25 W (pat) 509/17  - 25. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2018:220318B25Wpat509.17.0


BUNDESPATENTGERICHT




25 W (pat) 509/17
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Markenanmeldung 30 2014 057 470.5

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
22. März 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der Richterin
Kriener und des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

Die Beschwerde des Anmelders wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e

I.

Die Bezeichnung

VarioBox

ist am 14. August 2014 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt geführte Markenregister für die nachfolgend genannten Wa-
ren und Dienstleistungen der Klassen 9, 38, 39 und 42 angemeldet worden:

Klasse 09: Apparate zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern,
Regeln und Kontrollieren von Elektrizität; Datenverarbeitungsgeräte
und Computer;
Klasse 38: Telekommunikation;
Klasse 39: Transportwesen;
Klasse 42: Entwurf von Computerhard- und -software.

Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat diese
unter der Nummer 30 2014 057 470.5 geführte Anmeldung mit zwei Beschlüssen
vom 28. Oktober 2014 und vom 14. Dezember 2015, wobei letzterer im Erinne-
rungsverfahren ergangen ist, wegen fehlender Unterscheidungskraft teilweise zu-
rückgewiesen, nämlich für die Waren der Klasse 9 und die Dienstleistung der
Klasse 39.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass der angesprochene Verkehr in der angemel-
deten Bezeichnung im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Wa-
ren und Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden Sachhinweis erkennen
werde. Die Bezeichnung setze sich aus den Wörtern „Vario“ und „Box“ zusammen.
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„Vario“ werde als Synonym für Flexibilität verstanden. Das Wort „Box“ (Schachtel,
Kiste) gehöre zum englischen Grundwortschatz. Die Verbindung beider Wörter zu
dem Begriff „VarioBox“ werde von den angesprochenen Verkehrskreisen ohne
Weiteres und ohne gedankliche Zwischenschritte im Sinne von „flexible Schachtel“
oder „flexible Kiste“ verstanden. In Bezug auf die beanspruchten Waren der Klas-
se 9 „Apparate zum Leiten, Schalten, Umwandeln, Speichern, Regeln und Kontrol-
lieren von Elektrizität; Datenverarbeitungsgeräte und Computer“ weise der Begriff
lediglich darauf hin, dass diese Produkte die Form einer Box hätten bzw. in eine
solche eingebettet seien und flexible bzw. variable Funktionen aufweisen würden.
In Bezug auf die Dienstleistung der Klasse 39 „Transportwesen“ werde der ange-
sprochene Verkehr den Begriff „VarioBox“ als Hinweis auf den Gegenstand der
Dienstleistung verstehen, nämlich den Transport von Gütern mittels flexibler bzw.
variabler Boxen. Je nach Art und Beschaffenheit des zu transportierenden Gegen-
standes könne es ein wesentliches Merkmal der Transportdienstleistung sein,
dass diese mit flexibel einsetzbaren Kisten erfolge. Die Tatsache, dass es sich bei
„VarioBox“ um eine Wortneubildung handle, rechtfertige keine andere rechtliche
Beurteilung, da die Kombination der beiden Zeichenbestandteile sprachregelge-
recht und allgemein verständlich sei. Auch eine Wortkombination mit dem engli-
schen Begriff „Box“ sei nicht ungewöhnlich, da die deutsche Sprache beliebig
gestaltete Zusammensetzungen aus deutschen wie fremdsprachigen Wörtern er-
mögliche. Die Wortneuschöpfung „VarioBox“ erschöpfe sich in ihrem Gesamtein-
druck in der bloßen Summenwirkung der zwei nicht unterscheidungskräftigen
Wortbestandteile. Soweit der Anmelder sich auf Voreintragungen mit dem Zei-
chenbestandteil „Box“ berufe, seien diese größtenteils schon nicht mit der verfah-
rensgegenständlichen Anmeldung vergleichbar. Darüber hinaus entstehe selbst
aus vergleichbaren Voreintragungen kein Anspruch auf die Eintragung nicht
schutzfähiger Zeichen.

Hiergegen wendet sich der Anmelder mit seiner Beschwerde, die er nicht begrün-
det hat.

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Der Anmelder beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 28. Oktober 2014 und vom 14. De-
zember 2015 aufzuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen
worden ist.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Mar-
kenstelle für Klasse 42, den schriftlichen Hinweis des Senats vom 11. Dezem-
ber 2017 und den weiteren Akteninhalt Bezug genommen.


II.

Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige
Beschwerde des Anmelders hat in der Sache keinen Erfolg. Dem angemeldeten
Wortzeichen fehlt im Zusammenhang mit den beschwerdegegenständlichen Wa-
ren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG, so dass die Markenstelle die Anmeldung zu Recht teilweise zurückge-
wiesen hat, § 37 Abs. 1 und Abs. 5 MarkenG.


1. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung,
vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die
Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichne-
ten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004,
428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 18 – FUSSBALL WM 2006).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der
Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen
lediglich einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet
(vgl. BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674
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Rn. 86 – Postkantoor). Von mangelnder Unterscheidungskraft ist ferner dann aus-
zugehen, wenn die Wortfolge für sich genommen oder im Zusammenhang mit
produktbeschreibenden Angaben lediglich Anpreisungen und Werbeaussagen all-
gemeiner Art enthält (siehe dazu BGH GRUR 2013, 522 Rn. 9 – Deutschlands
schönste Seiten). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch
solchen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten
Produkte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreiben-
der Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (vgl. BGH – FUSSBALL
WM 2006 a. a. O.).

Zumindest unter dem letztgenannten Gesichtspunkt fehlt der angemeldeten Be-
zeichnung für sämtliche beschwerdegegenständlichen Waren und Dienstleistun-
gen die erforderliche Unterscheidungskraft. Die angemeldete Bezeichnung setzt
sich aus den beiden Wörtern bzw. Wortbildungselementen „Vario“ und „Box“
zusammen. Der englische Begriff „Box“ ist in den deutschen Wortschatz einge-
gangen und bezeichnet nicht nur einen Teil eines Pferdestalls, sondern ganz all-
gemein einen kastenförmigen Behälter (Kiste oder Schachtel). In dieser Bedeu-
tung wird der Begriff „Box“ in zahlreichen zusammengesetzten Hauptwörtern
benutzt. Entsprechende Begriffe finden sich vor allem auf dem Gebiet des Trans-
portwesens (Klasse 39), wie z. B. die Begriffe „Gitterbox, Kühlbox, Thermobox,
Transportbox“. Entsprechende Begriffe lassen sich aber auch für die Waren der
Klasse 9 belegen, wie etwa „Stromverteilerbox“ oder „Box PC“. Der Begriff „Vario“
bezeichnet als Präfix die besondere Flexibilität bzw. Variabilität einer Sache (auf
die dem Senatshinweis vom 11. Dezember 2017 beigefügten Rechercheunterla-
gen wird insoweit Bezug genommen). Ausgehend davon wird der Verkehr die
angemeldete Wortkombination im Zusammenhang mit den beschwerdegegen-
ständlichen Waren und Dienstleistungen rein beschreibend dahingehend verste-
hen, dass diese Produkte im weitesten Sinne in einem oder mittels eines variab-
len, kastenförmigen Behältnisses erbracht werden bzw. ein solches Behältnis sind
bzw. variable Funktionen aufweisen. Dieses sich aufdrängende beschreibende
Verständnis steht einem betriebskennzeichnenden Verständnis entgegen.
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Entgegen der Auffassung des Anmelders im Verfahren vor dem DPMA handelt es
sich bei der angemeldeten Wortfolge nicht um eine ungewöhnliche Wortverbin-
dung, deren Bedeutung in einem entsprechenden Sachzusammenhang nicht so-
fort erfasst würde. Die Verständnisfähigkeit des Verkehrs darf nicht zu gering ver-
anschlagt werden (vgl. Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 48
mit weiteren Nachweisen), zumal auf die Sicht des normal informierten und ange-
messen aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers abzustellen
ist, der daran gewöhnt ist, ständig mit neuen und nicht immer grammatikalisch kor-
rekten Begriffen konfrontiert zu werden, durch die ihm lediglich sachbezogene In-
formationen in einprägsamer Form übermittelt werden sollen. Dies gilt auch für die
Verwendung von Wörtern bzw. Wortbildungselementen aus unterschiedlichen
Sprachen, wenn es sich dabei um die deutsche und die englische Sprache han-
delt, da die englische Sprache in den verschiedensten Waren- und Dienstleis-
tungsbereichen häufig allein oder neben der deutschen Sprache verwendet wird.
Ein entsprechender Sprachenmix als solcher wird deshalb in aller Regel nicht
mehr als ungewöhnlich empfunden und nicht allein deshalb kennzeichnend ver-
standen. Vorliegend kommt hinzu, dass die angemeldete Wortfolge „Vario Box“
bereits gebräuchlich ist (auf die dem Senatshinweis vom 11. Dezember 2017 bei-
gefügten Rechercheunterlagen wird insoweit Bezug genommen), auch wenn die
Wortkombination teilweise markenmäßig benutzt wird. Ähnliche Wortverbindung
mit der Bezeichnung „Vario“ sind in Entscheidungen des Bundespatentgerichts
mehrfach in einem naheliegenden produktbeschreibenden Zusammenhang als
schutzunfähig eingestuft worden (vgl. die Beschlüsse vom 7. Januar 1999,
30 W (pat) 59/98 – Vario Modul und vom 12. Mai 2010, 28 W (pat) 506/10
– Varioload).

Soweit der Anmelder im Erinnerungsverfahren vor der Markenstelle des DPMA im
Schriftsatz vom 8. Januar 2015 auf vermeintlich vergleichbare Voreintragungen zu
seinen Gunsten verwiesen hat, ist auf die dazu ergangene umfangreiche und
gefestigte Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online
u. ZVS unter Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229
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Rn. 47–51 – BioID; GRUR 2004, 674 Rn. 42–44 – Postkantoor), des BGH (vgl.
GRUR 2008, 1093 Rn. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des BPatG (vgl. z. B.
GRUR 2009, 1175 – Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 – VOLKSFLAT und die
Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 – Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach
insoweit weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch
Ströbele/Hacker/Thiering, MarkenG, 12. Aufl., § 8 Rn. 72 ff. mit zahlreichen weite-
ren Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist
keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Ent-
scheidung, wobei selbst identische Voreintragungen nach ständiger Rechtspre-
chung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Insofern gibt es auch im
Rahmen von unbestimmten Rechtbegriffen keine Selbstbindung der Markenstellen
des DPMA und erst recht keine irgendwie geartete Bindung für das Gericht. Das
Gericht und auch das Patentamt haben in jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen
und danach eine Entscheidung zu treffen.


2. Ob neben der fehlenden Unterscheidungskraft auch ein Schutzhindernis
nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG besteht, kann im Ergebnis als nicht entschei-
dungserheblich dahingestellt bleiben.


3. Ein Antrag auf Durchführung der mündlichen Verhandlung war vom Anmel-
der nicht gestellt worden und eine mündliche Verhandlung erschien aus Sicht des
Senats auch nicht erforderlich, § 69 Nr. 1 und 3 MarkenG.

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III.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbe-
schwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.


Knoll Kriener Dr. Nielsen

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