2 BvR 85/02 - Zum Prüfungsmaßstab bei Entscheidung über die Aussetzung einer Maßregel gem StGB § 67d Abs 2 zur Bewährung
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 85/02 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



des Herrn W...




 



- Bevollmächtigter:


Rechtsanwalt Hans Meyer-Mews,

Humboldtstraße 56, 28203 Bremen -





 





gegen
a)

den Beschluss des
Hanseatischen Oberlandesgerichts in Bremen vom 11.
Dezember 2001 - Ws 140/01 (BL 172/01) -,



b)

den Beschluss des
Amtsgerichts Bremerhaven vom 6. September 2001 - (Gr.)
StVK 118/00 -






 



hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

die Richterin Präsidentin Limbach

und die Richter Hassemer,

Mellinghoff




 



gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473) am 6. März 2002 einstimmig beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.




 


Gründe:




1



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund nach
§ 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Sie hat keine
Aussicht auf Erfolg.




2



Die unter Würdigung vielfältiger Umstände zu
treffende Entscheidung, ob die Maßregel der Unterbringung in
einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 67d Abs. 2
StGB zur Bewährung ausgesetzt werden kann, obliegt in erster
Linie den Fachgerichten. Das Bundesverfassungsgericht wacht
nur darüber, dass der zuständige Richter der
verfassungsrechtlichen Freiheitsgarantie des Untergebrachten
bei seiner Entscheidungsfindung hinreichendes Gewicht
beilegt; es hat nur dann einzuschreiten, wenn sich
feststellen lässt, dass dies nicht der Fall war. Da es sich
um eine wertende Entscheidung handelt, die nach
ausfüllungsbedürftigen Kriterien und unter
Prognosegesichtspunkten fällt, kann das
Bundesverfassungsgericht sie nicht in allen Einzelheiten,
sondern nur daraufhin nachprüfen, ob eine Abwägung überhaupt
stattgefunden hat und ob die dabei zugrunde gelegten
Bewertungsmaßstäbe der Verfassung entsprechen, insbesondere
Inhalt und Tragweite des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit
nicht verkennen (vgl. BVerfGE 27, 211 ; 70, 297
).




3



Im Rahmen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes
verlangt das Spannungsverhältnis zwischen dem
Freiheitsanspruch des betroffenen Einzelnen und dem
Sicherungsbedürfnis der Allgemeinheit vor zu erwartenden
Rechtsgutsverletzungen nach gerechtem und vertretbarem
Ausgleich. Je länger die Unterbringung in einem
psychiatrischen Krankenhaus andauert, umso strenger werden
die Voraussetzungen für die Verhältnismäßigkeit des
Freiheitsentzuges sein (BVerfGE 70, 297 ). Daher
haben sich die Gerichte eine ausreichende Tatsachengrundlage
zu verschaffen und darzulegen, aufgrund welcher Tatsachen die
Gefahr von Straftaten mit welcher Wahrscheinlichkeit besteht
(BVerfGE 70, 297 ).




4



Diesen Maßstäben genügen die angegriffenen
Entscheidungen. Die Strafvollstreckungskammer hat sich eine
ausreichende Tatsachengrundlage dadurch verschafft, dass sie
einen anstaltsfremden Sachverständigen hinzuzog, der sich
eingehend auch mit den in der Vergangenheit erstatteten
Gutachten auseinander gesetzt hat. Sie ist insbesondere auf
der Grundlage dieses Gutachtens und des Vollzugsverhaltens
des Beschwerdeführers zu der Überzeugung gelangt, dass dieser
in Folge seiner Persönlichkeitsstörung sowie einer multiplen
Störung seiner Sexualpräferenz "höchst wahrscheinlich" im
Falle seiner Entlassung binnen kurzer Zeit wieder Vergehen
des sexuellen Missbrauchs und Verbrechen des schweren
sexuellen Missbrauchs von Kindern begehen werde, und hat dies
ausführlich begründet. Ferner hat sie sich eingehend mit der
bisherigen Therapieuneinsichtigkeit des Beschwerdeführers
auseinander gesetzt. Dass angesichts dieser Umstände der
hohen Gefahr von erheblichen Straftaten durch Hilfen
außerhalb des Maßregelvollzugs - insbesondere durch eine
Therapieweisung im Rahmen der Führungsaufsicht - nicht in
ausreichendem Maße begegnet werden kann, lag im konkreten
Fall derart nahe, dass dies keiner ausdrücklichen Erörterung
mehr in den Beschlussgründen bedurfte.




5



Von einer weiteren Begründung wird gemäß
§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG abgesehen.




6



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Limbach
Hassemer
Mellinghoff







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