25 W (pat) 112/14  - 25. Senat (Marken)
Karar Dilini Çevir:

BUNDESPATENTGERICHT


L e i t sa tz



Aktenzeichen: 25 W (pat) 112/14

Entscheidungsdatum: 17.11.2017


Rechtsbeschwerde zugelassen: ja

Normen: MarkenG § 3 Abs. 2 Nr. 2; § 50, § 54 ZPO


Nespresso-Kaffeekapsel

1. Als Marke angemeldete oder eingetragene dreidimensionale Warenverpackungsformen
sind im Anmeldeverfahren bzw. Löschungsverfahren in gleicher Weise wie Warenformen
auf Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 MarkenG zu prüfen, wenn es sich um notwen-
dige Verpackungsformen handelt (EuGH, Urteil vom 12. Februar 2004 – C-218/01 =
GRUR 2004, 428 Rn. 32 und 33 – Henkel). Dabei ist bei der Prüfung nicht entschei-
dungserheblich, ob es sich bei der Verpackung um im Großhandel übliche Großgebinde,
um im Einzelhandel verwendete Verkaufsverpackungen oder aber um Portionsverpa-
ckungen handelt, die regelmäßig nur in einer größeren Umverpackung im Handel erhält-
lich sind. Außerdem steht der Bejahung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG nicht entgegen, wenn die Portionsverpackung neben der bloßen Portionierung
noch weitere (produktbezogene technische) Funktionen erfüllt, wie hier die Funktion, in
einer Kaffeekapselmaschine mit dafür speziell angepassten Merkmalen der Kapsel ver-
wendet zu werden.

2. Die angegriffene dreidimensionale Gestaltung, die als IR-Marke seit dem Jahr 2003 u. a.
für „Kaffee, Kaffeeextrakte und kaffeebasierte Zubereitungen, Kaffeeersatz und künstli-
che Kaffeeextrakte“ auch in Deutschland geschützt ist, stimmt in ihren wesentlichen
Merkmalen mit den äußeren Merkmalen des Patentgegenstands der deutschen Patent-
schrift DE 27 52 733 (Patenterteilungsbeschluss vom 4. September 1981) überein.
Diese wesentlichen Merkmale erfüllen allesamt eine technische Funktion i. S. d. § 3
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dahingehend, in einer Kaffeekapselmaschine in vorteilhafter
Weise verwendet zu werden, was in der Patentschrift im Einzelnen beschrieben wird.

3. Ob die wesentlichen Formmerkmale einer Gestaltung zur Erreichung einer technischen
Wirkung i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG erforderlich sind, kann in der Regel nicht iso-
liert allein anhand der geschützten Form beurteilt werden, sondern nur dann, wenn auf
den bestimmungsgemäßen Gebrauch der entsprechenden Gestaltung (im Zusammen-
hang mit den beanspruchten bzw. geschützten Waren) abgestellt wird.
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 112/14
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
17. November 2017

B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache

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betreffend die Marke IR 763 699
(hier: Löschungsverfahren S 290/11 Lösch)

hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 22. Juni 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Knoll, der Richterin Kriener sowie des Richters Dr. Nielsen

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.


G r ü n d e

I.

Der am 15. Juli 2001 International registrierten dreidimensionalen Marke



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ist nach einer vorläufigen teilweisen Schutzverweigerung für die Waren „coffee,
coffee extracts and coffee based preparations; coffee substitutes and artificial
coffee extracts“ mit Schreiben vom 23. Januar 2003, eingegangen bei der WIPO
am 30. Januar 2003, der Schutz dann doch für alle beanspruchten Waren ein-
schließlich der vorgenannten Waren in der Bundesrepublik Deutschland gewährt
worden. Die unter der Nummer IR 763 699 geführte IR-Marke genießt somit in
Deutschland Schutz für die folgenden Waren der Klasse 30:

Coffee, coffee extracts and coffee-based preparations; coffee substitutes
and artificial coffee extracts; tea, tea extracts and tea-based preparations;
cocoa and cocoa-based preparations, chocolate, chocolate goods, confec-
tioneries, sweet goods; sugar; natural sweeteners; bakery products,
bread, yeast, pastry articles; biscuits, cakes, desserts, puddings; edible
ices, powders, binders and binding agents for making edible ices (ice
cream); honey and honey substitutes; cereals for breakfast, rice, farina-
ceous pastes, rice, flour or cereal-based foodstuffs, also as cooked
dishes; sauces; seasonings and food flavourings (other than essential
oils), salad dressings, mayonnaise.

Mit dem am 7. Oktober 2011 vorab per Telefax beim Deutschen Patent- und Mar-
kenamt (DPMA) eingereichten Antrag hat die Antragstellerin gestützt auf §§ 115
Abs. 1, 50 Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 3 MarkenG die teilweise Schutzentziehung in
Bezug auf die Waren

coffee, coffee extracts and coffee based preparations; coffee substitutes
and artificial coffee extracts

beantragt und in Bezug auf diese eine Schutzbewilligung unter Verstoß gegen § 3
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG geltend gemacht. Dem ihr am 11. November 2011 zuge-
stellten Teilschutzentziehungsantrag hat die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom
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9. Januar 2012, eingegangen vorab per Telefax am selben Tag beim DPMA,
widersprochen.

Mit Beschluss vom 10. Juli 2014 hat die Markenabteilung 3.4 des DPMA der IR-
Marke den Schutz im beantragten Umfang teilweise entzogen, das Vorliegen des
Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, wonach es sich bei der dreidi-
mensionalen Gestaltung um eine Form handelt, die zur Erreichung einer techni-
schen Wirkung erforderlich ist, bejaht und dem Teilschutzentziehungsantrag ent-
sprechend vollumfänglich stattgegeben.

Zur Begründung ist insbesondere ausgeführt, der Antrag auf teilweise Schutzent-
ziehung der Marke IR 763 699 sei zulässig. Einem Schutzentziehungsverfahren
stünden weder Vertrauensschutzgesichtspunkte nach Art. 5 Abs. 5 PMMA noch
eine Verfassungswidrigkeit von § 50 MarkenG entgegen.
Der Teilschutzentziehungsantrag sei auch begründet, da der Schutzbewilligung
der verfahrensgegenständlichen IR-Marke im Eintragungszeitpunkt insoweit das
Schutzhindernis gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegengestanden habe bzw.
aktuell noch entgegenstehe, weil es sich um ein Zeichen handele, das ausschließ-
lich aus einer Form bestehe, die zur Erreichung einer technischen Wirkung erfor-
derlich sei. Es handele sich im beantragten Umfang um ein Verpackungsbehältnis,
das eine nur technisch bedingte Gestaltung aufweise.

Zu den von Art. 5 Abs. 6 PMMA, Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2 PVÜ erfass-
ten Schutzhindernissen zähle nach seinem Sinn und Zweck sowie der systemati-
schen Einordnung auch der Schutzausschließungsgrund des § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG. Auch sei § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nach seinem Sinn und Zweck auf
die vorliegende Verpackungsgestaltung anwendbar. Denn § 3 Abs. 2 MarkenG
erfasse über seinen Wortlaut hinaus grundsätzlich auch die zu einer Ware gehö-
renden Verpackungsformen, jedenfalls dann, wenn es sich um die angegriffenen
Waren handele, die keine ihnen innewohnende Form besäßen und die für ihre
Vermarktung notwendigerweise einer Verpackung bedürften. Die gewählte Verpa-
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ckung verleihe dem Produkt erst seine Form und sei in solchen Fällen der Form
der Ware gleichzusetzen. Die abgebildete dreidimensionale Kapselform sei auch
eine plausible Verpackung für die angegriffenen Waren, da in dem einschlägigen
Warenbereich zunehmend Portionspackungen gebräuchlich seien. Vorliegend sei
jedes wesentliche Merkmal technisch bedingt in dem Sinn, dass es eine techni-
sche Funktion erfülle. Bei den wesentlichen Merkmalen der angegriffenen Gestal-
tung handele es sich um die Form des Doppelkonus, den diesen umgebenden
Flansch, die Umbördelung der Kapsel sowie die Wölbung der Abdeckung. Der
Flansch und die Umbördelung bezweckten die besonders stabile Verbindung zwi-
schen der Membran als Abdeckung und der Kapsel. Eine stabile Verbindung sei
technisch notwendig, um ein vorzeitiges und unkontrolliertes Reißen der Membran
durch den sich in der Kapsel aufbauenden Druck zu verhindern. Ein zu frühes
Reißen der Abdeckung hätte zur Folge, dass sich das in der Kapsel befindliche
Kaffeepulver in der Maschine verteile, was negative Auswirkungen auf den Ge-
schmack des Produkts sowie die Bedienbarkeit und Nutzerfreundlichkeit der Ma-
schine haben könnte. Auf den Umstand, dass es andere technische Lösungen
gebe (z. B. geklebte Befestigung an der Innenwand des Kegels), käme es nicht
an, zumal die größere Anklebfläche durch den Flansch eine vorteilhaftere, weil
stabilere, Verbindung ermögliche. Der Flansch diene außerdem zur Führung und
Positionierung der Kapsel in der Maschine, zur Abdichtung des Aufnahmevolu-
mens im Kapselkäfig und dem besseren Entnehmen der Kapsel aus der Ma-
schine. Die Grundform des abgeflachten Kegels entspreche dem gängigen For-
menschatz, wie der Vergleich mit diversen anderen Kapseln zeige, so dass es
sich insoweit nicht um ein für die Beurteilung nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG rele-
vantes wesentliches Merkmal handele. Die Kegelform diene dem besseren Schutz
gegen ein Verbeulen. Der auf den unteren größeren Konus aufgesetzte obere
stumpfwinklige Kegelstumpf ermögliche es, die Kapsel in der Maschine so weit
nach oben zu schieben, dass sie durch die Messer perforiert werden könne. Diese
Perforation der Kapsel sei für eine qualitativ hochwertige Zubereitung des Kaffees
unerlässlich, weil dadurch ohne vorherigen Aromaverlust das Wasser den Kaffee
umspülen könne. Die Wölbung der Abdeckung sei nur zum Teil in den einge-
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reichten Abbildungen der dreidimensionalen Gestaltung erkennbar, daher sei die-
ses Merkmal nach Ansicht der Verkehrskreise nicht wesentlich. Letztlich könne
diese Frage aber deswegen offen bleiben, weil auch die Wölbung eine technische
Funktion erfülle. Die Wölbung sei dem Überdruck geschuldet, mit welchem das
Kaffeepulver bei der Befüllung in die Kapsel gepresst werde. Mit Hilfe dieses
Überdrucks könne das Aroma des Pulvers besonders gut und lange konserviert
werden. Dass insoweit alternative technische Lösungen vorhanden seien, sei
irrelevant. Die Vertiefung im oberen Teil der Kapsel stelle kein wesentliches
Merkmal dar, da sie kaum zu erkennen sei und bei einem Gebrauchsartikel, der
nach seiner Verwendung entsorgt werde, von der Mehrheit der Nutzer auch tat-
sächlich nicht bemerkt werde. Damit könne auch dahinstehen, wie es zu beurtei-
len sei, dass der Vertiefung zwar für die Kaffeemaschinen der ersten und zweiten
Generation womöglich eine technische Funktion zugekommen sei (Schwächung
des Bodens der Vertiefung zur leichteren Perforierung), nicht aber für die gegen-
wärtig auf dem Markt befindlichen Maschinen.

Der Umstand, dass alternative Gestaltungsformen zur Verfügung stünden, führe
aus dem Anwendungsbereich des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nach ständiger
Rechtsprechung nicht heraus. Die von der Markeninhaberin als „Reverse Enginee-
ring“ bezeichnete Betrachtung, wonach bei der Nutzung der Kapsel auf eine Ver-
wendung in einer Kaffeemaschine abgestellt werde, sei nicht zu beanstanden.
Denn nach der Entscheidung des EuGH im Verfahren C - 337/12 P – Yoshida
Metal Industry/EUIPO seien bei der Prüfung von § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG auch
Umstände außerhalb der Marke selbst, so etwa die tatsächliche Verwendung des
Zeichens mit einzubeziehen, selbst wenn diese erst nach dem maßgeblichen An-
meldezeitpunkt eingetreten seien. Ein Rückgriff auf Patentschriften sei möglich.
Sie stellten nach ständiger Rechtsprechung ein „praktisch nicht widerlegbares
Indiz“ dafür dar, dass die darin offengelegten oder beanspruchten Merkmale tech-
nisch bedingt seien, ohne dass vorbestehende Patente als solche ein Eintra-
gungshindernis begründen würden.

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Soweit die Markeninhaberin einwende, dass nach dem Eintragungszeitpunkt von
der europäischen Rechtsprechung entwickelte Grundsätze in Bezug auf die Tatbe-
standsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu Unrecht rückbezogen
würden auf die zeitlich zuvor erfolgte Registrierung der angegriffenen Marke, sei
darin weder ein Verstoß gegen Art. 14 GG zu sehen, noch stünden dem Grund-
sätze des Vertrauensschutzes entgegen.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin.
Sie ist der Auffassung, der Antrag auf Schutzentziehung sei bereits unzulässig.
Zum einen könne ein ausländischer Markeninhaber auf den Bestand seiner Inter-
nationalen Registrierung vertrauen, wenn eine nationale Behörde von dem Recht
der vorläufigen oder endgültigen Schutzverweigerung nach Art. 5 Abs. 1 und 2
PMMA keinen Gebrauch gemacht habe. Dies ergebe sich aus Art. 5 Abs. 5
PMMA. Zum anderen stelle § 50 MarkenG darüber hinaus keine verfassungsmä-
ßige Grundlage für die Rücknahme des in der Schutzgewährung einer IR-Marke
liegenden begünstigenden Verwaltungsakts dar und verstoße daher gegen Art. 14
Abs. 1 Grundgesetz. § 50 MarkenG sei insoweit verfassungswidrig und daher
nichtig.
Den zuletzt genannten rechtlichen Gesichtspunkt der behaupteten Verfassungs-
widrigkeit des § 50 MarkenG verfolgt die Markeninhaberin nach ihrem Vorbringen
in der mündlichen Verhandlung am 22. Juni 2017 nicht mehr weiter.

Der Antrag auf teilweise Schutzentziehung sei aber aus anderen Gründen unbe-
gründet.
Es sei bereits fraglich, ob das Schutzhindernis des § 3 Abs. 3 Nr. 2 MarkenG über-
haupt auf Gestaltungen anwendbar sei, bei denen es sich wie bei der angegriffe-
nen Marke gerade nicht um die Ware selbst, sondern um die Verpackungsform
der Ware handele. Selbst wenn das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG Anwendung fände, sei die Funktionalität der wesentlichen Merkmale
einer dreidimensionalen Gestaltung jedenfalls nicht auf der Grundlage der konkre-
ten Verwendung der Kapsel in einer Espresso-Kaffeemaschine zu prüfen. Dabei
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handele es sich um einen außerhalb der Darstellung der Marke liegenden Um-
stand, der bei der Prüfung von § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG außer Betracht zu blei-
ben habe. Mit dieser Rechtsauffassung sieht sich die Markeninhaberin auch im
Einklang mit der europäischen Rechtsprechung. Bei der Entscheidung des EuGH
in Sachen C - 337/12 P – C - 340/12 P (Yoshida Metal Industry/HABM) sei bei-
spielsweise schon der Gegenstand der beantragten Markenanmeldung unklar
gewesen, weil nicht eindeutig bestimmt gewesen sei, ob die als schwarze Punkte
wiedergegebenen Elemente „Punkte“ oder „Vertiefungen bzw. Erhebungen“ seien.
Denklogisch könne sich erst nachdem die Frage der Bestimmtheit des Gegen-
stands der Anmeldung beantwortet sei, die Frage nach den wesentlichen Merk-
malen der Formmarke nach § 3 Abs. 2 MarkenG stellen. Die Entscheidung
erlaube daher keine Rückschlüsse darauf, ob für die Frage der technischen Funk-
tionalität auf die außerhalb der Markenanmeldung liegende Verwendung der Kap-
sel in einer Kaffeemaschine zurückgegriffen werden könne. Anders als bei der
oben genannten Entscheidung ergebe sich nicht aus der Markendarstellung
selbst, wie die abgebildete Kapsel in welcher Art Kaffeemaschine verwendet
werde, wie die Kaffeemaschine funktioniere und wie die Kapsel mit der Kaffeema-
schine zusammenwirke. Das Schutzhindernis gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
sei nur dann einschlägig, wenn sich eine ausschließliche technische Funktion
allein anhand der graphischen Darstellung ergebe.

Der Rückgriff auf die Patentschriften DE 27 52 733 und EP 0 554 469 sei ebenso
wenig zulässig. Denn soweit nach der Rechtsprechung des EuGH vorbestehende
Patente zur Beurteilung einer technischen Funktionalität herangezogen würden,
gelte dies nur für solche Patentschriften, die sich auf das Produkt bezögen und
nicht auf das Zusammenwirken des Produkts mit Gegenständen, die außerhalb
des Produkts selbst lägen. Selbst wenn die Patentschriften als Vergleichsmaßstab
für eine angebliche technische Funktionalität herangezogen würden, seien sie
insoweit aber wertlos, als sich diese auf das Zusammenwirken der Nespresso
Kapseln in den Kaffeemaschinen der ersten und zweiten Generation, die im Un-
terschied zu denen der dritten und vierten Generation einen zentralen Aufstech-
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dorn aufgewiesen hätten, bezogen hätten, und die mit der Maschinentechnologie
zum Zeitpunkt des 7. März 2002 nicht zu vergleichen seien. Wenn zudem die Pa-
tentschriften keine Aussage zur Funktionalität der nach markenrechtlichen Beur-
teilungsmaßstäben wesentlichen Merkmale der angefochtenen Marke enthielten
– wie insbesondere hinsichtlich des Doppelkonus – sei der Rückgriff auf Patent-
schriften weder sinnvoll noch aussagekräftig. Auch sei verfehlt, dass die Marken-
abteilung bei der Beurteilung der Formmarke auf diejenigen konkreten Dimensio-
nen der vorliegenden dreidimensionalen Gestaltung abstelle, die in den Kapselkä-
fig der Kaffeemaschine passe. Die Proportionen der angegriffenen IR-Marke seien
beliebig.

Zudem seien die wesentlichen Merkmale der dreidimensionalen Gestaltung – die
Grundform des Kegelstumpfes, der Doppelkonus, der Flansch, die Umbördelung
sowie die Wölbung der Abdeckung – zur Erreichung einer technischen Wirkung
nicht erforderlich. Der so genannte Flansch sei kein aus der Darstellung der ange-
griffenen Marke hervorgehendes Merkmal. Es handele sich vielmehr um einen
Ring, der ein verzierendes Element darstelle. Er sei weder technisch zur Befesti-
gung einer Membran notwendig noch um die Kapsel abzudichten. Der Doppelko-
nus, also die Kombination der unterschiedlich großen und unterschiedlich gewin-
kelten Kegelstümpfe mache die besondere ästhetische Gesamtwirkung der Form
der Kapsel aus und diene dem gefälligeren visuellen und haptischen Sinnesein-
druck. Gerade der obere Teil der Kapsel mit dem stumpfwinkeligen Konus ent-
spreche nicht dem gängigen Formenschatz, er sei gerade das Charakteristische
der dreidimensionalen Kapselgestaltung der Markeninhaberin, was auch dadurch
deutlich werde, dass sich diese Form bei den Alternativprodukten der Mitbewerber
gerade eben nicht finde. Diese Form sei weder technisch für das Perforieren der
Kapsel noch zum Schutz der Kapsel gegen Verbeulen notwendig. Der Tatbestand
des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sei nicht schon dann einschlägig, wenn der Verkehr
lediglich aus subjektiven (objektiv nicht begründeten) Präferenzen heraus eine
bestimmte Gestaltung bevorzuge. Auch der leicht gewölbte Kapselboden sei nicht
technisch bedingt. Die Auffassung der Markenabteilung, wonach dieser durch den
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Überdruck in der Kapsel verursacht und für die besonders gute und lange Konser-
vierung des Kapselinhalts erforderlich sei, sei unzutreffend. Die Kapsel habe sich
mittlerweile zu einem Designobjekt entwickelt, dessen charakteristische Form
inzwischen eine berühmte Marke und ein unverkennbarer Hinweis auf das Unter-
nehmen der Markeninhaberin sei. Insoweit seien der für die Kaffeekapseln der
Markeninhaberin charakteristische Doppelkonus und die Abflachung der Kapsel
heute jedenfalls denknotwendig nicht mehr zur Stabilität erforderlich. Sofern der
Senat von einer technischen Funktionalität als entscheidungserheblich ausgehe,
sei die Erholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich, da den Senats-
mitgliedern die eigene Sachkunde fehle. Auch sei die Vielzahl alternativer Kaffee-
kapseln der Mitbewerber, die mit den Maschinen der Markeninhaberin kompatibel
seien, ein Indiz dafür, dass die Kapselform nicht ausschließlich technisch bedingt
sein könne. Da die konkurrierenden Unternehmen also leicht Zugang zu alternati-
ven Formen mit gleichwertiger Funktionalität hätten, bestünde keine Gefahr, dass
durch die streitgegenständliche Gestaltung die Verfügbarkeit technischer Lösun-
gen eingeschränkt werde. Somit sei eine Beeinträchtigung des Allgemeininteres-
ses und des Freihaltebedürfnisses nicht zu befürchten.

Nach der Entscheidung des EuGH zu dem Verfahren C-205/13 (Hauck/Stokke)
könnten bei der Prüfung der Schutzfähigkeit einer Warenform nach § 3 Abs. 2
MarkenG zwar unterschiedliche Schutzausschließungsgründe zur Anwendung
kommen, eine Vermengung der Tatbestandsvoraussetzungen der unterschiedli-
chen Gründe untereinander sei aber ausgeschlossen. Ein Schutzhindernis des § 3
MarkenG läge mithin nur dann vor, wenn allen wesentlichen Merkmalen der Marke
ein und derselbe Schutzausschließungsgrund entgegenstehe. In der angefochte-
nen Entscheidung habe die Markenabteilung die Schutzausschließungsgründe
des § 3 MarkenG aber in unzulässiger Weise miteinander kombiniert. Bei der vor-
liegenden Fallkonstellation seien jedenfalls nicht alle wesentlichen Merkmale der
angegriffenen Marke ausschließlich zur Erreichung einer technischen Wirkung
erforderlich. Bereits das Vorhandensein eines nicht funktionalen Elementes
genüge aber, um die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
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zu verneinen. Ein wesentliches Merkmal der angegriffenen Marke sei die abge-
flachte Kegelform der Kapsel. Bei dieser Form handele es sich weder um ein
technisch funktionales Merkmal, noch um eine Grundform der gängigen Kaffee-
kapseln. Auch sei zu berücksichtigen, dass die mit den Nespresso-Kaffeemaschi-
nen kompatiblen Kapselformen sich nicht auf die angegriffenen Waren
beschränkten, denn damit könnte auch Tee oder Schokolade extrahiert werden.
Insofern handele es sich bei der dreidimensionalen Gestaltung nicht um eine
Grundform der Warengattung „Kaffee“. Zudem habe die Markenabteilung ange-
sichts der weiten Verwendungsbreite der Kapseln auch für andere Getränke als
Kaffee bei der Ermittlung des Gesamteindrucks aus Sicht des angesprochenen
Verkehrskreises nicht auf den richtigen Verbraucherkreis abgestellt, aus dessen
Sicht die wesentlichen Formmerkmale zu ermitteln seien. Es sei von einem ge-
meinsamen Markt für Getränkekapseln jeglicher Art auszugehen und nicht nur auf
den wesentlich engeren Markt für Kaffeekapseln abzustellen.
Schließlich verstoße eine rückwirkende Anwendung von nach dem Eintragungs-
zeitpunkt der angegriffenen Marke entwickelte Grundsätze des Europäischen Ge-
richtshofs (Entscheidungen Philips/Remington und Lego) zu den Tatbestandsvo-
raussetzungen des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG gegen Art. 14 Grundgesetz.
Auf den vom Senat in der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2017 gegebenen
Hinweis, dass möglicherweise auch das Schutzhindernis gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG in Betracht kommen könnte, ergänzt die Markeninhaberin ihren Vortrag
dahingehend, dass es für die verfahrensgegenständlichen und ihrer Art nach
amorphen Waren wie Kaffee, der in jeder denkbaren Form verpackt werden kann,
eine Grundform gar nicht gebe. Selbst wenn von der Kaffeekapsel als maßgebli-
cher Warenkategorie ausgegangen werde, erschöpfe sich die angegriffene Ge-
staltung aber nicht in der Grundform einer Kaffeekapsel. Denn mit Blick auf die am
Markt gängige Variation in Bezug auf ihre (geometrische) Formenvielfalt (flache
oder hohe zylindrische, rechteckige bzw. quadratische, runde, tropfenförmige,
fassförmige oder Halbkugel- bzw. kuppelförmige Kaffeekapseln), sei eine allseits
anerkannte Grundform einer Kapsel schon nicht vorhanden. Selbst wenn von
einer konusförmigen Grundform der Kapseln ausgegangen werde, weise die ver-
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fahrensgegenständliche Gestaltung der Markeninhaberin durch das Vorhanden-
sein eines Doppelkonus sowie der Vertiefung im oberen Bereich und der Wölbung
des Abdeckungsbereichs wesentliche Merkmale auf, die der gängigen Grundform
nicht entsprächen. Auch nach der neueren Rechtsprechung des EuGH seien zu
der warenbedingten Formmarke nach der Entscheidung Hauck/Stokke (GRUR
2014, 1097) noch zahlreiche Fragen ungeklärt, weshalb eine Vorlage an den
EuGH angezeigt sei.

Die Markeninhaberin beantragt,

den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 10. Juli 2014 aufzuheben und den Teil-
schutzentziehungsantrag der Antragstellerin vom 7. Oktober 2011
zurückzuweisen.

Außerdem regt die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom 6. März 2017 sowie mit
nachgelassenem Schriftsatz vom 3. August 2017 und dem weiteren Schriftsatz
vom 1. November 2017 an, das Verfahren wegen Vorgreiflichkeit auszusetzen
bzw. ruhen zu lassen bis zur Entscheidung bzw. der Veröffentlichung der Ent-
scheidungsbegründung des BGH zur Schutzfähigkeit dreidimensionaler Gestal-
tungen in Sachen 25 W (pat) 78/14 (I ZB 105/16 – Schokoladentafelverpackung)
und in Sachen 25 W (pat) 59/14 (I ZB 4/17 – Traubenzuckertäfelchen).

Zudem regt die Markeninhaberin an, das Verfahren nach Art. 267 AEUV auszu-
setzen und dem EuGH zur Vorabentscheidung über die Frage vorzulegen, ob
Art. 3 Abs. 1 lit. e) Ziffer ii) der Markenrechtsrichtlinie 2008/95/EG dahingehend
auszulegen sei, dass das Vorhandensein von Alternativgestaltungen für die Beur-
teilung der Frage, ob ein Zeichen ausschließlich aus der Form der Ware bestehe,
die zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich sei, jedenfalls dann als
Indiz für die fehlende Berührung des Schutzzwecks der Norm insoweit relevant
sei, als dass der Schutzausschließungsgrund des Art. 3 Abs. 1 lit. e) Ziff. ii) der
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Markenrechtsrichtlinie nicht zur Anwendung gelangen könne, wenn nachweislich
eine hinreichende Anzahl von alternativen Gestaltungen am Markt tatsächlich
existiere, die aus dem Schutzbereich der angegriffenen Marke fielen.

Ebenso regt die Markeninhaberin die Zulassung der Rechtsbeschwerde zum Bun-
desgerichtshof zu den aufgeworfenen grundsätzlichen Fragen an.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde der Markeninhaberin zurückzuweisen.

Die Antragstellerin weist im Wesentlichen alle von Seiten der Markeninhaberin gel-
tend gemachten Rechts- und Tatsachenausführungen als unrichtig zurück. Insbe-
sondere zur Frage des Vertrauensschutzes durch die frühere Entscheidung des
Patentamts, wonach der Schutz auf die Bundesrepublik Deutschland ausgedehnt
werde, verweist sie auf die Ausführungen des Bundespatentgerichts in der Ent-
scheidung vom 18. März 2013 (BPatG 25 W (pat) 14/12 = BlPMZ 2013, 281
– Schwimmbad-Isolierbaustein), wonach eine Bindungswirkung der Eintragungs-
entscheidung gerade nicht bestehe. Denn es handele sich beim Eintragungs- und
Löschungsverfahren um eigenständige und voneinander unterschiedliche Verfah-
ren, in denen sich zwar die gleichen Fragen stellten, deren Beantwortung aber auf
einer jeweils eigenständigen Überprüfung beruhe. Gerade das Löschungsverfah-
ren ermögliche eine gegebenenfalls erforderliche Korrektur eines unzuträglichen
Registerstands und es erfolge auch erstmalig eine Beteiligung Dritter bzw. der
Wettbewerber. Angesichts der technischen Wirkungsweise der Kaffeekapsel in der
Nespresso Kapselmaschine sei gerade im vorliegenden Fall ein Rückgriff auf die
Fach- und Branchenkenntnisse der Mitbewerber erforderlich und die Korrektur-
möglichkeit einer fehlerhaften Eintragung durch das Löschungsverfahren mehr als
sachgerecht.
Mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs stehe es sowohl im Ein-
klang, die tatsächliche Verwendung des Produkts, dessen Form Gegenstand des
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Markenschutzes sei, in die Prüfung mit einzubeziehen als auch auf Patentschriften
– vorliegend auf die Patentschriften DE 27 52 733 und EP 0 554 469 – zurückzu-
greifen (vgl. die EuGH Verfahren Rubik´s Würfel – C-30/15 Rn. 49, 50 u 51;
Yoshida-Entscheidung – C - 337/12 P bis C - 340/12 P Rn. 49). Aus den Patent-
schriften ergebe sich problemlos, dass die wesentlichen Merkmale der dreidimen-
sionalen Gestaltung zur Erreichung einer technischen Wirkung erforderlich seien.
So sei die von der Markeninhaberin angesprochene Wölbung der Kapsel durch
den Überdruck im Inneren der Kapseln bedingt. Dieser ergebe sich durch den
Verpackungsprozess, bei dem ein Gas in die Kapsel gepresst werde, um die Halt-
barkeit des Kaffeepulvers zu verlängern, was ein in der Lebensmittelindustrie gän-
giges Verfahren sei. Zu der Frage, ob der Konusform (Kegelform) der Kapsel eine
rein technische Funktion dergestalt zukommt, dass diese Form eine erhöhte Wi-
derstandsfähigkeit gegen ein Verbeulen bewirkt, bietet die Antragstellerin Beweis
durch Augenschein, die Zeugeneinvernahme einer Patentanwältin und Erholung
eines Sachverständigengutachtens an. Der Knick zwischen dem Kegelstumpf und
dem sich daran anschließenden stumpfwinkeligen Kegel erhöhe die Stabilität des
verwendeten Aluminiumblechs der Kapsel. Auch der Form des oberen stumpfwin-
keligen Kegelstumpfs komme eine technische Funktion zu, weil nur so die Kapsel
in der Maschine so weit nach oben geschoben werden könne, dass sie mit den
Messerchen perforiert werden, das einlaufende Wasser den Kaffee ohne Aro-
maverlust umspülen könne und eine qualitativ hochwertige Kaffeezubereitung
garantiert sei. Demgegenüber seien die von der Markeninhaberin erwähnten
Alternativprodukte, die gerade nicht die stumpfwinkelige Form aufwiesen, teilweise
klar ersichtlich oder verdeckt vorperforiert (vgl. Sara Lee Kapseln, Capsulín, Café
Peppino, Bl. 294/295 der Akten). Die Abflachung der Kapsel habe die Funktion,
dass der Kapselkäfig der Kaffeemaschine die Kapsel fassen und ausrichten
könne, was in den Patentschriften und den Gebrauchsmusterschriften der Mar-
keninhaberin ausführlich beschrieben werde (Abschnitte [0041] und [0042] sowie
Figuren 5 und 6 der Patentschrift DE 60 2004 008 924 T 2, Bezeichnung der Er-
findung: Vorrichtung zur Extraktion einer Kartusche – Anlage BG 4 zum Schriftsatz
vom 18. März 2016, Bl. 305 der Akten).
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Unter Verweis auf Beispiele von mit den Maschinen der Markeninhaberin kompa-
tible und nicht vorperforierte Konkurrenzprodukte widerspricht die Markeninhabe-
rin dem Vorbringen, wonach die Form eines Doppelkonus für die Perforierung der
Kapseln im Rahmen des Extraktionsvorgangs erforderlich sei (vgl. CAFÉ ROYAL,
CAFÉPOD – Kapseln – Bl. 356 der Akten).

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenabteilung, die Schriftsätze der Beteiligten und deren Anlagen (insbesondere
auf die Patentschriften) sowie auf den übrigen Akteninhalt verwiesen.


II.

Die nach § 66 Abs. 1 Satz 1 MarkenG statthafte und auch im Übrigen zulässige
Beschwerde der Markeninhaberin hat in der Sache keinen Erfolg.

Eine Marke ist auf Antrag gemäß § 50 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 MarkenG wegen
absoluter Schutzhindernisse nach § 3 MarkenG zu löschen, wenn sie sowohl
bezogen auf den Anmeldezeitpunkt – dahingehend wird der Wortlaut des § 50
Abs. 1 MarkenG vom BGH im Einklang mit der Rechtsprechung des EuGH aktuell
ausgelegt (vgl. BGH, GRUR 2013, 1143, Rn. 9 ff., Rn. 12 ff., insbesondere Rn. 15
– Aus Akten werden Fakten) – als auch bezogen auf den Zeitpunkt der anstehen-
den Entscheidung über die Beschwerde gegen die Entscheidung der Markenab-
teilung vom 10. Juli 2014 (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG) schutzunfähig war bzw.
ist. Für die nach dem Protokoll zum Madrider Markenabkommen auf das Gebiet
der Bundesrepublik Deutschland erstreckte International registrierte angegriffene
Marke gelten die genannten Löschungsvorschriften gemäß §§ 119, 124, 115
Abs. 1 MarkenG entsprechend. Die angegriffene dreidimensionale Marke ist bzw.
war gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu beiden maßgeblichen Zeitpunkten teil-
weise nicht schutzfähig. Ihr war deshalb insoweit im beantragten Umfang der
Schutz zu entziehen, §§ 50, 54 MarkenG i. V. m. 115 Abs. 1, 124 MarkenG.
- 16 -
A. Zulässigkeit des Schutzentziehungsantrags

Zunächst ist festzustellen, dass die Einwendungen der Markeninhaberin, dass aus
Vertrauensschutzgründen eine Schutzentziehung nicht mehr möglich sei, nicht
durchgreifen.

1. Der Anwendung des Schutzentziehungsgrundes des § 3 Abs. 2 MarkenG
im Rahmen des Antrags auf teilweise Entziehung des Schutzes der International
registrierten Marke gemäß § 50, § 115 Abs. 1, § 124 MarkenG stehen keine Ver-
trauensschutzgesichtspunkte entgegen.
Bei der Abwägung der sich gegenüberstehenden Interessen, nämlich einerseits
dem der Markeninhaberin am Erhalt der Marke und andererseits dem der Allge-
meinheit an der Löschung bzw. Schutzentziehung von schutzunfähigen Marken
einschließlich dreidimensionaler nicht schutzfähiger Gestaltungen, um nicht durch
solche ungerechtfertigten Monopole behindert zu werden, hat der Gesetzgeber
grundsätzlich nur im Fall der Schutzhindernisse des § 8 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2 und Nr.
3 MarkenG Vertrauensschutzgesichtspunkte berücksichtigt und zwar lediglich in
Form einer Zeitschranke dergestalt, dass diese Schutzhindernisse nach Ablauf
einer Frist von 10 Jahren seit dem Tag der Eintragung der angegriffenen Marke
nicht mehr geltend gemacht werden können. In Bezug auf die Schutzhindernisse
des § 3 MarkenG existiert eine solche Beschränkung nach dem ausdrücklichen
Wortlaut des § 50 Abs. 2 Satz 1 und 2 MarkenG (i. V. m. § 115 Abs. 1, 124
MarkenG) aber bewusst nicht (vgl. hierzu insbesondere BGH GRUR 2014, 872
Rn. 39, 40 – Gute Laune Drops; BPatG Beschl. v. 18.3.2013 – 25 W (pat) 14/12 =
BlPMZ 2013, 281 – Schwimmbad-Isolierbaustein).

2. Auch ergeben sich aus dem Umstand, dass die Markenstelle für Klasse 30
IR den Schutz für Deutschland zunächst nur teilweise und erst später vollumfäng-
lich gewährt hat, keine Anhaltspunkte dafür, dass der spätere Antrag auf teilweise
Schutzentziehung nach den Bestimmungen des Protokolls zum Madrider Marken-
abkommen (PMMA) deswegen ausgeschlossen ist. Denn die Vorschrift des Art. 5
- 17 -
PMMA betrifft allein Regelungen zum Verfahren in Bezug auf die Schutzverweige-
rung durch den jeweiligen Vertragsstaat, also die jeweilige national zuständige
Behörde im Zusammenhang mit der Benennung bzw. Ausdehnung des Schutzes
der Internationalen Registrierung, also Regelungen im Zusammenhang mit der
Schutzerlangung. Darin nicht geregelt sind die Wirkungen der für einen Staat
erfolgten Internationalen Registrierung. Dazu wird in Art. 4 Abs. 1 a PMMA darauf
verwiesen, dass die Marke ebenso geschützt ist wie die nationale Marke. Damit
unterliegt sie aber auch denselben Löschungsvoraussetzungen bzw. Schutzent-
ziehungsvoraussetzungen wie diese (§§ 124, 115 Abs. 1, 50 Abs. 1, Abs. 2
MarkenG).


B. Begründetheit des Schutzentziehungsantrags

1. Die Schutzhindernisse des § 3 Abs. 2 MarkenG sind bei IR-Marken, deren
Schutz sich auf Deutschland erstreckt, im Rahmen der gestellten Löschungsan-
träge zu prüfen.

a. Die angegriffene IR-Marke unterliegt der sogenannten „Telle-Quelle-Klau-
sel“ des Art. 6quinquies Abschn. A Abs. 1 PVÜ („ … so wie sie ist … zugelassen und
geschützt werden … “), das bedeutet, die vorschriftsmäßig eingetragene Marke
wird in den anderen Verbandsländern so wie sie ist geschützt. Der Schutz kann ihr
aber aus den in Art. 6quinquies Abschn. B Abs. 2 Nr. 1 bis 3 PVÜ genannten Zurück-
weisungs- bzw. Nichtigkeitsgründen entzogen werden (vgl. BGH GRUR 2006, 589
Rn. 12 – Rasierer mit drei Scherköpfen; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 3
Rn. 97).

Die Löschungsgründe nach § 3 Abs. 2 MarkenG finden auf ein Schutzentzie-
hungsbegehren gemäß Art. 5 Abs. 6 PMMA, Art. 6quinquies Abschn. B Satz 1 Nr. 2
PVÜ Anwendung, auch wenn diese Schutzausschließungsgründe nicht zu den
von Art. 6quinquies Abschn. B Nr. 1 bis 3 PVÜ ausdrücklich genannten Schutzver-
- 18 -
weigerungs- bzw. Löschungsgründen zählen (ständige RSpr.: vgl. BGH GRUR
2006, 589 Rn. 13 – Rasierer mit drei Scherköpfen). Dies ergibt sich aus der Sys-
tematik der Bestimmungen der PVÜ, der Markenrechtsrichtlinie (MarkenRL) und
den nationalen Bestimmungen zueinander. Die Regelung des Markengesetzes
bezüglich der Schutzhindernisse beruht auf den Bestimmungen der MarkenRL, die
sich wiederum in vollständiger Übereinstimmung mit der PVÜ befindet, und daher
keine weitreichenderen Schutzversagungsgründe als diese zulässt. Dies ergibt
sich aus dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie und davon ist auch der euro-
päische Gesetzgeber ausgegangen. Das bedeutet, dass die Beurteilung nach den
Vorschriften des MarkenG zu keinem anderen Ergebnis als die Prüfung nach
Art. 6quinquies Abschn. B führen darf (vgl. BGH, GRUR 1999, 728 – Premiere II;
GRUR 2001, 413 – SWATCH; GRUR 2001, 418 – Montre; GRUR 2004, 329
– Käse in Blütenform). Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG geht
auf Art. 3 Abs. 1 lit. e) MarkenRL zurück. In der Markenrechtsrichtlinie steht diese
Regelung – ungeachtet ihres qualifizierten Charakters als eines auch durch Ver-
kehrsdurchsetzung nicht zu widerlegenden Eintragungshindernisses (Art. 3 Abs. 3
MarkenRL) – im Kontext der absoluten Eintragungshindernisse des Art. 3 Abs. 1
MarkenRL. Die Markenrechtsrichtlinie macht damit – stärker als das Markenge-
setz, das im Hinblick auf die Systematik des Gesetzes den Eindruck erweckt, als
handele es sich bei den Tatbeständen des § 3 Abs. 2 MarkenG um Fragen der
Markenfähigkeit – deutlich, dass die besonderen Eintragungshindernisse für mit
der Warenform übereinstimmende Formmarken (Art. 3 Abs. 1 lit. e) MarkenRL =
§ 3 Abs. 2 MarkenG) auf ein besonders ausgeprägtes Allgemeininteresse an der
freien Verfügbarkeit der betreffenden Warenformen zurückzuführen sind (vgl.
EuGH, GRUR 2002, 804 Rn. 78 bis 80 – Philips/Remington; GRUR 2003, 514
Rn. 72 bis 75 – Linde, Winward, Rado) und damit einem Schutzversagungsgrund
entsprechen, wie er sich auch in Art. 6quinquies Abschn. B Nr. 2 PVÜ findet. Diese
artbedingten, technisch bedingten und wertbedingten Eintragungshindernisse sind
damit solche dem Art. 6quinquies Abschn. B Nr. 2 PVÜ unterfallende Eintragungshin-
dernisse oder jedenfalls solche, die dem Ordre-Public-Vorbehalt des Art. 6quinquies
- 19 -
Abschn. B Satz 1 Nr. 3 PVÜ unterfallen (vgl. dazu auch Ströbele/Hacker,
MarkenG, 11. Aufl., § 3 Rn. 97 m. w. N.).

b. Auf die vorliegende dreidimensionale Gestaltung, bei der es sich um die
Verpackungsgestaltung in Bezug auf die mit dem Löschungsantrag angegriffenen
streitgegenständlichen Waren „Kaffee, Kaffeeextrakte und kaffeebasierte Zube-
reitungen, Kaffeeersatz und künstliche Kaffeeextrakte“ handeln kann in Form einer
Kapsel zur Verwendung in einer Kaffeekapselmaschinen zum Aufbrühen von
Kaffee (in der Regel in der Menge einer Einzelportion bzw. einer Tasse), findet § 3
Abs. 2 MarkenG nach der maßgeblichen Rechtsprechung des EuGH zu einer ent-
sprechenden Vorlagefrage (früher nach Art. 234 Abs. 2 EG, jetzt nach Art. 267
Abs. 2 und 3 AEUV) ohne weiteres Anwendung. Denn bei dreidimensionalen Ge-
staltungen, die aus der Verpackung von Waren bestehen, die aus mit der Art der
Ware selbst zusammenhängenden Gründen verpackt Gegenstand des Wirt-
schaftsverkehrs sind, ist die Verpackung der Ware der Form der Ware dergestalt
gleichzusetzen, dass die Verpackung als Form der Ware im Sinn des § 3 Abs. 2
MarkenG gelten kann (vgl. dazu EuGH GRUR 2004, 428 Leitsatz 1 und Rn. 33
– Henkel zur Auslegung der entsprechenden Vorschrift des Art. 3 Abs. 1 lit. e) der
Markenrechtsrichtlinie 2008/95; dies entspricht Art. 4 Abs. 1 lit. e) der aktuellen
Markenrechtsrichtlinie 2015 (EU) 2015/2436). Denn bei solchen Waren, die etwa
eine körnige, pudrige oder flüssige Konsistenz und damit keine eigene Form auf-
weisen und die regelmäßig verpackt Gegenstand des Wirtschaftsverkehrs sind,
wie dies bei den streitgegenständlichen Waren der Fall ist, verleiht die Verpackung
dem Produkt seine Form. Deshalb ist bei solchen Waren bei der Prüfung der
Schutzhindernisse nach § 3 Abs. 2 MarkenG die Verpackung der Form der Ware
gleichzusetzen bzw. die Verpackung Gegenstand der markenrechtlichen Prüfung
nach § 3 Abs. 2 MarkenG (siehe dazu EuGH Henkel a. a. O.).

Dabei wird in der Rechtsprechung des EuGH nicht differenziert, ob es sich bei den
jeweiligen Verpackungsformen um im Großhandel übliche Großgebinde, normale
(d. h. im Einzelhandel verwendete) Verkaufsverpackungen oder aber um Portions-
- 20 -
verpackungen der entsprechenden Ware handelt, die in der Regel nicht einzeln
verkauft werden, sondern in größerer Stückzahl in einer entsprechend größeren
Umverpackung. Ferner spielt es keine Rolle, ob die Portionsverpackung neben der
bloßen Portionierung der Ware noch weitere Funktionen erfüllt, wie im vorliegen-
den Fall die Funktion, neben der Portionierung in einer speziellen Kaffeekapsel-
maschine für einen Brühvorgang zum Aufbrühen eines Kaffeegetränks verwendet
zu werden. Für eine Differenzierung zwischen einer größeren Umverpackung,
einer Portionsverpackung oder einer speziellen Portionsverpackung mit weiteren
Funktionen gibt es keinen Grund. Alle genannten Verpackungsformen verleihen
aus der maßgeblichen Sicht des Verkehrs Waren ohne eigene Form letztlich ihre
äußere Form und sind deshalb rechtlich der Warenform i. S. d. § 3 Abs. 2
MarkenG gleichzusetzen und nach dieser Vorschrift auf ihre Schutzfähigkeit hin zu
prüfen.

2. Die nach § 3 Abs. 1 MarkenG grundsätzlich markenfähige angegriffene
dreidimensionale Gestaltung ist jedenfalls nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG für die
angegriffenen Waren schutzunfähig und deshalb auf den Teilschutzentziehungs-
antrag hin zu löschen (vgl. zur Systematik von § 3 Abs. 1 und 2 MarkenG:
Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 3 Rn. 88). Insoweit kann die vom Senat in
der mündlichen Verhandlung vom 22. Juni 2017 aufgeworfene Frage, ob der Ein-
tragung möglicherweise auch das Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG
– warenartbedingte Form – entgegensteht, dahingestellt bleiben. Die angegriffene
Gestaltung besteht ausschließlich aus einer Form, die zur Erreichung einer techni-
schen Wirkung erforderlich ist. Die Bestimmung des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG
schließt es im öffentlichen Interesse aus, dass der Inhaber des Markenrechts
technische Lösungen für sich monopolisiert und dadurch Mitbewerber daran hin-
dern kann, ihre Ware mit diesen technischen Lösungen zu versehen (vgl. BGH
GRUR 2008, 510 Rn. 11 – Milchschnitte; BGH GRUR 2010, 231 Rn. 25 – Lego-
stein m. w. N.), wobei dieses Schutzhindernis – anders als die Schutzhindernisse
nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 MarkenG – auch nicht durch Verkehrsdurchsetzung
überwunden werden kann (vgl. § 8 Abs. 3 MarkenG). Technische Lösungen ste-
- 21 -
hen entweder unter dem zeitlich begrenzten Sonderschutz des Patent- oder Ge-
brauchsmusterrechts oder sie sind gemeinfrei. Durch das in § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG normierte Verbot wird sichergestellt, dass Unternehmen nicht das Mar-
kenrecht dazu missbrauchen, Schutzrechte für technische Lösungen (Patente und
Gebrauchsmuster) ohne zeitliche Begrenzung auf Dauer festzuschreiben (vgl.
EuGH GRUR Int. 2017, 140 Rn. 39 – Simba Toys [Rubik´s Cube]; GRUR Int.
2017, 623 Rn. 26 – Yoshida Metal Industry Co. Ltd./EUIPO; GRUR Int. 2010, 985
Rn. 45 – Lego; Mitt. 11/2015, 515 Rn. 45 – Kit Kat). Mit den Wörtern „ausschließ-
lich“ und „erforderlich“ stellt diese Bestimmung sicher, dass allein diejenigen Wa-
renformen von der Eintragung ausgeschlossen sind, durch die nur eine technische
Lösung verkörpert wird und deren Eintragung als Marke deshalb die Verwendung
dieser technischen Lösung durch andere Unternehmen tatsächlich behindern
würde (vgl. EuGH GRUR Int. 2017, 623 Rn. 26 – Yoshida Metal Industry Co.
Ltd./EUIPO; GRUR Int. 2010, 985 Rn. 48 – Lego). Nach ständiger Rechtspre-
chung führt das Vorhandensein eines oder mehrerer geringfügiger willkürlicher
Elemente in einem Zeichen, bei dem alle wesentlichen Merkmale durch die tech-
nische Lösung bestimmt werden, der dieses Zeichen Ausdruck verleiht, nicht aus
dem Schutzhindernis des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG hinaus (vgl. EuGH GRUR Int.
2017, 623 Rn. 27 – Yoshida Metal Industry Co. Ltd./EUIPO). Außerdem ist § 3
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG nur anwendbar, wenn alle wesentlichen Merkmale funktio-
nell sind, so dass das Schutzhindernis (im Umkehrschluss) aber nicht vorliegt,
wenn ein wichtiges nichtfunktionelles Element, wie ein dekoratives oder phanta-
sievolles Element verkörpert wird, das für diese Form von Bedeutung ist.

a. Im Rahmen der Prüfung des Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG sind zunächst die wesentlichen Merkmale der Form zu bestimmen (vgl.
EuGH GRUR Int. 2017, 140 Rn. 40 – Simba Toys [Rubik´s Cube]; GRUR Int.
2017, 623 Rn. 29 – Yoshida Metal Industry Co. Ltd./EUIPO; GRUR 2002, 804
Rn. 83 – Philips/Remington; BGH GRUR 2006, 589 Rn. 18 – Rasierer mit drei
Scherköpfen; GRUR 2010, 231 Rn. 25 – Legobaustein). Bei der Frage, was
wesentlich ist und was nicht, ist auf den Gesamteindruck abzustellen, den die
- 22 -
Form als solche, so wie sie beansprucht ist, vermittelt (EuGH GRUR 2010, 1008
Rn. 70 – Lego; Ströbele/Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 3 Rn. 119, 123 ff.). Für die
Ermittlung, welche Merkmale wesentlich sind, kommt es auf die Verkehrsauffas-
sung an (vgl. BPatG, GRUR 2011, 68 – Goldhase in neutraler Aufmachung) und
sie erfolgt jedenfalls bei nicht allzu schwierig gelagerten Fällen anhand der visuel-
len Prüfung des Zeichens (EuGH GRUR 2010, 1008 Rn. 71 – Lego). Die ange-
sprochenen Verkehrskreise der angegriffenen Waren „Kaffee“ bzw. der „Kaf-
fee(ersatz)produkte“ sind die Endverbraucher.

b. Vorliegend sind die augenfälligen Merkmale der angegriffenen Waren- bzw.
Verpackungsform nach dem Gesamteindruck aus Sicht der Verbraucher, zu
denen auch die Mitglieder des Senats gehören, die Wahl zweier aufeinander plat-
zierter Kegelstümpfe (die auch als Doppelkonus bezeichnet werden können; in der
maßgeblichen Patentschrift DE 27 52 733 C 2 werden Kegelstümpfe als Konus
bezeichnet) – im Folgenden unter Punkt c. Unterpunkt aa. abgehandelt – mit
einem auf der unteren bzw. auf einer Seite den größeren Kegelstumpf umgeben-
den, nach außen verlaufenden Ring, ähnlich einer Hutkrempe (sogenannter
Flansch) – im Folgenden unter Punkt c. Unterpunkt bb. abgehandelt –. Diesbezüg-
lich besteht zwischen den Beteiligten auch Einigkeit über die Wesentlichkeit dieser
Merkmale.

Auf den Zeichnungen, die der Internationalen Registrierung zugrunde liegen, ist
zudem zu sehen, dass die Kapsel bei der Darstellung im oberen Bereich plan
abgeschlossen ist (versehen mit einem schwarzen Punkt oder einer punktförmigen
Vertiefung) und im unteren, dem mit umlaufenden Ring versehenen Kapselbereich
eine geringe nach unten gehende Wölbung aufweist, die nur bei sehr genauer Be-
trachtung und bei seitlicher Draufsicht überhaupt zu sehen ist. Soweit die Mar-
keninhaberin geltend macht, dass es sich sowohl bei dem Abschluss im (nach der
Zeichnung) oberen Kapselbereich wie auch bei der leichten Wölbung im (nach der
Zeichnung) unteren Kapselbereich um wesentliche charakteristische Merkmale
der Markenform handelt, handelt es sich nach Auffassung des Senats lediglich um
- 23 -
geringfügige willkürliche Elemente, die schon deshalb aus dem Schutzhindernis
nicht herausführen. Letztendlich kann diese Frage aber dahingestellt bleiben, weil
es sich auch bei den konkreten Gestaltungen um solche mit einer bloßen techni-
schen Funktion handelt (im Folgenden unter Punkt c. Unterpunkt cc. und dd.
abgehandelt).

c. Um die Funktionalität eines Zeichens im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG zu prüfen, müssen die wesentlichen Merkmale einer Form im Hinblick
auf die technische Funktion der betreffenden konkreten Ware bzw. deren Verpa-
ckung beurteilt werden (vgl. EuGH GRUR Int. 2017, 140 Rn. 46 – Simba Toys
[Rubik´s Cube]). Für die Zwecke dieser Prüfung ist zwar von der betreffenden
Form, wie sie grafisch dargestellt ist, auszugehen, diese Prüfung kann jedoch
nicht vorgenommen werden, ohne gegebenenfalls die zusätzlichen mit der Funk-
tion der fraglichen konkreten Waren zusammenhängenden Elemente zu berück-
sichtigen (vgl. auch zur Maßgeblichkeit der Funktionsweise der Ware: EuGH Mitt.
2015, Rn. 55 – Kit Kat). Insoweit kann bei der vertieften Prüfung der funktionellen
Merkmale einer Gestaltung, anders als die Markeninhaberin meint, auch auf
zusätzliche Informationen über die tatsächliche Ware zurückgegriffen werden (vgl.
EuGH GRUR Int. 2017, 140 – Rn. 46 ff. – Simba Toys [Rubik´s Cube]). Die tech-
nische Wirkung einer Warenform kann, entgegen der Auffassung der Markeninha-
berin, in der Regel nicht allein anhand der geschützten Form beurteilt werden,
sondern nur dann, wenn auf den bestimmungsgemäßen Gebrauch abgestellt wird.
Die streitgegenständliche dreidimensionale Gestaltung ist eine (geschlossene)
Portionsverpackung für Kaffee, Kaffeeextrakte oder Kaffeeersatzprodukte für eine
Getränkemaschine, bei der zur Funktion gehört, dass das in der Kapsel enthaltene
Kaffeeprodukt extrahiert wird. Die Frage, ob den oben genannten wesentlichen
Merkmalen der angegriffenen dreidimensionalen Gestaltung technische Wirkun-
gen zuzuschreiben sind, ist objektiv, also unabhängig von der Verkehrsauffassung
vorzunehmen (EuG, MarkenR 2009, 75 Rn. 70 – Roter Lego-Stein; Ströbele/
Hacker, MarkenG, 11. Aufl., § 3 Rn. 125). Die technische Funktionalität der Merk-
male einer Form kann insbesondere unter Berücksichtigung der Unterlagen über
- 24 -
etwa vorbestehende Schutzrechte, die die funktionellen Elemente der betreffen-
den Form beschreiben, beurteilt werden (EuGH, GRUR 2010, 1008 Rn. 85
– Lego; BGH GRUR 2006, 589 Rn. 20 – Rasierer mit drei Scherköpfen). Eine sol-
che Unterlage stellt die Patentschrift DE 27 52 733 mit einer Priorität vom
17. Dezember 1976 (Anmeldetag 25. November 1977 – Anlage 1 zum Antrag auf
teilweise Schutzentziehung vom 7. Oktober 2011) dar. Der Gegenstand der Erfin-
dung ist eine mit den Figuren 1 und 2 (Zeichnungen Blatt 1) dargestellte „gemah-
lenen Kaffee enthaltende Patrone für eine Getränkemaschine“, deren Darstellung
zu der Abbildung der angegriffenen dreidimensionalen Gestaltung in der Seiten-
ansicht im Wesentlichen identisch ist. Aus der Patentschrift geht hervor, dass eine
Patrone dieser Art bereits aus der DE-OS 22 58 462 bekannt ist und der Erfin-
dungsgegenstand deren Weiterbildung ist, mit der in einfacher Weise ein Filter-
kaffee hergestellt werden kann. Insbesondere sollte ein richtiges Durchströmen
des Filters zur Herstellung eines gefilterten Getränks ermöglicht werden (Patent-
schrift Seite 2 linke Spalte Absatz 2 nach den Patentansprüchen).

aa. Aus der genannten Patentschrift geht hervor, dass das Merkmal der Kegel-
stumpfform der Erreichung einer technischen Funktion dient. Der Erfindungsge-
genstand der gemahlenen Kaffee enthaltenden Patrone besteht aus der Form
eines Korpus mit spitzwinkeliger Kegelstumpfform, der an seinem kleineren Ende
(= Deckfläche) in einen stumpfwinkeligen Konus übergeht. Die erfindungsgemäße
Patrone wird beschrieben wie folgt:

„Gemäß den Zeichnungen besteht die Patrone aus einem Korpus aus
Aluminiumblech mit einer Stärke von … . Sie besitzt eine spitzwinkelige
Kegelstumpfform und an der Unterseite einen Flansch. Die Konizität in
Bezug auf die Achse beträgt 2 bis 20°, vorzugsweise etwa 10° (das ergibt
einen Winkel an der Spitze von 20°). Auf diese Weise wird eine verbes-
serte Widerstandsfähigkeit gegen Verbeulen erreicht. Außerdem wird die
Entnahme der Patrone aus ihrem Sitz nach der Anwendung erleichtert.
Der Korpus geht an seinem kleineren Ende in einen stumpfwinkeligen Ko-
- 25 -
nus über. Dieses Ende weist außerdem eine Ausnehmung von etwa
zylindrischer Form auf. Der Boden dieser Ausnehmung ist geschwächt.
Der Flansch ist durch Umbördeln des Korpus um eine Membran ausgebil-
det, welche den Boden bildet. In der Nachbarschaft der Membran befindet
sich ein Filter. Der Korpus und die Membran sind miteinander versiegelt.“
(Seite 3, rechte Spalte, Zeilen 28 bis 47)

Die Form des Doppelkonus bzw. der beiden aufeinander gesetzten Kegelstümpfe
dient nach der Patentschrift also dem technischen Zweck, eine verbesserte Wi-
derstandsfähigkeit gegen ein Verbeulen der Kapsel (insbesondere beim erfin-
dungsgemäßen Perforieren der Kapsel durch den dafür vorgesehenen Dorn) zu
erreichen und ein Entfernen der Kapsel aus der Maschine zu erleichtern.
Auch bei dem im oberen Bereich der dreidimensionalen Gestaltung befindlichen
stumpfwinkeligen Kegel, durch den sich das Produkt der Inhaberin der angegriffe-
nen Marke tatsächlich auch von den Konkurrenzprodukten unterscheidet, handelt
es sich um eine Ausgestaltung, die der Funktion der Kapsel geschuldet ist. Dass
diese konkrete Gestaltung möglicherweise daneben auch ein auch aus Sicht der
Verbraucher charakteristisches Merkmal der Produkte der Markeninhaberin dar-
stellt oder dazu führt, dass sich die Haptik der Kapseln als ansprechend erweist,
ist im Rahmen der Beurteilung eines Schutzhindernisses nach § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG nicht relevant bzw. nicht entscheidungserheblich. Der Übergang des
spitzwinkeligen Kegelstumpfes an seiner Deckfläche in einen stumpfwinkeligen
Kegelstumpf, bei dem die Grundfläche auf der Deckfläche des spitzwinkeligen Ke-
gelstumpfes steht, dient, wie der von der Markeninhaberin in der mündlichen Ver-
handlung vom 22. Juni 2017 mitgebrachte Mitarbeiter der N… Ltd. V…
bestätigt hat, durch den aufgrund der unterschiedlichen Winkelmaße erreichten
seitlichen Knick einer verbesserten Stabilität der Kapsel. Die (Weiter)Entwicklun-
gen bis zur bevorzugten Ausführungsform der Kapsel beginnend bei der in
DE-OS 22 58 462 aufgezeigten topf- oder schalenförmigen (ohne Übergang in
einen stumpfwinkeligen Kegelstumpf) Ausgestaltung über die Patentschrift
DE 27 52 733 mit eben jener Ausgestaltung eines im oberen Ende befindlichen
- 26 -
stumpfwinkeligen Konus, bis zu der sich in der Übersetzung der europäischen
Patentschrift EP 0 554 469 B1 (DE 692 00 472 T 2 – Anlage 2 zum Antrag auf
teilweise Schutzentziehung vom 7. Oktober 2011) noch weiter entwickelten Kap-
seldarstellung, die der angegriffenen Darstellung entspricht, zeigen, dass dieses
Merkmal der Gestaltung für den stattfindenden Brühvorgang und die Herstellung
eines trinkfertigen Kaffeeendprodukts in einer hohen Qualität mit maßgeblich oder
gar erforderlich ist (DE 27 52 733 Figur 2). Denn gemäß des in der Patentschrift
ausgeführten Brühvorgangs (Zeilen 60 ff.) wird diese (nicht mit Kaffee befüllte)
Oberseite durch einen Dorn perforiert, das Wasser unter Druck durch den Dorn
eingeführt und mit dem gemahlenen Kaffee unter verhältnismäßig hohem Druck
vermischt und durchströmt, um den Abfluss des so entstandenen Kaffees in einer
vorbestimmten und geregelten Weise und regelmäßigen Durchfluss zu ermögli-
chen. Dabei stellt sich diese Ausführungsform der Kaffeekapsel als die für das
Extraktionsverfahren bevorzugte Form dar.

Die Form der aufeinandergesetzten Kegelstümpfe (Doppelkonus) hat auch für den
technischen Laien ersichtlich erhebliche technische Vorteile. Zur Herstellung eines
optimalen Kaffeeprodukts mit Kaffeekapseln sind einige wenige Faktoren von Be-
deutung.

Da der Kaffee in einer Portionskaffeekapsel zur Verwendung in einer Kaffeekap-
selmaschine nur in gemahlener Form verwendet werden kann, ist es von großer
Bedeutung, dass das Kaffeepulver in der Kaffeekapsel luftdicht abgeschlossen ist,
weil der gemahlene Kaffee bei Luftzufuhr sehr schnell sein Aroma verliert. Ge-
mahlener Kaffee in größeren Packungen wird auch im Handel stets luftdicht ver-
packt angeboten.

Bei der Perforierung der Kaffeekapsel im Zusammenhang mit nachfolgendem
Brühvorgang unter hohem Druck ist es von entscheidender Bedeutung, dass die
Kaffeekapsel durch die Perforierung nicht verformt wird. Denn wenn dies
geschieht und dadurch das Kaffeepulver in der Kapsel verpresst wird, ist der
- 27 -
Durchfluss des heißen Wassers erschwert, damit der Brühvorgang ungünstig
beeinflusst und ein optimaler Geschmack des Kaffeegetränks nicht mehr gewähr-
leistet.

Die Stabilität der Kapsel kann durch die Materialwahl, die Stärke des Materials
und die Form der Kapsel gewährleistet werden. Die hier zu beurteilende Kapsel-
form leistet aus technischer Sicht einen wertvollen Beitrag für die Stabilität Kapsel,
so dass härtere Materialen bzw. größere Wandstärken bei der Kapsel, die zudem
die Perforierung unmittelbar vor dem Brühvorgang erschweren würden, vermieden
werden können.

Die verbesserte Widerstandsfähigkeit gegen Verbeulen wird in der Patentschrift
DE 27 52 733 (dort Zeilen 28 bis 36) ausdrücklich genannt, ohne dass vorstehend
beschriebene Nachteile beim Verbeulen der Kapsel für den Brühvorgang und die
die Vorteile der Gestaltung mit dem Doppelkegelstumpf bzw. Doppelkonus in Be-
zug auf die Stabilität im Einzelnen erläutert werden. Bei unterstellt gleicher Mate-
rial- und Wandstärkenwahl ist bei einer zylindrischen Kapselform mit identischer
(runder) Grund- und Deckfläche und dazu senkrecht verlaufender Mantelfläche
das Verformungs- bzw. Verbeulungsrisiko mit den vorstehend beschriebenen
Nachteilen beim Perforieren der Deckfläche deutlich größer als bei der streitge-
genständlichen Gestaltung. Bei der streitgegenständlichen Gestaltung weist die
Deckfläche des aufgesetzten zweiten kleineren Kegelstumpfes, die erfindungsge-
mäß in der Kaffeekapselmaschine durch einen Dorn perforiert wird, im Vergleich
zur Grundfläche des unteren größeren Kegelstumpfes, welcher der Grund- und
Deckfläche einer zylindrischen Kapsel entsprechen würde, eine wesentlich klei-
nere Deckfläche auf. Es erschließt sich von selbst, dass bei einer senkrecht von
oben durch einen Perforierungsdorn ausgeübten Kraft, das Gesamtpotential in
Bezug auf ein Verbeulen bei einer großen ebenen Fläche sehr viel größer ist, als
bei einer kleinen Fläche. Bei der streitgegenständlichen Gestaltung wird die mittig
senkrecht auf die kleine Fläche ausgeübte Kraft im Übrigen durch die schräg nach
unten verlaufenden Mantelflächen der beiden Kegelstümpfe zweistufig abgeführt.
- 28 -
Die senkrecht auf die Mantelflächen wirkenden Kräfte, die in erster Linie für eine
Verformung und das Einbeulen der Flächen verantwortlich sind, sind dabei deut-
lich geringer als die senkrecht auf die Deckfläche des oberen Kegelstumpfes wir-
kende Einpresskraft des Perforierungsdorns, was schon durch ein einfaches
Kräfteparallelogramm veranschaulicht werden kann.

Hinzu kommt vorliegend, dass die bei der beanspruchten Gestaltung vorhandenen
beiden umlaufenden runden Kanten oder Knicke an der Deckfläche und an der
Grundfläche des oberen kleineren Kegelstumpfes eine zusätzliche Versteifung der
Gesamtkonstruktion der Kapsel bedeuten, die dem Risiko einer Verformung bzw.
Verbeulen der Kapsel mit den beschriebenen Nachteilen für den Brühvorgang
entgegenwirken.

Die streitgegenständliche Kapselform mit zwei aufeinander gesetzten Kegel-
stümpfen (Doppelkonen) weist in einem etwas abgeschwächten Umfang auch
deutliche Vorteile gegenüber einer Kapselform auf, die nur aus einem spitzwinke-
ligen Kegelstumpf (einfacher Konus) ohne den aufgesetzten zweiten kleineren
stumpfwinkligen Kegelstumpf besteht. Denn auch hier ist die für die Perforierung
vorgesehene Deckfläche des einfachen Kegelstumpfes bei unterstellt ähnlichen
Größenverhältnisse wesentlich größer als beim streitgegenständlichen Doppelko-
nus mit den bereits beschriebenen erheblichen Nachteilen in Bezug auf das Risiko
der Verformung bzw. des Verbeulens der Kapsel.

bb. Das unstreitig zweite wesentliche Merkmal der Gestaltung, die in der münd-
lichen Verhandlung vom 22. Juli 2017 als Hutkrempe bzw. technisch als Flansch
bezeichnete, an der Unterseite der Gestaltung befindliche ringförmig angeordnete
Umrahmung des Konus hat ebenso eine technische Funktion. Denn sie dient zum
einen der Festigkeit und Stabilität des Kapselkorpus selbst und hilft, wie aus der
Beschreibung in der Patentschrift DE 27 52 733 (Zeile 10 ff.) hervorgeht, bei ihrer
Verwendung in einer Getränkemaschine beim Einspannen der Kapsel und gibt ihr
den erforderlichen Halt vor einem Verschieben der Kapsel. Aus der Offenlegungs-
- 29 -
schrift 22 58 462, auf die in der in das Verfahren eingeführten Patentschrift
DE 27 52 733 verwiesen wird, geht hervor, dass für den Brühvorgang ein fester
Sitz der Kapsel unerlässlich ist und der darin als Randleiste genannte Ring dem
Schutz vor einem Verschieben dient, eine Verformung des Außenumfangs verhin-
dert und das kontrollierte Zerreißen der dazwischen eingefügten Membran/des
Filters ermöglicht (vgl. OS 22 58 462 Seite 2 letzter Abschnitt sowie Seite 4 Ab-
satz 2, Seite 7 oben; Patentansprüche Seite 15). Aus den genannten Patent-
schriften geht zudem hervor, dass der Ring auch erforderlich ist, um die Membran
bzw. den Filter am Korpus, also an der Patrone selbst zu befestigen (vgl. z. B.
unter anderem DE 27 52 733 Patentansprüche Punkt 1), dazu bedarf es auch des
Umbördelns des Endes der Kapsel um den Rand der Membrane am Korpus zu
befestigen (DE 27 52 733 Seite 3 Beschreibung linke Spalte letzter Absatz). Bei
dieser Umbördelung selbst handelt es sich allerdings um kein Merkmal der ange-
griffenen Gestaltung, weil sie auf den eingereichten Abbildungen, die den Schutz-
gegenstand darstellen und markenrechtlich definieren, nicht erkennbar sind.

Somit haben alle nach der Verkehrsanschauung wesentlichen Merkmale der drei-
dimensionalen Verpackungsgestaltung allein eine technische Funktion.

cc. Sofern der Markeninhaberin darin gefolgt wird, dass der deckelartige Ab-
schluss an dem oberen Ende der Verpackungsgestaltung als ein nach dem Ge-
samteindruck wesentliches Merkmal angesehen wird, handelt es sich auch dabei
um ein Merkmal mit einer technischen Funktion. Diese Ausnehmung ist in den
Patentansprüchen (Patentanspruch Nr. 4) der Patentschrift DE 27 52 733 aufge-
führt. Der Boden der Ausnehmung wird als geschwächt beschrieben. Nach der
Beschreibung des Brühvorgangs wird in diese Ausnehmung ein Dorn der Kaffee-
maschine eingeführt und dadurch die Oberseite der Kaffeekapsel perforiert, wäh-
renddessen eine Dichtung in die Ausnehmung der Patrone eingeführt wird. Zudem
führt die plane Gestaltung des Deckels dazu, dass die Kapsel auch auf dieser
Seite stehen kann.

- 30 -
Der Umstand, auf den die Markeninhaberin hinweist, wonach die konkrete Ge-
staltung schon deswegen nicht technisch bedingt sei, weil die heutigen Kaffeema-
schinen nicht mehr über den einzigen mittigen Aufstechdorn, sondern über drei
seitlich die Kapsel perforierende Dorne verfügten, über die mit einem bestimmten
Druck eine Mischung aus Wasser und Luft eingeführt würde, führt zu keiner ande-
ren Bewertung. Letztlich führt der Wegfall von technischen Funktionen von Merk-
malen einer Gestaltung aufgrund der Fortentwicklung der Technik in der Regel
nicht dazu, dass diese Merkmale nicht mehr als technisch i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG zu beurteilen wären. Auch veraltete technische Merkmale sind unter
dem Gesichtspunkt einer überholten Technik in der Regel technischer Natur. Vor-
liegend kommt hinzu, dass nach wie vor zahlreiche ältere Kaffeekapselmaschinen
in Gebrauch sein dürften, bei denen die „alte“ Perforierungstechnik mit nur einem
Dorn noch implementiert ist.

Auch wenn es im vorliegenden Verfahren nicht entscheidungserheblich ist, weist
die beanspruchte Kapselform auch im Zusammenhang mit der Verwendung der
aktuell auf dem Markt angebotenen Kaffeekapselmaschinen mit drei Perforie-
rungsdornen, welche die Kapsel im Bereich der Mantelfläche des oberen zweiten
kleineren stumpfwinkligen Kegelstumpf perforieren, Vorteile gegenüber Kaffee-
kapseln auf, die eine zylindrische Form oder nur eine einfache Kegelstumpfform
aufweisen. Insoweit kann auf die vorstehend unter 2. c. aa. beschriebenen Vorteile
der beanspruchten Kapselbauart verwiesen werden.

dd. Der Auffassung der Markeninhaberin, wonach es sich bei der jedenfalls
nach der eingereichten Darstellung kaum wahrnehmbaren Wölbung am unteren
Ende der Kaffeekapsel um ein wesentliches Merkmal handele, kann nicht gefolgt
werden. Die leichte Außenwölbung im unteren Kapselbereich ist so gering, dass
sie mehr zu ahnen als tatsächlich zu erkennen ist. Damit handelt es sich schon
vom optischen Eindruck her um kein relevantes Merkmal der Gestaltung. Selbst
wenn aber von der gegenteiligen Auffassung ausgegangen wird, ist die leichte
Ausbuchtung dem in der Kapsel herrschenden Innendruck geschuldet, der nach
- 31 -
dem Befüllen und Verschließen der Kapsel durch das Ausgasen des Kaffeepul-
vers entsteht, so dass die geringe Wölbung jedenfalls eine rein technische Ursa-
che hat bzw. ihr damit auch eine technische Funktion i. S. d. § 3 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG zukommt. Auf diesen Zusammenhang hat der von der Markeninhaberin
mitgebrachte Mitarbeiter der N… Ltd. V… in der mündlichen Verhandlung
vom 22. Juni 2017 hingewiesen.

Als Ergebnis kann abschließend festgehalten werden, dass alle wesentlichen und
darüber hinaus auch die nur von der Markeninhaberin als wesentlich angesehe-
nen Merkmale der angegriffenen dreidimensionalen Verpackungsgestaltung alle-
samt solche sind, die eine technische Funktion erfüllen. Nicht-funktionale Merk-
male der dreidimensionalen Gestaltung, die für den Gesamteindruck der Form
wesentlich sind, sind nicht ersichtlich.

d. Der Umstand, dass zahlreiche alternative Kaffeeportionskapseln existieren,
die keinen doppelkonusförmigen Korpus oder die eine Vorperforierung aufweisen,
erlaubt, anders als die Markeninhaberin meint, nicht den Rückschluss, dass die
angegriffene dreidimensionale Gestaltung deswegen nicht dem Schutzhindernis
des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG unterfällt, zumal die Gestaltung bislang patent- bzw.
markenrechtlich geschützt war. Auch wenn den Mitbewerbern andere Gestal-
tungsalternativen zur Verfügung stehen, um eine bestimmte technische Wirkung
und hier die Kompatibilität mit einer sogar ganz bestimmten Kaffeemaschine zu
erzielen und insoweit die konkret beanspruchte Ausgestaltung nicht die einzige ist,
um eine bestimmte technische Wirkung zu erzielen, findet das Schutzhindernis
des § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG Anwendung. Denn nach der ständigen Rechtspre-
chung des EuGH geht es bei dem in § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (der Art. 3 Abs. 1
Buchstabe e) Nr. ii MarkenRL entspricht) normierten Schutzausschluss nicht
darum, eine Warenform vom Schutz auszuschließen, die ausschließlich aus tech-
nisch notwendigen Merkmalen besteht, so dass das Vorhandensein alternativer
Möglichkeiten zur Erreichung der gleichen technischen Wirkung nicht aus dem
Schutzhindernis herausführt. Vielmehr umfasst das Schutzhindernis alle Waren-
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formen, deren wesentliche Merkmale eine technische Funktion erfüllen (vgl. z. B.
EuGH GRUR 2002, 804 Rn. 78 bis 81 – Philips/Remington; GRUR Int. 2017, 623
– Rn. 28 – Yoshida Metal Industry; BGH GRUR 2006 589 Rn. 18; ebenso Aufsatz
von Hacker, Stokke und Marke, WRP 2015, 399 Rn. 9 ff.). Davon ist nach den
oben gemachten Ausführungen aber auszugehen.

e. Zur Feststellung der technischen Funktion der als wesentlich angesehenen
Merkmale der angegriffenen Portionskapsel für die Waren „Kaffee, Kaffeeextrakte
und kaffeebasierte Zubereitungen und Kaffeeersatz sowie artifizielle Kaffeeex-
trakte“ bedurfte es auch nicht der Einholung eines Sachverständigengutachtens.
Denn der Senat konnte nach umfassender Würdigung der von der Antragstellerin
vorgelegten Patentschriften die Frage der Funktionalität der Merkmale in eigener
Sachkunde ohne weiteres beurteilen. Der Erfindungsgegenstand der Patentschrif-
ten und die insbesondere darin enthaltenen Figuren stimmen nahezu identisch mit
der Abbildung der streitgegenständlichen International registrierten Gestaltung
überein. Aus den Patentschriften war die Weiterentwicklung der Kapsel zu dieser
technisch bevorzugten Gestaltung, die der verfahrensgegenständlichen Abbildung
der dreidimensionalen Marke entspricht, problemlos nachzuvollziehen, wobei
keine besonders schwierigen technische Fragestellungen aufgeworfen waren.

Im Übrigen verfügen die Senatsmitglieder des erkennenden Senats als Juristen
auch ohne technisches Studium über ein überdurchschnittliches technisches Ver-
ständnis und erhebliche technische Kenntnisse, was angesichts der Tatsache,
dass sie an einem Patentgericht tätig sind, selbstverständlich ist.

3. Da schon das Schutzhindernis nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG vorliegt,
kann dahinstehen, ob auch der Schutzentziehungsgrund gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG gegeben ist.

4. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, das Verfahren auf den Antrag der
Markeninhaberin hin wegen Vorgreiflichkeit im Hinblick auf zwei derzeit beim BGH
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anhängige Löschungsbeschwerdeverfahren I ZB 105/16 (Rechtsbeschwerdever-
fahren in Bezug auf die Entscheidung 25 W (pat) 78/14 – Quadratische Schokola-
dentafelverpackung) und I ZB 4/17 (Rechtsbeschwerdeverfahren in Bezug auf die
Entscheidung 25 W (pat) 59/14 – Traubenzuckertäfelchen) auszusetzen. Denn
eine Vorgreiflichkeit der Entscheidungen in diesen Verfahren im Sinn des § 82
Abs. 1 MarkenG i. V. m. § 148 ZPO ist nicht ersichtlich. Soweit in Teilbereichen
eine ähnliche Konstellation gegeben und ähnliche Rechtsfragen zu beurteilen sein
könnten, stellt diese keine Vorgreiflichkeit und keinen Aussetzungsgrund dar. So-
weit die Markeninhaberin als Aussetzungsgrund auf offene Rechtsfragen in ent-
sprechender Anwendung von § 82 Abs. 1 Satz 1 MarkenG i. V. m. § 148 ZPO
hinweist, kommt dies regelmäßig nur dann in Betracht, wenn ein Vorlageverfahren
beim EuGH anhängig ist (ständige RSpr. siehe dazu Ströbele/Hacker, MarkenG,
11. Aufl., § 82 Rn. 59 m. w. N. bzw. auch zuletzt BGH Beschlüsse vom
28. September 2016 in den Verfahren KZR 64/15 bis KZR 72/15).

5. Eine Pflicht gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV zur Vorlage an den EuGH
bestand schon deshalb nicht, weil der Senat die Rechtsbeschwerde zugelassen
hat und demzufolge nicht letztinstanzlich entschieden hat.
Die Vorlage an den EuGH zur Vorabentscheidung war auch nicht nach Art. 267
Abs. 2 AEUV angezeigt. Wie ausgeführt, hat der EuGH in mehreren Entscheidun-
gen zur Schutzfähigkeit dreidimensionaler Gestaltungen eingehend dazu Stellung
genommen, dass das Vorhandensein alternativer Gestaltungsmöglichkeiten zur
Erreichung einer technischen Wirkung nicht zum Wegfall des Schutzausschlie-
ßungsgrundes gemäß § 3 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG (bzw. des Art. 3 Abs. 1 Buch-
stabe e) Nr. ii MarkenRL) führt. Die bisherige Rechtsprechung des BGH und des
Bundespatentgerichts steht damit in Einklang (vgl. z. B. BGH, GRUR 2010, 231
Rn. 25 – Legostein). Auch in der jüngsten Entscheidung des EuGH vom
11. Mai 2017 (GRUR Int. 2017, 623 – Yoshida Metal Industry/EUIPO) wird erneut
klargestellt, dass die Voraussetzung, dass eine Warenform von der Markeneintra-
gung ausgeschlossen werden kann, wenn sie zur Erreichung der gewünschten
technischen Wirkung erforderlich ist, nicht bedeutet, dass die betreffende Form die
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einzige sein muss, die die Erreichung dieser Wirkung erlaubt (dort Rn. 28 mit Ver-
weis auf EuGH GRUR 2010, 1008 – Lego). Der von der Markeninhaberin ange-
führte Gesichtspunkt betrifft daher keine Rechtsfrage, die nach Art. 267 AEUV
eine Vorlage an den EuGH erfordern würde.

6. Zur Auferlegung von Kosten auf einen Beteiligten aus Billigkeitsgründen
gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 MarkenG besteht kein Anlass.

7. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt nach § 83 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG.


III.

Rechtsmittelbelehrung:

Da die Rechtsbeschwerde zugelassen ist, können die am Beschwerdeverfahren
Beteiligten gegen diesen Beschluss das Rechtsmittel der Rechtsbeschwerde ein-
legen. Sie kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verlet-
zung des Rechts beruht.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe, durch einen beim
Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten schriftlich
oder in elektronischer Form einzulegen.


Knoll Kriener Dr. Nielsen


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