2 BvR 290/02 - Nachträgliche Gesamtstrafenbildung gem § 460 StPO unter Einbeziehung einer gem § 59c StGB vorbehaltenen Strafe zulässig
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 290/02 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



des Herrn S ...,




 



- Bevollmächtigter:


Rechtsanwalt Martin Böhmer,

Hirtengraben 16, 91257 Pegnitz/Buchau -





 





gegen
a)

den Beschluss des
Landgerichts Bayreuth vom 10. Januar 2002 – Qs 5/02
-,



b)

den Beschluss des
Amtsgerichts Bayreuth vom 11. Dezember 2001 – 3 Ds 9 Js
2383/01 -






 



hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Hassemer,

die Richterin Osterloh

und den Richter Mellinghoff




 



gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom
11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am
27. Mai 2002 einstimmig beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.




 


Gründe:




1



Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs.
2 BVerfGG liegen nicht vor. Der Verfassungsbeschwerde kommt
weder grundsätzliche verfassungsrechtliche Bedeutung zu noch
ist ihre Annahme zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1
BVerfGG genannten Rechte des Beschwerdeführers angezeigt. Die
Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg.




2



Die Feststellung und die Würdigung des
Tatbestands und die Auslegung und Anwendung der Vorschriften
des Strafrechts und Strafprozessrechts sind in erster Linie
Sache der Fachgerichte und einer Nachprüfung durch das
Bundesverfassungsgericht regelmäßig entzogen (BVerfGE 18, 85
; 30, 173 ; 57, 250 ; 96, 68
). Ein Eingreifen des Bundesverfassungsgerichts
kommt erst dann in Betracht, wenn die angegriffenen
fachgerichtlichen Entscheidungen gegen spezifisches
Verfassungsrecht verstoßen, insbesondere wenn sie bei
verständiger Würdigung der das Grundgesetz beherrschenden
Gedanken nicht mehr verständlich sind.




3



Diesem verfassungsrechtlichen Maßstab werden
die angegriffenen fachgerichtlichen Entscheidungen
gerecht.




4



Die von ihnen vorgenommene Auslegung der
Vorschriften der §§ 460 Abs. 1 StPO, 59 c Abs. 2 und 55
StGB und ihre Anwendung auf die Verwarnung mit Strafvorbehalt
ist zwar in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und
Literatur umstritten (befürwortend Lackner, StGB, 24. Aufl.,
§ 59 c Rn. 3; Leipziger Kommentar zum StGB, 10. Aufl.,
§ 59 c Rn. 4; Landgericht Flensburg, SchLHA 1997, S. 285
; ablehnend Tröndle/Fischer, StGB, § 59 c Rn.
2; Stree in Schöncke/Schröder, StGB, 26. Aufl., § 59 c
Rn. 5; Amtsgericht Dieburg, NStZ 1996, S. 613). Sie ist
jedoch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Die
Vorschrift des § 460 StPO dient in erster Linie dazu,
den mit der Vorschrift des § 55 StGB verfolgten Zweck,
die durch eine verfahrensrechtlich getrennte Aburteilung an
sich gesamtstrafenfähiger Entscheidungen entstandenen Vor-
und Nachteile nachträglich auszugleichen, auch dann zu
sichern, wenn die nachträgliche Gesamtstrafenbildung im
Erkenntnisverfahren unterblieben ist (vgl. BGH NJW 1958, S.
1643 ). Da die Vorschrift des § 59 c
Abs. 2 StGB für diesen Fall die Verwarnung mit Strafvorbehalt
einer Vorverurteilung gleichstellt, ist die von den
Fachgerichten getroffene Entscheidung nachträglicher
Gesamtstrafenbildung verfassungsrechtlich nicht zu
beanstanden.




5



Von einer weiteren Begründung der Entscheidung
wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Nr. 3 BVerfGG).




6



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Hassemer
Osterloh
Mellinghoff







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