2 BvR 2124/01 - Subsidiarität der Verfassungsbeschwerde bei unterlassenem Änderungsantrag gem § 80 Abs 7 VwGO
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 2124/01 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



der K. M...




 



- Bevollmächtigte:


Rechtsanwälte Axel Oswald und Koll.,

Friedrichstraße 7, 72072 Tübingen -





 





gegen

den Beschluss des
Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 22. November 2001 - A
9 K 11351/01 -






 



hat die 1. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch die Richter

Sommer,

Broß,

Mellinghoff




 



gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473) am 9. Januar 2002 einstimmig
beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.




 


Gründe:




1



Die Annahmevoraussetzungen des § 93a Abs.
2 BVerfGG liegen gegenwärtig nicht vor. Der Zulässigkeit der
Verfassungsbeschwerde steht der Grundsatz der Subsidiarität
(vgl. § 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG) entgegen; der
Rechtsweg ist nicht erschöpft.




2



1. Nach dem Grundsatz der Subsidiarität muss
eine Verfassungsbeschwerde erforderlich sein, um eine
Grundrechtsverletzung zu verhindern. Dies ist nicht der Fall,
wenn eine anderweitige Möglichkeit besteht oder bestand, die
Grundrechtsverletzung zu beseitigen oder ohne Inanspruchnahme
des Bundesverfassungsgerichts im praktischen Ergebnis
dasselbe zu erreichen (vgl. BVerfGE 22, 287
; 81, 97 ). Denn die
Verfassungsbeschwerde soll letzter, nur auf den Schutz der
Grundrechte und bestimmter grundrechtsähnlicher Rechte
beschränkter verfassungsrechtlicher Rechtsschutz sein, der
lediglich dann eingreift, wenn die sonstigen Möglichkeiten
zur allgemeinen richterlichen Nachprüfung bis zur letzten
Instanz hin erschöpft sind (vgl. BVerfGE 9, 3 ; 10,
89 ). Dies ist nicht der Fall, wenn der
Beschwerdeführer von einem zulässigen Rechtsmittel noch
keinen Gebrauch gemacht hat (vgl. BVerfGE 21, 94 ;
54, 53 ). Zu diesen Rechtsmitteln bzw.
Rechtsbehelfen im weiteren Sinne gehört auch der
Abänderungsantrag gemäß § 80 Abs. 7 VwGO (vgl. BVerfGE
70, 180 , seither stRspr).




3



Die Beschwerdeführerin muss deshalb zunächst
einen Änderungsantrag entsprechend § 80 Abs. 7 VwGO beim
Verwaltungsgericht Sigmaringen stellen, um eine Beseitigung
der sinngemäß geltend gemachten Verletzung rechtlichen Gehörs
(Art. 103 Abs. 1 GG) zu erreichen (vgl. BVerfG, 1. Kammer des
Zweiten Senats, Beschluss vom 4. Oktober 1994 - 2 BvR
2838/93, NVwZ-Beilage 1995, S. 2; siehe auch Roeser/Hänlein,
NVwZ 1995, S. 1082 ).




4



2. Werden - wie hier - neben der Verletzung
rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) noch weitere
Grundrechtsverletzungen gerügt, so bietet das
Änderungsverfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO zugleich
Gelegenheit, auch diese verfassungsrechtlichen Mängel zu
beseitigen, selbst wenn sie mit dem geltend gemachten
Gehörsverstoß nicht notwendig in Zusammenhang stehen (vgl.
BVerfG NVwZ-Beilage 1998, S. 81; BVerfG NVwZ 1998, S. 1174).
Die Rüge einer Verletzung von Art. 6 Abs. 1 und Abs. 2 i.V.m.
Art. 19 Abs. 4 GG ist deshalb zum gegenwärtigen Zeitpunkt
ebenfalls unter dem Gesichtspunkt der Subsidiarität
unzulässig, da noch kein Verfahren nach § 80 Abs. 7 VwGO
durchgeführt wurde. Die Verfassungsbeschwerde ist daher
gegenwärtig auch insoweit unzulässig (vgl. hierzu
Roeser/Hänlein, NVwZ 1995, S. 1082 ).




5



3. Zur Vermeidung einer Verletzung des
Anspruchs der Beschwerdeführerin auf Gewährung rechtlichen
Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG) wird das Verwaltungsgericht
Sigmaringen im Rahmen eines etwaigen Abänderungsverfahrens
nach § 80 Abs. 7 VwGO zu prüfen haben, ob Art. 6 Abs. 1
und Abs. 2 GG die Herstellung der Familieneinheit zwischen
der Beschwerdeführerin und ihren Eltern im Bundesgebiet
erfordern oder ob entsprechende Schritte des Bundesamtes für
die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge mit dem Ziel der
Übernahme des hier lebenden Vaters der Beschwerdeführerin in
die Niederlande genügen (vgl. hierzu ausführlich
Funke-Kaiser, in: GK-AsylVfG, § 29 Rn. 38 bis 39).




6



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Sommer
Broß
Mellinghoff







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