2 BvR 1328/00 - Unbegründete Verfassungsbeschwerde gegen Verurteilung wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln - zum Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1328/00 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



des Herrn V...




 



- Bevollmächtigte:



Rechtsanwalt Norbert Gatzweiler,

Weißhausstraße 23, 50939 Köln,
Rechtsanwalt Dr. Ulrich Sommer,

Zülpicher Straße 82, 50937 Köln -






 





gegen
a)

den Beschluss des
Bundesgerichtshofs vom 28. Juni 2000 - 2 StR 133/00
-,



b)

das Urteil des Landgerichts
Köln vom 12. November 1999 - He 108-11/99 -






 



hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

die Richterin Präsidentin Limbach

und die Richter Hassemer,

Mellinghoff




 



gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473) am 11. Januar 2002 einstimmig
beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.




 


Gründe:




1



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen, weil sie keine Aussicht auf Erfolg
hat.




2



1. Die Rüge des Beschwerdeführers, seinem
Verteidiger sei keine ausreichende Einsicht in die Akten des
Auslieferungsverfahrens gewährt worden, ist unbegründet.




3



Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistet, dass der
Beschuldigte im Strafverfahren Gelegenheit erhält, sich zu
dem einer Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhalt
grundsätzlich vor deren Erlass zu äußern und damit das
Gericht in seiner Willlensbildung zu beeinflussen. Es dürfen
einer gerichtlichen Entscheidung nur solche Tatsachen und
Beweisergebnisse zugrundegelegt werden, zu denen der
Beschuldigte Stellung nehmen konnte. Art. 103 Abs. 1 GG will
verhindern, dass das Gericht ihm bekannte, dem Beschuldigten
aber verschlossene Sachverhalte zu dessen Nachteil verwertet.
Sein Schutzbereich ist hingegen nicht berührt, wenn die ganz
andere Frage zu beantworten ist, ob das Gericht sich und dem
Prozessbeteiligten Kenntnis von Sachverhalten, die es selbst
nicht kennt, weil sie ihm nicht unterbreitet wurden, erst zu
verschaffen habe; denn es ist nicht Sinn und Zweck
grundgesetzlicher Gewährleistung rechtlichen Gehörs vor
Gericht, dem Beschuldigten Zugang zu dem Gericht nicht
bekannten Tatsachen zu erzwingen. Auch wenn man unterstellt,
dass der Anspruch des Beschuldigten auf rechtliches Gehör ihm
- unter welchen Voraussetzungen und in welchen Grenzen auch
immer - ein Recht auf Kenntnis von Akteninhalten einräumt,
ist dieses Recht daher jedenfalls beschränkt auf die dem
Gericht tatsächlich vorliegenden Akten (vgl. BVerfGE 63, 45
).




4



Der Verteidiger des Beschwerdeführers hat
Einsicht in alle den Gerichten des Ausgangsverfahrens
vorliegenden Akten erhalten. Einen darüber hinausgehenden
Anspruch auf Erweiterung des gerichtlichen Aktenbestandes
gewährt Art. 103 Abs. 1 GG nicht (BVerfGE 63, 45
).




5



2. Der Einwand des Beschwerdeführers, der
Bundesgerichtshof habe seine Revision unter Verletzung
rechtsstaatlicher Grundsätze unzureichend begründet, greift
ebenfalls nicht durch. In dem vom Beschwerdeführer zitierten
Beschluss vom 22. Januar 1982 (2 BvR 1506/81, NJW 1982, S.
925) hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die
dem Rechtsmittelgericht in § 349 Abs. 2 StPO eingeräumte
Möglichkeit, die Revision durch nicht begründeten Beschluss
zu verwerfen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist.
Dem Grundgesetz lässt sich nicht entnehmen, dass jede
gerichtliche Entscheidung mit einer Begründung zu versehen
ist. Anhaltspunkte dafür, dass der Bundesgerichtshof auf
Grund besonderer Umstände des Ausgangsverfahrens gleichwohl
in den Gründen seines Beschlusses ausdrücklich auf die Rüge
unzureichender Akteneinsicht eingehen musste, sind nicht
ersichtlich, zumal bereits der Generalbundesanwalt in seinem
Verwerfungsantrag auf das Fehlen weiterer Unterlagen
hingewiesen hatte.




6



3. Die Rüge des Beschwerdeführers, der
Abschluss eines bloßen "Luftgeschäfts" dürfe aus Gründen der
Verhältnismäßigkeit nicht als Handeltreiben mit
Betäubungsmitteln mit einer Freiheitsstrafe geahndet werden,
beruht auf einer unzutreffenden Tatsachengrundlage und ist
daher unsubstantiiert. Nach den Feststellungen des
landgerichtlichen Urteils hatte der kolumbianische
Drogenhändler die 18 kg Kokain, die der Beschwerdeführer
unter Vermittlung des Zeugen W. erwerben wollte nach
Antwerpen verschickt. Das der Verurteilung des
Beschwerdeführers zu Grunde liegende Drogengeschäft betraf
also eine konkrete und auch existierende
Betäubungsmittellieferung, die nach den weiteren
Feststellungen des Landgerichts nur deshalb nicht beim
Beschwerdeführer eintraf, weil der Kurier seine Fahrt in
Frankfurt abbrach, und war somit kein "Luftgeschäft".




7



Von einer weiter gehenden Begründung der
Entscheidung wird gemäß § 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG
abgesehen.




8



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Limbach
Hassemer
Mellinghoff







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