeichen besteht aus zwei Wörtern der englischen Sprache, die
sinnvoll aufeinander bezogen sind und zumindest von den Fachkreisen aus der
Werbebranche und der Datenverarbeitung ohne Weiteres verstanden werden. Das
Wort „Targeting“ hat sich im Deutschen zu einem Fachbegriff entwickelt und
beschreibt eine zielgruppenorientierte Art der Werbung, vornehmlich im Online-
Bereich. Die Werbung wird dabei teilweise auch im Wege des sogenannten „Real-
time Targeting“ durchgeführt. Im Rahmen einer solchen Werbemaßnahme wird
der Werbeadressat noch während des Surfens mit Werbung konfrontiert, die auf
sein individuelles Surfverhalten abgestimmt ist. In diesem Sinne kann das Zeichen
„realTargeting“ ohne Weiteres auch als Verkürzung des Fachbegriffs „Realtime
Targeting“ verstanden werden. Zumindest wird der auch angesprochene und aus-
reichend maßgebliche Fachverkehr das angemeldete Zeichen ohne weitere Ge-
dankenschritte als sachlich-beschreibenden Hinweis auf eine „Echtzeitkundenan-
sprache“ verstehen. Darüber hinaus wird der Begriff „real“ in der inländischen
Werbesprache mit relevanter Häufigkeit als Mittel der Hervorhebung benutzt. In
diesem Sinne wird das Wort „real“ auch von breiten Verkehrskreisen im Sinne von
„der/das echte/wahre/eigentliche“ verstanden. Insoweit kann das angemeldete
Zeichen auch als Werbespruch im Sinne einer Kombination des rein beschreiben-
den Begriffs „targeting“ mit einem üblichen Hervorhebungsmittel verstanden wer-
den. Dabei ist entgegen der Auffassung der Anmelderin nicht davon auszugehen,
dass ein Werbeslogan, in dem der Begriff „real“ mit einem rein sachbeschreiben-
den Hinweis kombiniert wird, ein Mindestmaß an Interpretationsaufwand erfordert
oder bei den angesprochenen Verkehrskreisen einen Denkprozess auslösen
könnte, da der Verkehr an entsprechende Werbesprüche gewöhnt ist (auf die Re-
- 7 -
chercheunterlagen des Senats, die der Anmelderin mit dem Ladungszusatz vom
28. September 2017 übersandt worden sind, wird Bezug genommen).

Im Hinblick auf die noch beschwerdegegenständliche Dienstleistung „Vermietung
von Webservern“ weist der Begriff „realTargeting“ allerdings keinen engen be-
schreibenden Bezug auf. Die Dienstleistung steht in keinem unmittelbaren Zusam-
menhang mit der Tätigkeit von Werbeagenturen und ähnlichen Dienstleistungsan-
bietern, so dass auch kein relevanter Zusammenhang mit einer zielgruppenorien-
tierten Kundenansprache besteht. Der Speicherplatz auf Webservern wird in der
Regel unabhängig vom Sachbezug der gespeicherten Inhalte angeboten, so dass
insoweit der sachlich-beschreibende Zusammenhang ausreichend weit gelockert
ist. Der Verkehr wird daher das Zeichen in Bezug auf die „Vermietung von Web-
servern“ als betrieblichen Herkunftshinweis verstehen, so dass die Unterschei-
dungskraft des Zeichens insoweit zu bejahen ist.


2. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Bezeichnung „realTargeting“ zur
unmittelbaren Beschreibung der beanspruchten Dienstleistung unterliegt das Zei-
chen auch keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.


Knoll Kriener Dr. Nielsen


Fa


Full & Egal Universal Law Academy