2 BvR 1245/01 - Fehlende Rechtswegerschöpfung im Hinblick auf vermeintliche, da zu allgemein gehaltene Beschlagnahmeanordnung - Anforderungen an Verdachtsumschreibung und Bezeichnung der Beweismittel im Durchsuchungsbeschluss
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1245/01 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerden




 



1. des Herrn Dr. F...,

2. der K. GmbH




 



- Bevollmächtigte:


Rechtsanwälte Dr. Endrik Wilhelm und Koll.,

Palaisplatz 3, 01097 Dresden -





 





gegen
a)

den Beschluss des
Landgerichts Dresden vom 29. Juni 2001 - 14 Qs 3/01
-,



b)

den Beschluss des
Amtsgerichts Dresden vom 19. März 2001 - 270 Gs 1043/01
-






 



hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

die Richterin Präsidentin Limbach

und die Richter Hassemer,

Mellinghoff




 



gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473) am 29. Januar 2002 einstimmig
beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur
Entscheidung angenommen.




 


Gründe:




1



Die Verfassungsbeschwerden werden nicht zur
Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß
§ 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt.




2



1. Die Verfassungsbeschwerde der
Beschwerdeführerin zu 2. ist unzulässig, weil der Rechtsweg
nicht erschöpft ist (§ 90 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG). Über
ihre Beschwerde gemäß § 304 Abs. 1 und Abs. 2 StPO wurde
bisher, soweit ersichtlich, nicht förmlich entschieden. Es
kann auch nicht angenommen werden, dass insoweit nur eine
gleich lautende Entscheidung wie im Fall des
Beschwerdeführers zu 1. aussteht und deshalb der
Beschwerdeführerin zu 2. die Rechtswegerschöpfung vor
Erhebung der Verfassungsbeschwerde nicht zuzumuten ist
(§ 90 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG). Sie ist, anders als der
Beschwerdeführer zu 1., auch dadurch in ihren Rechten
betroffen, dass die Herausgabe der Beweisgegenstände vor dem
Hintergrund einer Beschlagnahmeanordnung erfolgte, die den
rechtsstaatlichen Mindestanforderungen nicht genügt (vgl.
Beschluss der 2. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts vom 3. September 1991 - 2 BvR
279/90 -, StV 1992, S. 49 f.). Damit fehlt eine wirksame
erstinstanzliche Entscheidung über die Beschlagnahme der
konkreten Beweisgegenstände. Die allgemein gehaltene
Beschlagnahmeanordnung im ermittlungsrichterlichen Beschluss,
die keine konkret zu beschlagnahmenden Beweisgegenstände
nennt, hatte allenfalls die Bedeutung einer Begründung und
Richtlinie für die Durchsuchung (OLG Oldenburg; StV 1994, S.
178 ; Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl.,
§ 105 Rn. 7). Sie wurde zunächst auch nicht vollzogen,
denn die - nach dem Durchsuchungsprotokoll freiwillige -
Herausgabe der Beweisgegenstände erfolgte auf Grund der
Herausgabepflicht nach § 95 Abs. 1 StPO. Die Bedingung
der pauschalen Anordnung der Beschlagnahme der
Beweisgegenstände, "soweit sie nicht freiwillig herausgegeben
werden", war zur Zeit der Durchsuchung daher auch nicht
eingetreten. Wurde in dem als Beschwerde bezeichneten
Schriftsatz dem staatlichen Gewahrsam widersprochen, so
bedarf es nun der Vollziehung einer Beschlagnahme. Insoweit
muss eine erneute erstinstanzliche Entscheidung herbeigeführt
werden. Die Beschwerde gegen die pauschale
Beschlagnahmeanordnung kann dazu in einen Rechtsbehelf nach
§ 98 Abs. 2 Satz 2 StPO umgedeutet werden (vgl. OLG
Oldenburg, StV 1994, S. 178 ; Nack in: Karlsruher
Kommentar zur StPO, 4. Aufl., § 98 Rn. 2). Eine
abschließende Beschwerdeentscheidung des Landgerichts, das
über das Rechtsmittel der Beschwerdeführerin zu 2. noch nicht
entschieden hat, liegt nicht vor.




3



2. Die Verfassungsbeschwerde des
Beschwerdeführers zu 1. gegen den Durchsuchungsbeschluss ist
unbegründet, diejenige gegen die Beschlagnahmeanordnung im
gleichen Beschluss ist unzulässig.




4



a) Die Verdachtsumschreibung im
Durchsuchungsbeschluss reicht aus, um den Zweck der
Durchsuchungsanordnung zu erfüllen, den Zugriff auf
Beweisgegenstände bei der Vollziehung der Durchsuchung zu
begrenzen (vgl. BVerfGE 103, 142 ). Dazu kann
insbesondere bei Beginn des Ermittlungsverfahrens noch keine
genaue Einzelaktbeschreibung gefordert werden (vgl.
Ciolek-Krepold, Durchsuchung und Beschlagnahme in
Wirtschaftsstrafsachen, 2000, Rn. 68); es genügt eine gewisse
Konkretisierung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht.
Von Verfassungs wegen erforderlich ist nur, dass die
Tatschilderung über eine floskelhafte Beschreibung des
Vorwurfs, etwa als "Abrechnungsbetrug", hinausgeht (vgl.
BVerfGE 20, 162 ; 42, 212 ; 44,
353 ). Dem trägt der ermittlungsrichterliche
Beschluss Rechnung. Er umschreibt eine Abrechnungspraxis, die
in einer noch unbestimmten Zahl von Fällen zu einer
unrichtigen Abrechnung der ihrer Art nach näher umschriebenen
ärztlichen Leistungen geführt haben soll; Zeitraum und
Gesamtumfang der Abrechnungen wurden genannt.




5



Die Beschreibung der aufzuklärenden Straftaten
wird durch die Angaben über die Beweismittel, denen die
Durchsuchung gilt, ergänzt. Ausreichend ist insoweit, wenn
die erwarteten Beweismittel wenigstens annäherungsweise -
gegebenenfalls in Form beispielhafter Angaben - beschrieben
werden (vgl. BVerfGE 42, 212 ). Dies ist in der
ermittlungsrichterlichen Entscheidung geschehen.




6



Eine Angabe der Indiztatsachen, auf die der
Verdacht gestützt wird, ist in einem Durchsuchungsbeschluss
zwar möglich. Sie ist aber von Verfassungs wegen nicht immer
geboten. Die spätestens bei der Anklageerhebung in einer
Anklageschrift erforderliche Bekanntgabe der Beweisgrundlagen
des Verdachts dient der Ermöglichung einer sachgerechten
Verteidigung gegen den Vorwurf. Diese Verteidigung kann
unabhängig von der Vollziehung einer Durchsuchung erfolgen.
Die Mitteilung der Verdachtsgründe ist für den
Durchsuchungsbeschluss deshalb nicht im Sinne von Art. 13 GG
konstitutiv.




7



Es kann nicht festgestellt werden, dass der
Vorwurf des Abrechnungsbetruges willkürlich erhoben wurde.
Der Beschwerdeführer zu 1. gibt zu, in den Abrechnungen seien
Fremdleistungen der niedergelassenen Ärzte Dr. S. und Dr. B.
einbezogen gewesen. Er meint zwar, dies sei Teil einer
stationären medizinischen Gesamtleistung. Jedoch kann die
komplexe Konstruktion der laufenden Einbeziehung von
Fremdleistungen krankenhausexterner Ärzte in eine
Gesamtabrechnung stationärer Krankenhausleistungen jedenfalls
im Blick auf das Willkürverbot den Verdacht rechtfertigen, es
liege eine unrichtige Abrechnungspraxis vor. Eine ins
Einzelne gehende Nachprüfung des von den Fachgerichten
angenommenen Verdachts ist nicht Sache des
Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 95, 96
).




8



Angesichts des Umfangs der bei vorläufiger
Bewertung der Sach- und Rechtslage angenommenen Betrugstaten
mit einem Millionenschaden für die Krankenkassen ist auch
nicht ersichtlich, dass die Durchsuchungsanordnung
unverhältnismäßig wäre.




9



b) Der Angriff des Beschwerdeführers zu 1. auf
die pauschale Beschlagnahmeanordnung ist unsubstantiiert
(§§ 23 Abs. 1 Satz 2, 92 BVerfGG). Die
Verfassungsbeschwerde-Begründung führt nicht aus, inwieweit
er dadurch selbst in eigenen Rechten verletzt sein könnte
(§ 90 Abs. 1 BVerfGG). Der Schutzbereich des Art. 13 GG
wird durch eine Beschlagnahme von Gegenständen nicht berührt.
Eine Verletzung des Art. 14 Abs. 1 GG oder des Art. 2 Abs. 1
i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG (vgl. Beschluss der 2. Kammer des
Zweiten Senats vom 3. September 1991 - 2 BvR 279/90 -, StV
1992, S. 49 ) ist nicht geltend gemacht worden.




10



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Limbach
Hassemer
Mellinghoff







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