20 W (pat) 20/14  - 20. Senat (Techn.Beschw.)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 154
05.11

BUNDESPATENTGERICHT



20 W (pat) 20/14
_______________
(Aktenzeichen)



Verkündet am
13. Februar 2017





B E S C H L U S S

In der Beschwerdesache



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betreffend das Patent 103 15 667

hat der 20. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 13. Februar 2017 durch den Vorsitzenden Richter
Dipl.-Phys. Dr. Mayer, den Richter Dipl.-Ing. Musiol, die Richterin Dorn sowie den
Richter Dipl.-Geophys. Dr. Wollny

beschlossen:

Der Beschluss der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 31. Januar 2014 wird aufgehoben und das Pa-
tent 103 15 667 wie folgt beschränkt aufrechterhalten:

Patentansprüche 1 bis 3, dem DPMA als Hilfsantrag 2 überreicht
in der mündlichen Anhörung am 31. Januar 2014,

Beschreibung und Zeichnungen jeweils wie Patentschrift.


G r ü n d e

I.

Auf die am 4. April 2003 eingereichte Patentanmeldung wurde vom Deutschen
Patent- und Markenamt (DPMA) das Patent 103 15 667 mit der Bezeichnung „Si-
cherheitseinrichtung zur Überwachung eines Durchgangs“ erteilt. Die Patentertei-
lung wurde am 19. Januar 2012 im Patentblatt veröffentlicht. Das Patent umfasst
insgesamt 14 Patentansprüche.

Gegen das Patent wurde am 12. April 2012 Einspruch erhoben, mit dem der voll-
ständige Widerruf des Patents begehrt wurde. Der Einspruch stützt sich auf den
Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit (§ 21 Abs. 1 Nr. 1 PatG). Die Ein-
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sprechende hatte ihren Einspruch auf den folgenden druckschriftlichen Stand der
Technik gestützt (Nummerierung aus dem Einspruchsbeschluss):

D1 DE 201 03 828 U1,
D2 EP 1 164 556 A2 und
D3 Anschluss- und Betriebsanleitung Modulares Sicherheits-Interface
MSI-m/R MSI-m/t der Firma Leuze lumiflex vom
25. September 2002.

Mit am Ende der Anhörung vom 31. Januar 2014 verkündetem Beschluss hat die
Patentabteilung 53 des DPMA das Patent widerrufen. Zur Begründung hat sie
ausgeführt, dass der Gegenstand des jeweiligen Patentanspruchs 1 nach Haupt-
antrag und nach den Hilfsanträgen 1 und 2 gegenüber der Lehre der Druckschrift
D3 als nicht mehr neu (Hauptantrag) bzw. als nicht auf einer erfinderischen Tätig-
keit (Hilfsanträge 1 und 2) beruhend angesehen werden könne. Der Beschluss
wurde der Patentinhaberin am 17. Februar 2014 zugestellt.

Hiergegen wendet sich die Patentinhaberin mit ihrer am 11. März 2014 eingeleg-
ten Beschwerde.

Der Bevollmächtigte der Patentinhaberin beantragt,

den Beschluss der Patentabteilung 53 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 31. Januar 2014 aufzuheben und das Patent
103 15 667 im Umfang folgender Unterlagen aufrechtzuerhalten:

Patentansprüche 1 bis 3, dem DPMA als Hilfsantrag 2 überreicht
in der mündlichen Anhörung am 31. Januar 2014,

Beschreibung und Zeichnungen wie Patentschrift.

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Der Bevollmächtigte der Einsprechenden beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Der geltende Patentanspruch 1 lautet:


An den geltenden Patentanspruch 1 schließen sich die abhängigen Patentansprü-
che 2 und 3 an, bezüglich derer auf die Akte verwiesen wird.

Die Patentinhaberin und Beschwerdeführerin hält die Gegenstände der geltenden
Patentansprüche für patentfähig.
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Die Einsprechende und Beschwerdegegnerin ist demgegenüber der Ansicht, dass
die Gegenstände der geltenden Ansprüche insbesondere in Ansehung der Druck-
schrift D3 nicht patentfähig seien.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.


II.

Die zulässige Beschwerde ist begründet mit der Folge, dass der angefochtene
Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte Patent in der nunmehr beantragten
Fassung beschränkt aufrechtzuerhalten ist.
1. Der Patentgegenstand betrifft eine Sicherheitseinrichtung zur Überwachung
eines Durchgangs (z. B. in einer Umzäunung eines Roboter-Bearbeitungszent-
rums), durch den sich Gegenstände bewegen. Dieser Durchgang wird primär
durch eine berührungslos arbeitende erste Sensoranordnung gesichert, die bei ei-
ner Auslösung Sicherheitsmittel (z. B. Warneinrichtungen) aktiviert. Um beispiels-
weise einen gewollten Materialtransport durch die Umzäunung eines Roboter-Be-
arbeitungszentrums vollziehen zu können, ohne die Warnmittel zu aktivieren, ist
eine - in der Bewegungsrichtung der Gegenstände vor dem Durchgang angeord-
nete - zweite Sensoranordnung vorgesehen, die bei ihrer Auslösung die erste
Sensoranordnung und/oder die Sicherheitsmittel deaktiviert und eine Schaltein-
richtung, welche diese Deaktivierung wenigstens bis nach dem Passieren der
ersten Sensoranordnung durch den jeweiligen Gegenstand aufrecht erhält (vgl.
Streitpatent, Absatz [0001]).

Eine solche Sicherheitseinrichtung ist bereits aus der Druckschrift D1 bekannt (vgl.
Streitpatent, Absatz [0002]). Das Streitpatent sieht nun - ausgehend von diesem
Stand der Technik - bei einer Sicherheitseinrichtung gemäß der Druckschrift D1
Probleme darin, dass
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 nicht erkennbar ist, ob gerade eine Sicherheits-Deaktivierung vorliegt bzw.
ob diese wieder ordnungsgemäß nach dem Passieren des Gegenstands
rückgängig gemacht worden ist (vgl. Streitpatent, Absatz [0002], vorletzter
Satz) und
 bei der Installation zusätzlicher Sicherheitseinrichtungen die gesamte
Anordnung unübersichtlich und der Verkabelungsaufwand größer wird (vgl.
Streitpatent, Absatz [0002], letzter Satz).

Das Streitpatent stellt sich ausgehend von Vorgesagtem die Aufgabe, eine Si-
cherheitseinrichtung mit verbesserter Sicherheit zu schaffen, die dennoch einfach
und übersichtlich aufgebaut und installierbar ist (vgl. Streitpatent, Absatz [0004]).

Als Grundgedanken der Erfindung formuliert das Streitpatent zwei Lösungsmög-
lichkeiten für die vorgenannte Aufgabe:
 Vorsehen einer Signalanordnung, die eine Sicherheits-Deaktivierung wäh-
rend einer Deaktivierungszeit optisch anzeigt und die wenigstens zwei Sig-
naleinrichtungen besitzt, von denen die eine bei Ausfall der anderen ihr
Signalverhalten verändert (Lösung 1; vgl. Streitpatent, Patentanspruch 1
und Absatz [0005]).
 Vorsehen einer Zeitschalteinrichtung zur Überwachung der Aktivierungszeit
der zweiten Sensoranordnung durch einen Gegenstand, wobei Mittel zur
Reaktivierung der ersten Sensoranordnung nach Ablauf einer vorgebbaren
maximalen Aktivierungszeit vorgesehen sind, und wobei die Zeitschaltein-
richtung Schaltmittel zur Unterbrechung der Aktivierungszeit in Abhängig-
keit von Steuersignalen von Einrichtungen eines an den Durchgang an-
schließenden Sicherheitsbereichs besitzt (Lösung 2; vgl. Streitpatent, Pa-
tentanspruch 12 und Absatz [0016]).

Als Vorteil der mit den geltenden Patentansprüchen weiterverfolgten Lösung 2
sieht das Streitpatent insbesondere an, dass durch die Überwachung der maxi-
malen Aktivierungszeit der zweiten Sensoranordnung ein Funktionsfehler der
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zweiten Sensoranordnung erkennbar ist (eben wenn diese nicht mehr abschaltet);
zusätzlich wird sichergestellt, dass nach Ablauf der maximalen Aktivierungszeit
der zweiten Sensoranordnung (z. B. weil diese defekt ist bzw. manipuliert wurde)
in jedem Falle die erste Sensoranordnung wieder reaktiviert wird (und damit die
Sicherheitsmittel wieder greifen können; vgl. Streitpatent, Absatz [0017]).

Der geltende Patentanspruch 1 entspricht sachlich dem ursprünglich angemel-
deten Patentanspruch 15 bzw. dem erteilten Patentanspruch 12 und lautet (mit
hinzugefügten Merkmalsbezeichnungen):

M1 Sicherheitseinrichtung zur Überwachung eines Durchgangs (12),
durch den sich Gegenstände (14) in wenigstens einer der beiden
Bewegungsrichtungen bewegen,
M2 mit einer den Durchgang (12) sichernden berührungslos arbeiten-
den ersten Sensoranordnung (16),
M3 die bei einer Auslösung Sicherheitsmittel (17, 18) aktiviert,
M4 mit einer in der Bewegungsrichtung der Gegenstände (14) vor
dem Durchgang (12) angeordneten zweiten Sensoranord-
nung (19),
M5 die bei einer Auslösung die erste Sensoranordnung (16) und/oder
die Sicherheitsmittel (17, 18) deaktiviert,
M6 und mit einer diese Sicherheits-Deaktivierung wenigstens bis nach
dem Passieren der ersten Sensoranordnung (16) durch den jewei-
ligen Gegenstand (14) aufrecht erhaltenden Schalteinrich-
tung (22),
M7 wobei eine Zeitschalteinrichtung (45) zur Überwachung der Aktivie-
rungszeit der zweiten Sensoranordnung (19) durch einen Gegen-
stand vorgesehen ist,
dadurch gekennzeichnet, dass
M8 Mittel zur Reaktivierung der ersten Sensoranordnung (16) nach
Ablauf einer vorgebbaren maximalen Aktivierungszeit vorgesehen
sind,
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M9 und dass die Zeitschalteinrichtung (45) Schaltmittel zur Unterbre-
chung der Aktivierungszeit in Abhängigkeit von Steuersignalen
von Einrichtungen eines sich an den Durchgang anschließenden
Gefahrenbereichs (11) besitzt.

2. Als für die Beurteilung der Lehre des Streitpatents relevanten Fachmann
sieht der Senat einen Diplomingenieur der Elektrotechnik mit Erfahrung auf dem
Gebiet der Entwicklung von Sicherheits- und Überwachungseinrichtungen für Ma-
schinen.

3. Ausgehend von dem Fach- und Erfahrungswissen dieses Fachmanns legt
der Senat dem Wortlaut des Patentanspruchs 1 folgenden Bedeutungsinhalt zu-
grunde:

Ein „Durchgang“ im Sinne des Streitpatents ist jede begrenzte Fläche, die auf den
Durchtritt von Objekten überwacht wird (vgl. Fig. 1 bis 3 des Streitpatents, dort
Bezugszeichen 12).

Eine „berührungslos arbeitende Sensoranordnung“ (erste Sensoranordnung,
Merkmal M2) kann gemäß Streitpatent als einfache oder mehrfache Einweg- oder
Reflexionslichtschranke, als Lichtgitter und/oder Lichtvorhang, als Kameraanord-
nung oder elektromagnetisch arbeitende Sensoranordnung ausgebildet sein (vgl.
Streitpatent, Absatz [0011]). Für die zweite Sensoranordnung (Merkmal M4) for-
dert das Streitpatent die Eigenschaft der Berührungslosigkeit nicht, hierfür kann
demgemäß z. B. auch ein einfacher Kontaktschalter verwendet werden (vgl.
ebenda).

Die streitpatentgemäßen „Sicherheitsmittel“ (Merkmal M3) dienen dazu, auf eine
sicherheitsrelevante „Durchdringung“ des Durchgangs zu reagieren, also zu war-
nen oder gefährdende Einrichtungen abzuschalten. Sie sind beispielsweise als
optische und/oder akustische Anzeige- oder Alarmeinrichtungen (zur Warnung)
ausgebildet und können alternativ oder zusätzlich eine Abschaltvorrichtung für
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Gefahrenquellen besitzen, insbesondere für Handhabungseinrichtungen, Förder-
einrichtungen und Bearbeitungseinrichtungen in einem durch den Durchgang zu-
gänglichen Gefahrenbereich (vgl. Streitpatent, Absätze [0013], [0014] und [0025]).

Dass die Zeitschalteinrichtung „Schaltmittel zur Unterbrechung der Aktivierungs-
zeit“ besitzt (Merkmal M9), versteht der Fachmann als Möglichkeit der Zeitschalt-
einrichtung, die Zählung der Aktivierungszeit in der Zeitschalteinrichtung zu unter-
brechen, beispielsweise, wenn das den Gegenstand bewegende Fördermittel we-
gen eines Materialstaus ohnehin steht (vgl. Streitpatent, Absätze [0016], [0017]
und [0030]). Soweit die Einsprechende vorgetragen hat, insbesondere die Ab-
sätze [0030] und [0031] des Streitpatents ließen auch eine Auslegung zu, derge-
mäß eine Unterbrechung der Aktivierungszeit auch als ein „Ausschalten des Mu-
tings“ bzw. als eine Beendigung der Aktivierung betrachtet werden könne, so wi-
derspricht diese Auslegungsvariante dem Wortlaut der in Bezug genommenen
Absätze des Streitpatents, die ausdrücklich von einer Unterbrechung der Aktivie-
rungszeit sprechen (vgl. Streitpatent, Absatz [0030]: „Derartige Signale unterbre-
chen die Aktivierungszeit.“) und dem Fachmann erläutern, dass die unterbrochene
Zählung der Aktivierungszeit streitpatentgemäß fortgesetzt wird (vgl. Streitpatent,
Absatz [0031]: „… ein entsprechendes Signal an diesem Auslöseeingang beendet
die Unterbrechung der Aktivierungszeit und lässt diese weiterlaufen.“). Der Ein-
sprechenden ist Recht zu geben, dass dieses „Weiterlaufen“ einen Signaleingang
erfordert (vgl. ebenda und Fig. 4 des Streitpatents). Dies macht dem Fachmann
jedoch nur deutlich, dass die Unterbrechung der Zählung der Aktivierungszeit so
lange anhält, bis am Auslöseeingang der Zeitschalteinrichtung ein Signal anliegt
(vgl. wiederum Absatz [0031] und Fig. 4 des Streitpatents). Auch soweit die Ein-
sprechende in diesem Zusammenhang dem Merkmal M7 einen Bedeutungsinhalt
beimisst, welcher bei einer Unterbrechung der Aktivierungszeit eine Deaktivierung
der zweiten Sensoreinrichtung voraussetzt, so würde der Fachmann eine derartige
Auslegungsvariante verwerfen, da sie in offensichtlichem Widerspruch zu dem
Ausführungsbeispiel des Streitpatents (vgl. Absätze [0030] und [0031]) und insbe-
sondere der zugehörigen Figur 4 des Streitpatents steht, denn bei dieser Ausle-
gung wäre das Anlegen eines Auslösesignals an der Zeitschalteinrichtung stets
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wirkungslos (vgl. Figur 4 des Streitpatents, dort insbesondere die Bezugszei-
chen 45 und 49). Eine derartige Auslegung des Patentanspruchs, die zur Folge
hätte, dass das in der Patentschrift geschilderte Ausführungsbeispiel vom Gegen-
stand des Patents nicht mehr erfasst würde, käme jedoch nur dann in Betracht,
wenn andere Auslegungsmöglichkeiten zwingend ausscheiden oder wenn sich
aus dem Patentanspruch hinreichend deutliche Anhaltspunkte dafür entnehmen
lassen, dass tatsächlich etwas beansprucht wird, das so weitgehend von der Be-
schreibung abweicht (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2014 - X ZR 35/11 - Zu-
griffsrechte, GRUR 2015, 159). Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall.

4. Die geltenden Patentansprüche sind zulässig.

Der geltende Patentanspruch 1 entspricht sachlich dem ursprünglich angemelde-
ten Patentanspruch 15 bzw. dem erteilten Patentanspruch 12, lediglich die Tren-
nung zwischen Oberbegriff und Kennzeichen wurde verschoben.
Auch bezüglich der Zulässigkeit der abhängigen Patentansprüche - wozu die Ein-
sprechende nichts vorgetragen hat - hat der Senat keine Bedenken, sie entspre-
chen den ursprünglich angemeldeten Patentansprüchen 16 und 17 bzw. den er-
teilten Patentansprüchen 13 und 14.

5. Die zweifellos gewerblich anwendbare Sicherheitseinrichtung nach dem Pa-
tentanspruch 1 gilt als neu (§ 3 PatG).

a) Die Druckschrift D3 (Anschluss- und Betriebsanleitung Modulares Sicher-
heits-Interface MSI-m/R MSI-m/t der Firma Leuze lumiflex vom 25.09.2002) be-
schreibt ein modulares Sicherheits-Interface (dort „MSI“ genannt), das als Binde-
glied zwischen einer oder mehreren optoelektronischen Schutzeinrichtungen und
einer Maschinensteuerung dient (vgl. dort Abschnitt 1.1).

Der Druckschrift D3 entnimmt der Fachmann eine

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M1 Sicherheitseinrichtung zur Überwachung eines Durchgangs (vgl. in
der Zeichnung auf Seite 18 den Bereich zwischen Sender T und
Empfänger R, welcher den Durchgang zur „danger zone“ bildet),
durch den sich Gegenstände (vgl. in der Zeichnung auf Seite 18
den schwarz dargestellten Gegenstand) in wenigstens einer der
beiden Bewegungsrichtungen bewegen,
M2 mit einer den Durchgang sichernden berührungslos arbeitenden
ersten Sensoranordnung (vgl. in der Zeichnung auf Seite 18 den
Sender T und den Empfänger R, die zusammen ein Active Opto-
electronic Protective Device [AOPD] bilden),
M3 die bei einer Auslösung Sicherheitsmittel aktiviert (so wird gemäß
der Lehre der Druckschrift D3 die Maschinensteuerung beeinflusst
[vgl. Abschnitt 1.1, auch Abschnitt 3.3.2 ]),
M4 mit einer in der Bewegungsrichtung der Gegenstände vor dem
Durchgang angeordneten zweiten Sensoranordnung (vgl. in der
Zeichnung auf Seite 18 die Mutingsensoren M1 bis M4),
M5 die bei einer Auslösung die erste Sensoranordnung und/oder die Si-
cherheitsmittel deaktiviert (vgl. Abschnitte 2.4 und 3.3.2),
M6 und mit einer diese Sicherheits-Deaktivierung wenigstens bis nach
dem Passieren der ersten Sensoranordnung durch den jeweiligen
Gegenstand aufrecht erhaltenden Schalteinrichtung (vgl. den Ver-
lauf der von den Mutingsensoren abgegebenen Signale und den
Verlauf der Mutingfunktion in der Zeichnung auf Seite 18; die Mu-
tingfunktion bleibt bis nach dem Passieren des ersten Sensoran-
ordnung aktiv),
M7 wobei eine Zeitschalteinrichtung zur Überwachung der
Aktivierungszeit der zweiten Sensoranordnung durch einen Gegen-
stand vorgesehen ist (vgl. Abschnitt 3.3.2.7) und
M8 Mittel zur Reaktivierung der ersten Sensoranordnung nach Ablauf
einer vorgebbaren maximalen Aktivierungszeit vorgesehen sind
(vgl. auf Seite 21, vierter Bullet von unten: „Muting auf 10 min.
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(Timelimit) begrenzt“; vgl. auch Seite 10, dort die Funktion des DIP-
Schalters MU2 „Muting-Timelimit“).

Das Merkmal M9, demgemäß

die Zeitschalteinrichtung Schaltmittel zur Unterbrechung der Aktivie-
rungszeit in Abhängigkeit von Steuersignalen von Einrichtungen ei-
nes sich an den Durchgang anschließenden Gefahrenbereichs be-
sitzt,

geht aus der Druckschrift D3 jedoch nicht hervor.

Soweit die Einsprechende eine Realisierung des Merkmals M9 in dem Beispiel
des Abschnittes 3.3.2.10 der Druckschrift D3 zu erkennen glaubt, basiert diese
Überlegung auf einer nicht haltbaren Auslegung der Merkmale M7 und M9, der-
gemäß eine Unterbrechung der Aktivierungszeit auch als ein „Ausschalten des
Mutings“ bzw. als eine Beendigung der Aktivierung betrachtet werden könne (vgl.
oben). Soweit die Einsprechende die Aussage der Druckschrift D3, dergemäß
kurze Unterbrechungen von weniger als 2,5 s das Muting nicht unterbrechen, als
Beleg für ihre Sichtweise heranzieht, kann dies nicht überzeugen, denn die zuge-
hörige Zeichnung (vgl. Druckschrift D3, Seite 20, linke Hälfte) zeigt, dass die ge-
nannten kurzen Unterbrechungen keinerlei Einfluss auf die Mutingfunktion haben,
insbesondere diese nicht verlängern oder eine Zeitzählung unterbrechen.

Schaltmittel zur Unterbrechung der Aktivierungszeit in Abhängigkeit von Steuer-
signalen entsprechend Merkmal M9 können der Druckschrift D3 daher nicht ent-
nommen werden.

b) Keine der weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften D1 und D2
zeigt Schaltmittel zur Unterbrechung der Aktivierungszeit in Abhängigkeit von
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Steuersignalen gemäß Merkmal M9. Der Gegenstand des geltenden Patentan-
spruchs 1 ist daher auch neu gegenüber diesen Druckschriften.

6. Die Sicherheitseinrichtung nach dem Patentanspruch 1 beruht auch auf ei-
ner erfinderischen Tätigkeit (§ 4 PatG).

a) Ausgehend von der sachgerecht ausgelegten Lehre der Druckschrift D3
konnte der Fachmann nicht zur Lehre des geltenden Patentanspruches 1 gelan-
gen, ohne erfinderisch tätig zu werden.

Die Druckschrift D3 kennt zwar eine (absolute) Abschaltung der Überwachung des
Zeitlimits für eine Mutingfunktion mittels eines (per Hand zu bedienenden) DIP-
Schalters (vgl. Druckschrift D3, Abschnitt 3.3.2.7). Diese absolute Abschaltung
aber so weiterzubilden, dass
1. nicht die Mutingüberwachung (absolut) abgeschaltet, sondern die Zeitzäh-
lung unterbrochen wird (somit eine Speichereinrichtung für die bereits ver-
strichene Zeit bereitgestellt wird) und
2. diese Schaltfunktion in Abhängigkeit von Steuersignalen von Einrichtungen
eines Gefahrenbereichs ausgeführt wird, also ein weiterer Steuereingang
vorgesehen wird
liegt für den Fachmann ausgehend von der Druckschrift D3 nicht nahe. Abgese-
hen davon, dass er hierfür tief in die logische Struktur der Steuereinrichtung ein-
greifen müsste, führt ihn die Lehre der Druckschrift D3 von einer automatisierten
Schaltfunktion in Abhängigkeit von Steuersignalen weg, da die Druckschrift D3
eine Abschaltung der Überwachung des Zeitlimits für eine Mutingfunktion lediglich
als händischen Konfigurationseingriff mittels DIP-Schalter kennt, für die das Inter-
face sogar spannungsfrei zu schalten ist (vgl. Druckschrift D3, Abschnitt 3.2.2).
Ausgehend hiervon eine automatisierte Unterbrechung der Zeitzählung der Akti-
vierungszeit aus dem laufenden Betrieb heraus vorzusehen, lag dem Fachmann in
keiner Weise nahe.

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b) Keine der weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften D1 und D2
offenbart überhaupt eine Zeitschalteinrichtung zur Überwachung der Aktivierungs-
zeit der zweiten Sensoranordnung. Ausgehend von der ihnen jeweils zugrundelie-
genden Lehre hatte der Fachmann daher keinerlei Veranlassung, Schaltmittel zur
Unterbrechung der Aktivierungszeit in Abhängigkeit von Steuersignalen vorzuse-
hen, wie es im Einzelnen im Patentanspruch 1 ausgeführt ist.

c) Die auf den Patentanspruch 1 rückbezogenen Patentansprüche 2 und 3
bilden den Gegenstand ihres Bezugsanspruchs in nicht selbstverständlicher
Weise weiter und erweisen sich daher ebenfalls als patentfähig.


7. Aus diesen Gründen war der angefochtene Beschluss der Patentabtei-
lung 53 aufzuheben und das Patent auf der Grundlage der geltenden Ansprüche
beschränkt aufrechtzuerhalten.


Rechtsbehelfsbelehrung

Gegen diesen Beschluss des Beschwerdesenats steht den am Beschwerdeverfahren Beteiligten
die Rechtsbeschwerde zu (§ 99 Absatz 2, § 100 Absatz 1, § 101 Absatz 1 des Patentgesetzes).
Da der Senat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen hat, ist sie nur statthaft, wenn gerügt wird,
dass

1. das beschließende Gericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war,
2. bei dem Beschluss ein Richter mitgewirkt hat, der von der Ausübung des Richteram-
tes kraft Gesetzes ausgeschlossen oder wegen Besorgnis der Befangenheit mit Erfolg
abgelehnt war,
3. einem Beteiligten das rechtliche Gehör versagt war,
4. ein Beteiligter im Verfahren nicht nach Vorschrift des Gesetzes vertreten war, sofern
er nicht der Führung des Verfahrens ausdrücklich oder stillschweigend zugestimmt
hat,
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5. der Beschluss aufgrund einer mündlichen Verhandlung ergangen ist, bei der die Vor-
schriften über die Öffentlichkeit des Verfahrens verletzt worden sind, oder
6. der Beschluss nicht mit Gründen versehen ist

(§ 100 Absatz 3 des Patentgesetzes).
Die Rechtsbeschwerde ist beim Bundesgerichtshof einzulegen (§ 100 Absatz 1 des Patentgeset-
zes). Sitz des Bundesgerichtshofes ist Karlsruhe (§ 123 GVG).
Die Rechtsbeschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses beim Bun-
desgerichtshof schriftlich einzulegen (§ 102 Absatz 1 des Patentgesetzes). Die Postanschrift lautet:
Bundesgerichtshof, Herrenstraße 45 a, 76133 Karlsruhe.
Sie kann auch als elektronisches Dokument eingereicht werden (§ 125a Absatz 2 des Patentge-
setzes in Verbindung mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr beim Bundesge-
richtshof und Bundespatentgericht (BGH/BPatGERVV) vom 24. August 2007 (BGBl. I S. 2130)). In
diesem Fall muss die Einreichung durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die
elektronische Poststelle des Bundesgerichtshofes erfolgen (§ 2 Absatz 2 BGH/BPatGERVV).

Die Rechtsbeschwerde kann nur darauf gestützt werden, dass der Beschluss auf einer Verletzung
des Rechts beruht (§ 101 Absatz 2 des Patentgesetzes). Die Rechtsbeschwerde ist zu begründen.
Die Frist für die Begründung beträgt einen Monat; sie beginnt mit der Einlegung der Rechtsbe-
schwerde und kann auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden (§ 102 Absatz 3 des Pa-
tentgesetzes). Die Begründung muss enthalten:

1. die Erklärung, inwieweit der Beschluss angefochten und seine Abänderung oder
Aufhebung beantragt wird;
2. die Bezeichnung der verletzten Rechtsnorm;
3. insoweit die Rechtsbeschwerde darauf gestützt wird, dass das Gesetz in Bezug auf
das Verfahren verletzt sei, die Bezeichnung der Tatsachen, die den Mangel ergeben

(§ 102 Absatz 4 des Patentgesetzes).

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Vor dem Bundesgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen beim Bundesgerichtshof zu-
gelassenen Rechtsanwalt als Bevollmächtigten vertreten lassen (§ 102 Absatz 5 des Patentgeset-
zes).


Mayer Musiol Dorn Wollny

Pr


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