2 BvR 1118/01 -
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvR 1118/01 -




In dem Verfahren

über

die Verfassungsbeschwerde




 



des Herrn S...




 



- Bevollmächtigte:


Rechtsanwältin Astrid Kramer-Fezer,

Fehlandtstraße 3, 20354 Hamburg -





 





gegen
a)

den Beschluss des
Landgerichts Hamburg vom 6. Juli 2001 - 620 Qs 66/01
-,



b)

den Beschluss des
Amtsgerichts Hamburg vom 5. Juni 2001 - 166 Gs 394/01
-,



c)

den Beschluss des
Landgerichts Hamburg vom 28. Mai 2001 - 620 Qs 37/01
-,



d)

den Beschluss des
Amtsgerichts Hamburg vom 9. März 2001 - 166 Gs 394/01
-






 



hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

die Richterin Präsidentin Limbach

und die Richter Hassemer,

Mellinghoff




 



gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August
1993 (BGBl I S. 1473) am 14. November 2001 einstimmig
beschlossen:




 



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen.




 


Gründe:




I.




1



Die Verfassungsbeschwerde betrifft sowohl die
richterlich angeordnete Durchsuchung von Wohnräumen als auch
die Anschlussdurchsuchung einer Wohnung wegen Gefahr im
Verzug.




2



Der Beschwerdeführer verbüßte wegen
Steuerhinterziehung eine mehrjährige Freiheitsstrafe. Zur
Abzahlung der mit Haftungsbescheid vom März 1998
festgesetzten Steuerschuld wurde ihm eine monatliche
Ratenzahlung bewilligt. Seit Juli 2000 hat der
Beschwerdeführer keine Zahlungen mehr geleistet. Das
Hauptzollamt als zuständige Strafverfolgungsbehörde stellte
im daraufhin eingeleiteten Ermittlungsverfahren fest, dass
dem Beschwerdeführer seit April 2000 finanzielle Mittel zur
Verfügung gestanden hätten, um höhere Zahlungen auf die
Steuerschuld zu leisten. Dies habe er pflichtwidrig nicht
mitgeteilt und im Dezember 2000 unzutreffende Angaben über
seine wahren Vermögensverhältnisse gemacht. Aufgrund diesen
Sachverhalts ordnete das Amtsgericht auf Antrag des
Hauptzollamts mit Beschluss vom 9. März 2001 wegen versuchter
Steuerverkürzung die Durchsuchung von Wohn- und Nebenräumen
des Beschwerdeführers an, um nach Kontoauszügen,
Bankkorrespondenz, Arbeitsverträgen, Kfz-Briefen und weiteren
Unterlagen zu suchen, die Aufschluss über die tatsächlichen
wirtschaftlichen Verhältnisse des Beschwerdeführers geben.
Die Durchsuchung wurde Anfang April 2001 durchgeführt. Das
Landgericht verwarf die hiergegen eingelegte Beschwerde mit
Beschluss vom 28. Mai 2001 als unbegründet. Der
Beschwerdeführer sei einer vollendeten Steuerhinterziehung im
Beitreibungsverfahren verdächtig, weil er die Finanzbehörden
pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in
Unkenntnis gelassen und dadurch unberechtigte Vorteile
erlangt habe.




3



Weil die Beamten im Laufe der angeordneten
Durchsuchung erfahren hatten, dass der Beschwerdeführer auch
in einer anderen Wohnung wohnhaft sei, wurde diese wegen
Gefahr im Verzug unmittelbar im Anschluss durchsucht. Das
Amtsgericht bestätigte nachträglich auf Antrag entsprechend
§ 98 Abs. 2 Satz 2 StPO durch Beschluss vom
5. Juni 2001, dass die Durchsuchung rechtmäßig gewesen
sei. Mit Beschluss vom 6. Juli 2001 verwarf das
Landgericht die Beschwerde hiergegen als unbegründet. Die
Voraussetzungen für eine Durchsuchung ohne richterlichen
Beschluss wegen Gefahr im Verzug hätten vorgelegen. Der
Beschwerdeführer wäre ansonsten in der Lage gewesen,
Beweismittel in der anderen Wohnung beiseite zu schaffen.




II.




4



Der Beschwerdeführer macht mit der
Verfassungsbeschwerde gegen den die Durchsuchung anordnenden
Beschluss des Amtsgerichts und die Beschwerdeentscheidung des
Landgerichts geltend, seine Rechte aus Art. 13 und
Art. 19 Abs. 4 GG seien verletzt. Die
Durchsuchungsanordnung des Amtsgerichts sei zu unbestimmt,
weil die Steuerart nicht benannt sei und die Formulierung
"und weiterer Unterlagen" den Ermittlungsbehörden einen zu
großen Spielraum überlasse. Das Landgericht habe den
Tatverdacht ausgetauscht und daher eine Überprüfung des
amtsgerichtlichen Beschlusses umgangen.




5



Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die
Entscheidungen richtet, mit denen die ohne richterliche
Anordnung vorgenommene Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug
bestätigt wurde, rügt er eine Verletzung von Art. 19
Abs. 4 GG, weil weder Amts- noch Landgericht die vom
Bundesverfassungsgericht aufgestellten Grundsätze für eine
Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug beachtet hätten. Die
Strafverfolgungsbehörden hätten ausreichend Zeit gehabt, eine
richterliche Durchsuchungsanordnung zu erwirken.




III.




6



Die Verfassungsbeschwerde wird nicht zur
Entscheidung angenommen, weil ein Annahmegrund gemäß
§ 93a Abs. 2 BVerfGG nicht vorliegt. Die
Verfassungsbeschwerde hat keine grundsätzliche
verfassungsrechtliche Bedeutung. Ihre Annahme ist auch nicht
zur Durchsetzung der Rechte des Beschwerdeführers angezeigt;
denn sie hat keine Aussicht auf Erfolg.




7



1. Art. 13 Abs. 1 GG bestimmt die
Unverletzlichkeit der Wohnung. Von diesem Schutz werden auch
Betriebs- und Geschäftsräume mit umfasst (BVerfGE 44, 353
). Der verfassungsrechtlichen Bedeutung dieses
Schutzes entspricht es, dass Art. 13 Abs. 2,
1. Halbsatz GG die Anordnung einer Durchsuchung
grundsätzlich dem Richter vorbehält und auch nach Abschluss
der Durchsuchung der von der Maßnahme Betroffene die
Berechtigung des Grundrechtseingriffs im fachgerichtlichen
Verfahren klären lassen kann; der Zulässigkeit einer
Beschwerde gegen eine ermittlungsrichterliche
Durchsuchungsanordnung steht deren Erledigung durch Vollzug
der Maßnahme nicht entgegen (BVerfGE 96, 27
). Im Beschwerdeverfahren überprüft das
Beschwerdegericht sodann bei Zulässigkeit des Rechtsmittels
die angefochtene Entscheidung in vollem Umfang. Es tritt an
die Stelle des Erstrichters. Ist die angefochtene
Entscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden, so verwirft es
die Beschwerde als unbegründet. Dies gilt auch dann, wenn die
angefochtene Entscheidung sich aus anderen Gründen als
denjenigen, auf die das Erstgericht abgestellt hätte, als
zutreffend erweist (vgl. Engelhardt in: Karlsruher Kommentar,
StPO, 4. Aufl., § 309 Rn. 6 und 8).




8



2. Danach ist die Verfassungsbeschwerde nicht
zur Entscheidung anzunehmen, soweit sie sich gegen die
Beschlüsse des Landgerichts vom 28. Mai 2001 und des
Amtsgerichts vom 9. März 2001 richtet. Das Landgericht hat in
verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise lediglich
die rechtliche Begründung für den Durchsuchungsbeschluss
modifiziert und im Übrigen die Berechtigung der erfolgten
Durchsuchung geprüft und festgestellt.




9



Auch sonst liegt der Beschwerdeentscheidung
hinsichtlich der Durchsuchungsvoraussetzungen eine tragfähige
Begründung zu Grunde. Eine ins Einzelne gehende Nachprüfung
ist nicht Sache des Bundesverfassungsgerichts. Es kann nur
eingreifen, wenn die Auslegung und Anwendung der
einfach-rechtlichen Bestimmungen über die
Durchsuchungsvoraussetzungen willkürlich sind oder Fehler
erkennen lassen, die auf einer grundsätzlich unrichtigen
Anschauung der Grundrechte des Beschwerdeführers beruhen
(vgl. BVerfGE 18, 85 und stRspr). Dies
ist jedoch nicht der Fall.




10



Der amtsgerichtliche Durchsuchungsbeschluss
war nicht unbestimmt. Die zu suchenden Beweisgegenstände
müssen im Durchsuchungsbeschluss nach ihrer Art und ihrem
vorgestellten Inhalt (nur) so genau umschrieben werden, wie
es nach den gesamten Umständen des Falles vernünftigerweise
möglich ist (BVerfGE 20, 162 ). Dies
ist hier geschehen.




11



3. Die Verfassungsbeschwerde hat auch keinen
Erfolg, soweit sie sich gegen die Entscheidungen richtet, mit
denen die ohne richterliche Anordnung vorgenommene
Durchsuchung wegen Gefahr im Verzug bestätigt wurde. Der
Beschluss des Amtsgerichts vom 5. Juni 2001 und die
Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 6. Juli 2001
verletzen den Beschwerdeführer nicht in seinen Grundrechten
aus Art. 13 Abs. 1, Abs. 2 i.V.m. Art. 19
Abs. 4 GG (vgl. BVerfGE 103, 142
).




12



Das Amtsgericht hat ausgeführt, dass die
durchsuchenden Beamten erst während der Durchführung der
richterlich angeordneten Durchsuchung von einem bislang
unbekannten Wohnort des Beschwerdeführers erfahren hätten.
Angesichts des Umstands, dass der Erlass einer richterlichen
Durchsuchungsanordnung erfahrungsgemäß mehrere Stunden in
Anspruch nehmen werde, hätten die Beamten davon ausgehen
müssen, der Beschwerdeführer würde diese Zeit nutzen, um
selbst oder durch Dritte belastendes Material aus der
entdeckten Wohnung zu entfernen. Auf Grund dieser Tatsachen
hätte das Abwarten einer richterlichen Durchsuchungsanordnung
den Untersuchungszweck gefährden können. Das Landgericht hat
diese Ausführungen dahin ergänzt, trotz der Anwesenheit des
Beschwerdeführers bei den durchsuchenden Beamten hätte die
Gefahr im Verzug fortbestanden, weil diese keine Handhabe
gehabt hätten, den Beschwerdeführer zu hindern, sich in die
entdeckte Wohnung zu begeben.




13



Diese Ausführungen werden dem betroffenen
Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG gerecht. Sie
halten sich in dem den Fachgerichten zugewiesenen
Wertungsrahmen in Bezug auf die rechtliche Beurteilung des
ermittelten Sachverhalts und die Einschätzung von
Sachverhaltselementen. Amts- und Landgericht haben sich bei
ihrer Prüfung nicht auf reine Spekulationen oder
hypothetische Erwägungen zurückgezogen. Sie haben die Annahme
von Gefahr im Verzug mit Tatsachen begründet, die auf den
Einzelfall bezogen sind, und hieraus die Möglichkeit eines
Beweismittelverlustes abgeleitet. Die Gefahrenannahme beruhte
darauf, dass die Beamten erst während der richterlich
angeordneten Durchsuchung von der weiteren Wohnung des
Beschwerdeführers erfuhren, dieser von den Durchsuchungen
Kenntnis hatte und keine Handhabe bestand, ihn daran zu
hindern, sich in die entdeckte Wohnung zu begeben. Allein die
Anwesenheit des Beschwerdeführers bei den durchsuchenden
Beamten beseitigte die Gefahr nicht; er hätte jederzeit in
die andere Wohnung gehen können. Dass er es rückblickend
nicht getan hat, ist für die aus der Sicht ex ante zu
beurteilende Gefahrenprognose unbeachtlich. Des Weiteren ist
zu berücksichtigen, dass das Hauptzollamt nicht nur die
Wohnung, sondern gleichzeitig zwei Geschäftsräume des
Beschwerdeführers durchsuchte, um eine möglichst umfassende
Beschlagnahme von Beweismitteln zu gewährleisten. Das
Amtsgericht hatte auf Antrag des Hauptzollamts die
Durchsuchung auch dieser Betriebsräume angeordnet. Es ist
nahe liegend, dass die untersuchenden Beamten das
Ermittlungsziel konkret gefährdet sahen, wenn nicht auch die
andere Wohnung des Beschwerdeführers durchsucht würde.




14



Von einer weiteren Begründung wird abgesehen
(§ 93d Abs. 1 Satz 3 BVerfGG).




15



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Limbach
Hassemer
Mellinghoff







Full & Egal Universal Law Academy