2 BvF 4/98 - Zum Abzug aller Bundesaufgaben von einer OberfinanzdirektionSiehe auchPressemitteilung Nr. 101/2002 vom 27. November 2002
Karar Dilini Çevir:






L e i t s a t z

zum Beschluss des Zweiten Senats vom 27. Juni
2002

- 2 BvF 4/98 -

Zur Zulässigkeit einer Übertragung aller
Bundesaufgaben von der Oberfinanzdirektion eines Landes auf
die eines anderen Landes durch Rechtsverordnung des
Bundes.




 



BUNDESVERFASSUNGSGERICHT

- 2 BvF 4/98 -










Im Namen des Volkes




In dem Verfahren

über

den Antrag festzustellen,





dass die Verordnung des Bundesministeriums der
Finanzen vom 4. März 1998 (BGBl I S. 407) zur Übertragung von
Aufgaben der Oberfinanzdirektionen Berlin, Bremen, Chemnitz,
Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt am Main, Hannover, Kiel,
Magdeburg, München, Münster, Rostock, Saarbrücken und
Stuttgart mit dem Grundgesetz unvereinbar und daher nichtig
ist,




 




Antragstellerin:
Hessische Landesregierung, vertreten durch
den Ministerpräsidenten,

Bierstadter Straße 2, Wiesbaden,






 



- Bevollmächtigter:


Prof. Dr. Dr. h.c. Hans Meyer, Humboldt-Universität zu
Berlin,

Juristische Fakultät, Unter den Linden 6, 10099 Berlin -





 



hat das Bundesverfassungsgericht - Zweiter
Senat - unter Mitwirkung der Richterinnen und Richter

Vizepräsident Hassemer,

Sommer,

Jentsch,

Broß,

Osterloh,

Di Fabio,

Mellinghoff,

Lübbe-Wolff




 



am 27. Juni 2002 einstimmig beschlossen:




 



Die Verordnung des Bundesministeriums der
Finanzen vom 4. März 1998 (BGBl I S. 407) zur Übertragung von
Aufgaben der Oberfinanzdirektionen Berlin, Bremen, Chemnitz,
Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt am Main, Hannover, Kiel,
Magdeburg, München, Münster, Rostock, Saarbrücken und
Stuttgart ist mit dem Grundgesetz vereinbar.




 


Gründe:




A.




1



Die Hessische Landesregierung begehrt mit
ihrem Normenkontrollantrag die Feststellung, dass die
Verordnung des Bundesministeriums der Finanzen vom 4. März
1998 zur Übertragung von Aufgaben der Oberfinanzdirektionen
Berlin, Bremen, Chemnitz, Düsseldorf, Erfurt, Frankfurt am
Main, Hannover, Kiel, Magdeburg, München, Münster, Rostock,
Saarbrücken und Stuttgart (BGBl I S. 407) verfassungswidrig
und nichtig sei.




I.




2



1. Das Bundesministerium der Finanzen hat
durch Verordnung vom 4. März 1998 die Aufgaben der Zoll- und
Verbrauchsteuerabteilungen sowie die Aufgaben der
Bundesvermögensabteilungen neu auf die Oberfinanzdirektionen
übertragen. Dies hat zur Folge, dass einige
Oberfinanzdirektionen, die zuvor sowohl aus Bundes- als auch
aus Landesabteilungen bestanden und von einem
Oberfinanzpräsidenten geleitet wurden, der sowohl Bundes- als
auch Landesbeamter war, alle Bundesaufgaben verloren haben.
Hiervon betroffen ist unter anderem die Oberfinanzdirektion
Frankfurt am Main. In den Ländern Bremen, Hessen, Saarland
und Schleswig-Holstein nimmt die jeweils verbliebene
Oberfinanzdirektion nun ausschließlich Landesaufgaben
wahr.




3



Die Verordnung kam ohne Beteiligung des
Bundesrates zu Stande und hat folgenden Wortlaut:




4



Auf Grund des § 8 Abs. 3 des
Finanzverwaltungsgesetzes vom 30. August 1971 (BGBl I S.
1426, 1427) verordnet das Bundesministerium der Finanzen im
Benehmen mit den für die Finanzverwaltung zuständigen
obersten Landesbehörden:




5



§ 1




6



Die Aufgaben der Oberfinanzdirektionen gemäß
§ 8 Abs. 4 des Finanzverwaltungsgesetzes (Zoll- und
Verbrauchsteuerabteilung) werden wie folgt übertragen:




7





von der Oberfinanzdirektion
auf die Oberfinanzdirektion


Berlin
Cottbus


Bremen
Hannover


Düsseldorf
Köln


Erfurt
Chemnitz


Frankfurt am Main
Koblenz


Kiel
Hamburg


Magdeburg
Hannover


München
Nürnberg


Münster
Köln


Rostock
Hamburg


Saarbrücken
Koblenz


Stuttgart
Karlsruhe







8



§ 2




9



Die Aufgaben der Oberfinanzdirektionen gemäß
§ 8 Abs. 5 des Finanzverwaltungsgesetzes
(Bundesvermögensabteilung) werden wie folgt übertragen:




10





von der Oberfinanzdirektion
auf die Oberfinanzdirektion


Chemnitz
Erfurt


Frankfurt am Main
Koblenz


Hannover
Magdeburg


Kiel
Rostock


München
Nürnberg


Münster
Köln


Stuttgart
Karlsruhe







11



§ 3




12



Die Zuständigkeit der Oberfinanzpräsidenten
nach § 1 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 bis 4 des
Vermögenszuordnungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung
vom 29. März 1994 (BGBl I S. 709) bleibt unberührt.




13



§ 4




14



Diese Verordnung tritt am 1. August 1998 in
Kraft.




15



2. § 8 Abs. 3 Satz 1 des
Finanzverwaltungsgesetzes (FVG) vom 30. August 1971 (BGBl I
S. 1426 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1997 v. 20. Dezember
1996, BGBl I S. 2049, 2076) lautet:




16



Durch Rechtsverordnung können Aufgaben der
Oberfinanzdirektion für den ganzen Bezirk oder einen Teil
davon auf andere Oberfinanzdirektionen übertragen werden,
wenn dadurch der Vollzug der Aufgaben verbessert oder
erleichtert wird.




17



Die Rechtsverordnung wird gemäß § 8 Abs.
3 Satz 2 FVG für den Bereich von Bundesaufgaben vom
Bundesminister der Finanzen (heute: Bundesministerium der
Finanzen) und für den Bereich der Aufgaben eines Landes von
der zuständigen Landesregierung erlassen. § 8 Abs. 3
Satz 4 FVG verneint für die Rechtsverordnung des
Bundesministeriums der Finanzen ausdrücklich die
Notwendigkeit einer Zustimmung des Bundesrates. Gemäß
§ 8 Abs. 3 Satz 5 FVG haben sich das Bundesministerium
der Finanzen und die für die Finanzverwaltung zuständige
oberste Landesbehörde vor Erlass der Rechtsverordnung
gegenseitig ins Benehmen zu setzen.




18



3. Gemäß § 7 Satz 1 FVG bestimmt der
Bundesminister der Finanzen im Einvernehmen mit der für die
Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörde den
Bezirk der Oberfinanzdirektion und ihren Sitz. Dabei sollen
die Oberfinanzbezirke nach Möglichkeit so abgegrenzt sein,
dass sie sich mit den Ländern oder mit größeren
Verwaltungsbezirken der Länder decken (§ 7 Satz 2
FVG).




19



Gemäß § 8 Abs. 1 FVG leitet die
Oberfinanzdirektion die Finanzverwaltung des Bundes und des
Landes in ihrem Bezirk. Sie gliedert sich in eine Zoll- und
Verbrauchsteuerabteilung, eine Bundesvermögensabteilung und
eine Besitz- und Verkehrsteuerabteilung. § 8 Abs. 3 Satz
6 FVG sieht vor, dass die jeweiligen Bundes- oder
Landesabteilungen nicht einzurichten sind, wenn deren
Aufgaben übertragen worden sind.




20



Die Oberfinanzdirektion wird von dem
Oberfinanzpräsidenten geleitet (§ 9 Abs. 1 FVG), der
gemäß § 9 Abs. 2 Satz 1 FVG sowohl Bundes- als auch
Landesbeamter ist. § 9 Abs. 3 Satz 1 FVG bestimmt, dass
ein Oberfinanzpräsident ausschließlich Landesbeamter ist,
wenn eine Oberfinanzdirektion keine Bundesaufgaben
wahrzunehmen hat.




21



4. Das Gesetz zur Änderung des Grundgesetzes
vom 26. November 2001 (BGBl I S. 3219) bietet inzwischen mit
Art. 108 Abs. 1 Satz 3 und Abs. 2 Satz 3 GG n.F. die
verfassungsrechtliche Grundlage für einen möglichen Verzicht
auf Mittelbehörden des Bundes und der Länder. Das Gesetz zur
Änderung des Finanzverwaltungsgesetzes und anderer Gesetze
vom 14. Dezember 2001 (BGBl I S. 3714) sieht danach in Art. 1
Nr. 3 (Einfügung eines § 2a FVG) vor, dass durch
Rechtsverordnung auf Mittelbehörden verzichtet werden kann.
In der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung
(BTDrucks 14/6144, S. 6) heißt es zu der Neuregelung, vor dem
Hintergrund der Verordnung vom 4. März 1998 mit ihrer
Reduzierung der Bundesabteilungen von Oberfinanzdirektionen
greife der Gesetzentwurf die Bitte der Länder auf, eine
Öffnungsklausel für einen zweistufigen Aufbau der
Finanzbehörden durch Verzicht auf die Mittelinstanz zu
schaffen.




II.




22



1. Die Antragstellerin sieht in § 8 Abs.
3 FVG keine hinreichende Rechtsgrundlage für die angegriffene
Rechtsverordnung. § 8 Abs. 3 Satz 1 FVG ermächtige nicht
dazu, die gesamten Bundes- oder Landesaufgaben einer
Oberfinanzdirektion auf eine andere zu übertragen. Dies folge
bereits aus dem Wortlaut der Norm. Die Formulierung, wonach
"Aufgaben der Oberfinanzdirektion" durch Verordnung
übertragen werden können, gebe sprachlich exakt wieder, dass
es nur um die Übertragung von Einzelaufgaben gehen könne. Nur
deshalb sei es sinnvoll, dass das Bundesministerium der
Finanzen für seine Verordnung gemäß § 8 Abs. 3 Satz 4
FVG keiner Zustimmung des Bundesrates oder des betreffenden
Landes bedürfe.




23



Eröffne § 8 Abs. 3 Satz 1 FVG dagegen die
Möglichkeit, alle Landes- oder Bundesaufgaben zu übertragen,
so hätten es die Länder in der Hand, durch entsprechende
Verordnungen alle Landesaufgaben einer Oberfinanzdirektion
auf eine andere im Lande zu übertragen. Dies bewirke - auch
ohne eine ausdrückliche Verfügung - die Auflösung der
Landesmittelbehörde, denn eine Behörde, die für einen
bestimmten Bezirk zuständig sei, aber keine Aufgaben habe,
sei sinnlos. Das wiederum verstoße gegen § 7 Satz 1 FVG,
wonach es zur Kompetenz des Bundesministeriums der Finanzen
gehöre, mit Zustimmung des betreffenden Landes den Bezirk der
jeweiligen Oberfinanzdirektion nach Maßgabe des § 7 Satz
2 FVG zu bestimmen.




24



Unzulässig sei die Übertragung der Gesamtheit
der Bundesaufgaben auch deshalb, weil gemäß § 8 Abs. 3
Satz 1 FVG durch die Übertragung "der Vollzug der Aufgaben
verbessert oder erleichtert" werden müsse. Eine Übertragung
aller Aufgaben unter Beibehaltung der Behörde selbst könne
nicht zu einer Verbesserung oder Erleichterung des
Aufgabenvollzuges führen. Eine weitere sprachliche
Bestätigung finde diese Auslegung in § 8 Abs. 3 Satz 2
FVG. Danach erlasse das Bundesministerium der Finanzen die
Verordnung "für den Bereich von Bundesaufgaben". Das bringe
zum Ausdruck, dass nicht sämtliche Bundesaufgaben von der
Verordnungsermächtigung erfasst sein könnten. Anderenfalls
hätte der Gesetzgeber die Formulierung gewählt, die
Ermächtigung gelte "für den Bereich der Bundesaufgaben".




25



Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes
bestätige diese Interpretation. Danach hätten dem Gesetzgeber
verschiedene Varianten der Übertragung einzelner, nicht aber
aller Bundesaufgaben vor Augen gestanden.




26



Auch die übrigen Vorschriften des
Finanzverwaltungsgesetzes stützten dieses Ergebnis. Zwar sehe
§ 8 Abs. 3 Satz 6 FVG vor, dass Bundes- und
Landesabteilungen nicht einzurichten seien, wenn deren
Aufgaben nach den Sätzen 1 und 2 übertragen seien.
Dementsprechend bestimme § 9 Abs. 3 Satz 1 FVG, dass der
Oberfinanzpräsident ausschließlich Landesbeamter sei, wenn
die Oberfinanzdirektion keine Bundesaufgaben wahrzunehmen
habe. Diese Vorschriften beträfen jedoch lediglich die
Einrichtung einer neuen Oberfinanzdirektion und seien auf den
Fall der Übertragung von Aufgaben einer bestehenden
Oberfinanzdirektion nicht anwendbar.




27



Weiter widerspreche eine andere Auslegung auch
der Tatsache, dass zum Beispiel die Oberfinanzdirektion
Frankfurt am Main durch Erlass des Hessischen Ministers der
Finanzen vom 8. November 1950 (Staatsanzeiger für das Land
Hessen, S. 481) mit Zustimmung des Bundesministers der
Finanzen als gemischte Oberfinanzdirektion errichtet worden
sei. Diese Errichtung könne nicht durch einseitigen "actus
contrarius" eines der beiden beteiligten Minister als
gemischte Behörde aufgelöst werden.




28



Die Zusammenlegung der Bundesabteilungen der
Oberfinanzdirektionen habe zudem entgegen § 8 Abs. 3
Satz 1 FVG nicht der Verbesserung und Erleichterung der
Aufgabenerfüllung, sondern der Straffung, d.h. der
Verkleinerung der Bundesverwaltung gedient, wie das Beispiel
der Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main zeige. Denn
Frankfurt am Main sei auf Grund seiner Infrastruktur und
seiner Nähe zur Wirtschaft der beste Standort für die
Bundesabteilungen. Die Verlagerung insbesondere der Zoll- und
Verbrauchsteuerabteilung an die Oberfinanzdirektion Koblenz,
aber mit Sitz nicht in Koblenz, sondern in Neustadt an der
Weinstraße, führe zudem zu einer Zersplitterung der bisher
zusammen untergebrachten Abteilungen und damit zu einem
Verlust an Synergieeffekten und zu Zusatzkosten.




29



Selbst dann, wenn sich die Ermächtigung in
§ 8 Abs. 3 Satz 1 FVG auf die Übertragung aller Aufgaben
von Bundesabteilungen einer Oberfinanzdirektion auf eine
andere erstrecken sollte, komme man nicht an einem
Zustimmungsrecht der Länder oder ihrer obersten für die
Finanzverwaltung zuständigen Behörden vorbei. Die Übertragung
von Aufgaben bedeute notwendig die Übertragung der örtlichen
Kompetenz. Wenn eine Oberfinanzdirektion ohne jegliche
örtliche Kompetenz in Bundesfinanzangelegenheiten verbleibe,
so werde ihr Gebiet, soweit es um die Bundesaufgaben gehe,
notwendigerweise dem Bezirk der nunmehr zuständigen
Oberfinanzdirektion zugeschlagen. Die Entscheidung über den
Bezirk einer Oberfinanzdirektion treffe das Bundesministerium
der Finanzen nach § 7 Satz 1 FVG jedoch nicht durch
Rechtsverordnung, sondern bestimme ihn im Einvernehmen mit
der für die Finanzverwaltung zuständigen obersten
Landesbehörde. Erstrecke sich der Bezirk einer
Oberfinanzdirektion über mehrere Länder, so sei das
Einvernehmen notwendigerweise mit den für die
Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden dieser
Länder herzustellen. Auch für die Sitzbestimmung einer
Oberfinanzdirektion verlange § 7 Satz 1 FVG die
Zustimmung der zuständigen obersten Landesbehörde.




30



2. Die Rechtsverordnung verstoße auch
unmittelbar gegen Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG. Diese
Verfassungsnorm enthalte einen institutionellen
Gesetzesvorbehalt für Fälle, in denen der Bund die Materie
"Landesfinanzverwaltung" organisatorisch regeln wolle. Da mit
einer entsprechenden Regelung gravierend in das
Eigenorganisationsrecht der Länder eingegriffen werde, sei es
nach der Systematik des Grundgesetzes zwingend, dass eine
solche Regelung, wenn sie als Gesetz ergehe, der Zustimmung
des Bundesrates bedürfe. Auch die angegriffene Verordnung
regele den Aufbau der Landesfinanzverwaltung. Denn die
Übertragung aller Bundesaufgaben einer Oberfinanzdirektion
bedeute, dass die von Bundesaufgaben entblößte
Oberfinanzdirektion als reine Landesbehörde zurückbleibe.
Auch verlören die Landesregierungen in den Ländern, die nach
der Verordnung keine Mittelinstanz des Bundes im Bereich der
Finanzverwaltung mehr hätten, wie im Saarland und in Hessen,
den Einfluss auf die Auswahl des Oberfinanzpräsidenten, der
für ihr Land die Bundesverwaltung in der Mittelinstanz
leite.




31



Der Bund breche mit einer in Art. 108 GG
angelegten und durch das Finanzverwaltungsgesetz umgesetzten
Organisationsstruktur, nach der die Oberfinanzdirektionen
zugleich sowohl Bundes- als auch Landesbehörden seien. Die
Verordnung leite daher einen Paradigmenwechsel ein, der einer
gesetzlichen Absicherung bedürfe.




32



3. Auch bei einer weiten Auslegung der
Verordnungsermächtigung verstoße deren Gebrauch gegen die
Verpflichtung zur Bundestreue.




33



4. Schließlich folge ein Gesetzesvorbehalt für
die in der Verordnung vorgesehene Regelung aus dem
Beamtenrecht. Ein Oberfinanzpräsident, der keine
Bundesfinanzverwaltungskompetenz mehr besitze, könne nicht
mehr Bundesbeamter sein. Diese Konsequenz aber sei ohne
gesetzliche Regelung nicht zu erreichen. § 9 Abs. 3 Satz
1 FVG besage nur, dass ein Oberfinanzpräsident als Leiter
einer Oberfinanzdirektion, die keine Bundesaufgaben
wahrnehme, ausschließlich Landesbeamter sei. Dagegen fehle
eine Bestimmung, auf welchem Wege man dieses Ergebnis bei
einem Oberfinanzpräsidenten erreichen könne, der sowohl
Bundes- als auch Landesbeamter sei. Das beamtenrechtliche
Instrument der Versetzung sei hierzu schon deshalb nicht
geeignet, weil das Bundesbeamtengesetz für den Fall der
Auflösung einer Behörde lediglich die Möglichkeit der
Versetzung in ein anderes Amt desselben Dienstherren
vorsehe.




34



5. Zudem bedeute die Aberkennung der
Bundesbeamteneigenschaft für die Länder eine erhebliche
Kostenlast, da bisher die Kosten für den
Oberfinanzpräsidenten zur Hälfte vom Bund getragen worden
seien. Außerdem habe der Abzug der gesamten Bundespräsenz von
einer jahrzehntelang gemischten Oberfinanzdirektion
erhebliche Auswirkungen auf die Infrastruktur der Behörde.
Für die Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main bedeute dies
den Abzug von 280 Bediensteten, für die bisher eine
gemeinsame Infrastruktur vorgehalten worden sei.




III.




35



Das Bundesministerium der Finanzen hält in
seiner für die Bundesregierung abgegebenen Stellungnahme den
Normenkontrollantrag für unbegründet. Die Rechtsverordnung
sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.




36



Durch die Rechtsverordnung selbst seien nur
die Aufgaben der Bundesabteilungen der Oberfinanzdirektionen
übertragen worden. Die Bestimmung des Sitzes der jeweiligen
Abteilungen sei erst durch Erlasse des Bundesministeriums der
Finanzen bewirkt worden.




37



1. Bei der angegriffenen Rechtsverordnung
handele es sich um eine Organisationsentscheidung im Bereich
der obligatorischen Bundeseigenverwaltung, für die kein
Vorbehalt des förmlichen Gesetzes bestehe und die Kompetenz
des Bundes grundsätzlich aus Art. 86 GG folge. Die konkrete
Organisationsentscheidung sei durch § 8 Abs. 3 FVG
gesetzlich vorgeprägt und in Gestalt der Rechtsverordnung
getroffen worden.




38



Auch unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten habe
diese Organisationsentscheidung keines förmlichen Gesetzes
bedurft. Der Gesetzgeber des Finanzverwaltungsgesetzes habe
dem Grunde nach auch Oberfinanzdirektionen ohne
Bundesabteilung vorgesehen, die konkreten
Organisationsentscheidungen aber dem Verordnunggeber
überlassen.




39



2. Die Rechtsverordnung werde von § 8
Abs. 3 FVG als Ermächtigungsgrundlage gedeckt. Bereits der
Wortlaut der Norm umfasse auch die Übertragung aller
Bundesaufgaben einer Oberfinanzdirektion auf eine andere. Aus
der Verwendung des Wortes "einrichten" in § 8 Abs. 3
Satz 6 FVG könne nicht geschlossen werden, dass die Schaffung
reiner Bundes- oder Landesoberfinanzdirektionen auf den
Zeitpunkt ihrer Errichtung beschränkt sei und nicht Folge
späterer Organisationsentscheidungen sein könne. Vielmehr
nehme die Vorschrift auf § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 FVG
Bezug, also auf die Übertragung von Aufgaben einer bereits
eingerichteten Oberfinanzdirektion.




40



Der Umstand, dass eine vollständige
Übertragung der Bundesaufgaben auf eine andere
Oberfinanzdirektion Folgemaßnahmen notwendig mache, spreche
nicht gegen die rechtliche Zulässigkeit einer solchen
Aufgabenübertragung. Die Anpassung der beamtenrechtlichen
Stellung des Präsidenten sei eine zwangsläufige Folge der
rechtlich zugelassenen Umorganisation, die vom Gesetzgeber,
wie § 9 Abs. 3 Satz 1 FVG belege, erkannt worden sei.
Dass für eine derartige Folgeregelung analog § 123 BRRG
die Mitwirkung des betroffenen Landes erforderlich sei,
ändere nichts an den materiellen Voraussetzungen für den
Erlass einer entsprechenden Rechtsverordnung. Vielmehr
bestehe für die betroffenen Länder die aus der Bundestreue
abzuleitende Verpflichtung, ihre für die Folgeregelung
erforderliche Mitwirkung nicht zu versagen. Auch der die
Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main betreffende
Errichtungserlass des Hessischen Ministers sei entsprechend
anzupassen.




41



Die Voraussetzungen des § 8 Abs. 3 FVG
für den Erlass der Rechtsverordnung seien erfüllt. Die
Formulierung in § 8 Abs. 3 FVG sei an die in Art. 108
Abs. 4 Satz 1 GG verwendeten unbestimmten Rechtsbegriffe
"erhebliche Verbesserung oder Erleichterung des Vollzugs der
Steuergesetze" angelehnt. Hierdurch eröffne sich dem
Verordnunggeber ein weiter Beurteilungsspielraum.




42



Die Straffung der Bundesabteilungen der
Oberfinanzdirektionen werde den Vollzug der Aufgaben der
Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen sowie der
Bundesvermögensabteilungen verbessern und erleichtern. Nur
durch die Zusammenlegung bleibe auf der Ebene der
Mittelbehörden die erforderliche Spezialisierung erhalten.
Die Zusammenlegung verspreche eine qualitative und
quantitative Leistungssteigerung, indem sie durch die
Konzentration gleich gelagerter Vorgänge und den optimierten
Einsatz von Informationstechnik Kapazitäten freisetze, die
zur verbesserten Wahrnehmung der ständig komplizierter
werdenden Arbeitsvorgänge verwendet werden könnten. Auch sei
bisher ein erheblicher Anteil des Stellenbestandes in den
Bereichen Organisation, Personal und Haushalt eingesetzt
worden und habe deshalb für die Erledigung der Fachaufgaben
nicht zur Verfügung gestanden. Die Straffung werde hier zu
einer besseren Ausnutzung der personellen und sachlichen
Ressourcen führen.




43



Auch aus § 7 Satz 1 FVG folge nicht, dass
das betroffene Land seine Zustimmung zu der
Organisationsentscheidung geben müsse, denn das in dieser
Bestimmung normierte Einvernehmenserfordernis bestehe
ausschließlich im Hinblick auf die örtliche Zuständigkeit für
die Wahrnehmung der Landesaufgaben der
Oberfinanzdirektion.




44



3. Die Rechtsverordnung verstoße auch nicht
gegen Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG. Der Aufbau der in dieser
Vorschrift angesprochenen Landesfinanzbehörden sei durch
Bundesgesetz mit Zustimmung des Bundesrates, nämlich durch
das Finanzverwaltungsgesetz, geregelt worden.




45



Dieses Gesetz ermögliche einen atypischen
Aufbau der Finanzverwaltung mit Mittelbehörden, die sowohl
Bundes- als auch Landesbehörden seien. Das Gesetz gebiete
diesen Aufbau aber nicht, und auch aus dem Grundgesetz sei
keine Pflicht zur Beibehaltung der Oberfinanzdirektionen in
ihrer überkommenen Form als "Zwitterbehörden"
herzuleiten.




46



Unzutreffend sei die Behauptung der
Antragstellerin, dass ein Oberfinanzpräsident durch den
Zuwachs von Bundesaufgaben "für mehrere Länder" zuständig
geworden sei. Vielmehr seien beispielsweise dem Präsidenten
der Oberfinanzdirektion Koblenz lediglich Bundesabteilungen
unterstellt, deren örtliche Zuständigkeit über den Bereich
der Landesgrenzen von Rheinland-Pfalz hinausreiche, während
die Kompetenz zur Wahrnehmung von Landesaufgaben an den
Landesgrenzen ende. Es sei weder verfassungsrechtlich noch
einfachgesetzlich vorgegeben, dass der örtliche Wirkungskreis
einer Oberfinanzdirektion hinsichtlich der von ihr
wahrzunehmenden Landes- und Bundesaufgaben deckungsgleich
sein müsse.




47



4. Die Pflicht zur Bundestreue sei nicht
verletzt. Die Inanspruchnahme der Verordnungskompetenz sei
weder missbräuchlich, noch habe der Bund gegen prozedurale
Anforderungen des Grundgesetzes verstoßen.




IV.




48



Der Senat hat mit Beschluss vom 8. November
1999 den Antrag, im Wege einer einstweiligen Anordnung den
Vollzug der zur verfassungsrechtlichen Prüfung gestellten
Rechtsverordnung bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache
auszusetzen, abgelehnt.




V.




49



Die Antragstellerin hat auf eine mündliche
Verhandlung verzichtet.




B.




50



Der Antrag ist zulässig.




51



Die zu prüfende Verordnung ist "Bundesrecht"
im Sinne von Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbindung mit
§ 76 Abs. 1 Nr. 1 BVerfGG. Zum Bundesrecht gehören nicht
nur Gesetze, sondern auch Rechtsverordnungen des Bundes
(BVerfGE 101, 1 ; stRspr). Die Landesregierung von
Hessen, die die Rechtsverordnung für nichtig hält, ist gemäß
Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG in Verbindung mit § 76 Abs. 1
Nr. 1 BVerfGG antragsberechtigt und befugt.




C.




52



Die angegriffene Rechtsverordnung ist förmlich
und sachlich mit dem Grundgesetz vereinbar (Art. 93 Abs. 1
Nr. 2 GG).




I.




53



Das Bundesverfassungsgericht hat im Verfahren
der abstrakten Normenkontrolle von Bundesrecht dessen
förmliche und sachliche Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz zu
prüfen. Bei der verfassungsrechtlichen Kontrolle von
Rechtsverordnungen ist auch zu prüfen, ob die gesetzliche
Ermächtigung (hier: § 8 Abs. 3 FVG) ihrerseits gültig
ist und ob der Inhalt der Rechtsverordnung in der in Anspruch
genommenen gesetzlichen Ermächtigung eine Grundlage findet
und von ihr gedeckt wird (BVerfGE 101, 1 ; stRspr);
Art. 80 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit Satz 2 GG geht von
der - auch - verfassungsrechtlichen Erheblichkeit dieser
Fragen aus.




II.




54



Die Rechtsverordnung stimmt mit der
gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage des § 8 Abs. 3 FVG
überein.




55



1. Das Bundesministerium der Finanzen ist
gemäß § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 FVG zur Übertragung von
Bundesaufgaben durch Rechtsverordnung ermächtigt. Mit der
hier angegriffenen Rechtsverordnung werden die Aufgaben der
Zoll- und Verbrauchsteuerabteilungen sowie der
Bundesvermögensabteilungen übertragen. Betroffen sind damit
allein Gegenstände der Bundesfinanzverwaltung.




56



Das gemäß § 8 Abs. 3 Satz 2 FVG
zuständige Bundesministerium der Finanzen hat sich vor Erlass
der Verordnung mit den für die Finanzverwaltung zuständigen
obersten Landesbehörden ins Benehmen gesetzt, wie dies gemäß
§ 8 Abs. 3 Satz 5 FVG erforderlich ist. Dagegen bedurfte
die Rechtsverordnung nicht der Zustimmung des Bundesrates.
Dies ist in § 8 Abs. 3 Satz 4 FVG ausdrücklich
normiert.




57



Die mit der Rechtsverordnung angeordnete
Übertragung der Bundesaufgaben einer Oberfinanzdirektion auf
eine andere bedurfte nicht gemäß § 7 Satz 1 FVG der
Zustimmung der hiervon betroffenen Länder oder der für die
Finanzverwaltung zuständigen obersten Landesbehörden. Nach
§ 7 Satz 1 FVG bestimmt das Bundesministerium der
Finanzen im Einvernehmen mit der für die Finanzverwaltung
zuständigen obersten Landesbehörde den Bezirk der
Oberfinanzdirektion und ihren Sitz. Mit der angegriffenen
Rechtsverordnung wird indes keine Regelung über den Bezirk
oder Sitz einer Oberfinanzdirektion getroffen. Vielmehr
werden lediglich die Bundesaufgaben übertragen. Zwar führt
dies auch zu einer Änderung in der örtlichen Zuständigkeit
der Bundesabteilungen der aufnehmenden Oberfinanzdirektion,
so dass sich hier ein gewisser Überschneidungsbereich der
Wirkungen einer Bezirksfestsetzung und einer
Aufgabenübertragung zeigt. Das gilt allerdings, was die
Antragstellerin unberücksichtigt lässt, für jede
Aufgabenübertragung und kann nicht zur "zusätzlichen"
Anwendung des § 7 Satz 1 FVG in den Fällen der
Aufgabenübertragung führen. Ein anderes Verständnis der Norm
ließe sich mit § 8 Abs. 3 Satz 4 FVG nicht vereinbaren,
wonach eine Rechtsverordnung, durch die Bundesaufgaben einer
Oberfinanzdirektion auf eine andere übertragen werden, nicht
der Zustimmung des Bundesrates bedarf. Es liefe dieser
Bestimmung, die den Handlungsspielraum des Verordnunggebers
vergrößern soll, entgegen, wenn für diese
Organisationsentscheidung zwar nicht die Zustimmung des
Bundesrates einzuholen wäre, jedoch die des betroffenen
Landes.




58



2. Die Rechtsverordnung entspricht auch
inhaltlich den Anforderungen der Ermächtigungsgrundlage.




59



a) § 8 Abs. 3 Satz 1 FVG ermöglicht
organisatorische Umgestaltungen, insbesondere die erweiternde
Organisation der räumlichen und sachlichen Zuständigkeiten
einer Oberfinanzdirektion. Diese bezieht sich sowohl auf die
Bundes- als auch auf die Landesabteilungen:




60



Die Möglichkeit der Übertragung von Aufgaben
nach § 8 Abs. 3 FVG i.d.F. des Finanzanpassungsgesetzes
vom 30. August 1971 (BGBl I S. 1426) war in der
vorhergehenden Gesetzesfassung noch nicht vorgesehen. In der
Begründung des Regierungsentwurfs heißt es zur Neufassung
(BTDrucks VI/1771, S. 20):




61



... Neu ist die Bestimmung des Absatzes 3, mit
der die Grundlage geschaffen wird, zur rationellen
Ausgestaltung der Verwaltung Aufgaben der Oberfinanzdirektion
für einen ganzen Bezirk oder einen Teil davon durch
Rechtsverordnung auf andere Oberfinanzdirektionen zu
übertragen. Damit soll die Möglichkeit eröffnet werden, im
Zuge der weiteren Entwicklung großräumiger zu organisieren
als bisher. Sie besteht für die Bundes- und für die
Landesseite einer Oberfinanzdirektion in gleicher Weise.




62



Nach der Vorschrift können einer
Oberfinanzdirektion z.B. die gesamten Aufgaben einer
Abteilung aus dem Bezirk einer anderen Oberfinanzdirektion
übertragen werden. Die Übertragung kann sich auf den gesamten
Bezirk der abgebenden Oberfinanzdirektion oder auf einen Teil
davon beziehen. Es können auch lediglich bestimmte Aufgaben
aus einer Abteilung übertragen werden, wie es andererseits
möglich ist, die Regelung zugleich für mehrere Abteilungen zu
treffen. ....




63



Von der Übertragung von Zuständigkeiten auf
andere Oberfinanzdirektionen zu trennen ist die Frage nach
dem Sitz der einzelnen Abteilungen. Dieser wird bei
Bundesabteilungen durch Organisationserlass des
Bundesministeriums der Finanzen bestimmt, bei
Landesabteilungen durch Erlass der zuständigen obersten
Landesbehörde (vgl. Tönshoff/Seeber, Die Straffung der
Bundesabteilungen bei den Oberfinanzdirektionen, NJW 1998, S.
2509).




64



b) § 8 Abs. 3 Satz 1 FVG ermächtigt auch
zur Übertragung aller Bundesaufgaben von einer
Oberfinanzdirektion auf eine andere mit der Folge, dass die
abgebende Oberfinanzdirektion zu einer reinen Landesbehörde
wird. Das belegen Wortlaut, Systematik und
Entstehungsgeschichte der Norm:




65



Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 FVG "können
Aufgaben der Oberfinanzdirektion für den ganzen Bezirk oder
einen Teil davon auf andere Oberfinanzdirektionen übertragen
werden". Entgegen der Auffassung der Antragstellerin kann
diesem Wortlaut nicht entnommen werden, dass hiermit
lediglich die Ermächtigung zur Übertragung einzelner Bundes-
oder Landesaufgaben erteilt werde. Vielmehr behandelt die
Vorschrift ihrem Wortlaut nach allgemein die
Aufgabenübertragung, ohne sich zu deren Umfang zu verhalten.
Auch aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 2 FVG, der
bestimmt, dass das Bundesministerium der Finanzen die
Verordnung "für den Bereich von Bundesaufgaben" erlässt,
ergibt sich nichts anderes. Im Übrigen handelt es sich hier
um eine Zuständigkeitsnorm, die über den Umfang der
Ermächtigung nichts aussagt.




66



Zu keinem anderen Ergebnis führt § 8 Abs.
3 Satz 6 FVG, wonach Bundes- und Landesabteilungen nicht
"einzurichten" sind, "wenn deren Aufgaben nach den Sätzen 1
und 2 übertragen worden sind". Zwar erfasst der Wortlaut
unmittelbar nur den Zeitpunkt der "Einrichtung". Dass damit
aber die Schaffung reiner Bundes- oder
Landesoberfinanzdirektionen nicht auf den Zeitpunkt ihrer
erstmaligen Errichtung beschränkt werden soll, zeigt bereits
der Verweis auf die Aufgabenübertragung nach den Sätzen 1 und
2 der Norm, also auch auf die Fälle der Übertragung von
Aufgaben bereits bestehender Oberfinanzdirektionen.




67



Bestätigend wirkt schließlich der
systematische Zusammenhang des § 8 Abs. 3 FVG mit dem
ergänzend hinzutretenden § 9 Abs. 3 FVG, der die
Konsequenzen umfassender Aufgabenübertragung für die
Rechtsstellung des Oberfinanzpräsidenten bestimmt. Danach ist
der Oberfinanzpräsident entweder ausschließlich Landesbeamter
oder ausschließlich Bundesbeamter, soweit die
Oberfinanzdirektion ausschließlich Landesaufgaben oder
ausschließlich Bundesaufgaben wahrzunehmen hat.
Unmissverständlich heißt es zu § 9 Abs. 3 FVG in der
Begründung des Gesetzentwurfs der Neufassung 1971 (BTDrucks
VI/1771, S. 21):




68



"... Da die neue Bestimmung des § 8 Abs. 3
dazu führen kann, dass bei einer Oberfinanzdirektion keine
Bundesaufgaben oder keine Landesaufgaben mehr wahrzunehmen sind, musste im Absatz 3 des
§ 9 vorgesehen werden, dass in diesem Fall der
Oberfinanzpräsident entweder ausschließlich Landesbeamter
oder ausschließlich Bundesbeamter ist. ..." (Hervorhebung nur
hier).




69



Der Gesetzgeber hatte demnach - wie die
Formulierung "mehr" belegt - entgegen der Auffassung der
Antragstellerin die Möglichkeit im Blick, dass alle Bundes-
oder Landesaufgaben einer bereits bestehenden
Oberfinanzdirektion übertragen werden. Nach dem Konzept der
Neufassung des § 8 FVG von 1971 war die gemeinsame
Oberfinanzdirektion als Mittelbehörde der Bundes- und der
Landesfinanzverwaltung nicht mehr die einzige, sondern nur
noch eine mögliche Gestaltung, neben der nun auch die
entweder ausschließlich mit Bundes- oder mit Landesaufgaben
betraute, nur dem Bund oder nur dem Land zugeordnete
Oberfinanzdirektion geschaffen werden konnte.




70



c) § 8 Abs. 3 Satz 1 FVG setzt voraus,
dass durch die Aufgabenübertragung "der Vollzug der Aufgaben
verbessert oder erleichtert wird". Es handelt sich dabei um
unbestimmte Gesetzesbegriffe, die vom Verordnunggeber
Entscheidungen mit prognostischen Elementen fordern. Der
Verordnunggeber muss einschätzen, wie auf Grund sich
wandelnder Rahmenbedingungen - insbesondere im Zusammenhang
mit dem Rückgang von Aufgaben der Bundesvermögensverwaltung
sowie mit den Veränderungen im Zuge der europäischen Einigung
- die künftige Aufgabenstellung sich entwickeln wird und
welches und wie viel Personal an den jeweiligen Standorten
zur Aufgabenerfüllung erforderlich sein wird.




71



Der Beurteilung von Prognoseentscheidungen des
Gesetzgebers legt das Bundesverfassungsgericht je nach
Zusammenhang differenzierte Maßstäbe zu Grunde, die von einer
Evidenz- über eine Vertretbarkeitskontrolle bis hin zu einer
intensivierten inhaltlichen Kontrolle reichen. Im Einzelnen
maßgebend sind Faktoren wie die Eigenart des in Rede
stehenden Sachbereichs, die Möglichkeiten, sich ein
hinreichend sicheres Urteil zu bilden, und die Bedeutung der
betroffenen Rechtsgüter (vgl. BVerfGE 50, 290
; 83, 130 ).




72



Entsprechendes gilt für die
verfassungsgerichtliche Überprüfung von
Prognoseentscheidungen des Verordnunggebers, wenn die
Prognoseentscheidung durch den ermächtigenden
parlamentarischen Gesetzgeber auf den Verordnunggeber
übertragen wurde (vgl. Schenke, in: Bonner Kommentar, Art. 19
Abs. 4 Rn. 378; so auch im grundrechtlichen Zusammenhang
BVerfGE 53, 135 ; zust. Jarass, in:
Jarass/Pieroth, GG, 6. Aufl., 2002, Art. 20 Rn. 87;
Schulze-Fielitz, in: H. Dreier , GG, 1998, Art.
20 Rn. 178).




73



Bei der Beurteilung der Frage, ob durch die
angegriffene Rechtsverordnung der Vollzug der Aufgaben
verbessert oder erleichtert wird, ist zu berücksichtigen,
dass es sich um eine Organisationsentscheidung auf dem Gebiet
der Bundesexekutive handelt. Grundrechte einzelner Bürger
werden hierdurch nicht unmittelbar betroffen. Vielmehr geht
es bei der Entscheidung des Bundesministeriums der Finanzen
allein um das bessere Funktionieren der ihm unterstellten
Bundesfinanzverwaltung. Hier ist dem Verordnunggeber ein
weiter Prognosespielraum einzuräumen. Die Prognose, dass
durch die Aufgabenübertragung der Vollzug der Aufgaben
verbessert oder erleichtert wird, unterliegt daher lediglich
einer Evidenzkontrolle.




74



Danach ist die Entscheidung des
Verordnunggebers nicht zu beanstanden. Die Bundesregierung
hat dargelegt, dass größere Abteilungen die Möglichkeiten für
ein höheres Maß an Spezialisierung bieten und Synergieeffekte
freisetzen. Zudem soll durch die Straffung eine
Kostenersparnis erzielt werden. Auch hierin kann eine
Verbesserung der Aufgabenerfüllung gesehen werden. Wie sich
aus der Gesetzesbegründung ergibt, "sollte die Möglichkeit
geschaffen werden, Aufgaben von einer Oberfinanzdirektion auf
eine andere Oberfinanzdirektion unabhängig von bestehenden
Oberfinanzbezirken nach den Gesichtspunkten einer modernen
und rationellen Verwaltung zu übertragen" (BTDrucks VI/1771,
S. 13 f.). Ein solches Bedürfnis ist von allen Ländern,
die Bundesabteilungen abgeben mussten, mit Ausnahme der
Antragstellerin anerkannt worden.




75



Dieses Ergebnis wird nicht dadurch in Frage
gestellt, dass die Zoll- und Verbrauchsteuerabteilung ihren
Sitz nicht in Koblenz, sondern in Neustadt an der Weinstraße
hat. Zu Recht weist das Bundesministerium der Finanzen in
seiner Stellungnahme darauf hin, dass verkehrstechnische
Gesichtspunkte allein nicht ausschlaggebend für die Frage des
Behördensitzes sein dürfen, sondern dass die Bundesverwaltung
in der Wahl eines Behördenstandortes in dem nach sachlichen
Gesichtspunkten geschaffenen neuen Bezirk grundsätzlich frei
ist. So ist auch das von der Zoll- und
Verbrauchsteuerabteilung der nunmehr zuständigen
Oberfinanzdirektion Koblenz mit Sitz in Neustadt an der
Weinstraße am weitesten entfernte und der direkten
Fachaufsicht unterliegende Hauptzollamt Fulda von Neustadt
nicht weiter entfernt als die Hauptzollämter Saarlouis und
Trier von der früher zuständigen Oberfinanzdirektion
Frankfurt am Main.




III.




76



Die Ermächtigungsgrundlage, § 8 Abs. 3
FVG, sowie die angegriffene Rechtsverordnung selbst sind
verfassungsmäßig.




77



1. Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes zum
Erlass des Finanzverwaltungsgesetzes ergibt sich aus Art. 108
Abs. 1 Satz 2 GG, soweit es den Aufbau der
Bundesfinanzbehörden regelt, sowie aus Art. 108 Abs. 2 Satz 2
GG, soweit Regelungen den Aufbau der Länderfinanzbehörden
betreffen. Hinzu kommt Art. 108 Abs. 4 Satz 1 GG als
spezielle verfassungsrechtliche Ermächtigung an den
Bundesgesetzgeber, "ein Zusammenwirken von Bundes- und
Landesfinanzbehörden" bei der Verwaltung von Steuern
vorzusehen. Abgesehen vom Gegenstandsbereich der
Bundesvermögensverwaltung - die nicht Steuerverwaltung im
Sinne des Art. 108 GG und deshalb kompetenzrechtlich den Art.
86, 87 GG zuzuordnen ist - bewegt sich die
Verordnungsermächtigung des § 8 Abs. 3 FVG zur
Übertragung von Aufgaben einer Oberfinanzdirektion auf eine
andere im Kompetenzbereich der Absätze 1 und 2 des Art. 108
GG; sie regelt nämlich den Aufbau von Bundes- und
Landesfinanzbehörden. Soweit danach Elemente einer
Mischverwaltung nicht erfasst sein sollten, bietet Art. 108
Abs. 4 Satz 1 GG eine hinreichende Grundlage.




78



Die Gesetzgebungskompetenz schließt
grundsätzlich - soweit nicht besondere Parlamentsvorbehalte
entgegenstehen - in den Grenzen des Art. 80 Abs. 1 GG die
partielle Übertragung der Normsetzungsbefugnis auf den
Verordnunggeber ein (vgl. BVerfGE 101, 1 ).




79



2. Die Verordnungsermächtigung in § 8
Abs. 3 FVG genügt den Anforderungen von Art. 80 Abs. 1 Satz 2
GG. Inhalt, Zweck und Ausmaß sind hinreichend bestimmt.




80



Inhalt und Ausmaß der Verordnungsermächtigung
sind nach dem Wortlaut des § 8 Abs. 3 Satz 1 FVG
hinreichend erkennbar umrissen. Danach können durch
Rechtsverordnung "Aufgaben der Oberfinanzdirektion für den
ganzen Bezirk oder einen Teil davon auf andere
Oberfinanzdirektionen übertragen werden". Die Regelung
ermöglicht damit eine Verschiebung der örtlichen
Zuständigkeit. Übertragungen aus dem Bereich einer
Landesabteilung auf eine Bundesabteilung oder umgekehrt sind
nicht möglich (vgl. Schmieszek, in: Hübschmann/Hepp/Spitaler,
AO/FGO , § 8 FVG Rn. 18).




81



Der Verordnungszweck ist mit "Verbesserung"
oder "Erleichterung" des Vollzugs der Aufgaben hinreichend
bestimmt. Zwar handelt es sich hierbei um unbestimmte
Gesetzesbegriffe. Das Erfordernis der Bestimmtheit
gesetzlicher Ermächtigungen verwehrt es dem Gesetzgeber
jedoch nicht, in der Ermächtigungsnorm Generalklauseln und
unbestimmte Rechtsbegriffe zu verwenden (vgl. BVerfGE 48, 210
). Vielmehr genügt es im Hinblick auf Art. 80 Abs.
1 Satz 2 GG, dass sich die gesetzlichen Vorgaben mit Hilfe
allgemeiner Auslegungsregeln erschließen lassen, insbesondere
aus dem Zweck, dem Sinnzusammenhang und der Vorgeschichte des
Gesetzes (stRspr; vgl. BVerfGE 8, 274 ; 80, 1
). Gerade im Bereich der
Behördenorganisation kommt der Gesetzgeber ohne unbestimmte
Rechtsbegriffe nicht aus, wenn er den Verordnunggeber in die
Lage versetzen will, die Verwaltung den sich wandelnden
Anforderungen anzupassen.




82



3. Dem Abzug aller Bundesaufgaben von einer
Oberfinanzdirektion steht eine verfassungsrechtliche Garantie
des Aufgabenbestandes nicht entgegen.




83



Art. 108 Abs. 1 bis 5 und Abs. 7 GG regelt die
verfassungsrechtliche Verteilung der Steuerverwaltungshoheit
auf Bund und Länder in Ergänzung des VIII. Abschnitts des
Grundgesetzes als lex specialis gegenüber den Art.
83 ff. GG. Neben der allgemeinen Unterscheidung zwischen
Bundesverwaltung gemäß Abs. 1, Landeseigenverwaltung gemäß
Abs. 2 und Bundesauftragsverwaltung gemäß Abs. 3 begründet
Art. 108 GG auch Elemente einer besonderen "Mischverwaltung",
nämlich bei der Bestellung von Leitern der Mittelbehörden des
Bundes "im Benehmen" mit den Landesregierungen gemäß Abs. 1
Satz 3 und bei der Bestellung von Leitern der Mittelbehörden
eines Landes "im Einvernehmen" mit der Bundesregierung gemäß
Abs. 2 Satz 3, schließlich aber auch gemäß Abs. 4 durch die
ausdrückliche Regelungsermächtigung zu einem "Zusammenwirken"
von Bundes- und Landesbehörden sowie zu einer von den
Absätzen 1 und 2 abweichenden Übertragung von Aufgaben im
Verhältnis zwischen Bundes- und Landesfinanzbehörden.




84



Die einfachgesetzliche Ausformung der engen
personellen und organisatorischen Verflechtung von Bundes-
und Länderfinanzverwaltungen zum einen in Gestalt des
"janusköpfigen" Oberfinanzpräsidenten, der gemäß § 9
Abs. 1 und 2 FVG sowohl Bundesbeamter als auch Landesbeamter
ist, und zum anderen durch die Funktion der
Oberfinanzdirektion als gemeinsame Mittelbehörde der Bundes-
und Landesfinanzverwaltung ist nach dem Wortlaut der Absätze
1 und 2 des Art. 108 GG nicht ohne weiteres zu erwarten. Die
Rechtslage insgesamt reflektiert in mancher Hinsicht nach wie
vor einen Kompromiss der unmittelbaren Nachkriegszeit
zwischen der Einforderung föderaler Strukturen der
grundgesetzlichen Finanzverfassung durch die Alliierten und
dem Wunsch der Mehrheit des Parlamentarischen Rats und der
anschließend das Finanzverwaltungsgesetz (1950)
vorbereitenden Ausschüsse nach einer effektiven, zentral
gesteuerten Verwaltung der bundeseinheitlichen Steuergesetze
(vgl. etwa Vogel/Waldhoff, in: Bonner Kommentar ,
Vorbem. z. Art. 104a-115 Rn. 192 ff.).




85



Zwar hat das Bundesverfassungsgericht 1970 die
personellen und organisatorischen Besonderheiten der
Oberfinanzdirektionen und ihrer Präsidenten grundsätzlich
verfassungsrechtlich gebilligt (vgl. BVerfGE 32, 145
): Das Grundgesetz habe "Verhältnisse geschaffen
oder doch vorgezeichnet, denen gegenüber die sonst geltenden
Grundsätze der Unterscheidung von Bundes- und
Landesverwaltung nicht ohne weiteres anwendbar erscheinen".
Dagegen wurden und werden in der Literatur gegen die
janusköpfige Figur des Oberfinanzpräsidenten und gegen die
Verkopplung der Mittelbehörden der Bundes- und
Landesfinanzverwaltung Bedenken unterschiedlicher Art
vorgebracht, obwohl sich diese Verkopplung inzwischen, nach
der 1969 erfolgten Änderung des Art. 108 GG, jedenfalls als
eine extreme Form des "Zusammenwirkens" von Bundes- und
Landesfinanzbehörden im Sinne des Art. 108 Abs. 4 Satz 1
begreifen lässt (vgl. näher Stern, Staatsrecht Bd. II, 1980,
S. 1182; Maunz, in: Maunz/Dürig/Herzog, GG , Art.
108 Rn. 11; Wendt in: Isensee/Kirchhof , HStR
IV, 1999, § 104 Rn. 101; Fischer-Menshausen, in: v.
Münch/Kunig, GG, 3. Aufl., 1996, Art. 108 Rn. 12; Siekmann,
in: Sachs, GG, 2. Aufl., 1999, Art. 108 Rn. 28; Seer, in:
Bonner Kommentar , Art. 108 Rn. 72; Oeter,
ThürVBl 1997, 1 ; Weyhausen, Steuerverwaltung und
bundesstaatliche Verfassungsordnung, 1982, S. 27 f.).
Die §§ 8 Abs. 1 und 2, 9 Abs. 2 FVG können danach als
einfachgesetzliche Ausprägungen der in Art. 108 Abs. 4 Satz 1
GG verankerten Kooperationsermächtigung angesehen werden,
wonach ein "Zusammenwirken von Bundes- und
Landesfinanzbehörden vorgesehen werden kann, wenn und soweit
dadurch der Vollzug der Steuergesetze erheblich verbessert
oder erleichtert" wird. Die Oberfinanzdirektion soll nämlich
auf Grund ihrer Doppelfunktion der Einheitlichkeit des
Gesetzesvollzugs und damit einer gleichmäßigen Besteuerung
dienen und zugleich die Verwaltungseffizienz fördern.




86



Nimmt man die unterschiedlichen
Regelungselemente des Art. 108 GG mit ihren die
bundesstaatliche Finanzverwaltung prägenden Trennungs- wie
auch Verbindungstendenzen gemeinsam in den Blick, so kann
zwar von einer weitgehenden Kooperationsermächtigung
gesprochen werden, die eine hinreichende Grundlage für die
Wahrnehmung von Bundes- und Landesaufgaben durch die
Oberfinanzdirektionen bietet. Eine verfassungsrechtliche
Verpflichtung, diese besondere Form der Kooperation zu
schaffen oder – generell – beizubehalten, ist jedoch nicht
erkennbar.




87



4. Die angegriffene Rechtsverordnung verstößt
nicht gegen einen Vorbehalt des Parlamentsgesetzes.




88



a) Art. 108 Abs. 1, Abs. 2 und Abs. 4 GG
normieren organisatorische Gesetzesvorbehalte, jedoch keine
Parlamentsvorbehalte im Sinne genereller
Delegationsverbote.




89



Art. 108 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2 und Abs.
4 Satz 1 GG begründen nicht nur Gesetzgebungskompetenzen des
Bundes im Verhältnis zu den Ländern, sondern enthalten
zugleich spezielle organisatorische Gesetzesvorbehalte im
Verhältnis des Parlaments zur Regierung. So beschränkt Art.
108 Abs. 1 Satz 2 GG die allgemeine Organisationsgewalt der
Bundesregierung gemäß Art. 86 Satz 2 GG. Dagegen bestimmt
Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG für den Bereich des Aufbaus der
Länderfinanzbehörden einen auch spezifisch bundesstaatlich
geprägten Gesetzesvorbehalt, wie er auch außerhalb der
Finanzverwaltung nach den allgemeinen Regeln der Art. 84 Abs.
1 und Art. 85 Abs. 1 GG gilt: Die Einrichtung von Behörden
der Länder durch den Bund setzt in allen Fällen ein
Bundesgesetz voraus, das der Zustimmung des Bundesrates
bedarf. Eine solche spezifisch bundesstaatliche Funktion
prägt auch den organisatorischen Gesetzesvorbehalt für
Regelungen zum Zusammenwirken von Bundes- und
Landesfinanzbehörden gemäß Art. 108 Abs. 4 Satz 1 GG, der
ebenfalls ein zustimmungsbedürftiges Bundesgesetz
verlangt.




90



Keine dieser verfassungsgesetzlichen
Bestimmungen begründet einen Parlamentsvorbehalt im Sinne
eines generellen oder grundsätzlichen Verbots der
Rechtsetzungsdelegation auf der Grundlage des Art. 80 Abs. 1
GG. Solche Delegationsverbote können sich aus verschiedenen
Normen des Grundgesetzes - wie etwa aus Art. 110 Abs. 2 Satz
1 GG für das Haushaltsgesetz – ergeben. Die hier maßgeblichen
speziellen organisatorischen Gesetzesvorbehalte des Art. 108
GG liefern jedoch – wie auch die Vorbehalte der Art. 84 und
85 GG - keine Anhaltspunkte für eine entsprechende Auslegung.
Tatsächlich sind bislang auch keine derartigen
verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Ermächtigungsnorm
des § 8 Abs. 3 FVG geltend gemacht worden, und auch die
Antragstellerin im Normenkontrollverfahren behauptet keine
generellen Delegationsverbote. Ein solches Verbot soll
speziell nur für den Fall einer Ermächtigung – auch – zum
Abzug aller Bundesaufgaben von einer Oberfinanzdirektion
gelten.




91



b) Auch für ein Delegationsverbot speziell
hinsichtlich der hier angegriffenen umfassenden
Aufgabenübertragung liefern die organisatorischen
Gesetzesvorbehalte des Art. 108 Abs. 1, 2 und 4 GG keine
hinreichenden Anhaltspunkte - weder einzeln für sich
genommen, noch in der Zusammenschau als Grundlage einer über
Jahrzehnte bestehenden Organisationsstruktur der
Finanzverwaltung.




92



aa) Der allein den Aufbau der
Bundesfinanzbehörden betreffende Art. 108 Abs. 1 Satz 1 GG
scheidet für die Ableitung eines spezifischen
Parlamentsvorbehalts im hier fraglichen Sinn von vornherein
aus. Soweit nur die Zuständigkeiten von Bundesbehörden durch
Aufgabenübertragungen verändert werden, sind keinerlei Gründe
erkennbar, derartige Regelungen dem parlamentarischen
Gesetzgeber vorzubehalten. Der in erster Linie durch den
Gesetzesvorbehalt bezweckte Schutz von Adressaten der
Eingriffsverwaltung wird durch rechtssatzförmige
Zuständigkeitsregeln in Gestalt von Rechtsverordnungen nicht
gemindert.




93



Auch soweit die Antragstellerin eine
Verletzung ihres "Mitwirkungsrechts" gemäß Art. 108 Abs. 1
Satz 3 GG bei der Bestellung des Leiters der Mittelbehörde
als Folge der Aufgabenübertragung durch eine Rechtsverordnung
geltend macht, ist dem nicht zu folgen. Zwar ist richtig,
dass im konkreten Streitfall der Präsident der
Oberfinanzdirektion Koblenz, der nun Bundesaufgaben auch auf
dem Gebiet Hessens wahrzunehmen hat und vor der
Aufgabenübertragung bestellt worden ist, naturgemäß nicht im
Benehmen mit der Antragstellerin bestellt wurde. Da jedoch
auch die Aufgabenübertragung gemäß § 8 Abs. 3 FVG nur in
gegenseitigem Benehmen stattzufinden hat, ist eine
rechtserhebliche Schwächung von Mitwirkungsrechten, die sich
hier auf Anhörungsrechte beschränken, nicht
festzustellen.




94



bb) Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG führt zu keinem
abweichenden Ergebnis.




95



Die Antragstellerin sieht im vollständigen
Abzug von Bundesaufgaben von einer Oberfinanzdirektion - wie
in jeder bundesgesetzlichen Regelung zum Aufbau von
Landesfinanzbehörden gemäß Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG - einen
gravierenden Eingriff in die Länderautonomie. Deshalb sei
nach der Systematik des Grundgesetzes zwingend ein
zustimmungsbedürftiges Gesetz oder wenigstens die Zustimmung
des Bundesrates erforderlich.




96



Auf Art. 108 Abs. 2 Satz 2 GG lässt sich eine
solche Argumentation nicht stützen. Es handelt sich um eine
Parallelvorschrift zu Art. 84 Abs. 1 und 85 Abs. 1 GG,
weshalb auch hier grundsätzliche Beschränkungen der
Möglichkeiten, die Art. 80 Abs. 1 GG dem Bundesgesetzgeber
einräumt, nicht in Betracht kommen. Dass speziell für die
faktische Auflösung der Bundesabteilungen einer
Oberfinanzdirektion anderes gelten sollte, ist insbesondere
dann nicht erkennbar, wenn man sich das Grundkonzept des
Finanzverwaltungsgesetzes zur Organisation der
Oberfinanzdirektionen vor Augen hält:




97



Nicht nur in der Praxis (vgl. Bonsels,
Einwirkungs- und Mitwirkungsrechte des Bundes bei der
Verwaltung der Steuern durch die Länder, 1995, S.
81 f.), auch nach der in Art. 108 Abs. 1 und Abs. 2 GG
verfassungsrechtlich angelegten einfachgesetzlichen
Konzeption gilt für die organisatorische, personelle und
finanzielle Ausstattung der Oberfinanzdirektion grundsätzlich
eine strenge, normativ bestimmte Trennung zwischen Bundes-
und Landesabteilungen, insbesondere gemäß § 8 Abs. 2 und
Abs. 8 sowie § 11 Abs. 1 und 3 FVG. Die eigentliche
Verklammerung der Wahrnehmung von Verwaltungszuständigkeiten
des Bundes und des Landes konzentriert sich (abgesehen von
einzelnen Aufgabenübertragungen i.S.d. Art. 108 Abs. 4 Satz 1
GG) gemäß § 9 FVG ganz auf die Person des Präsidenten
der Oberfinanzdirektion (vgl. auch § 11 Abs. 2 FVG zu
dessen je hälftiger Finanzierung). Im Übrigen kann man aber
nach dem gesetzlichen Konzept von zwei verschiedenen Behörden
unter einem Dach und unter gemeinsamer Leitung eines
doppelfunktionellen Präsidenten sprechen.




98



Nach diesem gesetzlichen "Trennungs-Konzept"
werden die jeweiligen Landesabteilungen einer
Oberfinanzdirektion durch Übertragung von Bundesaufgaben auf
eine andere Oberfinanzdirektion rechtlich nicht berührt. Dem
entspricht die sorgsame Differenzierung des § 8 Abs. 3
Satz 2 FVG, wonach für den Bereich der Bundesaufgaben das
Bundesministerium der Finanzen die Rechtsverordnung erlässt
und für den Bereich von Aufgaben eines Landes die
Landesregierung. Dieser Linie folgt auch § 8 Abs. 3 Satz
3 FVG, wonach die Rechtsverordnung des Bundes nicht der
Zustimmung des Bundesrates bedarf. Diese Regelung geht
entgegen der von der Antragstellerin geäußerten Vermutung
nicht offensichtlich davon aus, die Aufgabenübertragung
bewege sich ausschließlich im Kompetenzbereich des Bundes
gemäß Art. 108 Abs. 1 GG. Das einfachgesetzliche
"Trennungs-Konzept" des Finanzverwaltungsgesetzes liefert
vielmehr die sachliche Rechtfertigung dafür, dass der
Bundesgesetzgeber von der Möglichkeit "anderweitiger
bundesgesetzlicher Regelung" gemäß Art. 80 Abs. 2 GG Gebrauch
gemacht, also das Zustimmungsbedürfnis ausgeschlossen hat,
das anderenfalls wegen der Zustimmungsbedürftigkeit des
Finanzverwaltungsgesetzes insgesamt (vgl. allgemein BVerfGE
24, 194 ) gemäß Art. 80 Abs. 2 GG auch
für die Rechtsverordnung vorgesehen ist. Dieser gesetzliche
Ausschluss des Erfordernisses der Zustimmung des Bundesrates
zu einer Übertragung von Bundesaufgaben durch
Rechtsverordnung ist im Übrigen seinerseits als Bestandteil
des Finanzverwaltungsgesetzes von der Zustimmung des
Bundesrates getragen.




99



Letztlich ist es allein der "Rollenwechsel"
des Oberfinanzpräsidenten, der das Land im Fall einer
vollständigen Aufgabenübertragung unmittelbar rechtlich
berührt. Dass jedoch wegen der Notwendigkeit einer
Statusänderung eines einzelnen Beamten, die ihrerseits durch
beamtenrechtliche Bestimmungen geordnet ist (vgl. unten zu
d), die grundsätzliche Befugnis, Aufgaben von einer
Oberfinanzdirektion durch Rechtsverordnung abzuziehen, durch
einen Parlamentsvorbehalt ausgeschlossen sein sollte, ist
fernliegend.




100



Freilich ist nicht zu verkennen, dass durch
die zustimmungsfreie Rechtsverordnung eine bestimmte Form des
Zusammenwirkens zwischen Bund und Land einseitig beendet
werden kann. Indes gilt kein allgemeines
verfassungsrechtliches "actus-contrarius-Prinzip", wonach der
mit Zustimmung des Bundes vom Land errichteten "gemischten"
Oberfinanzdirektion nicht einseitig alle Bundesaufgaben
entzogen werden dürften. Zum einen ist der auf Zusammenwirken
von Bund und Land beruhende Errichtungsakt ohnehin nicht
identisch mit der allein dem Bund vorbehaltenen Zuweisung
oder Übertragung von Bundesaufgaben. Zum anderen ist die
Befugnis des Bundes zu einseitiger Übertragung von
Bundesaufgaben (nachdem man sich gegenseitig ins Benehmen
gesetzt hat) mit deren Folgen für die Stellung des
Oberfinanzpräsidenten gemäß §§ 8 Abs. 3, 9 Abs. 3 FVG
durch parlamentsgesetzliche Entscheidungen legitimiert.




101



Entsprechendes gilt, soweit die
Antragstellerin allgemein darauf abstellt, angesichts einer
fast 50 Jahre lang anerkannten Organisationsstruktur gehe es
um einen Paradigmenwechsel, so dass eine besondere
gesetzliche Absicherung erforderlich gewesen sei. Die
parlamentsgesetzliche Ermächtigung zu der angegriffenen
Rechtsverordnung mag in ihrer Tragweite nicht mehr bewusst
gewesen oder doch wenig bedacht worden sein. Gründe, daraus
auf deren verfassungsrechtliche Wirkungslosigkeit zu
schließen, sind jedoch nicht zu erkennen. Ebenso fehlen
Gründe für ein von der Antragstellerin behauptetes, jedoch
weder im Verfassungstext noch einfachgesetzlich vorgesehenes
Mindesterfordernis der Zustimmung des Bundesrates.




102



cc) Schließlich bietet die besondere
Ermächtigung zum Zusammenwirken von Finanzbehörden des Bundes
und der Länder gemäß Art. 108 Abs. 4 GG keinen Grund für
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der angegriffenen
Aufgabenübertragung. Die nach dieser Norm mögliche punktuelle
Durchbrechung der verfassungsrechtlichen Verteilung der
Verwaltungskompetenzen liegt ersichtlich nicht vor, und aus
der Möglichkeit, Tatbestände der Mischverwaltung gesetzlich
zu regeln, lässt sich ebenso wenig wie aus Art. 108 Abs. 1
und Abs. 2 GG ableiten, dass Regelungen wie die des § 8
Abs. 3 FVG in der hier maßgeblichen Auslegung unzulässig
seien. Die Neufassung des Art. 108 Abs. 4 GG im Jahr 1969
sollte mehr, nicht weniger Flexibilität als vorher
verfassungsrechtlich ermöglichen oder jedenfalls
absichern.




103



c) Dem Erlass der angegriffenen
Rechtsverordnung stand eine Pflicht zu bundesfreundlichem
Verhalten nicht entgegen.




104



Die Pflicht zu bundesfreundlichem Verhalten
verlangt nach gefestigter Rechtsprechung (zuletzt BVerfGE
104, 249 ; vgl. auch BVerfGE 81, 310
m.w.N.), dass sowohl der Bund als auch die Länder
bei der Wahrnehmung ihrer Kompetenzen die gebotene und ihnen
zumutbare Rücksicht auf das Gesamtinteresse des Bundesstaates
und auf die Belange der Länder nehmen. Der Bund verstößt
gegen diese Pflicht nicht schon dadurch, dass er von einer
ihm durch das Grundgesetz eingeräumten Kompetenz Gebrauch
macht; vielmehr muss deren Inanspruchnahme missbräuchlich
sein oder gegen prozedurale Anforderungen verstoßen, die aus
diesem Grundsatz herzuleiten sind. Welche Folgen aus dem
Grundsatz bundesfreundlichen Verhaltens konkret zu ziehen
sind, kann nur im Einzelfall beurteilt werden.




105



Hier hat sich das Bundesministerium der
Finanzen im Rahmen der ihm eingeräumten Kompetenzen gehalten.
Dass es die Beteiligungsrechte des Landes Hessen nicht
beachtet und nicht versucht hätte, sich mit der
Antragstellerin hinsichtlich der Verlegung von
Bundesabteilungen ins Benehmen zu setzen, wie es § 8
Abs. 3 Satz 5 FVG verlangt, ist nicht ersichtlich und auch
nicht geltend gemacht.




106



d) Der durch die gesetzliche
Verordnungsermächtigung eingeräumte Handlungsrahmen wird
entgegen dem Vorbringen der Antragstellerin auch nicht unter
beamtenrechtlichen Gesichtspunkten eingeschränkt.




107



In Abweichung von § 9 Abs. 2 Satz 1 FVG,
wonach der Oberfinanzpräsident sowohl Bundes- als auch
Landesbeamter ist, bestimmt § 9 Abs. 3 Satz 1 FVG, dass
der Präsident einer Oberfinanzdirektion, die keine
Bundesaufgaben wahrzunehmen hat, ausschließlich Landesbeamter
ist. Aus § 9 Abs. 3 Satz 5 FVG folgt, dass sich in
diesem Fall seine beamtenrechtliche Stellung - abweichend von
§ 9 Abs. 2 Satz 3 FVG - allein nach Landesrecht
richtet.




108



Sowohl die Antragstellerin als auch die
Bundesregierung gehen davon aus, § 9 Abs. 3 Satz 1 FVG
regele lediglich, dass der Oberfinanzpräsident ausschließlich
Landesbeamter zu sein hat, sich das Finanzverwaltungsgesetz
im Übrigen aber nicht dazu verhalte, wie dieses Ziel zu
erreichen sei. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen den
Erlass der angegriffenen Verordnung ergeben sich daraus
nicht. Weder gibt es hergebrachte Grundsätze des
Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG), denen die Veränderung
von Aufgaben und Status des Oberfinanzpräsidenten
widerspräche, noch ist ein verfassungsrechtlich
problematischer Mangel an gesetzlichen Grundlagen im Hinblick
auf die beamtenrechtlichen Rechtsfolgen der
Aufgabenübertragung erkennbar. Vielmehr kennt das
Beamtenrecht des Bundes und der Länder eine Reihe von
Vorschriften zur Bewältigung vergleichbarer
beamtenrechtlicher Statusveränderungen, wie beispielsweise
§§ 128 ff., § 123, §§ 17 Abs. 4, 18 Abs.
4 BRRG sowie neuerdings Art. 3 des Besoldungsstrukturgesetzes
vom 21. Juni 2002 (BGBl I S. 2138); deren (entsprechende)
Anwendung wäre verfassungsrechtlich unbedenklich.




 




Hassemer
Sommer
Jentsch


Broß
Osterloh
Di Fabio


Mellinghoff

Lübbe-Wolff







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