20 W (pat) 8/15  - 20. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

ECLI:DE:BPatG:2017:11.1217B20Wpat8.15.0


BUNDESPATENTGERICHT



20 W (pat) 8/15
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
11. Dezember 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2008 064 674.1





hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung
vom 11. Dezember 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Ing. Musiol, die
Richterin Dorn, den Richter Dipl.-Ing. Albertshofer und den Richter Dipl.-Geophys.
Dr. Wollny

beschlossen:

Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 05 B des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 24. November 2014 wird aufgehoben
und das Patent 10 2008 064 674.1 wie folgt erteilt:
- 2 -
Anmeldetag: 18. November 2008

Bezeichnung:
Zentralbaugruppe für ein flexibles erweiterbares Automatisie-
rungsgerät

Patentansprüche:
Patentanspruch 1, dem DPMA als Hilfsantrag 1 überreicht in
der Anhörung vom 24. November 2014
Patentansprüche 2 bis 10 vom 9. Februar 2010, beim DPMA
eingegangen am 11. Februar 2010

Beschreibung:
Beschreibungsseiten 1 bis 16, überreicht in der mündlichen
Verhandlung am 11. Dezember 2017
Bezugszeichenliste Seiten 1 bis 3 vom 9. Februar 2010, beim
DPMA eingegangen am 11. Februar 2010

Zeichnungen:
Figuren 1 bis 9 vom 9. Februar 2010, beim DPMA eingegangen
am 11. Februar 2010.


G r ü n d e

I.

Die Prüfungsstelle für IPC-Klasse G 05 B des Deutschen Patent- und Markenamts
(DPMA) hat die Patentanmeldung mit der Bezeichnung "Zentralbaugruppe für ein
flexibles erweiterbares Automatisierungsgerät“ mit am Ende der Anhörung vom
- 3 -
24. November 2014 verkündetem Beschluss zurückgewiesen. Der Zurückweisung
lagen folgende Unterlagen zu Grunde:

Hauptantrag: Patentanspruch 1, eingegangen am 10. September 2014
Patentansprüche 2 bis 10, eingegangen am 11. Februar 2010
Beschreibung S. 1 bis 20, eingegangen am 11. Februar 2010
Figuren 1 bis 9, eingegangen am 11. Februar 2010
Hilfsantrag 1: Patentanspruch 1, eingegangen am 24. November 2014
Patentansprüche 2 bis 10, eingegangen am 11. Februar 2010
Beschreibung und Figuren wie Hauptantrag
Hilfsantrag 2: Patentanspruch 1, eingegangen am 24. November 2014
Patentansprüche 2 bis 10, eingegangen am 11. Februar 2010
Beschreibung und Figuren wie Hauptantrag.

Die Prüfungsstelle hat ihren Zurückweisungsbeschluss damit begründet, dass der
jeweilige Gegenstand des Anspruchs 1 gemäß Hauptantrag und den Hilfsanträ-
gen 1 und 2 mangels erfinderischer Tätigkeit gegenüber der Druckschrift
US 2008/0 109 677 A1 (D1) und fachmännischem Wissen nicht patentfähig sei.
Hiergegen richtet sich die am 9. Februar 2015 eingelegte Beschwerde der Anmel-
derin.

Der Bevollmächtigte der Anmelderin beantragt,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 05 B des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 24. November 2014 aufzuheben und
das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen
zu erteilen:

- 4 -
Patentansprüche:
Patentanspruch 1, dem DPMA als Hilfsantrag 1 überreicht in der Anhörung
vom 24. November 2014

Patentansprüche 2 bis 10 vom 9. Februar 2010, beim DPMA eingegangen
am 11. Februar 2010

Beschreibung:
Beschreibungsseiten 1 bis 16, überreicht in der mündlichen Verhandlung
am 11. Dezember 2017
Bezugszeichenliste Seiten 1 bis 3 vom 9. Februar 2010, beim DPMA einge-
gangen am 11. Februar 2010

Zeichnungen:
Figuren 1 bis 9 vom 9. Februar 2010, beim DPMA eingegangen am
11. Februar 2010
Der bisherige Hauptantrag und Hilfsantrag 2 werden nicht weiterverfolgt

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

„Zentralbaugruppe für ein flexibles erweiterbares Automatisierungsgerät
mit wenigstens einem über einen Ein/Ausgabebus (3) anschließbares
externes, als externes Ein/ Ausgabemodul ausgeführtes, Erweiterungs-
modul (2), wobei im Gehäuse (200) der Zentralbaugruppe eine Schnitt-
stelle für den Anschluss des externen Ein/Ausgabemoduls, eine erste
Elektronikbaugruppe (11) mit einer als Mikrocontroller ausgeführten
Zentraleinheit, eine zweite Elektronikbaugruppe (21) mit Ein- und Aus-
gängen für den Anschluss von Prozesssignalen und eine dritte Elektro-
nikbaugruppe (31) zur Spannungsversorgung der Zentralbaugruppe an-
geordnet sind, wobei die erste Elektronikbaugruppe (11) der Zentral-
baugruppe einen ersten Mikrocontroller (16), einen flüchtigen Spei-
- 5 -
cher (17) zur Speicherung von Daten eines Betriebssystems, eines
Anwenderprogramms und/oder von Variablen des Anwenderpro-
gramms, und einen Flashspeicher (18) für eine nullspannungssichere
Zwischenspeicherung der Daten aufweist, in den Speichern (17), (18)
jeweils wenigstens ein vom ersten Mikrocontroller (16) ausführbares
Anwenderprogramm (PROGR) und/oder Betriebssystem (FW) abgelegt
sind, dadurch gekennzeichnet, dass die zweite Elektronikbaugrup-
pe (21) einen zweiten kostengünstigen Mikrocontroller (26) als Vorver-
arbeiter aufweist, welcher über Ein- und Ausgangsschaltungen (601,
602) mit den Ein- und Ausgängen der zweiten Elektronikbaugruppe (21)
verbunden ist und die an den internen Ein- und Ausgängen (601, 602)
anliegenden sowie aus dem ersten Mikrocontroller ausgegebenen Pro-
zesssignale für den ersten Mikrocontroller (16) steuert und auswertet.“

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet mit der Folge, dass der angefochtene
Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent in der nunmehr beantragten
Fassung zu erteilen ist.

1. Der Anmeldegegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 betrifft
eine Zentralbaugruppe für ein flexibles erweiterbares Automatisierungsgerät, auch
als speicherprogrammierbare Steuerung bezeichnet (vgl. Beschreibung vom
11.12.2017, Seite 1, Absatz 1).

Die Anmeldung geht von Automatisierungsgeräten aus, die üblicherweise modu-
lar, bestehend aus einer Zentralbaugruppe, Kommunikationskopplern und Erweite-
rungsmodulen, wie externe Ein-/Ausgabegeräte, aufgebaut seien. Die Zentralbau-
- 6 -
gruppe gemäß dem bekannten Stand der Technik umfasse verschiedene Bau-
gruppen, wie eine Zentraleinheit, auch als CPU bezeichnet, eine Spannungsver-
sorgung und eine Schnittstelle für den Anschluss von externen Ein- und Ausgabe-
modulen. Die externen Ein-/Ausgabemodule seien über eine als Ein-/Ausgabebus
ausgeführte interne Busverbindung elektrisch mit der Zentralbaugruppe verbunden
(vgl. Beschreibung vom 11.12.2017, Seite 1, Absatz 3).

2. Der Erfindung liegt die Aufgabe zugrunde, eine Zentralbaugruppe für ein
flexibles erweiterbares Automatisierungsgerät anzugeben, bei dem die (notwen-
dige) Rechenleistung der CPU der Zentralbaugruppe reduziert ist (vgl. Beschrei-
bung vom 11.12.2017, Seite 2, Absatz 1).

3. Die anmeldungsgemäße Zentralbaugruppe für ein flexibles erweiterbares
Automatisierungsgerät nach dem geltenden Patentanspruch 1 lässt sich in fol-
gende Merkmale gliedern:

M1: Zentralbaugruppe für ein flexibles erweiterbares Automatisierungsgerät mit
wenigstens einem über einen Ein-/Ausgabebus (3) anschließbares exter-
nes, als externes Ein-/Ausgabemodul ausgeführtes, Erweiterungsmodul (2),

M2: wobei im Gehäuse (200) der Zentralbaugruppe eine Schnittstelle für den
Anschluss des externen Ein-/Ausgabemoduls, eine erste Elektronikbau-
gruppe (11) mit einer als Mikrocontroller ausgeführten Zentraleinheit, eine
zweite Elektronikbaugruppe (21) mit Ein- und Ausgängen für den Anschluss
von Prozesssignalen und eine dritte Elektronikbaugruppe (31) zur Span-
nungsversorgung der Zentralbaugruppe angeordnet sind, wobei

M3: die erste Elektronikbaugruppe (11) der Zentralbaugruppe einen ersten
Mikrocontroller (16), einen flüchtigen Speicher (17) zur Speicherung von
Daten eines Betriebssystems, eines Anwenderprogramms und/oder von
- 7 -
Variablen des Anwenderprogramms, und einen Flashspeicher (18) für eine
nullspannungssichere Zwischenspeicherung der Daten aufweist,

M4: in den Speichern (17), (18) jeweils wenigstens ein vom ersten Mikrocontrol-
ler (16) ausführbares Anwenderprogramm (PROGR) und/oder Betriebs-
system (FW) abgelegt sind,

dadurch gekennzeichnet, dass

M5: die zweite Elektronikbaugruppe (21) einen zweiten kostengünstigen Mikro-
controller (26) als Vorverarbeiter aufweist, welcher über Ein- und Aus-
gangsschaltungen (601, 602) mit den Ein- und Ausgängen der zweiten
Elektronikbaugruppe (21) verbunden ist und die an den internen Ein- und
Ausgängen (601, 602) anliegenden sowie aus dem ersten Mikrocontroller
ausgegebenen Prozesssignale für den ersten Mikrocontroller (16) steuert
und auswertet.

4. Der Anspruch ist zulässig, denn der damit offenbarte Gegenstand geht mit
seinen Merkmalen auf die in dem ursprünglich eingereichten Patentanspruch 1
und in der ursprünglichen Beschreibung, Seite 4, Absatz 1, beschriebene Zentral-
baugruppe zurück.

5. Die vorliegende Anmeldung wendet sich ihrem Inhalt nach an einen Inge-
nieur der Fachrichtung Elektrotechnik/Automatisierungstechnik mit Fachhoch-
schulabschluss und langjähriger Erfahrung auf dem Gebiet der Entwicklung von
Komponenten verteilter Automatisierungssysteme.

6. Zum Verständnis des Patentanspruchs 1

Mit dem Patentanspruch 1 wird eine Zentralbaugruppe für ein flexibles erweiterba-
res Automatisierungsgerät beansprucht. Soweit an das Automatisierungsgerät
- 8 -
wenigstens ein über einen Ein-/Ausgabebus (3) anschließbares externes Erweite-
rungsmodul (2) (E/A-Modul) angeschlossen sein soll, schränkt das den Schutzbe-
reich der Zentralbaugruppe nur insofern ein, als eine Schnittstelle zum Anschluss
des externen Erweiterungsmoduls vorhanden sein muss.

Unter einem externen Ein-/Ausgabemodul versteht der Fachmann ein Modul, wel-
ches über Ein-/Ausgangsschaltungen zum Anschluss von Prozesssignalen ver-
fügt, diese Prozesssignale verarbeitet und letztlich als Prozessdaten über einen
Datenbus an eine Steuerung, z. B. eine SPS, schickt. Die anmeldungsgemäßen
Eingangsschaltungen in der Zentraleinheit dienen dem Anschluss von Prozess-
und Bediensignalen an die SPS. Prozess- und Bediensignale sind aus fachmänni-
scher Sicht Geber- oder Sensorsignale. Entsprechendes gilt für die Ausgangssi-
gnale.

Die in einem Gehäuse angeordnete Zentralbaugruppe besteht räumlich körperlich
aus einer Schnittstelle für den Anschluss des externen Ein-/Ausgabemoduls und
drei Elektronikbaugruppen.

Die erste Elekronikbaugruppe (11) weist hier räumlich/körperlich vier Bestandteile
auf: Eine Zentraleinheit mit einem ersten Mikrocontroller, einen flüchtigen Speicher
und einen Flashspeicher. Diese Speicher sind – wie allgemein üblich – zum Spei-
chern beliebiger Daten geeignet („…zur Speicherung von Daten eines Betriebs-
systems, eines Anwenderprogramms und/oder von Variablen des Anwenderpro-
gramms…“; „…in den Speichern (17), (18) jeweils wenigstens ein vom ersten
Mikrocontroller (16) ausführbares Anwenderprogramm (PROGR) und/oder Be-
triebssystem (FW) abgelegt sind…“).

Die zweite Elektronikbaugruppe (21) besitzt Ein- und Ausgänge für den Anschluss
von Prozesssignalen und einen zweiten Mikroprozessor, der über Ein- und Aus-
gangsschaltungen (601, 602) mit den Ein- und Ausgängen der zweiten Elektronik-
- 9 -
baugruppe (21) verbunden ist. An den Ein- und Ausgängen der zweiten Elektro-
nikbaugruppe (21) stehen mithin Prozesssignale an.

Der zweite (kostengünstige) Mikrocontroller der zweiten Elektronikeinheit ist als
„Vorverarbeiter“ dazu vorgesehen, die an den internen Ein- und Ausgängen (601,
602) anliegenden sowie aus dem ersten Mikrocontroller ausgegebenen Prozess-
signale für den ersten Mikrocontroller (16) zu steuern und auszuwerten. Unter
„steuern und auswerten“ versteht die Anmeldung eine Vorverarbeitung der Daten,
beispielsweise fallen darunter (vgl. Beschreibung vom 11.12.2017, Seite 4, Ab-
satz 1, Unterstreichungen hinzugefügt):

- eine Eingangsfilterung für digitale Eingangssignale mit parametrierbarer
Zeitkonstante,
- eine Realisierung von Analogwertmessungen,
- eine Realisierung von Analogwertausgaben,
- Zählerfunktionen, wie beispielsweise ein Vorwärts-/Rückwärtszählen oder
Inkrementalsignale als schnell arbeitende Zählerfunktion, und
- Bereitstellung eines Digitalausgangs mit periodischem Rechtecksignal mit
einstellbarer Pulsweite.

Dies bedeutet, dass der zweite Mikrocontroller eine Vorverarbeitung von Prozess-
signalen an Stelle des ersten Mikrocontrollers durchführt. Die eigentliche Steue-
rung der Maschine erfolgt durch den ersten Mikrocontroller.

7. Der Gegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist unzweifelhaft
gewerblich anwendbar und gilt auch gegenüber dem bisher im Prüfungsverfahren
als relevant eingeführten Stand der Technik nach den Druckschriften

D1 - US 2008 / 0 109 677 A1
D2 - EP 0 800 126 A1
D3 - DE 103 15 187 A1
- 10 -
und der im Rahmen des Beschwerdeverfahrens eingeführten Druckschrift

D4 - DE 42 38 600 C2

als neu (§ 3 PatG), denn keine der vorstehenden Druckschriften beschreibt eine
Zentralbaugruppe mit allen Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1.

7.1 Die Druckschrift D1 betrifft computerisierte Steuerungssysteme zum Sam-
meln von Sensordaten von Feldeinheiten und Auslösen von Alarmen oder andere
Aktionen basierend auf diesen Sensordaten. Genauer betrifft sie Mehrprozessor-
steuereinheiten, die synchronisiert sind (vgl. D1, Abs. [0003]).

Das Steuerungssystem besteht dabei aus drei identischen Kanälen, wobei die
Spannungsversorgung doppelt ausgelegt ist. Jeder der drei Kanäle führt, parallel
zu den beiden anderen Kanälen, ein Anwendungsprogramm aus (vgl. D1,
Abs. [0011]).

Der Aufbau eines einzelnen Kanals des Steuerungssystems ist in den Figuren 4, 6
und 7 der Druckschrift D1 gezeigt. Jeder Kanal weist demnach einen Hauptpro-
zessor 15 und einen I/O-Prozessor 17, der über den LIO-BUS Daten mit den
externen I/O-Einheiten austauscht, auf (vgl. D1, Abs. [0101]).

In Bezug auf Patentanspruch 1 geht aus der Druckschrift D1 hervor:

M1: Zentralbaugruppe für ein flexibles erweiterbares Automatisierungsgerät
(vgl. Fig. 4, 6, 7 Bezz. 1; Abs. [0101], „MP/IOP“) mit wenigstens einem
über einen Ein-/Ausgabebus (vgl. Fig. 6 „LIO BUS“) anschließbares exter-
nes, als externes Ein-/Ausgabemodul ausgeführtes, Erweiterungsmodul
(vgl. Fig. 6, „Laguna I/O Modules“),

- 11 -
M2: wobei im Gehäuse der Zentralbaugruppe (vgl. Fig. 19A, B) eine Schnitt-
stelle für den Anschluss des externen Ein-/Ausgabemoduls (vgl. Fig. 6,
„LMP“), eine erste Elektronikbaugruppe mit einer als Mikrocontroller aus-
geführten Zentraleinheit (vgl. Abs. [0101], Fig. 4, „LSX“, Fig. 7, Bezz. 15),
eine zweite Elektronikbaugruppe (vgl. Fig. 4, „LIOX“, Bezz. 17; Fig. 7,
Bezz. 17, vgl. Abs. [0076], „I/O-control processor IOP 17“) mit Ein- und
Ausgängen für den Anschluss von Prozesssignalen und eine dritte Elektro-
nikbaugruppe zur Spannungsversorgung der Zentralbaugruppe (vgl. Fig. 7,
Bezz. 4) angeordnet sind,

M3: wobei die erste Elektronikbaugruppe der Zentralbaugruppe einen ersten
Mikrocontroller (vgl. Fig. 7, Bezz. 15), einen flüchtigen Speicher (vgl.
Fig. 7, Bezz. DRAM) zur Speicherung von Daten eines Betriebssystems,
eines Anwenderprogramms und/oder von Variablen des Anwenderpro-
gramms, und einen Flashspeicher (vgl. Fig. 7, Bezz. NVRAM) für eine null-
spannungssichere Zwischenspeicherung der Daten aufweist (vgl.
Abs. [0077]),

M4: in den Speichern jeweils wenigstens ein vom ersten Mikrocontroller aus-
führbares Anwenderprogramm und/oder Betriebssystem abgelegt sind (vgl.
Abs. [0077]),

M5: und die zweite Elektronikbaugruppe einen zweiten kostengünstigen Mikro-
controller als Vorverarbeiter aufweist (vgl. Fig. 7, Bezz. 17), welcher über
Ein- und Ausgangsschaltungen mit den Ein- und Ausgängen der zweiten
Elektronikbaugruppe verbunden ist und die an den internen Ein- und Aus-
gängen anliegenden sowie aus dem ersten Mikrocontroller ausgegebenen
Prozesssignale für den ersten Mikrocontroller steuert und auswertet.

Die aus der Druckschrift D1 bekannte Zentralbaugruppe weist auf der zweiten
Elektronikeinheit keine Ein-/Ausgänge für den Anschluss von Prozesssignalen auf
- 12 -
und verfügt mithin auch nicht über Ein- und Ausgangsschaltungen, über die der
zweite Mikrocontroller (I/O-Prozessor 17) mit den Ein-/Ausgängen verbunden ist.
Somit kann der zweite Mikrocontroller (I/O-Prozessor 17) auch nicht als Vorver-
arbeiter an den internen Ein- und Ausgängen anliegende sowie aus dem ersten
Mikrocontroller ausgegebene Prozesssignale für den ersten Mikrocontroller steu-
ern und auswerten.

7.2 Die Druckschrift D4 offenbart eine elektronische Steuereinheit für Textil-
maschinen (vgl. D4, Titel). Die offenbarte Anordnung soll es ermöglichen, den
Echtzeit-Betrieb in Zeitintervallen zu gewährleisten, die bisher nicht durch spei-
cherprogrammierbare Steuerungen realisierbar waren (vgl. D4, Sp. 7, Z. 32-35).
Mit der vorgeschlagenen Lösung werden weder die Leistungsfähigkeit der BUS-
Systeme noch die Leistungsfähigkeit der Steuerrechner überschritten (vgl. D4,
Sp. 3, Z. 50-53).

Die Druckschrift D4 geht dabei von einer elektronischen Steuereinheit (IPC 1) aus,
welche eine CPU 11, einen Programmspeicher 12, einen Massenspeicher 13, eine
serielle Schnittstelle 18 und einen internen Bus 14 aufweist (vgl. D4, Sp. 5,
Z. 16-21). Bisher sei es üblich gewesen, zusätzlich zu dieser IPC 1, die allgemeine
Programmierungs- und Kontrollaufgaben habe, einen zusätzlichen Rechner als
zentrale Steuereinheit für die Steuerungsaufgaben vorzusehen. Diese zentrale
Steuereinheit (SPS) habe alle die Maschine betreffenden Steuerungsaufgaben
übernommen (vgl. D4, Sp. 5, Z. 38 bis 45). Dies bedeutet, dass die CPU 11 kei-
nerlei Steuerungsaufgaben in Bezug auf die genannte Maschine hat.

Bei der aus der Druckschrift D4 bekannten elektronischen Steuereinheit wird die
zentrale IPC 1 zusätzlich, statt mit einer SPS, mit einer Logikeinheit 17 für binäre
Ein- und Ausgänge und einem zusätzlichen Bustreiber 151 für einen externen
Bus 15 versehen, an den externe Motor-Ansteuersysteme 2 (entspricht den exter-
nen Ein-/Ausgabemodulen im Sinne der Anmeldung) angekoppelt sind (vgl. D4,
Sp. 6, Z. 4 bis 16). Diese Logikeinheit 17 weist binäre Ein- und Ausgänge 171, 172
- 13 -
für Stellglieder wie Magnete und/oder Relais auf, die Funktionen der Gesamtma-
schine betreffen. Zudem werden in der Logikeinheit 17 Regelprogramme ausge-
führt, die Funktionen der Gesamtmaschine betreffen (vgl. D4, Sp. 6, Z. 59-66).
Mithin weist aus fachmännischer Sicht die Logikbaugruppe 17 einen Mikrocon-
troller auf, der – anstelle einer SPS – die übergeordnete Regelung der Maschine
übernimmt. Die CPU 11 hat auch in diesem Fall keinerlei Steuerungsaufgaben in
Bezug auf die Maschine, d. h. sie empfängt weder Prozesssignale von der Logik-
baugruppe 17, noch gibt sie Prozesssignale aus.

In Bezug auf den geltenden Patentanspruch 1 geht mithin aus der Druckschrift D4
hervor:

M1: Zentralbaugruppe (vgl. Fig. 1, „IPC 1“) für ein flexibles erweiterbares Auto-
matisierungsgerät mit wenigstens einem über einen Ein-/Ausgabebus an-
schließbares externes, als externes Ein-/Ausgabemodul ausgeführtes, Er-
weiterungsmodul (vgl. Fig. 1, Bezz. 2),

M2: wobei im Gehäuse der Zentralbaugruppe eine Schnittstelle für den An-
schluss des externen Ein-/Ausgabemoduls (vgl. Fig. 1, Bezz. 151), eine
erste Elektronikbaugruppe mit einer als Mikrocontroller ausgeführten Zen-
traleinheit (vgl. Fig. 1, Bezz. 11, 12, 13), eine zweite Elektronikbaugruppe
mit Ein- und Ausgängen für den Anschluss von Prozesssignalen (vgl.
Fig. 1, Bezz 17, 171, 172; Sp. 6, Z. 59 bis 62) und eine dritte Elektronik-
baugruppe zur Spannungsversorgung der Zentralbaugruppe angeordnet
sind (eine Elektronikbaugruppe zur Spannungsversorgung der Zentral-
baugruppe ist der Druckschrift zwar nicht unmittelbar zu entnehmen,
diese liest der Fachmann allerdings mit, da die Steuerung ohne Span-
nungsversorgung nicht funktioniert),

M3: wobei die erste Elektronikbaugruppe der Zentralbaugruppe einen ersten
Mikrocontroller, einen flüchtigen Speicher zur Speicherung von Daten eines
- 14 -
Betriebssystems, eines Anwenderprogramms und/oder von Variablen des
Anwenderprogramms, und einen Flashspeicher für eine nullspannungs-
sichere Zwischenspeicherung der Daten aufweist (vgl. Fig. 1, Bezz. 11, 12,
13; Sp. 5, Z. 16 bis 21),

M4: in den Speichern jeweils wenigstens ein vom ersten Mikrocontroller aus-
führbares Anwenderprogramm und/oder Betriebssystem abgelegt sind (vgl.
Fig. 1, Bezz. 12, „Programmspeicher“),

M5: und die zweite Elektronikbaugruppe einen zweiten kostengünstigen Mikro-
controller als Vorverarbeiter aufweist (vgl. Sp. 6, Z. 63 – 66), welcher über
Ein- und Ausgangsschaltungen mit den Ein- und Ausgängen der zweiten
Elektronikbaugruppe verbunden ist und die an den internen Ein- und Aus-
gängen anliegenden sowie aus dem ersten Mikrocontroller ausgegebenen
Prozesssignale für den ersten Mikrocontroller steuert und auswertet.

Die aus der Druckschrift D4 bekannte Zentralbaugruppe unterscheidet sich vom
Gegenstand nach Patentanspruch 1 insbesondere darin, dass der in der Logikein-
heit 17 vorgesehene Mikrocontroller keine vom ersten Mikrocontroller (CPU 11)
ausgegebenen Prozesssignale steuert und auswertet, da die CPU 11 keinerlei
Steuerungsaufgaben in Bezug auf die Maschine hat. Es findet somit keine Vorver-
arbeitung der an den Ein-/Ausgängen anliegenden Prozesssignale für den ersten
Mikroprozessor (CPU 11) statt.

7.3 Die Druckschrift D2 zeigt in der Figur 16 einen programmierbaren Logik-
controller 15 („PLC“). Dabei ist eine Erweiterungskarte („PLC BOARD 20“) mit
einem PC 10 über einen Erweiterungsbus 30 verbunden. Über einen Buffer 25
und einen I/O-Bus kann ein externes Gerät angeschlossen werden (vgl. D2, Sp. 7,
Z. 12 bis 15). Dieser bekannte Logikcontroller weist keine zweite Elektronikeinheit
mit Ein-/Ausgängen für den Anschluss von Prozesssignalen auf.
- 15 -
7.4 Die von der Prüfungsstelle lediglich zum Nachweis des nachgeordneten
Patentanspruchs 8 eingeführte Druckschrift D3 liegt weiter ab und kann eine feh-
lende Neuheit des Gegenstands nach Patentanspruch 1 nicht begründen.

8. Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 gilt auch als auf einer
erfinderischen Tätigkeit beruhend (§ 4 PatG).

Zwar beschäftigt sich die dem Anmeldegegenstand am nächsten kommende
Druckschrift D4 ebenfalls mit der Aufgabe, die Rechenleistung der CPU der Zen-
tralbaugruppe zu reduzieren, allerdings wird dort ein Teil der Rechenleistung für
die Steuerung der Maschine in die externen Ein-/Ausgabemodule 2 verlagert. Mit
einer Vorverarbeitung der in der Zentralbaugruppe an den Ein-/Ausgängen anlie-
genden Prozesssignale beschäftigt sich die Druckschrift D4 nicht, vielmehr ver-
arbeitet der dort in der Logikeinheit 17 vorgesehene Mikrocontroller diese Pro-
zesssignale direkt. Somit sind der Druckschrift D4 auch keinerlei Anregungen
dahingehend zu entnehmen, in der Logikeinheit 17 neben dem dort vorgesehenen
Mikrocontroller einen weiteren Mikrocontroller vorzusehen, der für Ersteren be-
stimmte Steuer- bzw. Auswerteaufgaben in Bezug auf die an den internen Ein-
und Ausgängen 171, 172 der Logikbaugruppe 17 anliegenden Prozesssignale
übernehmen soll. Die Grenzen der bisher statt der Elektronikbaugruppe 17 im
Stand der Technik vorgesehenen SPS werden nicht verschoben.

Bei der aus der Druckschrift D1 bekannten Zentralbaugruppe sind zwar zwei
Mikrocontroller 15 und 17 vorgesehen, allerdings sind in der Zentraleinheit keine
Ein-/Ausgänge mit dort anliegenden Prozesssignalen vorhanden. Auch der Druck-
schrift D1 können mithin keine Anregungen entnommen werden, den zweiten
Mikrocontroller 17 als Vorverarbeiter für diese Prozesssignale zu verwenden. Der
Mikrocontroller 17 ist lediglich für den Datenaustausch mit den externen E/A-Mo-
dulen 2a bis 2f vorgesehen (vgl. D1, Fig. 6, Abs. [0076], „The I/O control processor
IOP 17 on each MP module 1 manages the transmission of output data to the out-
put modules 2a by means of the I/O bus 13.“).
- 16 -
Da sich keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften mit einer konkreten
schaltungstechnischen Umsetzung einer Zentralbaugruppe für ein flexibles erwei-
terbares Automatisierungsgerät befasst, bei der ein zweiter Mikrocontroller als
Vorverarbeiter im Sinne der vorliegenden Anmeldung für die an Ein-/Ausgängen in
der Zentralbaugruppe anliegenden Prozesssignale fungiert, wird ausgehend von
dem am nächsten kommenden Stand der Technik nach der Druckschrift D4 der
Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 auch nicht in Kombination mit einer
der Druckschriften D1 bis D3 nahegelegt. Eine anmeldungsgemäße Realisierung
würde auch zu einer Strukturänderung innerhalb der Logikbaugruppe 17 nach der
Druckschrift D4 führen, für deren Realisierung der Fachmann erfinderisch tätig
werden müsste.

9. Die geltenden Unteransprüche 2 bis 10 gestalten den Gegenstand des
Patentanspruchs 1 zweckmäßig, in nicht nur trivialer Weise weiter aus und sind
mit diesem patentierbar.

Im Ergebnis war der angefochtene Beschluss der Prüfungsstelle daher aufzu-
heben und das Patent im zuletzt beantragten Umfang zu erteilen.


Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten
die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes).

Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird,
dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg
abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
- 17 -
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist

(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).

Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des Patentge-
setzes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bundes-
gerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift lautet:
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe.

Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patent-
gesetzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundes-
gerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)),
die zuletzt durch Artikel 11 Absatz 16 des Gesetzes vom 18. Juli 2017 (BGBl. I S. 2745) geändert
worden ist. In diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen
Dokuments in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2
BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung
des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen.
Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Rechts-
beschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3 des
Patentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder
Aufhebung beantragt wird;
2. die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm;
3. insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das
Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben

(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).
- 18 -
Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des Patent-
gesetzes).


Musiol
zugleich für Dr. Wollny,
der wegen Krankheit an
der Unterschrift verhin-
dert ist
Musiol
Dorn Albertshofer Dr. Wollny

Ko



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