2 BvR 261/02 - Mangelnde Erfolgsaussichten einer Verfassungsbeschwerde zur Verhinderung der Preisgabe von Informationen aus einem Strafprozess sowie gegen eine staatsanwaltschaftliche Mitteilung gem §§ 171, 172 StPO
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 261/02 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



des Rechtsanwalts L...




 





gegen
a)

den Beschluss des
Oberlandesgerichts München vom 8. Februar 2002 – 3 VAs
8/02 -,



b)

die Mitteilung der
Staatsanwaltschaft München I vom 22. Januar 2002 an die
Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben
(BvS) - 323 Js 36781/99 -









und

Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung






 



hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

die Richterin Präsidentin Limbach

und die Richter Hassemer,

Mellinghoff




 



gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August
1993 (BGBl I S. 1473) am 27. Februar 2002
einstimmig beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.

Damit erledigt sich der Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung.




 


Gründe:




1



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß
§ 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die maßgeblichen
verfassungsrechtlichen Fragen sind entschieden (§ 93a
Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die Annahme ist auch nicht zur
Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt
(§ 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG); denn die
Verfassungsbeschwerde hat keine Aussicht auf Erfolg (vgl.
BVerfGE 90, 22 ).




2



1. Soweit der Beschwerdeführer mit dem Antrag
auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und der
Verfassungsbeschwerde verhindern will, dass die
Prozessbevollmächtigten der Bundesanstalt für
vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) Informationen aus
dem Strafverfahren preisgeben, ist die Verfassungsbeschwerde
unzulässig, weil der Beschwerdeführer den Rechtsweg nicht
eingehalten hat (§ 90 Abs. 2 BVerfGG). Denn insoweit
stünde ihm gegebenenfalls ein Unterlassungsanspruch nach
§ 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB zu, den er zunächst vor den
Zivilgerichten geltend zu machen hätte.




3



2. Soweit der Beschwerdeführer die
staatsanwaltschaftliche Mitteilung angreift, ist die
Verfassungsbeschwerde jedenfalls unbegründet. Die das
Grundrecht des Beschwerdeführers auf informationelle
Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs.
1 GG) berührende Mitteilung der Staatsanwaltschaft ist durch
§§ 171, 172 StPO gerechtfertigt.




4



Auskunftsrechte des Antragstellers oder
Geschädigten einer Straftat sowie Mitteilungspflichten der
Ermittlungsbehörden gegenüber diesem Personenkreis sind in
§ 171 StPO (Bescheidung des Antragstellers bei
Einstellung), § 406 d StPO (Mitteilungspflichten) und
§ 406 e StPO (Akteneinsicht) geregelt. Danach hat der
Antragsteller, der zugleich Verletzter ist, umfassende
Auskunftsansprüche, soweit er ein berechtigtes Interesse
geltend machen kann (Akteneinsicht), und ist über den
Abschluss des Verfahrens, sei es auf
staatsanwaltschaftlicher, sei es auf gerichtlicher Ebene, zu
unterrichten. Die Übermittlung der entsprechenden, den
Beschuldigten betreffenden Informationen, ist also gesetzlich
geregelt und grundsätzlich zulässig; sie stellt die
einfach-rechtliche Ausformung des Anspruchs des Geschädigten
auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG dar (vgl.
hierzu Bundesverfassungsgericht, Beschluss der 3. Kammer des
Zweiten Senats vom 4. Mai 1998 – 2 BvR 1314/97 – Juris). Er
muss in die Lage versetzt werden, in den gesetzlich
vorgesehenen Fällen gegen die jeweilige Entscheidung vorgehen
zu können, und kann das nur, wenn sie ihm zuvor auch bekannt
gemacht wird. Dies gilt insbesondere für eine mittels des
Klageerzwingungsverfahrens (§ 172 StPO) überprüfbare
Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO.




5



Die BvS ist Antragstellerin und zugleich
mutmaßlich Geschädigte einer zu untersuchenden Straftat nach
§§ 64, 71, 84 Abs. 1 Nr. 2 GmbHG (vgl. Rowedder
u.a., Kommentar zum GmbHG, 3. Auflage, § 84 Rn. 1).
Sie wäre mithin befugt, bei einer Einstellung des
Ermittlungsverfahrens, das Klageerzwingungsverfahren zu
betreiben, und muss daher von Amts wegen über die Einstellung
unterrichtet werden, § 171 StPO. Wenn die
Staatsanwaltschaft die BvS darüber hinaus vorab über die
beabsichtigte Einstellung unterrichtet, so ist dies
gesetzlich zwar nicht ausdrücklich geregelt. Diese
Verfahrensweise dient jedoch verfahrensökonomischen Gründen,
um die gegen die Einstellung vorgebrachten Einwände der
Geschädigten, die sie ansonsten nach der Einstellung ohnehin
geltend machen könnte, schon vorab bei der Entscheidung
berücksichtigen zu können. Wenn sich die
Informationsweitergabe dabei auf Daten beschränkt, die der
Geschädigten ohnehin übermittelt werden müssten, ist es von
Verfassungs wegen nicht zu beanstanden, die Übermittlung
vorab vorzunehmen.




6



Die Staatsanwaltschaft hat sich in ihrem
Einstellungsentwurf sowie dem Begleitschreiben vom 22. Januar
2002 an diese Vorgaben gehalten. Dass sie darauf hingewiesen
hat, die Einstellung sei nur wegen des Insolvenzdelikts
beabsichtigt und im Übrigen werde weiter ermittelt, ist nicht
zu beanstanden. Denn die Geschädigte hat einen Anspruch
darauf zu erfahren, ob es sich um eine Teileinstellung oder
eine Einstellung in vollem Umfang handelt (vgl. Schmid in:
KK, StPO 4. Auflage, § 171 Rn. 5; Krehl in: HK, StPO, 2.
Auflage, § 171 Rn. 2).




7



Von einer weiteren Begründung der Entscheidung
wird abgesehen (§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).




8



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Limbach
Hassemer
Mellinghoff







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