23 W (pat) 56/17  - 23. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:201017B23Wpat56.17.0


BUNDESPATENTGERICHT



23 W (pat) 56/17
_______________________
(Aktenzeichen)



B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache








betreffend die Patentanmeldung 197 81 101.9

hat der 23. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in
der Sitzung vom 20. Oktober 2017 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dipl.-Phys. Dr. Strößner und der Richter Dipl.-Phys. Brandt,
Dipl.-Phys. Dr. Friedrich und Dr. Himmelmann

beschlossen:

Die Beschwerdegebühr nach dem Patentkostengesetz wird nicht
zurückgezahlt.

2
G r ü n d e

I.

Die Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent- und Markenamts hat
mit Beschluss vom 3. Mai 2017, der dem patentanwaltlichen Vertreter der Anmel-
derin am 8. Mai 2017 zugegangen ist, die Patentanmeldung mit dem amtlichen
Aktenzeichen 197 81 101.9 gemäß § 48 PatG aus den Gründen des Bescheids
vom 8. Juli 2015, auf den sie verwiesen hat, zurückgewiesen.

Mit Prüfungsbescheid vom 8. Juli 2015 hat die Prüfungsstelle als formalen Mangel
missbilligt, dass die Anmelderin der Aufforderung, druckfähige Unterlagen einzu-
senden, nur eingeschränkt nachgekommen sei. Anspruch 1 genüge durch man-
gelhafte grammatikalische Formulierung im kennzeichnenden Teil nicht den An-
forderungen, derer es für eine Patenterteilung bedürfe. In den Unteransprüchen 7
und 11 sei von einem „Halterechen“ die Rede, so dass der Begriff „Haltemittel“ des
Hauptanspruchs nicht durchgängig verwendet werde. In der Ausgestaltung des
unabhängigen Anspruchs 1 durch geeignete Merkmalskombinationen der Unter-
ansprüche 2 bis 11 sei die Abgrenzung zwischen Oberbegriff und kennzeichnen-
dem Teil nicht eindeutig, wodurch die Unteransprüche in ihrer jetzigen, zweiteili-
gen Form nicht gewährbar seien. Gleiches gelte für die Ausgestaltung des unab-
hängigen Anspruchs 13 durch geeignete Merkmalskombinationen der Unteran-
sprüche 14 bis 17. Somit sei eine Patenterteilung ohne eine entsprechende Klar-
stellung nicht möglich, da über eine Anmeldung nur einheitlich entschieden wer-
den könne.

Im Blick auf die Patentfähigkeit hat die Prüfungsstelle mit Prüfungsbescheid vom
8. Juli 2015 ausgeführt, der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 sei, soweit er
klar sei, nicht patentfähig, weil Anspruch 1 im Blick auf eine Kombination der
Druckschriften 1 (WO 96/12 294 A1) und 4 (US 4 839 028 A) nicht erfinderisch sei,
was die Prüfungsstelle im Einzelnen erläutert hat. Die Merkmale der Unteransprü-
che 2 bis 6 und 8 bis 11 seien weder für sich noch in Kombination miteinander ge-
eignet, die Patentfähigkeit eines entsprechend eingeschränkten Schutzbegehrens
des bezogenen Anspruchs zu begründen. Zu den Unteransprüchen 7 und 12, so-
weit sie klar seien, sei nichts Patenthinderndes ermittelt worden. Die Patentfähig-
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keit des klargestellten unabhängigen nebengeordneten Anspruchs 13 sei bereits
in Aussicht gestellt worden. Mit dem Anspruch 13 seien auch dessen Unteran-
sprüche voraussichtlich patentfähig. Mit den vorliegenden Unterlagen sei eine Pa-
tenterteilung nicht möglich; vielmehr sei bei Fortbestehen o. g. Patenthinde-
rungsgründe mit der Zurückweisung der Anmeldung zu rechnen. Auf fakultative
Merkmale in den abhängigen Ansprüchen 8, 11, 14 und 15 werde nachrichtlich
hingewiesen. Diese Ansprüche seien in ihrer jetzigen Form keinesfalls geeignet,
eine Patentfähigkeit eines unabhängigen Anspruchs durch ihre wörtliche Über-
nahme herzustellen. In dem Anschreiben vom 8. Juli 2015 zum Prüfungsbescheid
vom 8. Juli 2015 ist der Anmelderin eine Frist zur Äußerung von 6 Monaten ge-
währt worden.

Nach einem Fristverlängerungsantrag der Anmelderin vom 16. Mai 2016 ist die
Äußerungsfrist seitens der Prüfungsstelle mit Schreiben vom 18. Mai 2016 bis
zum 12. September 2016 verlängert worden. Mit an den patentanwaltlichen Ver-
treter der Anmelderin am 20. Oktober 2016 per Empfangsbekenntnis versendeten
Bescheid vom 18. Oktober 2016 hat die Prüfungsstelle der Anmelderin nochmals
eine Frist von 1 Monat gewährt. Der Bescheid vom 18. Oktober 2016 ist dem pa-
tentanwaltlichen Vertreter der Anmelderin nach vergeblichen Zustellungsversu-
chen am 23. Februar 2017 durch Postzustellungsurkunde zugestellt worden.

Nach Ablauf der Frist hat die Prüfungsstelle die Anmeldung durch Beschluss vom
3. Mai 2017 aus den Gründen des Bescheids vom 8. Juli 2015 zurückgewiesen.

Mit Verfahrensstandstag vom 3. Mai 2017 gilt die Anmeldung jedoch wegen Nicht-
zahlung der Jahresgebühr bereits als zurückgenommen (§ 58 Abs. 3 PatG i. V. m.
§ 7 Abs. 1 PatKostG), was am 27. Juli 2017 in dem beim Deutschen Patent- und
Markenamt geführten Patentregister veröffentlicht worden ist.

Die Anmelderin hat durch ihren patentanwaltlichen Vertreter am 6. Juni 2017 ge-
gen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L vom 3. Mai 2017 gegen-
über dem Deutschen Patent- und Markenamt Beschwerde eingelegt und am sel-
ben Tag die Gebühr im Beschwerdeverfahren nach § 2 Abs. 1 Anlage B. I.
Nr. 401 300 PatKostG in Höhe von 200 € gezahlt. Nachdem das Deutsche Patent-
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und Markenamt der Beschwerde nicht abgeholfen hat, hat es diese dem Bundes-
patentgericht vorgelegt.

Mit Schreiben vom 6. August 2017, per Fax im Bundespatentgericht eingegangen
am 7. August 2017, hat die Anmelderin durch ihren patentanwaltlichen Vertreter
die Beschwerde zurückgenommen und die Rückerstattung der Beschwerdegebühr
beantragt.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Es war nach § 80 Abs. 3 PatG nicht anzuordnen, dass die Beschwerdegebühr
nach dem Patentkostengesetzes zurückgezahlt wird, weil eine Rückzahlung der
Beschwerdegebühr nicht der Billigkeit entspricht.

Das Bundespatentgericht kann nach § 80 Abs. 3 PatG von Amts wegen anordnen,
dass die Beschwerdegebühr zurückgezahlt wird. Eines Antrags bedarf es nicht.
Für die Entscheidung des Bundespatentgerichts ist billiges Ermessen maßgebend,
weil nach § 80 Abs. 3 PatG eine Rückzahlung angeordnet werden „kann.“ Die Be-
schwerdegebühr wird daher zurückgezahlt, wenn dies der Billigkeit entspricht. Die
Billigkeit der Rückzahlung kann sich unter anderem aus der Sachbehandlung
durch das Deutsche Patent- und Markenamt (z. B. sachliche Fehlbeurteilung, Ver-
fahrensfehler, Verstoß gegen Verfahrensökonomie) oder aus sonstigen Umstän-
den ergeben, die eine Einbehaltung der Gebühr als unbillig erscheinen lässt
(Schulte/Püschel, PatG, 10. Aufl. 2017, § 80 Rn. 113 f.). Die Anordnung der Rück-
zahlung ist grundsätzlich immer dann billig, wenn bei ordnungsmäßiger und an-
gemessener Sachbehandlung der Erlass eines Zurückweisungsbeschlusses nicht
in Betracht gekommen wäre und damit die Erhebung der Beschwerde sowie die
Einzahlung der Beschwerdegebühr hätten vermieden werden können (Schul-
te/Püschel, a. a. O., § 73 Rn. 135 mit umfangreichen Rechtsprechungs-
nachweisen in Fußnote 323). Die Einbehaltung der Gebühr muss der Gerechtig-
keit widersprechen (Schulte/Püschel, a. a. O., § 73 Rn. 138). § 80 Abs. 3 PatG ist
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nach § 80 Abs. 4 PatG auch anzuwenden, wenn die Beschwerde oder die Anmel-
dung zurückgenommen wird.

Die Beschwerde der Anmelderin vom 6. Juni 2017 ist mangels Beschwer unzuläs-
sig. Jedoch ergibt sich daraus kein Grund, die Beschwerdegebühr nach § 80
Abs. 3 PatG zurückzuzahlen.

Die Beschwerde der Anmelderin ist unzulässig, weil die Anmelderin nicht be-
schwert ist. Beschwer ist im deutschen Recht eine ungeschriebene Voraussetzung
für die Zulässigkeit der Beschwerde. Liegt sie vor, so ist das Rechtsschutzbedürf-
nis für die Anrufung des Bundespatentgerichts in der Regel gegeben (Schul-
te/Püschel, a. a. O., § 73 Rn. 45). Mit Verfahrensstandstag vom 3. Mai 2017 galt
nach § 58 Abs. 3 PatG i. V. m. § 7 Abs. 1 PatKostG die Anmeldung wegen Nicht-
zahlung der Jahresgebühr als zurückgenommen. Die Anmelderin hat Beschwerde
gegen den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse H01L des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 3. Mai 2017 am 6. Juni 2017 eingelegt, also zu einem Zeit-
punkt, zu dem die Anmeldung bereits als zurückgenommen galt. Nach § 73 Abs. 3
Satz 2 PatG hat das Deutsche Patent- und Markenamt dann, wenn es der Be-
schwerde nicht abhilft, sie dem Bundespatentgericht vorzulegen. Auch wenn eine
Beschwerde unzulässig ist, ist allein das Beschwerdegericht zur Entscheidung be-
fugt (BGH, X ZB 14/08, Beschluss vom 16. Dezember 2008 – Gehäusestruktur,
GRUR 2009, 521, 522 Rn. 6; Schulte/Püschel, a. a. O., § 73 Rn. 114).

Auch unzulässige Beschwerden sind jedoch existente Beschwerden und als sol-
che nicht gebührenfrei. Ist die Beschwerdeerklärung unzulässig, die Gebühr aber
rechtzeitig gezahlt, ist die Beschwerde existent und damit als solche gebühren-
pflichtig. Nur wenn sowohl die Beschwerdeerklärung als auch die Beschwerdege-
bühr nach Ablauf der Beschwerdefrist eingehen, gilt die unzulässige Beschwerde
als nicht erhoben und ist deshalb die Gebühr zurück zu zahlen (Schulte/Püschel,
a. a. O., § 73 Rn. 133 mit umfangreichen Nachweisen zur Spruchpraxis des
BPatG in den Fußnoten 318-320).

Dem steht auch die diesbezügliche Rechtsprechung des BPatG nicht entgegen.
Anders als in dem Beschluss des BPatG vom 13. November 2014
(9 W (pat) 25/13, BlPMZ 2015, 133 f., Leitsatz, Rn. 11, 12, 14) ist die Beschwer-
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degebühr hier nicht zurückzuzahlen. Denn im Zeitpunkt der Beschwerdeeinlegung
am 6. Juni 2017 hat die Anmelderin gewusst oder hätte zumindest wissen können,
dass nach § 58 Abs. 3 PatG i. V. m. § 7 Abs. 1 PatKostG die Anmeldung wegen
ihrer Nichtzahlung der Jahresgebühr mit Verfahrensstandstag vom 3. Mai 2017 als
zurückgenommen galt. Darin unterscheidet sich der vorliegende Fall grundlegend
von demjenigen, der dem Beschluss des Bundespatentgerichts vom
13. November 2014 zu Grunde lag. Nach dem Beschluss des Bundespatentge-
richts (a. a. O.) ist die Beschwerdegebühr aus Billigkeitsgründen dann zu erstat-
ten, wenn der Einsprechende im Zeitpunkt der fristgerecht eingelegten Be-
schwerde gegen den Beschluss der Patentabteilung nicht gewusst hat und nicht
hat wissen können, dass das angegriffene Patent vorher erloschen ist, und er kein
Rechtsschutzinteresse an dem rückwirkenden Widerruf des Patents hat (zustim-
mend Schulte/Püschel, a. a. O., § 73 Rn. 164). In dem Fall, der dem Beschluss
vom 13. November 2014 zu Grunde lag, hatte die Einsprechende die Begründung
des Beschlusses erst eine Woche vor Ablauf des Patents erhalten. Die Einspre-
chende konnte nicht erkennen, ob die zur Aufrechterhaltung des Patents erforder-
liche Jahresgebühr gezahlt wurde oder nicht. Von der Patentinhaberin hatte die
Einsprechende das Erlöschen des Patents nicht erfahren. Um ihr Rechtsmittel
nicht zu verlieren, war die Einsprechende gezwungen, Beschwerde einzulegen,
obwohl dies bei Einlegung objektiv nicht erforderlich gewesen war.

Eine fehlerhafte Sachbehandlung durch das Deutsche Patent- und Markenamt, die
ebenfalls einen Grund für die Rückzahlung der Beschwerdegebühr darstellen
kann, ist weder von Seiten der Anmelderin vorgetragen noch erkennbar. Ebenso
wenig sind weitere sonstige Umstände erkennbar, die es unbillig erscheinen las-
sen würden, die Beschwerdegebühr einzubehalten. Insbesondere hat die Prü-
fungsstelle des Deutschen Patent- und Markenamts in ihrem mit der Beschwerde
angegriffenen Zurückweisungsbeschlusses vom 3. Mai 2017 als gesetzlichen Zu-
rückweisungsgrund § 48 Satz 1 PatG benannt, wonach die Patentanmeldung zu-
rückzuweisen ist, wenn die nach § 45 Abs. 1 PatG gerügten Mängel nicht beseitigt
werden oder wenn die Prüfung ergibt, dass eine nach den §§ 1 bis 5 PatG pa-
tentfähige Erfindung nicht vorliegt.

7
Insofern war durch Beschluss auszusprechen, dass die Beschwerdegebühr nicht
zurückgezahlt wird.


R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g

Gegen diesen Beschluss steht dem Beschwerdeführer das Rechtsmittel der
Rechtsbeschwerde zu. Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen
hat, ist sie nur statthaft, wenn einer der nachfolgenden Verfahrensmängel gerügt
wird, nämlich

1. dass das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. dass bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung
des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis
der Befangenheit mit Erfolg abgelehnt war,
3. dass einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. dass ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertre-
ten war, sofern er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder still-
schweigend zugestimmt hat,
5. dass der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist,
bei der die Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt wor-
den sind, oder
6. dass der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist.

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlus-
ses schriftlich durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt
als Bevollmächtigten beim Bundesgerichtshof, Herrenstr. 45 a, 76133 Karlsruhe,
einzureichen oder durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsan-
walt als Bevollmächtigten in elektronischer Form bei der elektronischen Poststelle
des BGH, www.bundesgerichtshof.de/erv.html. Das elektronische Dokument ist
mit einer prüfbaren qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturge-
setz oder mit einer prüfbaren fortgeschrittenen elektronischen Signatur zu verse-
hen. Die Eignungsvoraussetzungen für eine Prüfung und für die Formate des
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elektronischen Dokuments werden auf der Internetseite des Bundesgerichtshofs
www.bundesgerichtshof.de/erv.html bekannt gegeben.


Dr. Strößner Brandt Dr. Friedrich Dr. Himmelmann

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