25 W (pat) 37/17  - 25. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05

BUNDESPATENTGERICHT




25 W (pat) 37/17
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(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache










betreffend die Markenanmeldung 30 2012 049 860.4

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
21. September 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Knoll, der
Richterin Kriener und des Richters Dr. Nielsen
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beschlossen:

Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Marken-
amts vom 30. Juli 2014 und vom 13. Juni 2016 aufgehoben.


G r ü n d e

I.

Das Wort

Vierfalt

ist am 20. September 2012 zur Eintragung als Marke in das beim Deutschen Pa-
tent- und Markenamt (DPMA) geführte Register für folgende Waren angemeldet
worden:

Klasse 30: Zuckerwaren, Schokolade und Schokoladewaren, feine
Backwaren, Speiseeis, Präparate für die Zubereitung der vorge-
nannten Produkte, soweit in Klasse 30 enthalten.

Mit Beschlüssen vom 30. Juli 2014 und vom 13. Juni 2016 hat die Markenstelle für
Klasse 30 des DPMA die unter der Nummer 30 2012 049 860.4 geführte Anmel-
dung zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Bezeichnung
„Vierfalt“ für die beanspruchten Waren der Klasse 30 eine im Sinne von § 8 Abs. 2
Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossene, unmittelbar beschreibende
Sachangabe darstelle, die freihaltebedürftig sei. Weiterhin fehle der Bezeichnung
jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG. Das Wort
„Vierfalt“ sei zwar lexikalisch nicht nachweisbar, jedoch sprachregelgerecht gebil-
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det. So gebe es auch das Wort „Dreifalt“. Das Zeichen weise keinen, als betriebli-
chen Herkunftshinweis wirkenden Phantasiegehalt auf und sei ein gebräuchliches
Wort der deutschen Alltags- und Werbesprache. Es beschreibe den Umstand,
dass vier Dinge, die ähnlich aber nicht identisch seien, zusammen angeboten
würden. Das angemeldete Zeichen werde daher von den angesprochenen Ver-
kehrskreisen so verstanden, dass die so bezeichneten Waren in vier verschiede-
nen Geschmacksrichtungen bzw. Varianten angeboten würden. Die Bezeichnung
sei deswegen für die Mitkonkurrenten der Anmelderin freizuhalten, denen es
unbenommen bleiben müsse, unbehindert von Rechten Dritter, Fachbegriffe und
sonstige, die Waren beschreibende Ausdrücke, zu verwenden. Darüber hinaus
fehle dem Zeichen als gängigem Begriff der Werbesprache die erforderliche Un-
terscheidungskraft. Den Ausführungen der Anmelderin, dass das Wort „Vierfalt“ im
allgemeinen Sprachgebrauch ausschließlich in kennzeichnender Weise verwendet
werde, könne nicht beigetreten werden. Zum einen würden die „Stammwörter“ von
„Vierfalt“, nämlich die Zahl „vier“ und das Wort „Vielfalt“ in der Werbung nicht sel-
ten dadurch erläutert, dass im Werbetext die „Stammwörter“ neben dem Wort
„Vierfalt“ benutzt würden. Zum anderen werde „Vierfalt“ in der Werbung unmittel-
bar sachbeschreibend gebraucht. So würden in einer Werbung für Katzenfutter die
Begriffe „Bunte Vierfalt“ und „Bunte Vielfalt“ synonym verwendet bzw. stünden
ohne erkennbaren Unterschied füreinander. Wenn von einem „Katzenfutter Bunte
Vierfalt“ die Rede sei, dann werde darin der Begriff „Vierfalt“ nicht markenmäßig
verwendet, sondern sei ein ohne Weiteres erkennbarer Hinweis auf ein Produkt, in
dem vier unterschiedliche Varianten zusammengefasst seien. Auch in anderer
Werbung (für Gebäckmischungen, für Schokolade und für Eis) werde das Zeichen
als Hinweis auf vier verschiedene Sorten bzw. Geschmacksrichtungen verwendet.
Soweit das Wort „Vierfalt“ im kulturellen Bereich verwendet werde, etwa als Name
für ein musikalisches Quartett, gebe es stets einen Bezug zu der Zahl „vier“ und
teilweise auch zu dem Wort „Vielfalt“.

Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Das angemeldete
Zeichen sei eine Wortneuschöpfung ohne klaren, eindeutig erkennbaren Bedeu-
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tungsgehalt. Es sei lexikalisch nicht nachweisbar und auch keine unmittelbar
beschreibende Sachangabe. Das Wort sei allenfalls ein sprechendes Zeichen, das
beim angesprochenen Verkehr gewisse Assoziationen wecken könne, aber nicht
geeignet sei, ein spontanes und eindeutiges Verständnis bestimmter Eigenschaf-
ten der so gekennzeichneten Produkte auszulösen. Das Zeichen sei schon des-
wegen nicht sprachregelgerecht gebildet, weil es entsprechende Sprachregeln gar
nicht gebe. Auch die Analogie zu dem Wort „Dreifalt“ belege eine entsprechende
Regel der Wortbildung nicht. Mit „Dreifalt“ werde eine bestimmte Art von Amulet-
ten bezeichnet, wobei auch diese Benennung ein reines Fantasiewort sei. Die Re-
cherchen des DPMA zu dem Wort „Dreifalt“ führten nur zu einer Webseite, die
außer der Abbildung eines markenmäßig gestalteten Logos mit dem Wortbe-
standteil „Dreifalt“ nichts enthalte, und im Übrigen zu den oben genannten Amu-
letten. Eine Wortneubildung mit dem Wortteil „-falt“, das im Duden nicht als Suffix
angeführt werde, biete sich nicht an. Im Übrigen beschränke sich die nachweis-
bare Benutzung des Wortes „Vierfalt“ ausschließlich auf markenmäßige Verwen-
dungen. Dies gelte auch für die vom DPMA angeführte Werbung für Katzenfutter.
Die Marke „Bunte Vierfalt“ sei für den Hersteller als Wortmarke eingetragen wor-
den. Die vom DPMA als Beleg für eine Benutzung im allgemeinen Sprachge-
brauch benannte Werbung des Katzenfutterherstellers sei lediglich die rechtser-
haltende Benutzung der eingetragenen Marke. Auch die Werbung für ein als „4falt-
Eis“ bezeichnetes Eisprodukt beschränke sich auf eine markenmäßige Benutzung,
wobei das Zeichen „4falt-Eis“ gleichfalls als Marke eingetragen worden sei.

Die Anmelderin und Beschwerdeführerin beantragt sinngemäß,

die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 30. Juli 2014 und vom 13. Juni 2016
aufzuheben.

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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die angefochtenen Beschlüsse der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Markenanmelderin und auf den übrigen Akteninhalt
verwiesen.


II.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie hat auch in der Sache Erfolg. Der Eintragung des
angemeldeten Zeichens stehen keine Schutzhindernisse nach § 8 Abs. 2 Nr. 1
oder 2 MarkenG entgegen. Deshalb waren die angefochtenen Beschlüsse aufzu-
heben.

1. Auch wenn das beschwerdegegenständliche Zeichen im Hinblick auf die
beanspruchten Waren deutlich beschreibende Anklänge aufweist, kann ihm im
Ergebnis nicht jegliche Unterscheidungskraft abgesprochen werden, § 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG. Unterscheidungskraft ist die einer Marke innewohnende (konkrete)
Eignung, vom Verkehr als betrieblicher Herkunftshinweis aufgefasst zu werden.
Denn die Hauptfunktion einer Marke liegt darin, die Ursprungsidentität der gekenn-
zeichneten Waren und Dienstleistungen zu gewährleisten (vgl. u. a. EuGH GRUR
2004, 428 Rn. 30, 31 – Henkel; BGH GRUR 2006, 850 Rn. 17 – FUSSBALL
WM 2006). Keine Unterscheidungskraft besitzen insbesondere Bezeichnungen,
denen der Verkehr im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren lediglich
einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt zuordnet (vgl.
BGH 2006, 850 Rn. 19 – FUSSBALL WM 2006; EuGH GRUR 2004, 674 Rn. 86
– Postkantoor). Darüber hinaus fehlt die Unterscheidungskraft u. a. aber auch sol-
chen Angaben, die sich auf Umstände beziehen, welche die beanspruchten Pro-
dukte zwar nicht unmittelbar betreffen, mit denen aber ein enger beschreibender
Bezug zu dem betreffenden Produkt hergestellt wird (BGH – FUSSBALL WM 2006
a. a. O.).

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Gemessen an diesen Maßstäben ist das angemeldete Zeichen eine ausreichend
fantasievolle Abwandlung des Wortes „Vielfalt“ und damit kein beschreibender
Begriff. Es stellt keinen ausreichend engen beschreibenden Bezug zu den betref-
fenden Waren her, selbst wenn es als sprechende Marke nicht zu übersehende
beschreibende Anklänge hat, die der Verkehr in einem entsprechenden Produkt-
zusammenhang häufig auch in der von der Markenstelle angenommenen Bedeu-
tung verstehen wird.

Das Wort „Vierfalt“ ist keine Wortneuschöpfung im eigentlichen Sinne, da es in
gewissem Umfang benutzt wird. Es ist jedoch lexikalisch nicht nachweisbar und
auch kein gebräuchliches Wort der Alltagssprache. Ein Nachweis im Grimm’schen
Wörterbuch hat lediglich historische Bedeutung, zumal der Begriff ausweislich des
dortigen Eintrages schon im Zeitpunkt des Erscheinens des Grimm’schen Wör-
terbuchs veraltet war. Der Begriff „Vierfalt“ wird in der Fachsprache der Philoso-
phie in gewissem Umfang benutzt, wobei die entsprechende latinisierte Form
„Quadruplizität“ (zurückzuführen auf den Philosophen Friedrich Schleiermacher)
gebräuchlicher erscheint. Insofern ist das Wort „Vierfalt“ als philosophischer Fach-
begriff nur einem sehr geringen Teil der angesprochenen Verkehrskreise bekannt
und hat darüber hinaus in keinen erkennbaren Bezug zu den hier beanspruchten
Waren. Insofern wäre selbst für die Verkehrsteilnehmer, denen Schleiermachers
Begrifflichkeit vertraut ist, die Benutzung des Begriff für Schokolade und Zucker-
waren von gewisser Originalität. Ohne Kenntnis dieser sehr spezifischen Verwen-
dung des Begriffs erschließt sich dessen Sinngehalt den angesprochenen Ver-
kehrskreisen erst mit einem gewissen Nachdenken. Es bedarf gedanklicher Zwi-
schenschritte, um zu erkennen, dass das Zeichen eine Abwandlung des Wortes
„Vielfalt“ bzw. eine Kombination der Worte „Vielfalt“ und „vier“ ist. Auch der Ge-
danke, dass sich die Vielfalt des so bezeichneten Produkts auf vier Varianten
beschränkt, erschließt sich nicht unmittelbar, so dass dem Zeichen ein gewisser
Phantasiegehalt nicht abzusprechen ist und die Unterscheidungskraft nicht gänz-
lich verneint werden kann.

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Dem steht auch nicht entgegen, dass der dem angemeldeten Zeichen ähnliche,
lexikalisch gleichfalls nicht nachweisbare Begriff „Dreifalt“ vereinzelt benutzt wird.
Mit „Dreifalt“ wird ein keltisch anmutendes Symbol bezeichnet, das aus drei Ele-
menten geformt ist und beispielsweise als Amulett oder als Tattoovorlage Verwen-
dung findet. Als Bezeichnung für ein sehr spezifisches, eher subkulturell geprägtes
Symbol ist der Begriff „Dreifalt“ nicht ausreichend verbreitet, um zu unterstellen,
dass der Verkehr einen einfachen Analogieschluss von dem Wort „Dreifalt“ auf
das Wort „Vierfalt“ ziehen wird, zumal die als „Dreifalt“ bezeichneten Gegenstände
keinen Bezug zu den hier beschwerdegegenständlichen Waren aufweisen. Zutref-
fend hat die Anmelderin auch darauf hingewiesen, dass es keine aus dem Begriff
„Dreifalt“ ableitbare Sprachbildungsregel gibt, nach der auch das Wort „Vierfalt“
gebildet ist. Der Bestandteil „-falt“ ist ein vergleichsweise selten verwendetes Suf-
fix. Nachweisen lassen sich insoweit nur die Begriffe „Sorgfalt“, „Vielfalt“ und „Ein-
falt“ (vgl. Muthmann, Rückläufiges deutsches Wörterbuch, 3. Aufl.). Insoweit wer-
den die angesprochenen Verkehrskreise – sofern das Wort „Dreifalt“ überhaupt
bekannt ist – auch vor diesem Hintergrund in dem angemeldeten Zeichen keinen
unmittelbar beschreibenden Sachhinweis sehen.

Die vom DPMA vorgelegten Fundstellen und die weiteren, vom Senat durchge-
führten Recherchen reichen im Ergebnis nicht aus, um eine übliche Verwendung
des Begriffs „Vierfalt“ in der Werbesprache nachzuweisen. Das Wort „Vierfalt“ wird
tatsächlich als Werktitel (etwa für Ausstellungen oder als Name eines musikali-
schen Quartetts), als Firma eines Möbelschreiners aus Österreich oder als Marke
für Katzenfutter, Eis und Kekse benutzt. Dabei wird das Wort jedoch stets her-
kunftshinweisend und nicht sachlich-beschreibend bzw. werblich-anpreisend be-
nutzt. Dies gilt auch für die vom DPMA angeführte Werbung für Katzenfutter.
Wenn im Werbetext erläutert wird, dass das mit „Vierfalt“ bezeichnete Produkt in
vier Geschmacksrichtungen angeboten werde und eine „bunte Vielfalt“ biete bzw.
wenn zu lesen ist, dass das als „4falt-Eis“ bezeichnete Produkt ein „Eisdessert in
4-fach verführerischer Vielfalt“ sei, so werden lediglich die Worte „vier“ und „Viel-
falt“ sachlich beschreibend verwendet, nicht jedoch die Wortkombination „Vierfalt“.
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Der Umstand, dass das mit einer sprechenden Marke gekennzeichnete Produkt im
konkreten Kontext der jeweiligen Werbung unter Verwendung der Elemente
beschrieben wird, aus denen die Marke gebildet ist, mag das Verständnis der
sprechenden Marke erleichtern, belegt aber nicht, dass die sprechende Marke
selbst bereits sachlich-beschreibend benutzt wird und nicht mehr als Herkunfts-
hinweis verstanden wird. Bei der Recherche hat der Senat keinen Werbetext auf-
finden können, der zeitlich vor dem Tag der Anmeldung liegt und in dem der
Begriff „Vielfalt“ werblich-anpreisend verwendet wird.

2. Im Hinblick auf die fehlende Eignung der Wortes „Vierfalt“ zur unmittelbaren
Beschreibung der beanspruchten Dienstleistungen unterliegt das Zeichen auch
keinem Freihaltebedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG. Auch der Umstand,
dass zwischen dem Zeichen „Vierfalt“ und dem sachbeschreibenden Begriff „Viel-
falt“ eine deutliche klangliche und schriftbildliche Ähnlichkeit sowie eine gewisse
begriffliche Ähnlichkeit besteht, rechtfertigt ein Freihaltebedürfnis nicht. Das Zei-
chen erlangt seine Schutzfähigkeit durch die für die angesprochenen Verkehrs-
kreise unmittelbar erkennbare und in gewissem Umfang phantasievolle Abwand-
lung des beschreibenden Wortes „Vielfalt“. Insoweit ist der Schutzumfang des Zei-
chens dahingehend begrenzt, dass eine klangliche, schriftbildliche und begriffliche
Ähnlichkeit in Bezug auf ein Kollisionszeichen, das den Begriff „Vielfalt“ verwendet
oder enthält, bereits aus Rechtsgründen ausgeschlossen ist (vgl. BGH GRUR
2012, 1040 Rn. 42 – pjur/pure). Insoweit sind Dritte nicht gehindert, den freihalte-
bedürftigen Begriff „Vielfalt“ für identische Waren zu benutzen.

Nach alledem waren die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.


Knoll Kriener Dr. Nielsen


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