2 BvL 14/98 - Richtervorlage zur Heilung fehlerhafter Zweckverbände in Sachsen-Anhalt unzulässigSiehe auchPressemitteilung Nr. 74/2002 vom 8. August 2002
Karar Dilini Çevir:





 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvL 14/98 -




In dem Verfahren

zur verfassungsrechtlichen Prüfung,





ob § 7 Satz 2 2. Halbsatz und § 8a
Abs. 1 des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit
(GKG-LSA) in der Fassung der Neubekanntmachung vom 26.
Februar 1998 (GVBl LSA 1998 S. 81 ff.) mit Art. 31, Art.
20 Abs. 3, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 und Art.
19 Abs. 4 GG unvereinbar ist,





- Aussetzungs- und Vorlagebeschluss des
Verwaltungsgerichts Halle vom 13. August 1998 (3 A 323/95)
-




 



hat die 3. Kammer des Zweiten Senats des
Bundesverfassungsgerichts durch

den Vizepräsidenten Hassemer,

die Richterin Osterloh

und den Richter Mellinghoff




 



gemäß § 93b in Verbindung mit § 93a
BVerfGG in der Fassung der Bekanntmachung vom 11. August 1993
(BGBl I S. 1473) am 23. Juli 2002 einstimmig beschlossen:




 



Die Vorlage ist unzulässig.




 


Gründe:




A.




1



Das Normenkontrollverfahren betrifft die
Verfassungsmäßigkeit der rückwirkenden Heilung von
Gründungsfehlern bei der Bildung von Zweckverbänden durch das
Gesetz über kommunale Gemeinschaftsarbeit des Landes
Sachsen-Anhalt. Im Ausgangsverfahren begehren drei Gemeinden
die Feststellung, nicht Mitglied des beklagten
Abwasserzweckverbandes zu sein.




I.




2



1. Mit dem Gesetz über die Selbstverwaltung
der Gemeinden und Landkreise in der DDR (Kommunalverfassung -
KomVerf) vom 17. Mai 1990 wurde die Selbstverwaltung der
Gemeinden und Landkreise im Gebiet der ehemaligen DDR wieder
eingeführt (GBl I S. 255). Die Gemeinden hatten danach das
Recht und im Rahmen ihrer Leistungsfähigkeit die Pflicht,
alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft in eigener
Verantwortung zu regeln (§ 2 Abs. 1 KomVerf). Die
Daseinsfürsorge wurde als Selbstverwaltungsaufgabe den
Gemeinden zugewiesen, die damit auch für die Wasserversorgung
und Abwasserbehandlung zu sorgen hatten (§ 2 Abs. 2
KomVerf).




3



Um die Wasserwirtschaft angemessen zu
bewältigen, entschloss sich die Mehrzahl der in der Regel
kleinen Gemeinden, die aus der Zeit der DDR bekannte, zentral
auf Bezirksebene organisierte Wasserversorgung und
Abwasserbeseitigung durch überregionale Zweckverbände
fortzusetzen. Nach der Wiedervereinigung wurde im Gebiet der
fünf neuen Länder eine Vielzahl von Abwasserzweckverbänden
gegründet. Der Zeitdruck, die mangelnde Erfahrung der
Gemeindevertreter und falsche Prognosen über die Höhe des
Wasserverbrauchs führten häufig zu Investitionen in
überdimensionierte Kläranlagen und Kanalnetze (Gruneberg, Der
Neuaufbau der kommunalen Abwasserbeseitigung in den neuen
Bundesländern, in: Gottschalk/Püttner (Hrsg.), Die
Entwicklung der kommunalen Wirtschaft in den neuen
Bundesländern nach 1990, S. 42 ).




4



2. Die Bildung der Zweckverbände beruhte
zunächst auf der neuen Kommunalverfassung der DDR vom 17. Mai
1990, die als Übergangsrecht nach der Wiedervereinigung als
Landesrecht fortgalt (Art. 9 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 EVtr
i.V.m. Anlage II Kap. II Sachgebiet B Abschnitt I). Das
Gesetz behandelte den Zweckverband in § 61 KomVerf, der
bestimmte:




5



(1) Gemeinden können zur Erfüllung kommunaler
Aufgaben Zweckverbände bilden. ...




6



(2) Die beteiligten Gemeindevertretungen
beschließen über das Statut, die mittels des Zweckverbandes
zu lösenden Aufgaben und die dafür zur Verfügung zu
stellenden Mittel.




7



(3) ...




8



Mit dem Gesetz über kommunale
Gemeinschaftsarbeit vom 9. Oktober 1992 (GVBl LSA S.
730 ff., im Folgenden: GKG-LSA) wurde das
Zweckverbandsrecht in Sachsen-Anhalt umfassend neu geregelt.
Es bestimmte die Rechtsstellung der Zweckverbände als
Körperschaften des öffentlichen Rechts (§ 18 GKG-LSA)
und regelte deren Bildungsvoraussetzungen (§ 19
GKG-LSA). Bestehende Zweckverbände hatten ihre
Verbandssatzung bis zum Ende der laufenden Wahlperiode der
Gemeindevertretungen und Kreistage dem GKG-LSA anzupassen und
die Verbandssatzung der Rechtsaufsichtsbehörde zur
Genehmigung vorzulegen. Bis zur Anpassung blieben die
Verbandssatzungen unberührt (§ 29 Abs. 1 GKG-LSA).




9



3. Nachdem das Verwaltungsgericht Halle mit
Beschluss vom 14. August 1995 die aufschiebende Wirkung der
Klage gegen einen Abgabenbescheid angeordnet hatte, weil der
beklagte Zweckverband nicht ordnungsgemäß gebildet worden sei
(LKV 1996, S. 140 ff.), ließ die Landesregierung eine
landesweite Erhebung durchführen. Diese kam zu dem Ergebnis,
dass die meisten der im Land Sachsen-Anhalt in den
Aufbaujahren gebildeten kommunalen Abwasserzweckverbände mit
schwerwiegenden Gründungsfehlern behaftet und daher unwirksam
seien. Insbesondere seien gründungserhebliche Vorschriften,
etwa über Beschlüsse kommunaler Gremien und
Veröffentlichungen in Bekanntmachungsorganen, nicht beachtet
worden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes zur Änderung des
Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit vom 1. Februar
1996, LT-Drucks 2/1882, S. 5).




10



a) Um Gründungsfehler und ihre Folgen zu
heilen, entwarf die Landesregierung ein sog. Erstes
Heilungsgesetz, das am 10. Juli 1996 in Kraft trat (Gesetz
zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit,
GVBl LSA S. 218). Es enthielt folgende Neuregelungen in dem
GKG-LSA:




11



§ 19a Rückwirkende Bildung von
Zweckverbänden




12



(1) Wegen Gründungsfehlern nicht gebildete
Zweckverbände gelten rückwirkend ab dem Tage nach der
öffentlichen Bekanntmachung ihres Statuts oder ihrer
Verbandssatzung als gebildet, sofern nicht ein späterer
Zeitpunkt bestimmt ist. Sind Statut oder Verbandssatzung
nicht öffentlich bekannt gemacht, gilt als Zeitpunkt der
Bildung des Verbandes der Tag nach der öffentlichen
Bekanntmachung der Genehmigungsverfügung, spätestens der Tag
nach der öffentlichen Bekanntmachung der ersten
Abgabensatzung des Verbandes. Diese Abgabensatzung ist nicht
deshalb rechtswidrig, weil Beschlussfassung und öffentliche
Bekanntmachung zu einem Zeitpunkt vor Bildung des Verbandes
liegen.




13



(2) Kommunale Gebietskörperschaften, die Statut
oder Verbandssatzung nicht durch das zuständige Organ
beschlossen haben, sind berechtigt, innerhalb von drei
Monaten nach Inkrafttreten dieser Vorschrift gegenüber dem
Zweckverband ihren Austritt zu erklären. Verfahrens- oder
Formfehler im Zusammenhang mit einer Beschlussfassung über
Statut oder Verbandssatzung sind hierbei unbeachtlich.
§ 16 Abs. 4 gilt entsprechend.




14



(3) Das Regierungspräsidium stellt den Austritt
fest, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und die
Abwicklung des Austritts geregelt ist. Die Feststellung kann
aus wichtigem Grund verweigert werden. § 140 der
Gemeindeordnung für das Land Sachsen-Anhalt findet keine
Anwendung. § 25 Abs. 3 sowie § 19 Abs. 5 gelten
sinngemäß.




15



(4) Die Absätze 1 und 2 finden auf
Zweckverbände, die nach Inkrafttreten dieser Vorschrift
gebildet werden, keine Anwendung.




16



§ 19 Abs. 5 GKG-LSA erhielt folgende
Fassung:




17



Die Rechtsaufsichtsbehörde hat die
Verbandssatzung und ihre Genehmigung in ihrem amtlichen
Veröffentlichungsblatt bekanntzumachen. Die Gemeinden und
Landkreise haben in der für ihre Bekanntmachungen
vorgeschriebenen Form auf die Veröffentlichung hinzuweisen.
Der Zweckverband entsteht am Tage nach der öffentlichen
Bekanntmachung der Verbandssatzung und der Genehmigung im
Veröffentlichungsblatt der Rechtsaufsichtsbehörde, soweit
nicht in der Verbandssatzung ein späterer Zeitpunkt bestimmt
ist.




18



§ 140 Abs. 1 der Gemeindeordnung für das
Land Sachsen-Anhalt lautete zu diesem Zeitpunkt:




19



§ 140 Genehmigungen




20



(1) Satzungen, Beschlüsse und andere Maßnahmen
der Gemeinde, die der Genehmigung der
Kommunalaufsichtsbehörde bedürfen, werden erst mit der
Genehmigung wirksam. Die Genehmigung gilt als erteilt, wenn
über sie nicht binnen drei Monaten nach Eingang des
Genehmigungsantrages bei der für die Genehmigung zuständigen
Kommunalaufsichtsbehörde entschieden ist und die Gemeinde
einer Fristverlängerung nicht zugestimmt hat; der Gemeinde
ist hierüber auf Antrag eine Bescheinigung zu erteilen. Satz
2 gilt nicht für die Zulassung von Ausnahmen.




21



(2) - (5)...




22



b) Eine gegen das Erste Heilungsgesetz
erhobene Kommunalverfassungsbeschwerde wies das
Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt (im Folgenden: LVerfG
LSA) mit Urteil vom 3. Juli 1997 als unzulässig zurück, weil
die beschwerdeführenden Gemeinden nicht unmittelbar betroffen
seien (LVerfG LSA, LKV 1997, S. 411). Es führte zur
Begründung aus, die Heilungsvorschrift des § 19a GKG-LSA
sei nicht auf Abwasserzweckverbände anwendbar, die noch unter
Geltung der DDR-Kommunalverfassung gebildet worden seien.
Eine Mitgliedschaft der Gründungsgemeinden im Zweckverband
und ein Übergang kommunaler Aufgaben auf den Zweckverband
setze nicht nur voraus, dass der Zweckverband rechtlich
wirksam gegründet, sondern auch, dass ihm die Rechtsfähigkeit
als Körperschaft des öffentlichen Rechts verliehen worden
sei. Rechtsfähige Zweckverbände hätten in Sachsen-Anhalt
erstmalig mit Inkrafttreten des GKG-LSA im Oktober 1992
gebildet werden können. Die Heilungsvorschrift des § 19a
GKG-LSA erfasse nur nach diesem Zeitpunkt gebildete
Zweckverbände.




23



4. a) Um eine Heilung der Gründungsfehler der
unter dem Regime der Kommunalverfassung der DDR gebildeten
Zweckverbände zu erreichen, beschloss der Landtag das Gesetz
zur Änderung des Gesetzes über kommunale Gemeinschaftsarbeit
sowie des Kommunalabgabengesetzes, das am 9. Oktober 1997 in
Kraft trat (GVBl LSA S. 878 f. Zweites
Heilungsgesetz).




24



Mit diesem Zweiten Heilungsgesetz wurde der zu
§ 7 umbenannte § 18 GKG-LSA um einen Satz 2 ergänzt
und lautet nun:




25



§ 7 Rechtsstellung




26



Der Zweckverband ist eine Körperschaft des
öffentlichen Rechts; er besitzt Dienstherrenfähigkeit. Als
Körperschaften öffentlichen Rechts entstanden gelten
rückwirkend auch diejenigen Zweckverbände, die vor dem 16.
Oktober 1992 gegründet worden sind; dabei aufgetretene
Gründungsmängel gelten nach Maßgabe von § 8a Abs. 1 als
geheilt."




27



Die in Bezug genommene Vorschrift des
§ 8a GKG-LSA entspricht dem § 19a GKG-LSA des
Ersten Heilungsgesetzes. Das Zweite Heilungsgesetz ergänzte
§ 8a Abs. 1 GKG-LSA um einen Satz 4 und lautet nun:




28



§ 8a Rückwirkende Bildung von
Zweckverbänden




29



(1) Wegen Gründungsfehlern nicht gebildete
Zweckverbände gelten rückwirkend ab dem Tage nach der
öffentlichen Bekanntmachung ihres Statuts oder ihrer
Verbandssatzung als gebildet, sofern nicht ein späterer
Zeitpunkt bestimmt ist. Sind Statut oder Verbandssatzung
nicht öffentlich bekannt gemacht, gilt als Zeitpunkt der
Bildung des Verbandes der Tag nach der öffentlichen
Bekanntmachung der Genehmigungsverfügung, spätestens der Tag
nach der öffentlichen Bekanntmachung der ersten
Abgabensatzung des Verbandes. Diese Abgabensatzung ist nicht
deshalb rechtswidrig, weil Beschlussfassung und öffentliche
Bekanntmachung zu einem Zeitpunkt vor Bildung des Verbandes
liegen. Die öffentliche Bekanntmachung einer Satzung nach den
Sätzen 1 und 2 ist nicht deshalb fehlerhaft, weil sie in
einer anderen als der durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen
Bekanntmachungsform erfolgt ist."




30



b) Mit Urteil vom 12. Dezember 1997 stellte
das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt die
Verfassungsmäßigkeit des Zweiten Heilungsgesetzes fest
(LVerfG LSA, LKV 1999, S. 324 f.). Die hiergegen
erhobenen Kommunalverfassungsbeschwerden seien unbegründet,
weil das Zweite Heilungsgesetz die Gemeinden weder in ihrem
Recht auf kommunale Selbstverwaltung verletze noch gegen das
Rechtsstaatsgebot verstoße.




31



Ergänzend wies das Landesverfassungsgericht in
dieser Entscheidung darauf hin, dass damit keine Aussage über
die Mitgliedschaft der betroffenen Gemeinden im Zweckverband
getroffen werde. Sollte diese Frage streitig sein, müsse sie
von der Fachgerichtsbarkeit entschieden werden (insoweit in
LKV 1999, S. 324 f. nicht abgedruckt).




II.




32



1. Im Ausgangsverfahren steht die
Mitgliedschaft der klagenden Gemeinden G., K. und S. beim
beklagten Abwasserzweckverband "F." in Streit.




33



a) Zur Gründung des beklagten
Abwasserzweckverbandes fand am 17. Oktober 1991 eine Sitzung
mit den Bürgermeistern von 15 Gemeinden statt, bei der auch
die Vertreter der Klägerinnen einen Gründungsvertrag
unterzeichneten. Während der Gemeinderat von K. den Beitritt
zum Abwasserzweckverband "F." bereits im August 1990
beschlossen hatte, stimmten die Gemeinderäte von S. und G. im
Oktober 1991 dem Beitritt zu. Die anschließende
Gründungsanzeige des Abwasserzweckverbandes wurde im Juni
1992 wiederholt, um Zweifel an dessen "juristischem Bestehen"
auszuräumen. Nach Inkrafttreten des GKG-LSA wurden im März
und April 1993 entsprechend der zwischenzeitlichen
Satzungsüberarbeitung die Verbandssatzung und die erste
Abgabensatzung des Abwasserzweckverbandes veröffentlicht.




34



b) Am 22. Juni 1995 beschloss der Gemeinderat
von G., die Mitgliedschaft beim Beklagten des
Ausgangsverfahrens aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen,
hilfsweise zum nächstzulässigen Zeitpunkt. Mit Schreiben vom
selben Tag erklärte der Bürgermeister gegenüber dem Beklagten
die fristlose Kündigung und führte zur Begründung u. a. aus,
der Zweckverband würde an einem überdimensionierten Klärwerk
ohne gesicherte Finanzierung festhalten. Gutachten über
Einsparmöglichkeiten in Millionenhöhe würden der
Verbandsversammlung vorenthalten. Der Abwasserzweckverband
teilte im August 1995 mit, dass eine fristlose Kündigung
nicht möglich sei und ein Austritt vom Regierungspräsidium
Halle als Aufsichtsbehörde genehmigt werden müsse, an das die
Kündigungserklärung weitergeleitet worden sei.




35



Die Gemeinde G. hat am 18. Oktober 1995 Klage
gegen den Abwasserzweckverband erhoben mit dem Antrag
festzustellen, dass sie nicht Mitglied des Beklagten geworden
sei, hilfsweise, dass sie ihre Mitgliedschaft bei dem
Beklagten durch ihr Kündigungsschreiben vom 22. Juni 1995
beendet habe. Zur Begründung trug sie vor, dass der
Zweckverband nicht wirksam gegründet worden sei. Sie habe in
der "Wende-Euphorie" die mit dem Verbleib in einem finanziell
nicht soliden Zweckverband verbundenen Risiken nicht erkannt.
Die Geschäftsgrundlage sei weggefallen, weil der Zweckverband
keine kostengünstige und DIN-normgerechte Entsorgung
gewährleisten könne. Der Verbleib im Zweckverband stelle von
allen denkbaren Varianten der Abwasserentsorgung die teuerste
dar und sei unzumutbar.




36



c) Mit Schreiben vom 16. Dezember 1992 teilte
die Bürgermeisterin von K. dem Abwasserzweckverband mit, dass
die Gemeinde beschlossen habe, aus dem Zweckverband
auszutreten, weil der Zweckverband seine Aufgaben bislang
nicht erfüllt habe und auch in den nächsten Jahren nicht
werde erfüllen können. Der Austritt schade dem Zweckverband
nicht, nachdem eine andere Gemeinde dem Zweckverband
nachträglich beigetreten sei. Unter dem 22. Dezember 1992
beschloss der Gemeinderat den Austritt aus dem Zweckverband
zum 31. Dezember 1992. Diesen Austritt lehnte die
Verbandsversammlung des Zweckverbandes in ihrer Sitzung am
25. Februar 1993 mehrheitlich ab. Unter dem 17. November 1994
bat die Gemeinde das Regierungspräsidium Halle um Bestätigung
ihres Austritts aus dem Abwasserzweckverband und die
Anerkennung der Übernahme der Abwasserbeseitigungspflicht
durch die Gemeinde.




37



Die Gemeinde K. hat am 13. Oktober 1995 Klage
gegen den Abwasserzweckverband erhoben mit dem Antrag
festzustellen, dass sie nicht Mitglied des Beklagten geworden
sei, hilfsweise, dass die Genehmigung ihres Austritts auf
ihren Antrag vom 17. November 1994 gemäß § 140 Abs. 1
GO-LSA als erteilt gelte. Zur Begründung hat sie im
Wesentlichen vorgetragen, zum Zeitpunkt ihrer
Austrittserklärung habe der Abwasserzweckverband noch keine
Rechtsfähigkeit besessen, sodass sie ohne weiteres hätte
austreten können. Sie habe eine eigene
Abwasserentsorgungsgesellschaft gegründet, deren
Abwasseranlage sich seit Juni 1995 in Betrieb befinde.




38



d) Am 1. November 1994 beschloss der
Gemeinderat S., aus dem Abwasserzweckverband zum 31. Dezember
1994 auszutreten. Der Abwasserzweckverband lehnte dies ab und
verwies auf ein Schreiben des Regierungspräsidiums Halle, in
dem die Notwendigkeit der Genehmigung einer
Austrittserklärung dargelegt werde. Am 3. Juli 1995 beschloss
der Gemeinderat, die Mitgliedschaft im Abwasserzweckverband
"F." gemäß § 25 Abs. 1 GKG-LSA, § 9 Verbandssatzung
aus wichtigem Grund fristlos zu kündigen, hilfsweise zu dem
Zeitpunkt, welchen die Rechtsaufsichtsbehörde gemäß § 25
Abs. 4 GKG-LSA bestimmen könne.




39



Die Gemeinde hat am 15. November 1995 Klage
gegen den Abwasserzweckverband "F." erhoben mit dem Antrag
festzustellen, dass sie nicht Mitglied des Beklagten geworden
ist, hilfsweise, dass sie ihre Mitgliedschaft bei dem
Beklagten gemäß dem Gemeinderatsbeschluss zum 31. Dezember
1994 beendet hat, und weiter hilfsweise, dass sie ihre
Mitgliedschaft bei dem Beklagten gemäß Ratsbeschluss vom 3.
Juli 1995 aus wichtigem Grund beendet habe. Ihre Begründung
deckt sich im Wesentlichen mit dem Vorbringen der Gemeinde
G..




40



2. Mit Beschluss vom 13. August 1998 hat das
Verwaltungsgericht Halle die verbundenen Verfahren ausgesetzt
und dem Bundesverfassungsgericht die Frage vorgelegt, ob
§ 7 Satz 2 2. Halbsatz und § 8a Abs. 1 GKG-LSA in
der Fassung vom 26. Februar 1998 mit Art. 20 Abs. 3, Art. 28
Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 Satz 1 sowie Art. 19 Abs. 4 GG
vereinbar seien (VG Halle, LKV 1999, S. 80 und juris).




41



a) Auf die Gültigkeit der vorgelegten
Heilungsregelungen komme es für die zu treffende Entscheidung
an, weil ohne sie "keine rechtswirksame Gründung des
Beklagten unter Einbeziehung der Klägerinnen als Mitglieder
erfolgt" sei. Die Kammer gehe mit dem
Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt davon aus, dass der
Beklagte mit seiner Gründung im Jahre 1991 nicht die Stellung
einer rechtsfähigen Körperschaft des öffentlichen Rechts habe
erlangen können. Außerdem hätten die Voraussetzungen für die
Bildung eines Zweckverbandes nach § 61 KomVerf - ein
Beitrittsbeschluss und ein von den beteiligten
Gemeindevertretungen beschlossenes Statut - nicht vorgelegen.
Beim Beklagten habe es sich daher nach der für ihn
günstigsten Betrachtung um eine nicht rechtsfähige
Körperschaft gehandelt, aus der die Klägerinnen unbeschadet
einer zivilrechtlichen Auseinandersetzung jederzeit und ohne
Angabe von Gründen hätten austreten können.




42



Der Abwasserzweckverband sei nach dem am 10.
Oktober 1992 in Kraft getretenen GKG-LSA nicht neu gegründet
worden; ebenso wenig sei die bestehende Verbandssatzung nach
§ 29 GKG-LSA angepasst worden. Erst durch das Zweite
Heilungsgesetz gelte der Beklagte als gegründet, weil
hierdurch die fehlende Beschlussfassung der
Mitgliedsgemeinden über das Gründungsstatut, die fehlerhafte
Veröffentlichung sowie die fehlende Genehmigung des
Gründungsstatuts durch die Rechtsaufsichtsbehörde geheilt
würden. Der umfassende Heilungswille des Gesetzgebers sei
klar zum Ausdruck gekommen, so dass es nicht möglich sei, im
Wege der Auslegung zu einer abweichenden Auffassung zu
gelangen. Der Beklagte sei daher spätestens am 26. April 1993
gegründet worden, dem Tag nach der öffentlichen
Bekanntmachung seiner ersten Abgabensatzung. Dass die Satzung
nicht entsprechend dem Bekanntmachungsrecht der
Mitgliedsgemeinden bekannt gemacht worden sei, sei nach
§ 8a Abs. 1 Satz 4 GKG-LSA unbeachtlich. Seither sei die
Mitgliedschaft der Klägerinnen nicht beendet worden. Ein
Austritt sei von der Verbandsversammlung des Beklagten
mehrheitlich abgelehnt und auch durch die
Rechtsaufsichtsbehörde bislang nicht genehmigt worden.




43



b) Das Zweite Heilungsgesetz sei zur
Überzeugung der vorlegenden Kammer mit dem Grundgesetz nicht
vereinbar.




44



aa) Die von § 8a Abs. 1 GKG-LSA erfasste
Heilung der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung der
Gemeindevertretungen an der Zweckverbandsgründung verstoße
gegen das Homogenitätsprinzip des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG.
Das hieraus folgende Gebot einer abgestuften Volksvertretung
werde verletzt, weil die demokratisch legitimierten
Gemeindevertretungen bei der Bildung von Zweckverbänden von
ihren gesetzlichen Mitwirkungsrechten ausgeschlossen
würden.




45



bb) Die Heilungsregelungen verstießen auch
gegen Art. 28 Abs. 2 GG. Mit ihrem Inkrafttreten sei die
Aufgabe der Abwasserentsorgung kompetenzverlagernd von den
klagenden Gemeinden auf den Beklagten übergegangen. Dieser
Aufgabenentzug sei nicht gerechtfertigt. Die Entscheidung
über das "Wie" einer Aufgabenerledigung falle in den
Schutzbereich der Selbstverwaltungsgarantie, in die der
Gesetzgeber durch die Zuweisung der Abwasserentsorgung an
einen Zweckverband eingreife, dessen Mitglied die Kommune
nicht werden wolle. Zwar sei es von Verfassungs wegen nicht
zu beanstanden, dass der Gesetzgeber bestimmt habe, dass die
Gemeinden sich zur Erfüllung der Abwasserentsorgung zu
Zweckverbänden zusammenschließen sollen. Dies rechtfertige
jedoch nicht, den Gemeinden zugleich die
Gestaltungsmöglichkeiten, wie sie diesem Gebot nachkommen
wollten, zu entziehen und sie an einem "ganz allgemeinen
Willensentschluss zur Gründung eines Zweckverbands"
festzuhalten, "der ganz offensichtlich ohne Vorlage der
entsprechenden Verbandsstatute und ohne nähere Kenntnis des
Abwasserbeseitigungskonzepts des Verbands erfolgt" sei.




46



cc) Die vorgelegten Regelungen verstießen auch
gegen die Garantie der Gewährung effektiven Rechtsschutzes
aus Art. 19 Abs. 4 GG. Die Heilung der Gründungsfehler laufe
darauf hinaus, den durch fehlerhafte Verbandsbildungen
herbeigeführten Zustand in einem Bereich der
Staatsorganisation dem Bürger gegenüber abzusichern, der
dagegen bereits Rechtsschutz in Anspruch genommen habe. Die
Waffengleichheit zwischen Staat und Bürger werde verletzt,
wenn der Staat eingreife und dem Bürger eine erlangte
Rechtsposition nur deshalb entziehe, um dem Nachteil eines
Unterliegens vor Gericht zu entgehen.




47



dd) Die Heilungsregelungen verstießen zudem
gegen das rechtsstaatliche Rückwirkungsverbot (Art. 20 Abs. 3
GG). Sie knüpften an abgeschlossene Gründungsvorgänge der
fehlerhaften Zweckverbände an und verliehen diesen
Rechtswirksamkeit. Hierin liege eine echte Rückwirkung bzw.
Rückbewirkung von Rechtsfolgen, die nicht ausnahmsweise
gerechtfertigt sei.




48



Die Gemeinderäte hätten im Zeitpunkt der
Gründungsvorgänge davon ausgehen dürfen, dass für die Bildung
eines Zweckverbandes entsprechend der damals geltenden
Regelung des § 61 KomVerf nicht nur ein
Beitrittsbeschluss, sondern auch eine Beschlussfassung über
das Verbandsstatut erforderlich gewesen sei. Selbst wenn sie
im Einzelfall angenommen haben sollten, dass bereits der
Beitrittsbeschluss für die Bildung des Zweckverbandes
ausreichend sei, sei diese Vorstellung wegen der eindeutigen
Regelung des § 61 KomVerf unbeachtlich.




49



Ein Ausnahmefall, in dem eine Rückwirkung
wegen einer unklaren und verworrenen Rechtslage zulässig sei,
habe im Hinblick auf die Eindeutigkeit von § 61 KomVerf
nicht vorgelegen.




50



Schließlich lägen auch keine zwingenden Gründe
des gemeinen Wohls für eine Rückwirkung vor. In der Wendezeit
der Jahre 1990 bis 1992 habe die Abwasserversorgung nicht so
darniedergelegen, dass man gezwungen gewesen sei, bei der
Gründung von Zweckverbänden ohne die ernsthafte Beteiligung
von Gemeinderäten auszukommen. Auch heute würde die
Abwasserversorgung nicht zusammenbrechen, wenn den
betroffenen Gemeinderäten die Möglichkeit eröffnet würde,
sich für oder gegen den Beitritt zu einem bestimmten
Zweckverband zu entscheiden.




51



ee) Art. 20 Abs. 3 GG sei auch im Hinblick auf
die angeordnete Heilung von Bekanntmachungsmängeln verletzt.
Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips sei es, Normen so zu
veröffentlichen, dass sich der davon Betroffene verlässlich
von ihrem Inhalt Kenntnis verschaffen könne. Dies sei bei
Anwendung des § 8a Abs. 1 GKG-LSA weder hinsichtlich der
Verbandssatzung noch der Abgabensatzung der Fall.




B.




52



Die Vorlage ist unzulässig. Das
Verwaltungsgericht hat nicht hinreichend dargelegt, dass es
für die von ihm zu treffende Entscheidung auf die Gültigkeit
der vorgelegten Normen ankommt.




I.




53



Der Zulässigkeit der Vorlage steht nicht
entgegen, dass das Landesverfassungsgericht Sachsen-Anhalt
die vorgelegten Bestimmungen des Zweiten Heilungsgesetzes
bereits am Maßstab der Landesverfassung geprüft hat. Die
Feststellung der Vereinbarkeit des Landesgesetzes mit der
Landesverfassung durch das Landesverfassungsgericht führt
nicht zur Unzulässigkeit der konkreten Normenkontrolle nach
Art. 100 Abs. 1 GG. Eine Richtervorlage zum
Bundesverfassungsgericht ist nicht deswegen unzulässig, weil
eine Entscheidung eines Landesverfassungsgerichts zum
gleichen Prüfungsgegenstand ergangen ist (BVerfGE 2, 380
; 17, 172 ; 34, 52
; 55, 207 ).




54



Der Zulässigkeit der Vorlage nach Art. 100
Abs. 1 GG steht auch nicht die Subsidiaritätsklausel in Art.
93 Abs. 1 Nr. 4b 2. Halbsatz GG, § 91 Satz 2 BVerfGG
entgegen. Sie kann über die kommunale Verfassungsbeschwerde
hinaus nicht auf andere Verfahrensarten erstreckt werden.
Entsprechendes gilt für die Subsidiaritätsklausel in Art. 93
Abs. 1 Nr. 4b GG (BVerfGE 17, 172 ).




II.




55



Die Vorlage des Verwaltungsgerichts Halle ist
jedoch unzulässig, weil die Entscheidungserheblichkeit der
zur Prüfung gestellten Normen nicht dargelegt ist. Das
Verwaltungsgericht hat weder die Wirksamkeit der Austritts-
und Kündigungserklärungen der klagenden Gemeinden des
Ausgangsverfahrens hinreichend überprüft noch ist es auf die
Frage eingegangen, ob die zur Prüfung gestellte Norm die
Unwirksamkeit der erklärten Austritte und Kündigungen
bewirken kann. Schließlich hat das Verwaltungsgericht Halle
nicht dargelegt, dass die Heilung von Bekanntmachungsfehlern
durch § 8a Abs. 1 GKG-LSA in den vorgelegten Verfahren
entscheidungserheblich ist.




56



Nach Art. 100 Abs. 1 GG, § 80 Abs. 2 Satz
1 BVerfGG muss das Gericht in der Begründung der Vorlage
angeben, inwiefern seine Entscheidung von der Gültigkeit der
zur Prüfung gestellten Rechtsnorm abhängt und mit welcher
übergeordneten Rechtsnorm sie unvereinbar ist. Der
Vorlagebeschluss muss aus sich heraus, ohne Beiziehung der
Akten, verständlich sein und mit hinreichender Deutlichkeit
erkennen lassen, dass das vorlegende Gericht bei Gültigkeit
der Regelung zu einem anderen Ergebnis kommen würde als im
Falle ihrer Ungültigkeit und wie es dieses Ergebnis begründen
würde (vgl. BVerfGE 35, 303 ; 68, 311 ;
69, 185 ; 74, 236 ; 78, 1 ;
88, 70 ). Dabei muss das vorlegende Gericht
den Sachverhalt so weit aufklären, dass die
Entscheidungserheblichkeit der zu prüfenden Normen feststeht
und die Vorlage deswegen unerlässlich ist (vgl. BVerfGE 25,
269 ; 42, 42 ). Die
Entscheidungserheblichkeit der Vorlage fehlt, solange die
Möglichkeit besteht, dass das vorlegende Gericht den
Rechtsstreit in dem von ihm gewünschten Sinne entscheiden
kann, ohne die für verfassungswidrig gehaltene Norm
anzuwenden (vgl. BVerfGE 58, 153 ; 64, 251
).




57



Für die Beurteilung der
Entscheidungserheblichkeit legt das Bundesverfassungsgericht
grundsätzlich die Rechtsauffassung des vorlegenden Gerichts
zugrunde, sofern diese nicht offensichtlich unhaltbar ist
(vgl. BVerfGE 7, 171 ; 44, 322 ). Der
Vorlagebeschluss muss diese Rechtsauffassung mit
hinreichender Deutlichkeit erkennen lassen. Eine im
Vorlagebeschluss lediglich im Ergebnis - ohne nähere
Darlegung - zugrunde gelegte Auffassung bindet jedoch nicht.
In einem solchen Fall ist dem Bundesverfassungsgericht
verwehrt, die fehlende Begründung der Überzeugung des
vorlegenden Gerichts von der Entscheidungserheblichkeit der
Vorlage durch eigene Erwägungen zu ersetzen. Diese müssen
Aufgabe des Fachgerichts bleiben (vgl. BVerfGE 97, 49
). Eine Vorlage ist deshalb unzulässig, wenn nach
dem Stand des Ausgangsverfahrens nicht feststeht, ob die zur
Prüfung gestellte Norm entscheidungserheblich sein wird.




III.




58



Nach diesen Maßstäben hat das vorlegende
Gericht die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage nicht
hinreichend dargelegt.




59



1. Mit dem Verwaltungsgericht ist davon
auszugehen, dass der beklagte Abwasserzweckverband auf Grund
des Zweiten Heilungsgesetzes "spätestens" zum 26. April 1993
rückwirkend als wirksam gegründet gilt. Es hat dargelegt,
dass der Abwasserzweckverband zuvor weder nach § 61
KomVerf i.V.m. dem Reichszweckverbandsgesetz noch nach dem
GKG-LSA als rechtsfähige Körperschaft entstanden war.




60



a) Hieraus folgt für das Verwaltungsgericht,
dass die Mitgliedsgemeinden jederzeit und ohne Angaben von
Gründen aus dem nicht rechtsfähigen Zweckverband "austreten"
konnten (ebenso LVerfG LSA, LKV 1997, 411 ).
Trifft dies zu, dann stellt sich die Frage, ob die Gemeinden
nicht durch ihre Austritts- und Kündigungserklärungen den
Zweckverband verlassen haben und sich an diesem Rechtszustand
durch das Zweite Heilungsgesetz nichts mehr ändern
konnte.




61



Diese Frage stellt sich nicht erst bei der
Entscheidung über die Hilfsanträge der klagenden Gemeinden,
sondern bereits bei den Hauptanträgen, nicht Mitglied des
Abwasserzweckverbandes geworden zu sein. Wäre das Zweite
Heilungsgesetz gültig, gilt nach der Rechtsauffassung des
Verwaltungsgerichts der beklagte Zweckverband zwar
rückwirkend als wirksam gebildet. Mit dem rückwirkenden
Entstehen des Zweckverbandes als Körperschaft des
öffentlichen Rechts ist aber zumindest in den Fällen, in
denen einzelne Gemeinden vor Inkrafttreten der rückwirkenden
Norm Austritte oder Kündigungen erklärt haben, noch keine
Aussage darüber getroffen, mit welchem Mitgliederbestand der
Zweckverband als rückwirkend entstanden gilt. Sollten die
klagenden Gemeinden des Ausgangsverfahrens wirksam aus dem
beklagten Zweckverband ausgeschieden sein, bevor das Zweite
Heilungsgesetz in Kraft getreten ist, könnten sie trotz
rückwirkender Entstehung des Zweckverbandes als Körperschaft
des öffentlichen Rechts möglicherweise nicht dessen
Mitglieder geworden sein, falls sie ihn bereits zuvor
verlassen hatten. Die Gemeinden wären dann sowohl bei
Gültigkeit als auch bei Ungültigkeit des Zweiten
Heilungsgesetzes nicht Mitglieder des Zweckverbandes
geworden. Entscheidungserheblich wären die vorgelegten
Bestimmungen demnach nur, wenn diese Regelungen den
Austritts- und Kündigungserklärungen der Gemeinden des
Ausgangsverfahrens die Wirksamkeit entzogen hätten oder diese
nie wirksam gewesen wären.




62



b) Wenn der Abwasserzweckverband "F." bis zum
Inkrafttreten des Zweiten Heilungsgesetzes als eine nicht
rechtsfähige Körperschaft des öffentlichen Rechts anzusehen
war, deren Mitglieder jederzeit und ohne Angabe von Gründen
austreten konnten, dann waren die Gemeinden K. und S. auf
Grund ihrer Austrittserklärungen vom 16. Dezember 1992 und 1.
November 1994 sowie die Gemeinde G. wegen ihrer Kündigung vom
22. Juni 1995 möglicherweise zu dem für die Rechtswirkungen
des Zweiten Heilungsgesetzes maßgeblichen Zeitpunkt nicht
mehr Mitglieder des beklagten Zweckverbandes.




63



Das im Juli 1996 in Kraft getretene Erste
Heilungsgesetz erfasste nach der Rechtsauffassung des
Verwaltungsgerichts ohnehin nicht die nach § 61 KomVerf
gebildeten und deshalb unwirksamen Zweckverbände. Mit Blick
auf das Zweite Heilungsgesetz führt das Verwaltungsgericht
nur aus, dass seit dem 26. April 1993 die Mitgliedschaft der
klagenden Gemeinden nicht beendet worden sei. Dass das
Verwaltungsgericht diese Behauptung trotz deren Austritts-
und Kündigungserklärungen nicht erläutert, ist ein
erheblicher Darlegungsmangel der Vorlage.




64



Dies gilt zunächst für die Gemeinde K., die im
Dezember 1992 ihren Austritt aus dem Zweckverband beschlossen
und erklärt hatte. Wenn die Gemeinde im Dezember 1992 wirksam
aus dem Zweckverband ausgetreten ist, ist nicht ersichtlich,
inwiefern die Gemeinde durch das Zweite Heilungsgesetz
rückwirkend noch Mitglied des Beklagten hätte werden können.
Denn der Abwasserzweckverband "F." gilt nach Auffassung des
Verwaltungsgerichts erst im April 1993 als wirksam
gegründet.




65



Die Austritts- und Kündigungserklärungen der
beiden anderen Gemeinden wurden zwar nach diesem
Gründungsdatum - im November 1994 und Juni 1995 - abgegeben.
Für sie gilt ebenso wie für die Gemeinde K. aber der Einwand,
dass sich die Vorlage nicht zu der Frage verhält, wie die
Rechtsfolgen der Austritts- und Kündigungserklärungen zu
bewerten sind, wenn das Ausscheiden aus einem nicht
rechtsfähigen Zweckverband wie dem Beklagten des
Ausgangsverfahrens jederzeit und ohne Angabe von Gründen
möglich gewesen sein soll. Als die Gemeinden ihren
Austrittswillen erklärten, war das Zweite Heilungsgesetz vom
Oktober 1997 noch nicht in Kraft und eine rückwirkende
Heilung nicht eingetreten. Aus der Vorlage ergibt sich nicht,
dass die Erklärungen der Gemeinden rechtlich folgenlos waren
oder deren Rechtsfolgen durch das Zweite Heilungsgesetz
rückwirkend beseitigt wurden.




66



2. Das Verwaltungsgericht hat darüber hinaus
nicht erörtert, ob die Gemeinden des Ausgangsverfahrens ihre
Mitgliedschaft in dem Abwasserzweckverband nach dem Gesetz
über die kommunale Gemeinschaftsarbeit wirksam gekündigt
hatten. In diesem Zusammenhang hätte zunächst geprüft werden
müssen, ob und inwieweit das Gesetz über die kommunale
Gemeinschaftsarbeit im Ausgangsverfahren anwendbar ist und
welche Bedeutung die Genehmigungsfiktion des § 140 Abs.
1 GO-LSA hat. Erst im Anschluss an eine solche Prüfung würde
sich die Frage der Verfassungsmäßigkeit der vorgelegten
Regelungen stellen.




67



a) Neben dem vom Verwaltungsgericht
angenommenen freien Austrittsrecht der Gemeinden bestand seit
dem Inkrafttreten des GKG-LSA im Oktober 1992 ein
gesetzliches Kündigungsrecht für Mitglieder eines
Zweckverbandes. Es räumte den Verbandsmitgliedern das Recht
ein, einvernehmlich aus dem Zweckverband auszuscheiden oder
ihre Mitgliedschaft aus wichtigem Grund aufzukündigen,
stellte Ausscheiden und Kündigung aber unter den
Genehmigungsvorbehalt der Kommunalaufsichtsbehörde (§ 25
Abs. 1 und 3 GKG-LSA i.d.F. vom 9. Oktober 1992 = § 14
Abs. 1 und 3 GKG-LSA i.d.F. vom 26. Februar 1998, GVBl LSA S.
81 ff.).




68



Das Verwaltungsgericht geht in seiner Vorlage
von der Anwendbarkeit der Kündigungsvorschriften nach dem
GKG-LSA aus. Sein Hinweis, das Regierungspräsidium Halle habe
eine Genehmigung zum Austritt nicht erteilt, wäre
unerheblich, wenn es dieser Genehmigung nicht bedürfte. Diese
Auffassung wäre aber besonders erklärungsbedürftig gewesen.
Zwar legt das Gericht seiner Entscheidung die Auffassung des
Landesverfassungsgerichts zugrunde, nach der sich das GKG-LSA
in seiner Fassung vor dem Zweiten Heilungsgesetz auf
Gründungs- und Anpassungsverfahren bezog, die nach seinem
Inkrafttreten im Oktober 1992 stattfanden, und nicht auf
zuvor gemäß § 61 KomVerf gegründete und deswegen
rechtsunwirksame Zweckverbände wie den Abwasserzweckverband
"F.". Es stellt sich jedoch die Frage, ob die einschränkenden
Austrittsvoraussetzungen des GKG-LSA im Ausgangsverfahren
überhaupt anwendbar waren. Des Weiteren ist die Frage
unbeantwortet, wie sich das Kündigungsrecht nach dem GKG-LSA
zu dem vom Verwaltungsgericht angenommenen freien
Austrittsrecht der Mitgliedsgemeinden eines unwirksamen
Zweckverbandes verhält.




69



b) Aber auch wenn man von der Geltung der
Kündigungsvorschriften des GKG-LSA für nach § 61 KomVerf
gegründete Zweckverbände ausgehen würde, könnten die
Kündigungserklärungen der klagenden Gemeinden wirksam gewesen
sein. Zwar hätten die Kündigungen dann der
kommunalaufsichtlichen Genehmigung bedurft, welche das
Regierungspräsidium nach Aktenlage nicht erteilt hat. Diese
Genehmigung gilt jedoch gemäß § 140 Abs. 1 GO-LSA in der
damals geltenden Fassung als erteilt, wenn über die
Genehmigung nicht binnen drei Monaten nach Eingang des
Genehmigungsantrags bei der für die Genehmigung zuständigen
Kommunalaufsichtsbehörde entschieden ist und die Gemeinde
einer Fristverlängerung nicht zugestimmt hat. Der Eintritt
dieser Fiktionswirkung hätte im Ausgangsverfahren geprüft
werden müssen.




70



Es ist nicht offensichtlich, dass § 140
Abs. 1 GO-LSA auf die Kündigungs- oder Austrittserklärungen
der Gemeinden nicht anwendbar war. Nach der Generalverweisung
in § 27 Abs. 1 GKG-LSA i.d.F. vom 9. Oktober 1992 galten
für Zweckverbände die Vorschriften für Gemeinden sinngemäß.
Die Austritte und Kündigungen waren nach Inkrafttreten der
Gemeindeordnung am 1. Juli 1994 erklärt oder wie im Fall der
Gemeinde K. gegenüber dem Regierungspräsidium Halle
wiederholt worden. Vor diesem Hintergrund hätte das
Verwaltungsgericht prüfen müssen, ob die
Kündigungserklärungen rechtliche Wirkung entfalteten, weil
das Regierungspräsidium Halle von der Austrittserklärung der
Gemeinde K. und der Kündigungserklärung der Gemeinde G.
Kenntnis hatte. Auch zu den Austritts- und
Kündigungserklärungen der Gemeinde S. verhält sich die
Vorlage nicht.




71



Soweit durch das Erste Heilungsgesetz vom Juli
1996 die Vorschrift des § 140 Abs. 1 GO-LSA auf
Kündigungserklärungen für nicht (mehr) anwendbar erklärt
wurde, stünde diese Rechtsänderung einer bereits
eingetretenen Fiktionswirkung schon aus Zeitgründen nicht
entgegen. Als der Gesetzgeber im Juli 1996 die Anwendbarkeit
des § 140 GO-LSA auf Zweckverbandskündigungen gestrichen
hatte, waren die Austritte und Kündigungen der klagenden
Gemeinden bereits erklärt worden und war die Frist von drei
Monaten abgelaufen.




72



Das Verwaltungsgericht erläutert auch nicht,
ob die Voraussetzungen des § 140 Abs. 1 GO-LSA vorliegen
und die Gemeinden auf Grund seiner Fiktionswirkung nicht mehr
Mitglieder des Abwasserzweckverbandes "F." sind, obwohl die
Gemeinde K. sich hierauf ausdrücklich berufen hat.




73



3. Der Vorlage kann auch nicht entnommen
werden, dass sie davon ausgeht, die Rückwirkung des Zweiten
Heilungsgesetzes beziehe sich nicht nur auf
Gründungsformfehler, sondern wolle auch bereits vorgenommenen
Austritten und Kündigungen rückwirkend die Rechtswirkung
entziehen. Ausführungen hierzu wären ebenfalls nicht
entbehrlich gewesen. Aus dem Zweiten Heilungsgesetz ergibt
sich nicht ohne weiteres, es wolle die Zweckverbände in deren
ursprünglichen Bestand erhalten und zwischenzeitlichen
Kündigungen oder Austritten die Wirksamkeit versagen. Eine
solche Auslegung hätte in der Vorlage erläutert werden
müssen.




74



Dass sich die Rückwirkung des Zweiten
Heilungsgesetzes nicht nur auf Gründungsfehler bezieht,
sondern auch bis zu dessen Inkrafttreten vorgenommene
Austritte und Kündigungen erfasst, ist nicht offensichtlich.
Das zeigt die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Dessau
(vgl. VG Dessau, LKV 1999, S. 472 und VwRR MO 2000, S. 45
). Es hat dem Zweiten Heilungsgesetz eine solche
Rückwirkung nicht eingeräumt, jedenfalls dann nicht, wenn
eine Mitgliedsgemeinde nach der aus Rechtsgründen
fehlgeschlagenen Gründung des Zweckverbandes und vor dem
Inkrafttreten des Zweiten Heilungsgesetzes die ihr nach
damaliger Rechtslage zukommenden Aufgaben in Angriff genommen
und die hierzu erforderlichen Satzungen erlassen habe. Das
Zweite Heilungsgesetz bezwecke lediglich die Heilung von
Gründungsmängeln, nicht die rückwirkende Beseitigung eines
zwischenzeitlich eingetretenen Rechtszustandes. § 8a
GKG-LSA enthalte keine Festlegungen darüber, ob und unter
welchen Voraussetzungen Verbandsmitglieder eines mit
Gründungsfehlern belasteten Zweckverbandes vor dem
Inkrafttreten des Zweiten Heilungsgesetzes aus dem
Zweckverband ausscheiden könnten. Ähnliche Überlegungen hätte
auch das vorlegende Verwaltungsgericht Halle anstellen können
und zur Darlegung der Entscheidungserheblichkeit der
vorgelegten Rechtsnormen auch müssen.




75



4. Die Vorlage legt darüber hinaus nicht dar,
dass die Heilung von Bekanntmachungsfehlern durch § 8a
Abs. 1 GKG-LSA entscheidungserheblich ist. Das
Verwaltungsgericht begründet die Verfassungswidrigkeit von
§ 8a Abs. 1 Satz 2 GKG-LSA damit, dass ein Zweckverband
wirksam gebildet werden könne, selbst wenn Statut oder
Verbandssatzung - wie in diesem Fall - nicht öffentlich
bekannt gemacht worden seien. Als Zeitpunkt der
Verbandsbildung gelte dann der Tag nach der öffentlichen
Bekanntmachung der Genehmigungsverfügung, spätestens der Tag
nach der öffentlichen Bekanntmachung der ersten
Abgabensatzung des Verbandes. Die Behauptung, Statut oder
Verbandssatzung seien nicht öffentlich bekannt gemacht
worden, belegt und begründet das Verwaltungsgericht nicht,
obwohl der Sachverhalt dazu Anlass gegeben hätte.




76



Das Verwaltungsgericht geht nicht darauf ein,
dass der Abwasserzweckverband am 19. Juni 1992 in der
Mitteldeutschen Zeitung angezeigt hatte, die Verbandssatzung
liege in den Gemeindeverwaltungen und öffentlichen
Einrichtungen der Mitgliedsgemeinden aus. Es setzt sich auch
nicht mit der Veröffentlichung der überarbeiteten
Verbandssatzung vom 25. Februar 1993 in den Amtsblättern der
Regierungsbezirke H. und D. und der Landkreise K. und S.
auseinander. Damit könnte die überarbeitete Verbandssatzung
wirksam öffentlich bekannt gemacht worden sein, so dass es
auf die angegriffene Heilungsvorschrift insoweit nicht
ankäme.




IV.




77



Unabhängig davon, dass das Verwaltungsgericht
die Entscheidungserheblichkeit der vorgelegten Rechtsnormen
nicht hinreichend dargelegt hat, weist die Vorlage weitere
Darlegungsmängel auf.




78



Ein Gericht kann eine Entscheidung des
Bundesverfassungsgerichts über die Verfassungsmäßigkeit einer
gesetzlichen Vorschrift nach Art. 100 Abs. 1 GG nur einholen,
wenn es neben der Entscheidungserheblichkeit der Vorschrift
auch ihre Verfassungsmäßigkeit sorgfältig geprüft hat (vgl.
BVerfGE 86, 71 ). Das Gericht muss die für
seine Überzeugung maßgeblichen Erwägungen nachvollziehbar
darlegen und sich dabei jedenfalls mit nahe liegenden
tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkten auseinander
setzen (vgl. BVerfGE 86, 52 ). Hierbei muss es die
in Literatur und Rechtsprechung entwickelten
Rechtsauffassungen berücksichtigen (vgl. BVerfGE 47, 109
; 65, 308 ; 74, 236
; 78, 1 ; 79, 240 ;
88, 70 ).




79



1. Das Verwaltungsgericht sieht eine
Verletzung des über Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG auch für die
Gemeinden geltenden Demokratieprinzips darin, dass mit dem
Zweiten Heilungsgesetz Abwasserzweckverbände rückwirkend
gebildet würden, an deren Gründung die Gemeindevertretungen
als demokratisch legitimierte Willensbildungsorgane der
Gemeinde nicht ordnungsgemäß beteiligt gewesen seien.




80



Diese Behauptung wird in der Vorlage nicht
hinreichend belegt. Es ist vielmehr fraglich, ob die
zuständigen Gemeindevertretungen überhaupt übergangen wurden.
Alle Gemeindevertretungen der drei klagenden Gemeinden haben
sich mit dem Beitritt zum Abwasserzweckverband "F."
einverstanden erklärt. Der Gemeinderat von K. beschloss am
22. August 1990 seinen Beitritt zum Abwasserzweckverband
"F."; der Gemeinderat von S. beschloss dies am 22. Oktober
1991 und der von G. am 29. Oktober 1991. Damit haben alle
drei Gemeinderäte als zuständige Willensbildungsorgane dem
Beitritt zum Abwasserzweckverband zugestimmt. Dass ihnen
dabei nicht das Verbandsstatut vorgelegen hätte oder
wesentliche Informationen fehlten, belegt das
Verwaltungsgericht nicht. Es behauptet nur, es habe lediglich
eine Willensbekundung, aber keine Prüfung stattgefunden. Dies
könnte nur durch die Gemeinderatsprotokolle oder die
Vernehmung der beteiligten Gemeinderatsmitglieder bestätigt
werden.




81



Aber auch wenn man mit dem Verwaltungsgericht
davon ausgeht, dass mit den Beitrittsbeschlüssen zum
Abwasserzweckverband nicht zugleich über dessen Statut
beschlossen wurde, folgt hieraus nicht ohne weiteres eine
Verletzung des Demokratieprinzips. Insofern rügt die Vorlage
zunächst nur, das Zweite Heilungsgesetz perpetuiere einen
Verstoß gegen § 61 Abs. 2 KomVerf. Danach beschließen
die beteiligten Gemeindevertretungen über das Statut, die
mittels des Zweckverbandes zu lösenden Aufgaben und die dafür
zur Verfügung stehenden Mittel. Die Verletzung dieser
einfach-rechtlichen Vorschrift und deren Heilung durch
§ 8a Abs. 1 GKG-LSA führt aber nur dann zu einem
Verfassungsverstoß, wenn Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG gebietet,
dass gewählte Gemeindevertretungen nicht nur über den
Beitritt zu einem Zweckverband, sondern auch über dessen
Statut entscheiden. Dass eine solche verfassungsrechtliche
Pflicht zur Entscheidung über das Statut eines Zweckverbandes
besteht, legt die Vorlage nicht dar.




82



Nach Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG muss das Volk
auch in den Kreisen und Gemeinden eine gewählte Vertretung
haben. Die Norm bestimmt, dass die Grundentscheidungen der
Verfassung für die Prinzipien der Volkssouveränität und der
Demokratie sowie für ein demokratisches Wahlverfahren nicht
nur auf Bundes- und Landesebene gelten sollen, sondern auch
in den Untergliederungen der Länder, den Gemeinden und
Gemeindeverbänden (vgl. BVerfGE 83, 37 ; 52, 95
zu Art. 2 Abs. 2 Landessatzung
Schleswig-Holstein). Die Vorschrift gewährleistet damit für
alle Gebietskörperschaften auf dem Territorium der
Bundesrepublik Deutschland die Einheitlichkeit der
demokratischen Legitimationsgrundlage. Art. 28 Abs. 1 Satz 2
GG trägt auf diese Weise der besonderen Stellung der
kommunalen Gebietskörperschaften im Aufbau des demokratischen
Staates Rechnung. Das Recht auf Selbstverwaltung wird im
Rahmen der staatlichen Organisation konstituiert und in den
staatlichen Aufbau integriert. Das Grundgesetz hat sich
innerhalb der Länder für einen auf
Selbstverwaltungskörperschaften ruhenden Staatsaufbau und
damit für die gegliederte Demokratie entschieden (vgl.
BVerfGE 79, 127 ; 83, 37 ).




83



Über die Gewährleistung einer demokratisch
gewählten Volksvertretung für die Kreise und Gemeinden hinaus
macht Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG keine Vorgaben dazu, welche
Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft dem gewählten
Gemeinde- oder Kreisparlament vorbehalten sein müssen. Diese
Entscheidung trifft der Landesgesetzgeber im Rahmen der ihm
zustehenden Befugnis zur Ausgestaltung des Kommunalrechts.
Seine Auffassung ist für den bundesverfassungsrechtlichen
Maßstab nicht bindend. Nicht jede Verletzung des
einfach-rechtlichen Kommunalverfassungsrechts begründet
zugleich einen Verfassungsverstoß.




84



Der durch das Zweite Heilungsgesetz bewirkte
Verzicht auf die nach § 61 Abs. 2 KomVerf notwendige
Beschlussfassung der Gemeindevertretung über die
Verbandssatzung eines Zweckverbandes führt nicht zwangsläufig
zu einer möglichen Verletzung des Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG.
Das Zweite Heilungsgesetz knüpft an die Willensbildung der
gewählten Gemeindevertretungen zur Gründung eines
Zweckverbandes an und zwingt ihnen keinen Gründungswillen
auf. Darüber hinaus gewährt das GKG-LSA den kommunalen
Gebietskörperschaften, in denen nicht das zuständige Organ
über Statut oder Verbandssatzung beschlossen hat, ein
befristetes Sonderaustrittsrecht (§ 8a Abs. 2 GKG-LSA).
Die Vorlage legt nicht dar, dass trotz der Anbindung an eine
vorherige Willensbildung innerhalb der Gemeinden und trotz
des Sonderaustrittsrechts eine Verletzung des über Art. 28
Abs. 1 Satz 2 GG auch für die Gemeindeebene geschützten
Demokratieprinzips vorliegt.




85



2. Auch eine Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG
durch das Zweite Heilungsgesetz ist nicht hinreichend
dargelegt.




86



a) Das Verwaltungsgericht stützt sich in
diesem Zusammenhang entscheidend darauf, dass mit der
rückwirkenden Entstehung des Abwasserzweckverbandes die
Aufgabe der Wasserentsorgung auf den Zweckverband übergehe
und damit den Gemeinden entzogen werde. Das
Verwaltungsgericht rekurriert auf den in der
Rastede-Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts
entwickelten Maßstab, dass der Entzug einer gemeindlichen
Aufgabe durch hoheitliche Übertragung dieser Aufgabe auf
einen höheren Verwaltungsträger (sog. Hochzonung) eines
besonderen Legitimationsgrundes bedürfe (vgl. BVerfGE 79, 127
), insbesondere um dem Gemeinwohlinteresse einer
ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung Rechnung zu tragen (vgl.
BVerfGE 79, 127 ; 83, 363 ).




87



Die Vorlage legt nicht hinreichend dar, dass
bei der freiwilligen Gründung eines Zweckverbandes ein
Aufgabenentzug in diesem Sinne stattfindet. Die gemeindliche
Aufgabe der Abwasserentsorgung wird nicht durch ein Gesetz
gegen den Willen der Gemeinden auf einen höheren
Verwaltungsträger übertragen. Die Gemeinden haben sich
vielmehr freiwillig zur gemeinsamen Erfüllung dieser Aufgabe
zu einem Zweckverband zusammengeschlossen, der als
Körperschaft des öffentlichen Rechts diese Aufgabe für die
Gemeinden und unter deren Mitwirkung ausübt. Die damit
verbundene Aufgabenverlagerung ist Kennzeichen der
interkommunalen Zusammenarbeit in Form eines Zweckverbandes.
Im Ausgangsverfahren geht es daher nicht um einen Eingriff
des Landes in den Bereich kommunaler Aufgaben mit dem Ziel,
eine durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützte Aufgabe den Gemeinden
zu entziehen. Das Zweite Heilungsgesetz hatte den Zweck, die
freiwillig gebildeten und faktisch bestehenden Zweckverbände
entsprechend den gesetzlichen Vorgaben als Körperschaften des
öffentlichen Rechts zu etablieren. Die damit zwangsläufig
verbundene Aufgabenverlagerung ist mit einem gezielten
Aufgabenentzug nur eingeschränkt vergleichbar. Damit ist
schon fraglich, ob - wenn überhaupt - der
Gewährleistungsbereich des Art. 28 Abs. 2 GG betroffen sein
könnte. Das Verwaltungsgericht legt in seiner Vorlage eine
Verletzung des Art. 28 Abs. 2 GG jedenfalls nicht dar, wenn
es alleine auf den behaupteten Aufgabenentzug durch die
rückwirkende Bestätigung der Zweckverbände abstellt.




88



b) Soweit in der Vorlage eine Verletzung des
Art. 28 Abs. 2 GG darin gesehen wird, dass mit dem Zweiten
Heilungsgesetz auf die Beschlussfassung der
Gemeindevertretung über das Statut des Zweckverbandes
verzichtet werde, ist dieser demokratische Aspekt bereits mit
Blick auf Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG behandelt worden.
Hinsichtlich der Garantie der kommunalen Selbstverwaltung
nach Art. 28 Abs. 2 GG gewinnt er im vorliegenden Fall keine
zusätzliche Relevanz.




89



3. Die Ausführungen des Verwaltungsgerichts
zum schutzwürdigen Vertrauen der Gemeinden und ihrer
Gemeinderäte genügen ebenfalls nicht der Darlegungspflicht
aus § 80 Abs. 2 Satz 1 BVerfGG.




90



a) Die Vorlage begründet ein schutzwürdiges
Vertrauen damit, die Gemeinderäte hätten im Zeitpunkt der
Gründungsvorgänge davon ausgehen dürfen, dass für die Bildung
eines Zweckverbandes entsprechend der damals geltenden
Regelung des § 61 KomVerf nicht nur ein
Beitrittsbeschluss, sondern auch eine Beschlussfassung über
das Verbandsstatut erforderlich gewesen sei. Selbst wenn sie
im Einzelfall angenommen haben sollten, dass bereits der
Beitrittsbeschluss für die Bildung des Zweckverbandes
ausreichend sei, sei diese Vorstellung wegen der eindeutigen
Regelung des § 61 KomVerf unbeachtlich. Das
schutzwürdige Vertrauen der Gemeinderäte habe darin
bestanden, dass ohne wirksame Implementierung der
Verbandssatzung der Zweckverband nicht hätte gebildet werden
können.




91



b) Die Behauptung des Verwaltungsgerichts, die
Gemeinderäte hätten auf die Unwirksamkeit der
Zweckverbandsgründungen berechtigterweise vertrauen dürfen,
weil es hierfür nach § 61 KomVerf einer Beschlussfassung
über das Verbandsstatut bedurft hätte, wird weder belegt noch
ist eine solche Annahme nach dem Ablauf der Ereignisse nahe
liegend. Um zu beurteilen, ob die Rückwirkung des § 7
Satz 2 i.V.m. § 8a Abs. 1 GKG-LSA rechtsstaatlich
hinnehmbar ist, muss zunächst geklärt werden, in welchem
Ausmaß die Rückwirkung der Vorschrift berechtigtes Vertrauen
enttäuscht hat. Im Grundsatz des Vertrauensschutzes findet
das Rückwirkungsverbot nicht nur seinen Grund, sondern auch
seine Grenze (vgl. BVerfGE 88, 384 ). Eine
belastende Rückwirkung ist daher gerechtfertigt, wenn sich
kein schutzwürdiges Vertrauen auf den Bestand des geltenden
Rechts bilden konnte (vgl. BVerfGE 72, 302 ; 88,
384 ).




92



Legt man die Situation vor Bekanntwerden der
Gründungsfehler zugrunde, so ist davon auszugehen, dass die
Gemeinden eines - nach später entwickelten Maßstäben -
fehlerhaft gegründeten Zweckverbandes die Wirksamkeit dieser
interkommunalen Kooperation wollten und auf diese vertraut
haben. Die Erwartung, die Vereinbarung über die Gründung
eines Zweckverbandes werde auch rechtliche Wirksamkeit
entfalten, konnte mithin erstmals durch Bekanntwerden der
fachgerichtlichen Rechtsprechung zu den fehlerhaften
Zweckverbandsgründungen enttäuscht werden. Gleichzeitig
konnte erst ab diesem Zeitpunkt die Erwartung der
Unwirksamkeit des Zweckverbandes und ein nunmehr auf diese
Unwirksamkeit gerichtetes Vertrauen entstehen. Allerdings
herrschte in dem Zeitraum zwischen dem Bekanntwerden der
Gründungsmängel und dem Beginn der Gesetzgebungsarbeiten ein
Zustand der Rechtsunsicherheit, der über die Zwischenstufe
des Ersten Heilungsgesetzes letztlich erst mit dem Urteil des
Landesverfassungsgerichts zum Zweiten Heilungsgesetz beendet
wurde. Gefestigtes und damit schutzwürdiges Vertrauen in die
Beständigkeit eines bestimmten Rechtszustandes konnten sich
unter diesen Umständen kaum entwickeln. Mit diesen
Gesichtspunkten hat sich das Verwaltungsgericht nicht
auseinander gesetzt. Es sagt nicht, warum die Gemeinderäte
von Beginn an auf die Unwirksamkeit der Verbandsgründung
vertraut haben sollten, obwohl mit deren Einverständnis der
Abwasserzweckverband seine Tätigkeit aufgenommen hat und z.B.
die Gemeinde K. im Vertrauen auf die Abwasserentsorgung durch
den Verband Baumaßnahmen eingeleitet hatte.




93



4. Soweit das Verwaltungsgericht ausführt, die
vorgelegten Heilungsregelungen verstießen gegen Art. 19 Abs.
4 GG, weil dem Bürger im Anfechtungsprozess gegen einen
Abgabenbescheid des rückwirkend gegründeten Zweckverbandes
die Erfolgsaussichten seiner Klage genommen würden, hat es
sich mit hierzu nahe liegenden rechtlichen Gesichtspunkten
nicht auseinander gesetzt.




94



Nach der ständigen Rechtsprechung des
Bundesverfassungsgerichts gewährleistet Art. 19 Abs. 4 GG
nicht den sachlichen Bestand oder den Inhalt einer als
verletzt behaupteten Rechtsstellung; diese richtet sich
vielmehr nach der Rechtsordnung im Übrigen (vgl. BVerfGE 61,
82 ; 83, 182 ; 97, 298
). Die Grenzen eines solchen Entzugs
bilden die materiellen Grundrechte und das
Rückwirkungsverbot. Das Argument des Verwaltungsgerichts, dem
Bürger würden erlangte Rechtspositionen bei der Anfechtung
von Beitragsbescheiden entzogen, zeigt daher keine Verletzung
des Schutzbereichs von Art. 19 Abs. 4 GG auf.




95



Abgesehen davon setzt sich die Vorlage nicht
mit der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und
Literatur auseinander, wonach die wegen Fehlens einer
gültigen Abgabensatzung rechtswidrigen Abgabenbescheide
nachträglich dadurch geheilt werden können, dass eine gültige
Abgabensatzung rückwirkend in Kraft tritt (vgl. BVerwGE 50, 2
; Driehaus, Erschließungs- und
Ausbaubeiträge, 6. Aufl., 2001, § 11, Rn. 59 ff.
m.w.N.). Ein etwaiges Vertrauen der Betroffenen, wegen der
anfänglichen Unwirksamkeit der Satzung von einer Gebühren-
und Beitragspflicht verschont zu bleiben, sei nicht
schutzwürdig, weil sie mit einer Heranziehung hätten rechnen
müssen (vgl. BVerwGE 67, 129 ). Beiträge und
Gebühren würden als Ausgleich für gewährte Sondervorteile
erhoben. Der Bürger dürfe nur unter ganz außergewöhnlichen
Bedingungen erwarten, dass eine ihrem Wesen nach
abgabenpflichtige Leistung abgabenfrei gewährt werden soll.
Ein vorangegangener Erlass einer - auch nichtigen -
Abgabensatzung schließe eine solche Schutzwürdigkeit aus
(vgl. BVerwGE 67, 129 ). Selbst bei einem
rückwirkenden Wirksamwerden von Abgabensatzung und
Zweckverband würde dem Bürger nach dieser Rechtsauffassung in
einem Anfechtungsprozess keine schutzwürdige Rechtsposition
entzogen. Im Übrigen kann sich die Rechtswidrigkeit eines
Abgabenbescheides weiterhin aus anderen Gründen als dem der
fehlerhaften Verbandsgründung ergeben.




96



Diese Entscheidung ist unanfechtbar.




 




Hassemer
Osterloh
Mellinghoff







Full & Egal Universal Law Academy