2 BvR 1565/94 - Zur Anordnung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft zur Erzwingung einer Aussage des Betroffenen als Zeuge in einem parlamentarischen Untersuchungsausschussverfahren in Schleswig-Holstein
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1565/94 -

- 2 BvR 173/95 -










Im Namen des Volkes




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



des Herrn N...




 



- Bevollmächtigte:


Rechtsanwälte Dr. Wolfgang M. Weissleder und Wolfgang
Ewer,

Holstenstraße 100-102, 24103 Kiel -





 





1.
gegen

den Beschluss des
Landgerichts Kiel vom 29. Juni 1994 - 37 Qs 58/94 -









und

Antrag auf Erlass einer einstweiligen
Anordnung






 



- 2 BvR 1565/94 -,




 





2.
gegen

den Beschluss des
Landgerichts Kiel vom 18. Januar 1995 - 37 Qs 142/94
-






 



- 2 BvR 173/95 -




 



hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

die Richterin Präsidentin Limbach

und die Richter Hassemer,

Mellinghoff




 



gemäß § 93c in Verbindung mit § 93a
Absatz 2 Buchstabe b BVerfGG in der Fassung der
Bekanntmachung vom 11. August 1993 (BGBl I S. 1473) am 14.
Dezember 2001 einstimmig beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerde-Verfahren werden
zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
Die Beschlüsse des Landgerichts Kiel vom 29.
Juni 1994 - 37 Qs 58/94 - und vom 18. Januar 1995 - 37 Qs
142/94 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem
Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 1 in Verbindung mit Artikel
20 Absatz 3 beziehungsweise Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 in
Verbindung mit Artikel 104 Absatz 1 des Grundgesetzes. Sie
werden aufgehoben. Die Sache wird an das Landgericht Kiel
zurückverwiesen.
Das Land Schleswig-Holstein hat dem
Beschwerdeführer die notwendigen

Auslagen zu erstatten.





 


Gründe:




1



Die Verfassungsbeschwerden betreffen die
Anordnungen von Ordnungsgeld und Ordnungshaft zur Erzwingung
der Zeugenaussage des Betroffenen in einem parlamentarischen
Untersuchungsausschussverfahren in Schleswig-Holstein.




I.




2



1. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1565/94




3



Der Schleswig-Holsteinische Landtag beschloss
am 26. März 1993, einen Untersuchungsausschuss zur Aufklärung
von Verbindungen zwischen P., der SPD, der SPD-geführten
Landesregierung und ihren jeweiligen Mitarbeitern
einzusetzen, der - zeitlich nachrangig - auch Erkenntnisse
seit 1987 bezüglich des Wirkens des damaligen
Ministerpräsidenten Dr. B., der damaligen Landesregierung,
weiterer Repräsentanten anderer politischer Parteien sowie
weiterer Personen untersuchen sollte, die gegebenenfalls
ergänzende Beurteilungen der Ergebnisse des 1.
Parlamentarischen Untersuchungsausschusses erforderten. Dabei
sollte Aufgabe des Untersuchungsausschusses auch sein
aufzuklären, welche Kontakte jeglicher Art zwischen P. und
dem Beschwerdeführer (als damaligem Pressesprecher der SPD)
vor und nach der Landtagswahl 1987 bestanden und was deren
Anlass, Inhalt und nähere Umstände waren.




4



Dem Beschwerdeführer wurde durch Beschluss des
Untersuchungsausschusses vom 1. April 1993 die Rechtsstellung
eines "Betroffenen" im Sinne von § 18 des
Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetzes (UAG)
vom 17. April 1993 (GVOBl 1993, S. 145) eingeräumt. Am 17.
Februar 1994 beschloss der Untersuchungsausschuss mit der
nach § 18 Abs. 3 UAG erforderlichen Stimmenzahl, den
Beschwerdeführer, der als Betroffener bereits eine
Stellungnahme zu dem Untersuchungsgegenstand abgegeben hatte,
als Zeugen vor den Ausschuss zu laden. Der Beschwerdeführer
folgte zwar der Ladung zu dem zu seiner Vernehmung bestimmten
Termin, weigerte sich aber, zur Sache auszusagen. Unter
Mitwirkung des Ausschussvorsitzenden, den der
Beschwerdeführer mit noch nicht zurückgewiesenem Gesuch vom
9. März 1994 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt
hatte, beschloss der Untersuchungsausschuss daraufhin, dass
der Ausschussvorsitzende bei dem Amtsgericht Kiel die
Festsetzung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 1.000 DM,
ersatzweise 20 Tage Ordnungshaft, beantragen solle. Diesen
vom Vorsitzenden gestellten Antrag wies das Amtsgericht mit
Beschluss vom 20. April 1994 zurück, weil dem
Beschwerdeführer die generelle Aussagefreiheit eines
Betroffenen zustehe und er deshalb nicht ohne gesetzlichen
Grund die Aussage als Zeuge verweigert habe.




5



Auf die durch den Ausschussvorsitzenden
eingelegte Beschwerde des Untersuchungsausschusses forderte
das Landgericht Kiel den Untersuchungsausschuss mit Schreiben
vom 8. Juni 1994 zu weiteren Angaben hinsichtlich der
Erforderlichkeit der angestrebten weiteren Aussage des
Beschwerdeführers auf. Daraufhin wies der
Untersuchungsausschuss in seiner Antwort vom 13. Juni 1994
darauf hin, dass die Vernehmung des Beschwerdeführers als
Auskunftsperson geeignet, zwingend erforderlich und darüber
hinaus auch verhältnismäßig sei. Im Verlauf der
Beweisaufnahme sei der Ausschuss durch Zeugenaussagen mit
Tatsachen konfrontiert worden, auf die der Beschwerdeführer
in seiner Darstellung als Betroffener entweder überhaupt
nicht eingegangen sei oder die von seinen Angaben teilweise
erheblich abwichen. Der Ausschuss habe daraufhin am 10.
Dezember 1993 zu verschiedenen Sachverhaltskomplexen
schriftlich Fragen an den Beschwerdeführer als Betroffenen
gerichtet, die dieser bisher nicht beantwortet habe.




6



In seiner Erwiderung vom 22. Juni 1994 wies
der Beschwerdeführer darauf hin, dass er zur Beantwortung
weiterer Fragen als Betroffener bereit sei, soweit von seiner
Vernehmung als Zeuge abgesehen werde. Er verpflichtete sich
ausdrücklich dazu, als Betroffener ergänzend alle weiteren -
verfahrensrechtlich zulässigen - Fragen der Mitglieder des
Ausschusses wahrheitsgemäß zu beantworten.




7



Mit Beschluss vom 29. Juni 1994 hob sodann das
Landgericht Kiel die angefochtene amtsgerichtliche
Entscheidung auf und setzte die beantragten Zwangsmittel
fest. Der Beschwerdeführer sei zur Aussage vor dem
Untersuchungsausschuss als Zeuge verpflichtet, die
Festsetzung eines Ordnungsgeldes zur Erzwingung eines
Zeugnisses sei auch nicht unverhältnismäßig. Dem stehe nicht
entgegen, dass der Beschwerdeführer angeboten habe, durch
Beantwortung weiterer Fragen zur Sachaufklärung beizutragen.
Eine vom Beschwerdeführer erhobene Gegenvorstellung gab dem
Landgericht keinen Anlass zur Abänderung seiner
Entscheidung.




8



Gleichzeitig mit seiner Verfassungsbeschwerde
stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Erlass einer
einstweiligen Anordnung, den das Bundesverfassungsgericht mit
Beschluss vom 9. August 1994 zurückwies.




9



Am 23. August 1994 zahlte der Beschwerdeführer
zur Abwendung von ersatzweise angeordneter Ordnungshaft das
Ordnungsgeld in Höhe von 1.000 DM.




10



2. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 173/95




11



Der Beschwerdeführer weigerte sich trotz
Zahlung des Ordnungsgeldes weiter, als Zeuge zur Sache
auszusagen. Daraufhin stellte der Vorsitzende des
Untersuchungsausschusses auf entsprechenden Beschluss des
Ausschusses beim Amtsgericht Kiel den Antrag, gegen den
Beschwerdeführer wegen unberechtigter Verweigerung des
Zeugnisses Ordnungshaft bis zu sechs Monaten nach § 16
Abs. 1 UAG festzusetzen. Diesen Antrag wies das Amtsgericht
zurück, da die Festsetzung von Ordnungshaft nach Verhängung
von Ordnungsgeld unzulässig sei und die Anordnung von
Beugehaft ausscheide, weil es hierfür im
Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetz keine
gesetzliche Grundlage gebe.




12



Auf die durch den Ausschussvorsitzenden
eingelegte Beschwerde ordnete das Landgericht Kiel unter
Aufhebung der amtsgerichtlichen Entscheidung mit Beschluss
vom 18. Januar 1995 gegen den Beschwerdeführer Ordnungshaft
bis zu sechs Wochen wegen unberechtigter Zeugnisverweigerung
an; § 16 Abs. 1 UAG sei nicht als "Ersatzhaft", die nur
bei Nichtbeitreibbarkeit des Ordnungsgeldes angeordnet werden
könnte, sondern als Beugehaft zu verstehen, deren Anordnung
gegen den Beschwerdeführer im Hinblick auf die Bedeutung
seiner Aussage auch nicht unverhältnismäßig sei.




13



Gegen diesen Beschluss legte der
Beschwerdeführer Verfassungsbeschwerde ein und beantragte
zugleich den Erlass einer einstweiligen Anordnung, durch die
eine Vollziehung des angegriffenen Beschlusses des
Landgerichts bis zu einer Entscheidung über die
Verfassungsbeschwerde ausgesetzt werden sollte. Mit
Beschlüssen vom 8. März und 6. September 1995 entsprach die
2. Kammer des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts
diesem Antrag, weil die Nachteile durch einen Vollzug der
Ordnungshaft im Falle eines späteren Obsiegens schwerer wögen
als bei späterer Unbegründetheit der Hauptsache die
Verzögerung der Durchsetzung einer Vernehmung des
Beschwerdeführers vor dem Untersuchungsausschuss.




II.




14



1. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 1565/94




15



a) Hinsichtlich der Auferlegung von
Ordnungsgeld rügt der Beschwerdeführer die Verletzung seiner
Rechte aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, aus
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3, aus Art. 103
Abs. 1 sowie aus Art. 3 Abs. 1 GG.




16



Die angefochtene Entscheidung des Landgerichts
verletze ihn in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht, weil
sie die Reichweite des Schutzes vor Selbstbezichtigungen, der
auch für einen Betroffenen im Untersuchungsausschussverfahren
gewährleistet sein müsse, verkenne. Die Anordnung des
Ordnungsgeldes verstoße gegen den durch Art. 2 Abs. 1 in
Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das Landgericht verkenne, dass
eine Zwangsgeldfestsetzung nicht in Betracht gekommen sei.
Die Erzwingung einer Zeugenaussage sei nicht erforderlich
gewesen, da er als Betroffener aussagewillig gewesen wäre.
Auch habe das Landgericht eine Verhältnismäßigkeitsprüfung im
engeren Sinne nicht vorgenommen; so seien die ihm aus einer
Zeugenvernehmung erwachsenden Nachteile völlig
unberücksichtigt geblieben. Schließlich verstoße das
Landgericht gegen den Grundsatz des fairen Verfahrens, wenn
es § 7 UAG für eine abschließende Regelung über das
Ausscheiden von Ausschussmitgliedern halte und darüber
hinausgehend ein Ablehnungsrecht für nicht gegeben erachte.
Auch verletze der angefochtene Beschluss sein Grundrecht aus
Art. 103 Abs. 1 GG; das Landgericht habe offenbar nicht zur
Kenntnis genommen, dass die Staatskanzlei ein Verfahren zur
Beendigung seines Dienstverhältnisses eingeleitet habe;
ansonsten hätte es ihm nach der eigenen Rechtsansicht ein
umfassendes Schweigerecht einräumen müssen. Sei aber das
arbeitsrechtliche Verfahren vom Landgericht nicht als ein dem
Disziplinarverfahren vergleichbares Verfahren angesehen
worden, das auf eine mit einer Disziplinarmaßnahme
vergleichbare staatliche Sanktion, die Entfernung aus dem
Dienst, abziele, so liege ein Verstoß gegen den
Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG vor.




17



b) Die Parlamente der Bundesländer, die
Landesregierungen sowie der Bundestag und die Bundesregierung
hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Davon haben die
Bundesregierung, der Bundestag, der Hessische Landtag, der
Landtag des Saarlandes, die Bremische Bürgerschaft, der
Landtag Nordrhein-Westfalen, der Bayerische Senat sowie die
meisten Landesregierungen keinen Gebrauch gemacht.




18



Soweit die Länderparlamente zu den mit der
Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen Stellung genommen
haben, sind ihre Äußerungen im Wesentlichen auf die
Darstellung der im eigenen Land geltenden Regelungen
beschränkt (Sächsischer Landtag, Landtag
Mecklenburg-Vorpommern, Abgeordnetenhaus Berlin, Bürgerschaft
der Freien und Hansestadt Hamburg, Thüringer Landtag, Landtag
Brandenburg, Landtag Rheinland-Pfalz, der Niedersächsische
Landtag und der Bayerische Landtag) und nehmen - abgesehen
vom Schleswig-Holsteinischen Landtag - zu den
Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde selbst nicht
Stellung. Den genannten Stellungnahmen lässt sich - abgesehen
von der Äußerung des Bayerischen Landtags, der es aus
rechtsstaatlichen Gründen für sinnvoll hält, zwischen
"Betroffenen" und "Zeugen" zu unterscheiden und dem
"Betroffenen" ein Schweigerecht nach Art des strafrechtlich
Beschuldigten einzuräumen - übereinstimmend entnehmen, dass
das jeweilige Landesrecht bzw. die entsprechende Praxis der
Untersuchungsausschüsse bei fehlenden gesetzlichen Regelungen
einem "Betroffenen" eine grundsätzliche Aussageverpflichtung
auferlegen. Meinungsverschiedenheiten bestehen lediglich
darüber, in welchem Umfang dem "Betroffenen"
Auskunftsverweigerungsrechte zustehen, die über die jedem
Zeugen gegebenen Möglichkeiten, die Aussage zu verweigern,
hinausgehen.




19



Der Schleswig-Holsteinische Landtag hält in
seiner Stellungnahme die Vorschriften des
Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsauschussgesetzes für
verfassungsgemäß. So kollidiere die Heranziehung eines
Betroffenen als Auskunftsperson jedenfalls dann nicht mit
Grundrechten, wenn sich dies lediglich auf solche Teile des
Untersuchungsauftrags beziehe, die den "Betroffenenstatus"
nicht berührt. Erstrecke sich der Vernehmungsauftrag formell
auf den gesamten Untersuchungsgegenstand und damit auch auf
Bereiche, in denen der weiterhin bestehende Betroffenenstatus
tangiert sei, müsse einem erhöhten Schutzbedürfnis nach
§ 14 Abs. 2 UAG durch Anerkennung eines erweiterten
Auskunftsverweigerungsrechts bereits bei Verfehlungen
persönlicher Art ohne mögliche strafrechtliche Konsequenzen
Rechnung getragen werden. Im Rahmen einer derart begrenzten
Aussagepflicht und bei strikter Berücksichtigung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sei auch gegen den Einsatz
von Zwangsmitteln von Verfassungs wegen nichts einzuwenden.
Ob auf der Grundlage dieser verfassungskonformen Auslegung
die Verhängung eines Zwangsgeldes gegen den Beschwerdeführer
verfassungsrechtlicher Überprüfung stand halte, könne der
Landtag allerdings nicht abschließend beurteilen. Zwar
spreche im Hinblick auf den außerordentlich weit gefassten
Beweisantrag zur Heranziehung des Beschwerdeführers als
Auskunftsperson vieles für die Annahme eines
Aussageverweigerungsrechts und damit für die
Verfassungswidrigkeit der angeordneten Zwangsmaßnahme, doch
dürfe sich der Landtag im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 Satz 2
Schleswig-Holsteinische Landesverfassung, wonach die
Beweiserhebung in die ausschließliche Zuständigkeit des
Untersuchungsausschusses falle, kein definitives
abschließendes Urteil über die Rechts- oder
Verfassungsmäßigkeit der durchgeführten Beweiserhebung
erlauben.




20



Der 1. Untersuchungsausschuss der 13.
Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtags hält die
Verfassungsbeschwerde für nicht begründet.
Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden weder gegen die die
Vernehmung eines Betroffenen als Auskunftsperson zulassenden
Regelungen des Schleswig-Holsteinischen
Untersuchungsausschussgesetzes noch gegen ihre Anwendung im
zu Grunde liegenden Fall. Die Entscheidung des Gesetzgebers
in § 18 Abs. 3 UAG, eine Vernehmung des Betroffenen als
Auskunftsperson zuzulassen und ihm in dieser Rolle ein
generelles Schweigerecht nicht zuzugestehen, sei
verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Regelungen des
Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetzes, die
dem Betroffenen eine weit gehende Möglichkeit verschafften,
auf den Gang und das Ergebnis des Verfahrens Einfluss zu
nehmen, würden dem vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten
Postulat gerecht, die konkurrierenden Zielsetzungen -
Gewährleistungen einer wirksamen Aufgabenerfüllung
parlamentarischer Untersuchungsausschüsse und Beachtung
berechtigter Schutzinteressen der durch eine Untersuchung
betroffenen Person - zu einem praktischen Ausgleich zu
bringen. Dies gelte auch insoweit, als § 14 Abs. 2 Satz
1, 2. Halbsatz UAG eine Auskunftsverweigerung nur dann
gestatte, wenn es um Fragen gehe, deren Beantwortung den
Betroffenen oder einen seiner Angehörigen der Gefahr
aussetzte, wegen einer Straftat oder Ordnungswidrigkeit
verfolgt zu werden. Mit dieser Regelung habe ein Betroffener
eine Rechtsposition, die sich nicht mehr erweitern ließe,
wenn man die verfassungsrechtlich abgesicherte Funktion eines
Untersuchungsausschusses ernst nehme. Die Anwendung des
Schleswig-Holsteinischen Untersuchungsausschussgesetzes durch
den Untersuchungsausschuss und das die Zwangsmaßnahmen
anordnende Gericht sei verfassungsrechtlich unbedenklich.
Insbesondere sei - wie dem Beschluss des Landgerichts zu
entnehmen sei - die Heranziehung des Beschwerdeführers als
Auskunftsperson erforderlich und deshalb verhältnismäßig.




21



2. Die Verfassungsbeschwerde 2 BvR 173/95




22



a) Hinsichtlich der Anordnung von Ordnungshaft
rügt der Beschwerdeführer abermals eine Verletzung seiner
Rechte aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 2 Abs. 1, aus
Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG sowie
darüber hinaus aus Art. 2 Abs. 2 sowie Art. 104 Abs. 1 Satz 1
GG. Auch diese Entscheidung des Landgerichts verkenne die
Reichweite des Schutzes vor Selbstbezichtigungen, der auch
für Betroffene im Untersuchungsausschussverfahren gelte, und
verstoße ebenso wie die Verhängung des Ordnungsgeldes gegen
den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Art. 2 Abs. 2 und Art. 104
Abs. 1 Satz 1 GG seien verletzt, weil das Landgericht
unberücksichtigt gelassen habe, dass eine hinreichend
bestimmte Ermächtigungsgrundlage fehle. Für eine den Wortlaut
überschreitende Auslegung sei kein Raum, wenn es - wie hier -
um die Normierung der tatbestandlichen Voraussetzungen
freiheitsentziehender Maßnahmen gehe. Soweit das Landgericht
es dabei ablehne, den Begriff der Ordnungshaft hinsichtlich
Funktion und Voraussetzungen im Sinne der vom
Untersuchungsausschussgesetz allein in Bezug genommenen
Rechtsvorschriften der Strafprozessordnung und des
Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch zu bestimmen, werde
dadurch die Grenze einer willkürfreien Rechtsanwendung
eindeutig überschritten.




23



b) Der Bundestag, die Bundesregierung, der
Bundesrat, die Länderparlamente sowie die Landesregierungen
hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Soweit die Äußerungen
sich überhaupt zur Sache verhalten, beschränken sie sich im
Wesentlichen auf die Feststellung, dass sich im jeweiligen
Bundesland das in Schleswig-Holstein aufgetretene Problem
nicht stelle, weil entweder das entsprechende Landesrecht
eine klare Unterscheidung von Ordnungs- und Beugehaft vorsehe
oder die insoweit ebenfalls klar differenzierende Regelung in
§ 70 StPO entsprechend anwendbar sei.




24



Der erste Untersuchungsausschuss der 13.
Wahlperiode des Schleswig-Holsteinischen Landtags hält die
Verfassungsbeschwerde für unbegründet und macht sich dabei
insbesondere die Begründung der angefochtenen
landgerichtlichen Entscheidung zu Eigen.




III.




25



Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerden
zur Entscheidung an, weil dies zur Durchsetzung der
Grundrechte des Beschwerdeführers angezeigt ist (§§ 93b,
93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Die Verfassungsbeschwerden
sind in einer die Entscheidungszuständigkeit der Kammer
ergebenden Weise offensichtlich begründet; ihnen kommt keine
grundsätzliche Bedeutung zu, da die maßgeblichen
verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden sind (vgl.
BVerfGE 67, 100 ; 76, 363
; 77, 1 ). Die
Festsetzung von Ordnungsgeld verletzt den Beschwerdeführer in
seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG,
die Anordnung von Ordnungshaft in seinem Grundrecht aus Art.
2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG.




26



1. Die Verfassungsbeschwerden sind
zulässig.




27



Das Rechtsschutzinteresse des
Beschwerdeführers ist nicht dadurch entfallen, dass die
Tätigkeit des Untersuchungsausschusses beendet ist (vgl.
BVerfGE 76, 363 ; 77, 1 ). Die
Festsetzung von Ordnungsgeld gegen den Beschwerdeführer hat
diesen - zur Abwendung von andernfalls drohender Ordnungshaft
- veranlasst, das Ordnungsgeld zu bezahlen. Der mit der
Verfassungsbeschwerde angegriffene Beschluss, mit dem das
Ordnungsgeld verhängt worden war, hat daher weiterhin Wirkung
gegen den Beschwerdeführer (vgl. BVerfGE 25, 296
). Dies gilt zwar nicht hinsichtlich der Anordnung
von Ordnungshaft, die angesichts der einstweiligen Anordnung
des Bundesverfassungsgerichts nicht vollzogen worden ist und
deren Vollzug im Hinblick auf die Beendigung der Tätigkeit
des Untersuchungsausschusses auch nicht mehr droht. Es würde
allerdings der Bedeutung des Schutzes der Freiheit durch das
Grundgesetz (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG, Art. 104 Abs. 1 Satz 1
GG) nicht entsprechen, wenn das Recht auf
verfassungsgerichtliche Klärung einer angeordneten
Freiheitsentziehung nur entfiele, weil das
Bundesverfassungsgericht nicht entschieden hat, solange
seitens des Untersuchungsausschusses im Hinblick auf seinen
Untersuchungsauftrag noch Interesse an dem Vollzug der
Ordnungshaftmaßnahme bestanden hat. Nach ständiger
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts darf der
Umstand, dass das Bundesverfassungsgericht außer Stande ist,
schwierige Fragen in kurzer Zeit zu entscheiden, nicht dazu
führen, dass eine Verfassungsbeschwerde allein wegen des vom
Beschwerdeführer nicht zu vertretenden Zeitablaufs als
unzulässig verworfen wird (vgl. BVerfGE 74, 163
; 76, 1 ; 81, 138
).




28



2. Die Verfassungsbeschwerden sind begründet,
soweit das Landgericht Ordnungsgeld festgesetzt bzw.
Ordnungshaft verhängt hat, obwohl der Beschwerdeführer seine
Bereitschaft erklärt hatte, für den Fall des Absehens von
seiner Zeugeneinvernahme weitere wahrheitsgemäße Angaben als
Betroffener zu machen. Insoweit ist der Beschwerdeführer in
seinem Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG
und aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104 Abs. 1 GG
verletzt.




29



Auf die Klärung der weiteren mit der
Verfassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen kommt es danach
nicht mehr an.




30



a) Art. 18 der Landesverfassung des Landes
Schleswig-Holstein sieht die Bildung von
Untersuchungsausschüssen vor. Diese sind für das
parlamentarische Regierungssystem, das grundlegend durch die
Kontrollfunktion des Parlaments geprägt wird, von einer
Bedeutung, die es als folgerichtig erscheinen lässt, den
Untersuchungsausschuss mit denjenigen Befugnissen
auszustatten, derer er bedarf, um die ihm aufgegebene Klärung
von Zweifeln an der Rechtmäßigkeit von Regierungs- und
Verwaltungshandeln wirksam vornehmen zu können (vgl. BVerfGE
67, 100 ; Beschluss der 2. Kammer des Zweiten
Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 13. September 1993 -
2 BvR 1666/93 u. a. -, NVwZ 1994, S. 54). Aus diesem Grund
steht Untersuchungsausschüssen die Befugnis zur
Beweiserhebung zu, so wie es auch Art. 18 der
Landesverfassung Schleswig-Holstein für
Untersuchungsausschüsse des Landtags von Schleswig-Holstein
vorgesehen hat.




31



Dieses Beweiserhebungsrecht, das in
Schleswig-Holstein seine weitere Konkretisierung in
Bestimmungen des Gesetzes zur Regelung des Rechts der
parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in
Schleswig-Holstein (Untersuchungsausschussgesetz) und -
ergänzend - in Vorschriften der Strafprozessordnung findet
(vgl. § 11 Abs. 4 UAG), umfasst auch Maßnahmen zur
Sicherung der Beweiserhebung (§ 16 UAG), die
Möglichkeiten zur Durchsetzung der Aussage einer
Auskunftsperson (§ 16 Abs. 1 UAG), aber auch zur
zwangsweisen Beschaffung sonstiger Beweismittel (vgl.
§ 16 Abs. 3 UAG). Die grundsätzliche Statthaftigkeit
solcher Zwangsmaßnahmen im parlamentarischen
Untersuchungsverfahren, die zur effektiven Erfüllung der dem
Untersuchungsausschuss obliegenden Kontrolle unentbehrlich
sind, steht außer Frage. Dies hat das
Bundesverfassungsgericht ausdrücklich mit Blick auf die in
§ 70 StPO enthaltenen, im Rahmen parlamentarischer
Untersuchungsausschüsse des Bundestags gemäß Art. 44 Abs. 1
Satz 1, Abs. 2 Satz 1 GG sinngemäß für anwendbar erklärten
Maßnahmen der Anordnung von Ordnungsgeld und Beugehaft gegen
einen grundlos das Zeugnis verweigernden Zeugen festgestellt
(BVerfGE 76, 363 ).




32



Parlamentarische Untersuchungsausschüsse üben
öffentliche Gewalt aus. Über die sich aus der
Schleswig-Holsteinischen Verfassung, dem Gesetz zur Regelung
des Rechts der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse in
Schleswig-Holstein und der Strafprozessordnung ergebenden
Grenzen hinaus haben Untersuchungsausschüsse in
Schleswig-Holstein gemäß Art. 1 Abs. 3 GG die Grundrechte zu
beachten. Diese können insbesondere das Beweiserhebungsrecht
einschränken (BVerfGE 67, 100 ; 77, 1 ).
Der Untersuchungsausschuss hat bei der Prüfung einer
Zeugnispflicht als Voraussetzung für die Anordnung einer
Zwangsmaßnahme nicht nur das Grundrecht aus Art. 2 Abs. 1
i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG zu beachten, das seinen Trägern
Schutz gegen unbegrenzte Erhebung, Speicherung, Verwendung
und Weitergabe der auf sie bezogenen, individualisierten oder
individualisierbaren Daten verbürgt (BVerfGE 76, 363
); er hat auch den nemo tenetur-Grundsatz sowie -
im Hinblick auf die angeordneten Zwangsmaßnahmen selbst -
Reichweite und Bedeutung der durch sie berührten Grundrechte
des Art. 2 Abs. 1 sowie Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in seine
Prüfung einzubeziehen. Diese Rechte dürfen nur im
überwiegenden Interesse der Allgemeinheit und unter Beachtung
des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit durch Gesetz oder auf
Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden. Die Einschränkung
darf nicht weiter gehen als es zum Schutze öffentlicher
Interessen unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 77, 1
mit Hinweis auf BVerfGE 65, 1 ; 67, 100
). Nicht allein der Untersuchungsausschuss ist
dabei gehalten, Voraussetzungen und Grenzen der
Beweiserhebung und seiner möglichen zwangsweisen Durchsetzung
zu überprüfen. Wird ein Gericht im parlamentarischen
Untersuchungsverfahren in Anspruch genommen, so ist es ihm
jedenfalls nicht verwehrt, die rechtlichen Voraussetzungen zu
prüfen, die für die Wirksamkeit des Antrags und die
Zulässigkeit der beabsichtigten Beweiserhebung von Bedeutung
sind. Dies gilt insbesondere dann, wenn die beantragte
Maßnahme sich als Eingriff in grundrechtlich geschützte
Bereiche Dritter darstellt (vgl. BVerfGE 77, 1
).




33



b) Gemessen an diesem Maßstab zu Umfang und
Grenzen der Beweiserhebung im parlamentarischen
Untersuchungsverfahren, begegnen die angegriffenen
Entscheidungen verfassungsrechtlichen Bedenken.




34



aa) Die Ansicht des Landgerichts in seinem
Beschluss vom 29. Oktober 1994, die Voraussetzungen der
Festsetzung von Ordnungsgeld gegen den Beschwerdeführer
hätten vorgelegen, verstößt gegen den auch im
Untersuchungsausschussverfahren bedeutsamen
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, der die Beweiserhebung und
eine damit zusammenhängende Zwangsmaßnahme davon abhängig
macht, dass die Beweiserhebung und ihre zwangsweise
Durchsetzung im Hinblick auf den Untersuchungsauftrag und das
Beweisthema geeignet und erforderlich ist sowie zum Anlass
der Sachverhaltsaufklärung nicht außer Verhältnis steht.




35



Die Beachtung des
Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes ist nicht deshalb
ausgeschlossen, weil § 18 Abs. 3 UAG die Vernehmung
eines Betroffenen als Auskunftsperson im Sinne von § 14
UAG schon dann zulässt, wenn der Untersuchungsausschuss mit
den Stimmen eines Fünftels seiner Mitglieder dies für
erforderlich hält. Die Ausgestaltung des
Beweiserhebungsrechts nach § 18 Abs. 3 UAG als
Minderheitsrecht entbindet nicht von der Beachtung
verfassungsrechtlicher Grundprinzipien, insbesondere auch der
Grundrechte, wie sie grundsätzlich jedem parlamentarischen
Untersuchungsausschuss auferlegt ist.




36



Das Bundesverfassungsgericht prüft die
Beachtung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes grundsätzlich
zwar nicht in allen Einzelheiten, sondern nur daraufhin nach,
ob eine Abwägung der für die Maßnahme sprechenden Gründe mit
den Rechten des Beschwerdeführers stattgefunden und hierbei
ein der Verfassung entsprechender Bewertungsmaßstab
zugrundegelegt worden ist (vgl. BVerfGE 76, 363 ).
Einer insoweit begrenzten Überprüfung aber hält der
landgerichtliche Beschluss nicht stand.




37



Verfassungsrechtlich unangreifbar ist das
Landgericht zwar davon ausgegangen, dass weitere Angaben des
Beschwerdeführers im Hinblick auf den durch den Beschluss zur
Einsetzung des Untersuchungsausschusses begrenzten Gegenstand
des parlamentarischen Untersuchungsausschussverfahrens
grundsätzlich zur weiteren Sachverhaltsaufklärung und damit
zur Erfüllung des Untersuchungsauftrags geeignet waren.




38



Nicht verfassungsrechtlich tragfähig hat
allerdings das Landgericht angenommen, dass die Aussage des
Beschwerdeführers als Auskunftsperson gemäß § 18 Abs. 3
UAG auch erforderlich gewesen sei. Zwar konnte das
Landgericht auf der Grundlage der Mitteilungen des
Untersuchungsausschusses vom 13. Juni 1994 davon ausgehen,
dass zur Aufklärung von Widersprüchen in der Darstellung des
Beschwerdeführers und anderer Zeugen sowie zur ergänzenden
Beantwortung offen gebliebener Fragen die Einholung weiterer
Angaben des Beschwerdeführers gerechtfertigt war. Auch durfte
das Landgericht, ohne Verfassungsrecht zu verletzen,
annehmen, dass Angaben des Beschwerdeführers nicht durch die
Heranziehung anderer Beweismittel hinreichend hätten ersetzt
werden können. Bei der Prüfung aber, ob andere Beweismittel
in gleicher Weise wie Angaben des Beschwerdeführers zur
Sachverhaltsaufklärung hätten beitragen können, hätte das
Landgericht nicht bleiben dürfen. Es hätte vielmehr im Rahmen
der Erörterungen zur Erforderlichkeit intensiv auf die Frage
eingehen müssen, ob dem Untersuchungsausschuss andere, gleich
geeignete, aber weniger einschneidende Möglichkeiten der
Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung gestanden hätten. Dabei
hätte das Landgericht eingehend erörtern müssen, ob die im
gerichtlichen Verfahren erklärte Bereitschaft des
Beschwerdeführers, weitere Angaben als Betroffener zu machen,
eine solche Möglichkeit darstellte. Die ohne Begründung
getroffene Feststellung des Landgerichts, der Festsetzung des
Ordnungsgeldes stünde die Aussagebereitschaft des
Beschwerdeführers als Betroffener nicht entgegen, vermag die
von Verfassungs wegen geforderte Prüfung, ob insoweit ein
milderes Mittel gegeben ist, nicht zu ersetzen, zumal sich
auch die vom Landgericht in Bezug genommenen Hinweise des
Untersuchungsausschusses in seinem Schreiben vom 18. Juni
1994 zur Verhältnismäßigkeit der Heranziehung des
Beschwerdeführers als Auskunftsperson mit diesem
Gesichtspunkt nicht auseinander setzen.




39



Dabei liegt es auf der Hand, dass freiwillige
Angaben eines Betroffenen gegenüber einer Vernehmung als
Auskunftsperson gemäß § 18 Abs. 3 UAG und einer
Anordnung von Ordnungsgeld zu ihrer Durchsetzung ein gleich
geeignetes, aber weniger einschneidendes Mittel der
Sachverhaltsaufklärung darstellen. Ausgangspunkt ist, dass
die Heranziehung des Betroffenen als Auskunftsperson nach
§ 18 Abs. 3 UAG eine Reihe von Pflichten auslöst, die
ihn im Rahmen seiner sich ansonsten nach § 18 Abs. 2 UAG
richtenden Rechtsstellung nicht treffen. Der Betroffene ist
zum Erscheinen und grundsätzlich auch zu einer
wahrheitsgemäßen Angabe von Tatsachen verpflichtet (§ 14
Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 1. Halbsatz UAG); das
Erscheinen kann ebenso wie grundsätzlich die Aussage selbst
erzwungen werden (§ 16 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz
UAG).




40



Freiwillige Angaben eines Betroffenen stellen
nicht nur ein weniger einschneidendes Mittel dar, sie sind
auch - wie eine Überprüfung am Grundsatz der
Verhältnismäßigkeit ergibt - grundsätzlich in gleicher Weise
zur Sachverhaltsaufklärung geeignet wie die Einvernahme als
Auskunftsperson. Fehlen konkrete Anhaltspunkte dafür, dass
der Betroffene in der Vergangenheit wahrheitswidrige
Auskünfte erteilt hat oder künftig der Wahrheit
zuwiderlaufende Angaben machen wird, ist davon auszugehen,
dass seine Sachdarstellung nach § 18 Abs. 2 UAG auch zu
einer sachdienlichen, umfänglichen Sachverhaltsaufklärung
führt, die weitere Aufklärungsschritte im Hinblick auf seine
Person verzichtbar macht. Dies gilt umso mehr, wenn der
Betroffene wie der Beschwerdeführer ausdrücklich und von sich
aus versichert hat, wahrheitsgemäße Angaben machen zu wollen,
und wird auch nicht dadurch in Frage gestellt, dass dies
gegebenenfalls unter dem Druck geschieht, ansonsten als
Aussageperson aussagen zu müssen. Erklärt ein Betroffener
seine Bereitschaft zu weiter gehenden Angaben, so muss ihm
deshalb regelmäßig vor einer förmlichen Vernehmung gemäß
§ 18 Abs. 3 UAG die Gelegenheit zur Ergänzung,
gegebenenfalls auch Richtigstellung seiner früheren Angaben
gegeben werden.




41



Dies wird vorliegend auch nicht dadurch in
Frage gestellt, dass der Beschwerdeführer seine
Aussagebereitschaft als Betroffener nur für den Fall erklärt
hat, dass der Untersuchungsausschuss von seiner Vernehmung
als Zeuge absehe. Der Untersuchungsausschuss wäre - ohne dass
er dadurch die Erfüllung seines Untersuchungsauftrags in
Frage gestellt hätte - nicht gehindert gewesen, diese
Bedingung des Beschwerdeführers zu erfüllen. Hätte der
Beschwerdeführer - wie in Aussicht gestellt - wahrheitsgemäße
Angaben gemacht, wäre kein weiterer Anlass gewesen, eine
Vernehmung des Beschwerdeführers gemäß § 18 Abs. 3 UAG
herbeizuführen. Soweit der Beschwerdeführer allerdings
entgegen seiner Versicherung eine erkennbar wahrheitswidrige
Sachverhaltsdarstellung gegeben hätte, wäre der
Untersuchungsausschuss insoweit an seine im Vertrauen auf die
Zusicherung wahrheitsgemäßer Angaben im Vorhinein abgegebene
Erklärung nicht mehr gebunden gewesen. Der
Untersuchungsausschuss hätte deshalb zunächst auf diesem Weg
den Versuch unternehmen müssen, Angaben des Beschwerdeführers
auf Grund einer freiwilligen Aussage zu erlangen.




42



Waren damit die Angaben des Beschwerdeführers
als Betroffener zur Sachverhaltsaufklärung gleich geeignet,
erweist sich seine Zeugeneinvernahme nach § 18 Abs. 3
UAG als nicht erforderlich und damit als nicht
verhältnismäßig. Das Landgericht wäre deshalb vor der
Verhängung von Zwangsmaßnahmen zur Erzwingung einer
Zeugenaussage gehalten gewesen, den Untersuchungsausschuss
darauf zu verweisen, die erstrebte Sachverhaltsaufklärung
zunächst durch die Befragung des Beschwerdeführers als
Betroffener zu suchen.




43



bb) Auch der Beschluss des Landgerichts, mit
dem dieses gegen den Beschwerdeführer Ordnungshaft bis zu
sechs Monaten angeordnet hat, verstößt gegen den Grundsatz
der Verhältnismäßigkeit. Er verletzt den Beschwerdeführer in
seinen Grundrechten aus Art. 2 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Art. 104
Abs. 1 Satz 1 GG, die die persönliche Bewegungsfreiheit
besonders absichern (vgl. BVerfGE 65, 317
; 70, 297 ) und deren
Bedeutung und Tragweite auch in einem Verfahren, in dem eine
Zeugenaussage mit Hilfe einer Haftanordnung erzwungen werden
soll, zu beachten ist (vgl. Beschluss der 2. Kammer des
Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts vom 16. November
1998 - 2 BvR 510/96 -, NJW 1999, S. 779 f.; Beschluss
der 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 21. August 2000 - 2 BvR 1372/00
-, StV 2001, S. 257).




44



Es kann offen bleiben, ob für die Anordnung
von Ordnungshaft zur Erzwingung einer Aussage nach Verhängung
von Ordnungsgeld im Schleswig-Holsteinischen
Untersuchungsausschussgesetz eine hinreichend bestimmte
Rechtsgrundlage fehlt und schon deshalb die vom Landgericht
getroffene Anordnung nicht hätte ergehen können. Selbst wenn
sich - wie das Landgericht annimmt - die Anordnung von als
Beugehaft verstandener Ordnungshaft auf § 16 Abs. 1 UAG
grundsätzlich stützen ließe, käme die Anordnung gegen den
Beschwerdeführer nicht in Betracht. So wie die Verhängung von
Ordnungsgeld wegen Verstoßes gegen den
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ausscheidet, so liegen auch die
Voraussetzungen für die Anordnung von Haft gegen den
Beschwerdeführer nicht vor, weil im Hinblick auf die
Vernehmung als Auskunftsperson, die damit erzwungen werden
sollte, ein gleich geeignetes, weniger einschneidendes Mittel
der Sachverhaltsaufklärung zur Verfügung stand und diese
Beweiserhebung deshalb nicht erforderlich war. Die
Haftanordnung des Landgerichts, die sich zur Begründung der
Verhältnismäßigkeit der Maßnahme ausschließlich auf die
Ausführungen des Ordnungsgeldbeschlusses bezieht, leidet
damit an den gleichen verfassungsrechtlichen Mängeln wie der
in Bezug genommene Beschluss selbst.




45



Die angegriffenen Beschlüsse waren aufzuheben
und an das Landgericht zurückzuverweisen, das nach Abschluss
des parlamentarischen Untersuchungsausschussverfahrens
lediglich noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden
hat.




46



Die Entscheidung über die Erstattung der
Auslagen beruht auf § 34a Abs. 2 BVerfGG.




47



Von einer weiteren Begründung der Entscheidung
wird abgesehen (vgl. § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).




48



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Limbach
Hassemer
Mellinghoff







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