20 W (pat) 58/13  - 20. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



20 W (pat) 58/13
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
8. Februar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache

betreffend die Patentanmeldung 10 2008 038 912.9









hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung
vom 8. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter Dipl.-Phys. Dr. Mayer, den
Richter Dipl.-Ing. Gottstein, die Richterin Dorn sowie den Richter
Dipl.-Ing. Albertshofer
- 2 -
beschlossen:

1. Der Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G05B des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 30. Januar 2013
wird aufgehoben und das Verfahren zur weiteren Behand-
lung auf der Grundlage des heute übergebenen Patent-
anspruchs 1 an das Deutsche Patent- und Markenamt
zurückverwiesen.

2. Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird angeordnet.


G r ü n d e

I.

1. Die Prüfungsstelle für IPC-Klasse G05B des Deutschen Patent- und
Markenamts (DPMA) hat, nachdem die Anmelderin mit Eingabe vom
18. Januar 2013 Entscheidung nach Aktenlage und die Absetzung des von der
Prüfungsstelle angesetzten Anhörungstermins beantragt hat, die Patentanmel-
dung mit der Bezeichnung

„Verfahren zur Steuerung eines sicherheitsrelevanten Funktionsbausteins“

durch Beschluss vom 30. Januar 2013 zurückgewiesen. Der Zurückweisung lagen
die Patentansprüche 1 bis 9, eingegangen per Fax am 12. November 2012,
zugrunde.
Zur Begründung hat die Prüfungsstelle ausgeführt, dass der Anspruch 1 in seiner
damals beantragten Fassung nicht eindeutig erkennen lasse, was als patentfähig
unter Schutz gestellt werden solle (§ 34 Abs. 3 Nr. 3 PatG), was bedeute, dass der
Anspruch Unklarheiten enthalte, die vom Fachmann nicht eindeutig ausgelegt
- 3 -
werden könnten. So sei unklar, wie durch die Aktivierung/Deaktivierung des
Funktionsbausteins das Modul prozessbedingt an- und abgekoppelt werden
könne. Für den Fachmann sei aus dem Wortlaut des Anspruchs nicht nach-
vollziehbar, wie eine prozessbedingte An-/Abkopplung eines Moduls (von dem der
Funktionsbaustein Bestandteil sei) erfolgen solle. Des Weiteren sei unklar, wie
über die Untermenge von Funktionsbefehlen zur Kleinsteuerung des sicher-
heitsrelevanten Funktionsbausteins - die das Aktivieren oder das Deaktivieren des
sicherheitsrelevanten Funktionsbausteins aufweise - der Funktionsbaustein ein-
und ausgeschaltet beziehungsweise das Modul an- und abgekoppelt werden
könne. Da ein Patent aufgrund des aufgezeigten Mangels nicht erteilt werden
könne und die Anmelderin Entscheidung nach Aktenlage beantragt habe, sei die
Anmeldung zurückzuweisen gewesen.

Hiergegen richtet sich die am 4. März 2013 eingelegte Beschwerde der
Anmelderin, mit der sie ihre Anmeldung weiterverfolgt.

Der Bevollmächtigte der Anmelderin beantragt zuletzt,

den Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G05B des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 30. Januar 2013 aufzuheben und
das nachgesuchte Patent auf der Grundlage folgender Unterlagen
zu erteilen:

Patentanspruch 1, überreicht in der mündlichen Verhandlung am
8. Februar 2017, noch anzupassende Unteransprüche, Beschrei-
bung und Zeichnungen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:

„Steuerungsvorrichtung zur Kleinsteuerung eines ersten sicherheits-
relevanten Funktionsbausteins, die eine erste (301) und eine zweite (303)
- 4 -
Steuerungseinrichtung und ein RS-Flip-Flop umfasst, wobei an die erste
Steuerungseinrichtung ein zweiter sicherheitsrelevanter Funktionsbaustein
und an die zweite Steuerungseinrichtung ein dritter sicherheitsrelevanter
Funktionsbaustein angeschlossen ist, die Steuerungseinrichtungen jeweils
einen Aktivierungs-/Deaktivierungseingang aufweisen, das Aktivierungs-
/Deaktivierungssignal für die zweite Steuerungseinrichtung auch dem
RESET-Eingang des RS-Flip-Flops zugeführt wird, dem SET-Eingang des
RS-Flip-Flops ein Triggersignal zugeführt wird, wobei der Ausgang des RS-
Flip-Flops und der Ausgang der zweiten Steuerungseinrichtung einer
ODER-Verknüpfung zugeführt wird, das Ausgangssignal der ODER-
Verknüpfung und das Ausgangssignal der ersten Steuerungseinrichtung
einem UND-Verknüpfungsglied zugeführt werden, an dessen Ausgang
(311) das Signal zum Steuern des ersten Funktionsbausteins zu detektieren
ist.“

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II.

Die zulässige Beschwerde hat insoweit Erfolg, als der angefochtene Beschlusses
aufzuheben und die Sache an das DPMA auf der Grundlage des neu gefassten
Patentanspruchs 1 zurückzuverweisen ist (§ 79 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 3
PatG).

1. Der Anmeldegegenstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 betrifft
eine Steuerungsvorrichtung zur Steuerung von Funktionsbausteinen in Automa-
tisierungssystemen, insbesondere eines sicherheitsrelevanten Funktionsbausteins
eines Automatisierungssystems.

Die Anmeldung geht aus von komplexen Automatisierungssystemen, bei denen
als derartige Funktionsbausteine beispielsweise Schutzeinrichtungen, Ein- bzw.
- 5 -
Ausgabegeräte, Überwachungseinrichtungen oder Notausschalter eingesetzt
würden, welche unter Verwendung komplexer Steuerungen gesteuert würden. Für
die Steuerung der Funktionsbausteine stehe eine Mehrzahl von Funktionsbefehlen
zur Verfügung, welche beispielsweise mittels eines Softwareprogramms ausge-
führt werden könnten. Da sich im Zusammenhang mit sicherheitsrelevanten
Funktionsbausteinen die mit einer komplexen Funktionssteuerung einhergehende
Zeit- bzw. Projektverzögerung oft als zeitkritisch erweise, sei diese nicht tolerierbar
(vgl. urspr. Beschreibung, Z. 9-20).

Es stelle sich daher die Aufgabe, eine Steuerungsvorrichtung mit einem
einfacheren und schnelleren Steuerungskonzept für sicherheitsrelevante Funk-
tionsbausteine zu schaffen.

Die anmeldungsgemäße Steuerungsvorrichtung nach dem geltenden Patentan-
spruch 1 lässt sich in folgende Merkmale gliedern:

M0 Steuerungsvorrichtung zur Kleinsteuerung eines ersten sicherheitsrele-
vanten Funktionsbausteins, die
M1 eine erste (301) und
M2 eine zweite (303) Steuerungseinrichtung und
M3 ein RS-Flip-Flop umfasst,
M4 wobei an die erste Steuerungseinrichtung ein zweiter sicherheitsrelevanter
Funktionsbaustein und
M5 an die zweite Steuerungseinrichtung ein dritter sicherheitsrelevanter
Funktionsbaustein angeschlossen ist,
M6 die Steuerungseinrichtungen jeweils einen Aktivierungs-/Deaktivierungsein-
gang aufweisen,
M7 das Aktivierungs-/Deaktivierungssignal für die zweite Steuerungseinrichtung
auch dem RESET-Eingang des RS-Flip-Flops zugeführt wird,
M8 dem SET-Eingang des RS-Flip-Flops ein Triggersignal zugeführt wird,
- 6 -
M9 wobei der Ausgang des RS-Flip-Flops und der Ausgang der zweiten
Steuerungseinrichtung einer ODER-Verknüpfung zugeführt wird,
M10 das Ausgangssignal der ODER-Verknüpfung und das Ausgangssignal der
ersten Steuerungseinrichtung einem UND-Verknüpfungsglied zugeführt
werden, an dessen Ausgang (311) das Signal zum Steuern des ersten
Funktionsbausteins zu detektieren ist.

Der Senat erachtet diesen Anspruch als zulässig, denn die damit offenbarte
Steuerungsvorrichtung geht mit ihren Merkmalen auf die in den ursprünglich
eingereichten Unterlagen in der Fig. 3 gezeigte und in den dazugehörigen
Beschreibungsteilen beschriebene Steuerungsvorrichtung zurück. Um die ein-
zelnen Funktionsbausteine hinsichtlich ihrer eindeutigen Zuordnung im Schal-
tungsverbund zu definieren, sind sie nunmehr als erster, zweiter und dritter
Funktionsbaustein bezeichnet.

Soweit in der geltenden Anspruchsfassung mit der Einführung des Begriffs
„Triggersignal“ eine gewisse Verallgemeinerung vorgenommen wurde, geht diese
nicht über dasjenige hinaus, was dem Fachmann unter Berücksichtigung der
Beschreibung und der darin enthaltenen Ausführungsbeispiele als allgemeinste
Form der technischen Lehre erscheint, und trägt damit dem berechtigten Anliegen
Rechnung, die Erfindung in vollem Umfang zu erfassen (BGH, Beschluss vom
11.09.2013 - X ZB 8/12 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren, BGHZ 198, 205).

2. Der geltende Patentanspruch 1 unterscheidet sich von den bisher vorge-
legten Anspruchsfassungen vor allem durch die Wiedergabe einer konkreten
Verschaltung der Funktionsbauteile der nunmehr beanspruchten Steuerungs-
vorrichtung, die bisher noch in keiner Anspruchsfassung Eingang gefunden hat.

3. Die Steuerungsvorrichtung nach dem geltenden Patentanspruch 1 ist
unzweifelhaft gewerblich anwendbar und gilt auch gegenüber dem bisher als
relevant eingeführten Stand der Technik nach den Druckschriften
- 7 -
D1 DE 199 13 279 B4,
D2 DE 198 35 506 A1,
D3 DE 10 2004 015 616 A1,
D4 DE 195 30 719 A1 und
D5 DE 20 2004 019 536 U1

als neu, denn keine der vorstehenden Druckschriften beschreibt eine Steue-
rungsvorrichtung mit den Merkmalen des geltenden Patentanspruchs 1.

3.1 Die Druckschrift D1 bezieht sich auf eine Steuerungsvorrichtung mit
Überwachungseinheit zur Fehlererkennung und Fehlerunterdrückung (vgl. Fig. 1)
für Anlagen, Maschinen oder sonstige Prozesse. Die Steuerungsvorrichtung
besteht aus einer Steuerungseinrichtung (1) (Merkmal M1), einer Überwa-
chungseinheit (2) und dezentralen Ein- und Ausgabeeinheiten (4, 5, 6, 7, 8, 9, 10).
Eine weitere Steuerungseinrichtung (Merkmal M2) ist in der D1 dagegen nicht
entnehmbar. Auch auf eine Verschaltung mit weiteren Funktionsbauteilen, wie
RS-Flip-Flop (Merkmal M3), ODER- und UND-Verknüpfungen (Merkmale M9 und
M10), wird in der Druckschrift D1 nicht zurückgegriffen.

3.2 Die Druckschrift D2 zeigt in der Fig. 1 die Ausführung einer speicher-
programmierbaren Kleinsteuerung (bzw. Logikrelais) mit einem Gehäuse 2 und mit
einer Reihe von Signaleingängen 4 und Signalausgängen 6, einer Bedieneinheit 8
und einer Anzeigeeinheit 10 (Bildschirm, Display). Die programmierbare Steue-
rung schaltet unter Kontrolle eines Anwenderprogramms und in Abhängigkeit vom
Zustand der Signaleingänge 4 den Stromfluss zwischen den Signaleingängen 4
und den Signalausgängen 6. Ein konkreter Schaltungsaufbau ist in der Druck-
schrift D2 allerdings nicht offenbart.

3.3 Die von der Prüfungsstelle weiters als relevant eingestufte Druckschrift D4
betrifft ausweislich der Bezeichnung ein Verfahren zum Betrieb einer elektrischen
Steuerungsanlage für ein Kraftfahrzeug mit einer Werkstattbetriebsweise. Eine
- 8 -
Steuerungseinrichtung mit der in dem Patentanspruch 1 aufgezeigten Ver-
schaltung kommt bei der Druckschrift D4 nicht zur Anwendung.

3.4 Die Druckschrift D3 befasst sich mit Prozesssteuerungs- und
Prozesssicherheitssystemen, die in Prozessanlagen verwendet werden, und
speziell mit einem System, das Feldgerätoperationen mit der Verwendung von
Übergehungen („Overrides") oder Umgehungen („Bypasses") innerhalb einer
Prozesssteuerung bzw. Prozesssteuereinheit oder einer Sicherheitssystem-
steuerung bzw. -steuereinheit koordiniert (vgl. Abs [0002]). In der Fig. 1 ist ein
Blockschaltbild einer beispielhaften Prozessanlage wiedergegeben, die ein
Sicherheitssystem hat, das in einem Prozesssteuerungssystem integriert ist und
einen oder mehrere konfigurierbare AI-, Dl- und Entscheiderfunktionsblöcke
verwendet, um Systemabschalt- sowie Wartungs-, Umgehungs- und Überge-
hungsaktivitäten innerhalb der Prozessanlage automatisch zu steuern. Eine
Steuerungsvorrichtung nach den Maßgaben des geltenden Patentanspruchs 1
kann dem Blockschaltbild aber nicht entnommen werden.

3.5 Die Druckschrift D5 befasst sich ausweislich der Bezeichnung mit einer
Überwachungsvorrichtung mit Vorwarneinheit, ohne eine wie auch immer geartete
schaltungstechnische Umsetzung einer dort implementierten Steuerungsvor-
richtung zu offenbaren.

3.6 Die weiteren noch in der Akte befindlichen Druckschriften kommen dem
Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 nicht näher als die Vorgenannten
und wurden daher auch von der Prüfungsstelle nicht aufgegriffen.

4. Da sich keine der im Verfahren befindlichen Druckschriften mit einer
konkreten schaltungstechnischen Umsetzung einer Steuerungsvorrichtung zur
Kleinsteuerung eines sicherheitsrelevanten Funktionsbausteins befasst, kann
ausgehend von diesem Stand der Technik der Gegenstand des geltenden
Patentanspruchs 1 auch nicht nahe gelegt werden.
- 9 -
Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht gegenüber dem im
Verfahren befindlichen Stand der Technik folglich auch auf einer erfinderischen
Tätigkeit.

5. Der Senat hat davon abgesehen, in der Sache selbst zu entscheiden.

Wie aus der Akte ersichtlich ist, hat das DPMA zu dem neu gefassten Anspruch 1
im Verfahren nach § 44 PatG für die Prüfung, ob der Anmeldegegenstand die
Patentierungsvoraussetzungen nach §§ 3 und 4 PatG erfüllt, noch nicht recher-
chiert. Vorliegend kann nicht ausgeschlossen werden, dass möglicherweise ein
Stand der Technik existiert, der einer Erteilung des angemeldeten Patents in
dessen jetziger Fassung entgegensteht. Da eine sachgerechte Entscheidung nur
aufgrund einer vollständigen Recherche des druckschriftlichen Standes der
Technik zu allen Anspruchsmerkmalen ergehen kann, wofür in erster Linie die
Prüfungsstellen des DPMA mit ihrem Prüfstoff und den ihnen zur Verfügung
stehenden Recherchemöglichkeiten in Datenbanken berufen sind, war die Sache
zur weiteren Prüfung und Entscheidung an das DPMA zurückzuverweisen (§ 79
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und 3 PatG).

6. Die Anordnung der Rückzahlung der Beschwerdegebühr entspricht vor-
liegend der Billigkeit, da im Prüfungsverfahren das rechtliche Gehör der
Anmelderin verletzt wurde und die angefochtene Entscheidung hierauf beruht
(§ 80 Abs. 3 PatG).

Im Prüfungsverfahren wurde mit der Anmelderin die Patentfähigkeit der An-
spruchsgegenstände allein unter dem Gesichtspunkt des Zugrundeliegens einer
erfinderischen Tätigkeit diskutiert. Die Prüfungsstelle hat zwar im Bescheid vom
2. August 2012 angemerkt, „dass die Prüfungsstelle eine prozessbezogene
Bedingung für die An-/Abkopplung eines Moduls (von dem der Funktionsbaustein
Bestandteil ist) nicht erkennen kann, und deshalb nicht nachvollziehen kann, wie
durch die Aktivierung/Deaktivierung des Funktionsbausteins das Modul prozess-
- 10 -
bedingt an- und abgekoppelt werden soll.“ Im Weiteren hat sie aber nicht zu
erkennen gegeben, dass sie darin einen patenthindernden Mangel im Sinne des
§ 34 Abs. 4 PatG sehen und sie diesen zur Grundlage einer Zurückweisung
machen würde.

Die Anmelderin hat hierauf nachvollziehbar reagiert, indem sie mit Eingabe vom
8. November 2012 einen neuen Anspruchssatz vorgelegt und die Prüfungsstelle
ersucht hat, basierend auf der nachfolgenden Stellungnahme in ihrer Eingabe eine
nochmalige Prüfung der Ansprüche auf Neuheit und Erfindungshöhe vorzu-
nehmen. Die Prüfungsstelle hat daraufhin eine mündliche Anhörung für den
7. Februar 2013 angesetzt. Mit Schreiben vom 18. Januar 2013 hat die Anmel-
derin beantragt, den angesetzten Anhörungstermin aufzuheben und nach Akten-
lage zu entscheiden. Die Prüfungsstelle hat den Anhörungstermin ausweislich der
Akten - eine entsprechende Niederschrift ist dort nicht zu finden - nicht
durchgeführt. Sie hätte daher eine Entscheidung nach Lage der Akten
ausschließlich auf die bisher explizit und eindeutig aufgezeigten patenthindernden
Gründe stützen dürfen.

In ihrem Zurückweisungsbeschluss weicht die Prüfungsstelle jedoch von ihrer
bisherigen Argumentationslinie der mangelnden erfinderischen Tätigkeit ab und
stützt die Zurückweisung auf Gründe, die der Anmelderin im vorangegangenen
Prüfungsverfahren noch nicht in einer Weise mitgeteilt waren, dass sie darin einen
Hindernisgrund für eine Patentierung hätte erkennen können. Der Anmelderin
wurde daher keine Gelegenheit gegeben, sich zu den neuen Gründen zu äußern,
auf die die Entscheidung letztendlich gestützt wurde.

Damit hat die Prüfungsstelle den Anspruch der Anmelderin auf rechtliches Gehör
verletzt.

Die von der Prüfungsstelle im angefochtenen Beschluss vertretene Auffassung,
dass die Anmelderin mit ihrem Antrag, den Anhörungstermin abzusetzen und nach
- 11 -
Aktenlage zu entscheiden, auf die Wahrnehmung des rechtlichen Gehörs zu neu
aufgetauchten Patenthinderungsgründen verzichtet habe, geht fehl. Dies wäre nur
der Fall gewesen, wenn die Prüfungsstelle die Anhörung entgegen dem Antrag
der Anmelderin an dem festgesetzten Termin durchgeführt hätte und die
Anmelderin zu diesem Termin nicht erschienen wäre. Vorliegend hat die
Prüfungsstelle den Anhörungstermin jedoch antragsgemäß nicht durchgeführt und
ist damit konkludent wieder ins schriftliche Verfahren übergegangen, so dass die
Anmelderin nur mit einer Entscheidung nach Aktenlage auf der Grundlage der ihr
bisher eindeutig mitgeteilten und diskutierten Hinderungsgründe, also wegen
mangelnder erfinderischer Tätigkeit, rechnen musste.


Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten
die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes).

Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird,
dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteramtes
kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg
abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern er
nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt hat,
5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die
Vorschriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist

(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).
- 12 -
Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des
Patentgesetzes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).

Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim
Bundesgerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift
lautet: Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe.

Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des
Patentgesetzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim
Bundesgerichtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I
S. 2130)). In diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen
Dokuments in die elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2
BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung
des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen.
Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der
Rechtsbeschwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3
des Patentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder
Aufhebung beantragt wird;
2. die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm;
3. insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf das
Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben

(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).

Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof
zugelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des
Patentgesetzes).


Dr. Mayer Gottstein Dorn Albertshofer

Me


Full & Egal Universal Law Academy