25 W (pat) 503/16  - 25. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:191217B25Wpat503.16.0


BUNDESPATENTGERICHT




25 W (pat) 503/16
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache









betreffend die Markenanmeldung 30 2014 063 401.5

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
19. Dezember 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der
Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen

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beschlossen:

Auf die Beschwerde des Anmelders wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 9 des DPMA vom 29. Oktober 2015 insoweit
aufgehoben, soweit die Anmeldung für die Waren in der Klasse 16
„Verpackungsmaterial; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen
aus Papier oder Kunststoff; Blisterverpackungen; Kunststofffolien
zur Verpackung von Medikamenten; Verordnungsblätter; sämtli-
che der vorgenannten Waren nicht zum Einsatz in der Ernäh-
rungswissenschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernäh-
rungslehre oder Ernährungstherapie“ zurückgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.


G r ü n d e

I.

Die Buchstabenfolge

BCM

ist am 21. Oktober 2014 zur Eintragung als Wortmarke in das beim Deutschen
Patent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für zahlreiche Waren und
Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 42, 44 angemeldet worden. Mit Schriftsatz
vom 13. April 2015 hat der Anmelder das Waren und Dienstleistungsverzeichnis
eingeschränkt und begehrt die Eintragung noch für die nachfolgenden Waren und
Dienstleistungen:

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Klasse 09:
Computerprogramme; herunterladbare Computerprogramme; Interfaces
[Schnittstellengeräte oder -programme für Computer]; gespeicherte
Computersoftware; Software, auch herunterladbar; Computer-Software
für den medizinischen und pharmakologischen Bereich; Barcode-Lese-
geräte; sämtliche der vorgenannten Waren nicht zum Einsatz in der Er-
nährungswissenschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernäh-
rungslehre oder Ernährungstherapie;

Klasse 16:
Verpackungsmaterial; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Pa-
pier oder Kunststoff; Blisterverpackungen; Kunststofffolien zur Verpa-
ckung von Medikamenten; Verordnungsblätter; Lehr- und Unterrichtsma-
terial, ausgenommen Apparate; sämtliche der vorgenannten Waren nicht
zum Einsatz in der Ernährungswissenschaft, einschließlich der Ernäh-
rungsberatung, Ernährungslehre oder Ernährungstherapie;

Klasse 42:
Entwicklung von Computerprogrammen, insbesondere im Gesundheits-
bereich; Aktualisierung, Installation und Wartung von Computer- und
Datenbanksoftware; Computerberatungsdienst; Wiederherstellung von
Computerdaten; Installieren von Computerprogrammen; Kopieren von
Computerprogrammen; Vermietung von Computersoftware; Wartung von
Computersoftware; Vermietung von Datenverarbeitungsgeräten; Ent-
wicklung von Dienstleistungen eines EDV-Programmierers; technische
Leistungsüberwachungsanalyse des Netzwerkbetriebs, soweit in Klas-
se 42 enthalten; Implementierung von EDV-Programmen für Netzwerke;
Entwicklung und Design von Homepages, Internetseiten, insbesondere
Apotheken, Drogerien, Arztpraxen und Kliniken; technisches Projektma-
nagement im EDV-Bereich; technisches Projektmanagement im Bereich
des Arzneimittelvertriebs, insbesondere im Zusammenhang mit dem
patientenindividuellen Verblistern von Arzneimitteln; medizinische- und
pharmazeutische Forschung; Arzneimittelforschung, insbesondere Ent-
wicklung neuer Arzneimittel und Applikationsformen für Dritte; Qualitäts-
prüfung von Arzneimittel für Dritte; zur Verfügungstellung und Vermie-
tung von elektronischen Speicherplätzen im Internet; wissenschaftliche
Analyse von pharmazeutischen Erzeugnissen; wissenschaftliche und
technische Beratung bei der Zulassung von Arzneimitteln für Dritte;
Dienstleistungen eines medizinischen oder chemischen Labors; sämtli-
che der vorgenannten Dienstleistungen nicht zum Einsatz in der Ernäh-
rungslehre oder Ernährungstherapie;


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Klasse 44:
Medizinische Dienstleistungen; Beratung in der Pharmazie; Zusammen-
stellung von Arzneimitteln in patientengerechten Dosierungen; Zuberei-
tung von Rezepturen; Auskünfte und Beratung in der Pharmazie, näm-
lich durch einen Apotheker oder Drogisten, auch über das Internet; medi-
zinische Dienstleistungen, nämlich Überwachen der Arzneimitteltherapie,
insbesondere zur Vermeidung von Überdosierungen, Wechselwirkungen
und im Bereich der Arzneimittel-Compliance; medizinische Dienstleistun-
gen, nämlich die Beratung von medizinischem und pharmazeutischem
Personal im Hinblick auf medizinische Fragen der Arzneimitteltherapie;
sämtliche der vorgenannten Dienstleistungen nicht zum Einsatz in der
Ernährungslehre oder Ernährungstherapie.

Mit Beschluss vom 29. Oktober 2015 hat die Markenstelle für Klasse 9 die Anmel-
dung zurückgewiesen, weil der Eintragung die Unterscheidungskraft fehle und es
sich um eine beschreibende Sachangabe handele.

Der Eintragung der angemeldeten Marke stünde auch noch nach der vom Anmel-
der vorgenommenen Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnis-
ses, wonach „sämtliche Waren und Dienstleistungen nicht zum Einsatz in der Er-
nährungswirtschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernährungslehre oder
Ernährungstherapie“ vorgesehen seien, jedenfalls das Schutzhindernis der fehlen-
den Unterscheidungskraft nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen. „BCM“ sei die
Abkürzung von „body cell mass“ und bedeute Körperzellmasse. Die Körperzell-
masse sei die Summe aller aktiv am Stoffwechsel beteiligter Zellen und die zen-
trale Größe bei der Beurteilung des Ernährungszustands. Die Abkürzung
„BCM“ sei im Zusammenhang mit Mangelernährungszuständen bereits vor der
Eintragung in der Fachliteratur an Stelle des Begriffs „body cell
mass“ beschreibend verwendet worden. Die Buchstabenfolge könne darauf hin-
weisen, dass die Waren für den Aufbau oder die Erhaltung der Körperzellmasse in
besonderer Weise wirksam seien. Die Dienstleistungen könnten diesen in der Me-
dizin und Ernährungswissenschaft bedeutenden Gesichtspunkt zum Gegenstand
haben. Die Bezeichnung „BCM“ beschreibe somit lediglich die Art, den Inhalt, die
Bestimmung bzw. Eignung sowie die inhaltliche, thematische, gegenständliche
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Ausrichtung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Der Abkürzung
„BCM“ fehle nicht nur im Zusammenhang mit Waren und Dienstleistungen, die
einen ernährungswissenschaftlichen Bezug aufweisen könnten, die erforderliche
Unterscheidungskraft, sondern auch bei solchen, die nach ihrem Zweck, Gegen-
stand und Inhalt für ein so bezeichnetes medizinisches und pharmazeutisches
Anwendungsgebiet bestimmt sein könnten. Auch die beanspruchten Computer-
programme der Klasse 9 könnten solche für den medizinischen und pharmakolo-
gischen Bereich umfassen ohne ausschließlich auf den Einsatz in der Ernäh-
rungslehre oder -therapie beschränkt zu sein. Auch die Lehr- und Unterrichtsmittel
der Klasse 16 können sich inhaltlich mit der sog. Körperzellmasse befassen. Sel-
biges gelte in gleicher Weise für die medizinischen und wissenschaftlichen
Dienstleistungen der Klassen 42 und 44.
Soweit der Anmelder das Verzeichnis mit einem Ausnahmevermerk beschränke,
sei diese Einschränkung – ungeachtet des Umstands, ob eine solche Beschrän-
kung überhaupt zulässig sei – nicht geeignet der angemeldeten Bezeichnung zur
Schutzfähigkeit zu verhelfen. Denn die so gekennzeichneten Waren und Dienst-
leistungen seien nicht ausschließlich auf einen „Einsatz in der Ernährungslehre
oder Ernährungstherapie“ bezogen, sondern könnten sich nach ihrem Gegen-
stand, Inhalt, Bestimmungs- und Verwendungszweck mit dem gesamten medizini-
schen und pharmazeutischen Bereich befassen und diesem zugeordnet werden.
Im Übrigen könnte, sofern von einem Entfallen eines Schutzhindernisses nach § 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG durch die vorgenommene Einschränkung ausgegangen
werden würde, das Schutzhindernis einer Täuschungsgefahr i. S. d. § 8 Abs. 2
Nr. 4 MarkenG vorliegen, weil die durch die Bezeichnung „BCM“ beim Verkehr
hervorgerufene Vorstellung, wonach sich die Waren und Dienstleistungen inhalt-
lich und thematisch mit der Ernährungswissenschaft beschäftigten, nicht (mehr)
der tatsächlichen Beschaffenheit der so bezeichneten beanspruchten Waren und
Dienstleistungen entsprechen könne.

Gegen die Zurückweisung der Anmeldung richtet sich die Beschwerde des An-
melders. Der Eintragung der Buchstabenfolge stünden keine Schutzhindernisse
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nach § 8 Abs. 2 MarkenG entgegen. Die der Bezeichnung BCM von der Marken-
stelle zugrunde gelegte Bedeutung von „Body Cell Mass“ sei nur eine unter vielen
Bedeutungen des Kurzwortes, das ebenso für ein Steuergerät „Body Control Mo-
dul“, „Business Contact Manager“, „Bachelor of Commerce and Management“
oder „Business Cost Modell“ stehe. Daher handele es sich bei der angemeldeten
Bezeichnung gerade nicht um eine allgemein gültige Fachabkürzung, der eine
eindeutige beschreibende Bedeutung zugeordnet werden könne. Dem angefoch-
tenen Beschluss sei zudem nicht zu entnehmen, dass oder inwieweit die bean-
spruchte Buchstabenfolge für die angesprochenen Verkehrskreise aus sich heraus
als beschreibende Angabe verständlich sei. Denn die bloße Aufnahme einer Buch-
stabenfolge in ein Abkürzungsverzeichnis vermöge nicht die erforderliche Feststel-
lung zu ersetzen, dass die Buchstabenfolge als beschreibende Angabe für die in
der Anmeldung aufgeführten Waren oder Dienstleistungen bekannt oder verständ-
lich sei. Buchstabenfolgen seien im Allgemeinen allein schon deshalb unterschei-
dungskräftig, weil der Verkehr durch entsprechend gebildete Firmenbezeichnun-
gen (AEG, BASF, IBM, DB, BMW usw.) daran gewöhnt sei, solche Kombinationen
als betriebskennzeichnend aufzufassen. Die gebräuchliche Verwendung von
Buchstabenverbindungen spräche für und gerade nicht gegen eine Unterschei-
dungskraft. Der Anmelder verweist des Weiteren auf zahlreiche Entscheidungen
des BGH und des Bundespatentgerichts, in denen vergleichbare Buchstabenkür-
zel für schutzfähig erachtet worden seien (z. B. ISET/ISETsolar (BGH I ZB 2/14),
„ume“ (27 W (pat) 539/14) oder EHD, RSV, bb-nrw, CTL, CJD, RDB, UPW, TCP).
Der Anmelder wiederholt zudem, dass nach der mittlerweile vorgenommenen Ein-
schränkung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen durch „sämtliche der
vorgenannten Waren bzw. Dienstleistungen nicht zum Einsatz in der Ernährungs-
wirtschaft, einschließlich Ernährungsberatung, Ernährungslehre oder Ernährungs-
therapie“ jedenfalls von der Schutzfähigkeit des Akronyms auszugehen sei. Diese
Einschränkung diene der Klarstellung und sei auch für die Mitbewerber nachvoll-
ziehbar.

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Der Anmelder und Beschwerdeführer beantragt sinngemäß,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des DPMA vom
29. Oktober 2015 aufzuheben.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle, den rechtlichen Hinweis des Senats vom 18. August 2017, die Schrift-
sätze des Anmelders und auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige, insbesondere gemäß § 64 Abs. 6 MarkenG i. V. m. § 66 Abs. 1
Satz 1 MarkenG statthafte Beschwerde des Anmelders hat nur zum Teil Erfolg.
Der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „BCM“ als Marke steht hinsichtlich
der beanspruchten Waren und Dienstleistungen mit Ausnahme der Waren „Verpa-
ckungsmaterial; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Papier oder Kunst-
stoff; Blisterverpackungen; Kunststofffolien zur Verpackung von Medikamenten;
Verordnungsblätter; sämtliche der vorgenannten Waren nicht zum Einsatz in der
Ernährungswissenschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Ernährungslehre
oder Ernährungstherapie“ in der Klasse 16 das Schutzhindernis nach § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG, nämlich die fehlende Unterscheidungskraft, entgegen. Die Mar-
kenstelle hat der angemeldeten Marke daher in weiten Teilen zu Recht die Eintra-
gung versagt (§ 37 Abs. 1 MarkenG).

Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom
Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden. Denn die Haupt-
funktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten
Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR 2004, 428
Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL WM 2006).
Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen, denen der
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Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich einen im Vor-
dergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl. BGH 2006, 850
Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86 – Postkantoor).
Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch solchen Angaben,
die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Produkte zwar nicht
unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender Bezug zu dem
betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006 a. a. O.).

Buchstaben und Buchstabenfolgen fehlt entsprechend die Unterscheidungskraft,
wenn sie in Bezug auf die beanspruchten Waren oder Dienstleistungen gebräuch-
liche oder aus sich heraus verständliche Abkürzungen beschreibender Angaben
darstellen oder es sich um eine Angabe handelt, durch die lediglich ein enger
beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen her-
gestellt wird (vgl. BGH GRUR 2003, 343, 344 – Buchstabe „Z“; BPatG BlPMZ
2012, 283 – B & P sowie zur Frage der Kennzeichnungskraft einer Buchstaben-
folge BGH GRUR 2015, 1127 Rn. 10 – ISET/ISETsolar; 2004, 600 – d-c-fix/CD-
FIX; GRUR 2011, 831 Rn. 18 – BCC). Die Prüfung der Unterscheidungskraft ist im
Einzelfall und unter Berücksichtigung der jeweils beanspruchten Waren und
Dienstleistungen vorzunehmen, wobei zur Verneinung der Unterscheidungskraft
konkrete Feststellungen erforderlich sind (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl.
§ 8 Rn. 200).

Ausgehend von diesen Grundsätzen fehlt der angemeldeten Bezeichnung für die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft.

Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den Großbuchstaben B, C und M zusam-
men. Die Buchstabenfolge BCM steht unter anderem als Abkürzung für „Body Cell
Mass“, also Körperzellmasse, und ist die zentrale Größe bei der Beurteilung des
Ernährungszustands des Menschen. Der Wert lässt Rückschlüsse auf den Ge-
sundheitszustand eines menschlichen Körpers zu und ist ein frühzeitiger Warnhin-
weis auf eine Verschlechterung des Ernährungszustands, man spricht auch von
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dem BCM Index (vgl. die mit dem Senatshinweis vom 18. August 2017 dem
Anmelder übersandten Anlagen 1 bis 5; vgl. auch die Feststellungen BPatG
30 W (pat) 171/05 vom 14. Januar 2008). Es handelt sich nicht nur für den enge-
ren Bereich der Ernährungswissenschaft, Ernährungsberatung oder -therapie um
eine grundlegende jedenfalls dem Fachverkehr ohne weiteres geläufige Abkür-
zung, sondern auch für den Bereich der medizinischen und pharmazeutischen
Dienstleistungen um einen gebräuchlichen geläufigen Grundbegriff. Insoweit ist
davon auszugehen, dass jedenfalls die angesprochenen und für sich genommen
schon ausreichenden maßgeblichen Fachkreise der Mediziner und Apotheker die
Abkürzung BCM für „Body Cell Mass“ verstehen und diesen Begriff auch gegen-
über dem Endverbraucher verwenden. Dass die Buchstabenfolge „BCM“ in dem
Bereich der medizinischen Dienste daneben auch noch andere Bedeutungen
haben kann, die möglicherweise nicht produktbeschreibend sind, ist für die Frage
der Schutzfähigkeit nicht entscheidend, denn ist ausreichend, dass die Buchsta-
benfolge in einer ihrer möglichen Bedeutungen verstanden und als beschreiben-
der Begriff für diese Waren oder Dienstleistungen erkannt wird. Davon ist für die
beanspruchten Dienstleistungen der Klasse 44 bei einem solchen zentralen
(Grund)Begriff ohne weiteres auszugehen, hier bezeichnet BCM die Art, den
Zweck und die Bestimmung, Ausrichtung bzw. den Inhalt dieser pharmazeutisch
und medizinisch ausgerichteten Dienstleistungen. Anders als der Anmelder meint,
ist eine (individuelle) Ausrichtung der „Zusammenstellung von Arzneimitteln in
patientengerechten Dosierungen“ nach BCM Kriterien oder dem BCM Index ohne
weiteres sinnvoll und auch vorstellbar. Auch können sich die in der Klasse 16
beanspruchten Lehr- und Unterrichtsmaterialien inhaltlich auf den Themenbereich
des „BCM – Body Cell Mass“, also der Körperzellmasse beziehen, so dass sich
die Bezeichnung BCM als Inhalts- und Themenangabe für diese Waren eignet. In
Bezug auf jene Dienstleistungen der Klasse 42, die ihren Schwerpunkt im medizi-
nischen oder pharmazeutischen Bereich haben und bei denen sich wegen des
medizinisch/pharmazeutischen Schwerpunkts ein Verständnis der Kurzform BCM
als Bezeichnung für „Körperzellmasse“ aufdrängt bzw. nahegelegt ist, kann es
sich um den Forschungsgegenstand, den Inhalt bzw. den Schwerpunktbereich der
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Dienstleistungen handeln. Dies betrifft die Dienstleistungen der „medizinische- und
pharmazeutische Forschung; Arzneimittelforschung, insbesondere Entwicklung
neuer Arzneimittel und Applikationsformen für Dritte; Qualitätsprüfung von Arznei-
mittel für Dritte; wissenschaftliche Analyse von pharmazeutischen Erzeugnissen;
wissenschaftliche und technische Beratung bei der Zulassung von Arzneimitteln
für Dritte; Dienstleistungen eines medizinischen oder chemischen Labors“ in der
Klasse 42.

Bei der Beschränkung, wonach die Waren bzw. Dienstleistungen nicht zum Ein-
satz in der Ernährungswissenschaft vorgesehen sind, handelt es sich im Übrigen
um eine negativ formulierte Zweckbestimmung. Ein derartiger negativ formulierter
Zusatz, der lediglich eine bestimmte Bestimmung oder einen bestimmten Zweck
der Ware oder der Dienstleistung ausnimmt, betrifft keine objektiven Eigenschaf-
ten der beanspruchten Waren und Dienstleistungen und erlaubt auch keine wirt-
schaftlich nachvollziehbare und dauerhafte rechtliche Abgrenzung. Solche negati-
ven Zusätze entsprechen weder dem vom EuGH postulierten Gebot der Rechtssi-
cherheit, noch sind sie für die beteiligten Verkehrskreise ohne weiteres nachvoll-
ziehbar. Sie eignen sich nicht dazu, den wirtschaftlichen Charakter der Waren
oder Dienstleistungen inhaltlich so zu verändern, dass ein rechtlich relevanter Un-
terschied zwischen der eingeschränkten und nicht eingeschränkten Ware oder
Dienstleistungen erkennbar ist. Die erfolgte Einschränkung kann das Schutzhin-
dernis der fehlenden Unterscheidungskraft bzw. der bestehenden beschreibenden
Eignung daher nicht beseitigen (vgl. hierzu Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl.,
§ 8 Rn. 393 und 394 ff. m. w. N., insb. EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 114 ff.
– Postkantoor).

Bei der Kurzbezeichnung „BCM“ handelt es sich ebenso um eine gängige Abkür-
zung aus der Betriebswirtschaftslehre, die für den englischen Begriff des „busi-
ness continuity management“ oder des „Betriebskontinuitätsmanagement“ (BKM
bzw. BCM als Kurzform des englischen Begriffs) steht. Das betriebliche Kontinui-
tätsmanagement (Krisenmanagement) bezeichnet die Entwicklung von Strategien,
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Plänen und Handlungen zum Schutz von Arbeitsabläufen oder Prozessen, deren
Unterbrechung einer Organisation oder einem Betrieb ernsthafte Schäden oder
Verluste zufügen würde bzw. die Entwicklung alternativer Handlungsabläufe (vgl.
die mit dem Senatshinweis vom 18. August 2017 dem Anmelder übersandten An-
lagen 6 bis 8). Das Akronym BCM steht damit in engem Zusammenhang mit den
Themenfeldern Informationssicherheit, Krisensichere IT-Konzepte und einer Not-
fallplanungssoftware (vgl. Anlage 9 der dem Anmelder übersandten Recherchen).
Dementsprechend gibt es eine spezielle auf das Business Continuity Management
(BCM) ausgerichtete Software. Die Abkürzung hat somit im Zusammenhang mit
den Waren der Klasse 9 (Software) sowie den Dienstleistungen der Klasse 42
letztlich einen sachbezogenen Gehalt, weil die Art der Software bzw. deren Inhalt
und Gegenstand bzw. der Zweck der Dienstleistungen dahingehend beschrieben
wird, dass diese für das Business Continuity Management bzw. für eine BCM Stra-
tegie geeignet und bestimmt sind. So ist angesichts des Umstands, dass Störun-
gen im Zusammenhang mit der Zuordnung und späteren Ausgabe von Pharma-
zeutika gravierende Folgen für die Gesundheit von Menschen nach sich ziehen
können, ein eingerichtetes und gut funktionierendes betriebliches Krisenmanage-
ment für das „technische Projektmanagement im Bereich des Arzneimittelver-
triebs, insbesondere im Zusammenhang mit dem patientenindividuellen Verblis-
tern von Arzneimitteln“ von maßgeblicher Bedeutung. Gleiches gilt für die weiteren
Dienstleistungen in der Klasse 42, beispielsweise auch die „technische Leistungs-
überwachungsanalyse des Netzwerkbetriebs, soweit in Klasse 42 enthalten; Im-
plementierung von EDV-Programmen für Netzwerke; Entwicklung und Design von
Homepages, Internetseiten, insbesondere für Apotheken, Drogerien, Arztpraxen
und Kliniken“, die inhaltlich maßgeblich das „Business Continuity Management“,
also BCM, betreffen können oder darauf ausgerichtet sein können, so dass jeden-
falls ein enger beschreibender Zusammenhang zu bejahen ist. Da es sich bei
BCM um eine gängige Abkürzung eines grundlegenden Fachbegriffs des Risiko-
und Notfallmanagements handelt (vgl. die Anlagen 6 bis 9 der dem Anmelder mit
dem Senatshinweis vom 18. August 2017 übersandten Unterlagen), besteht eine
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hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Annahme, dass die insoweit angesproche-
nen Fachkreise die Abkürzung auch benutzen und verstehen.

Ob der Eintragung der angemeldeten Bezeichnung „BCM“ auch das Schutzhin-
dernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegensteht, kann dahingestellt bleiben,
wobei dies mit Blick auf die teilweise bejahte unmittelbar beschreibende Bedeu-
tung der Bezeichnung in Bezug auf weite Teile der beanspruchten Waren und
Dienstleistungen ohne weiteres der Fall sein dürfte.

Der Hinweis des Anmelders auf vergleichbare Entscheidungen des Bundespatent-
gerichts, in denen aus drei Buchstaben bestehende Buchstabenfolgen für schutz-
fähig erachtet worden sind, führt nicht zum vollumfänglichen Erfolg der Be-
schwerde. Insoweit ist auf die dazu ergangene umfangreiche und gefestigte
Rechtsprechung des EuGH (vgl. GRUR 2009, 667 – Bild.T-Online u. ZVS unter
Hinweis u. a. auf die Entscheidungen EuGH GRUR 2008, 229 Rn. 47–51 – BioID;
GRUR 2004, 674 Rn. 42–44 – Postkantoor), des BGH (vgl. GRUR 2008, 1093
Rn. 18 – Marlene-Dietrich-Bildnis I) und des Bundespatentgerichts (vgl. z. B.
GRUR 2009, 1175 – Burg Lissingen; MarkenR 2010, 139 – VOLKSFLAT und die
Senatsentscheidung MarkenR 2010, 145 – Linuxwerkstatt) zu verweisen, wonach
weder eine Bindungs- noch eine Indizwirkung gegeben ist (vgl. auch Ströbele/
Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 8 Rn. 58 und Rn. 59 mit zahlreichen weiteren
Rechtsprechungsnachweisen). Die Entscheidung über die Schutzfähigkeit ist
keine Ermessensentscheidung, sondern eine (an das Gesetz) gebundene Ent-
scheidung, wobei selbst identische Voreintragungen nach ständiger Rechtspre-
chung nicht zu einem Anspruch auf Eintragung führen. Insofern gibt es auch im
Rahmen von unbestimmten Rechtbegriffen keine Selbstbindung der Markenstellen
des Deutschen Patent- und Markenamts und erst recht keine irgendwie geartete
Bindung für das Bundespatentgericht. Das Gericht und auch das Patentamt haben
das Vorliegen der Schutzhindernisse in jedem Einzelfall eigenständig zu prüfen
und danach eine Entscheidung zu treffen.

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Nach alledem war die Beschwerde mit Ausnahme der Anmeldung für die Waren
„Verpackungsmaterial; Verpackungsbeutel, -hüllen und -taschen aus Papier oder
Kunststoff; Blisterverpackungen; Kunststofffolien zur Verpackung von Medika-
menten; Verordnungsblätter; sämtliche der vorgenannten Waren nicht zum Ein-
satz in der Ernährungswissenschaft, einschließlich der Ernährungsberatung, Er-
nährungslehre oder Ernährungstherapie“ zurückzuweisen.

Hinsichtlich dieser Waren ist ein sachbeschreibender Gehalt der Bezeichnung
BCM nicht erkennbar, da diese weder in einem sachlichen Zusammenhang mit
dem „Body Cell Mass“, noch mit dem „Business Continuity Management“ stehen.
Im Zusammenhang mit diesen Waren bedarf es mehrerer Gedankenschritte, um
zu einem sachlich beschreibenden Verständnis der Bezeichnung BCM als Abkür-
zung der genannten Fachbegriffe zu kommen. Insoweit war die Beschwerde des-
halb erfolgreich.

Die Durchführung der mündlichen Verhandlung war nicht angezeigt und vom An-
melder auch nicht beantragt worden, § 69 Nr. 3 bzw. Nr. 1 MarkenG.


III.

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss können die am Beschwerdeverfahren Beteiligten das
Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde einlegen. Da der Senat die Rechtsbe-
schwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird, dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des
Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der
Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
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3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten
war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei
der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden
sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.


Knoll Kriener Dr. Nielsen


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