1 ZA (pat) 6/16  - 1. Senat (Nichtigkeit)
Karar Dilini Çevir:

BPatG 152
08.05


BUNDESPATENTGERICHT



1 ZA (pat) 6/16
zu 1 Ni 25/14 (EP)
KoF 133/15
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(Aktenzeichen)


B E S C H L U S S

In der Patentnichtigkeitssache



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betreffend das europäische Patent …
(DE …)
(hier: Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss)

hat der 1. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts am 4. April 2017
unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Präsidentin Schmidt, der Richterin
Grote-Bittner und des Richters Dipl.-Ing. Univ. Dipl.-Wirtsch.-Ing. (FH) Ausfelder

beschlossen:

I. Die Erinnerung der Klägerin gegen den
Kostenfestsetzungsbeschluss der Rechtspflegerin vom
30. August 2016 in der Fassung vom 14. September 2016
wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Erinnerungsverfahrens zu
tragen.

III. Der Gegenstandswert des Erinnerungsverfahrens wird auf
11.491,04 EUR festgesetzt.


G r ü n d e

I.

Die Parteien streiten über die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines im Nichtig-
keitsverfahren mitwirkenden Rechtsanwalts auf Seiten der Beklagten.
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Mit Schriftsatz vom 29. August 2013 hat die Klägerin Nichtigkeitsklage mit dem
Antrag erhoben, das europäische Patent … mit Wirkung für das Hoheits-
gebiet der Bundesrepublik Deutschland für nichtig zu erklären.

Neben dem Nichtigkeitsverfahren war zwischen den Parteien parallel ein Verlet-
zungsprozess vor dem Landgericht Düsseldorf, Az.: 4b O 124/13, und sodann vor
dem Oberlandesgericht Düsseldorf, Az.: I-2 U 76/14, anhängig. In dem Verlet-
zungsrechtsstreit ist die dortige Klägerin, d. h. die Beklagte des vorliegenden
Nichtigkeitsverfahrens, von der Rechtsanwaltskanzlei Wildanger vertreten worden.

In der mündlichen Verhandlung vom 27. Oktober 2015 vor dem 1. Senat des Bun-
despatentgerichts ist die Beklagte von Patentanwalt Göken unter Mitwirkung von
Rechtsanwalt B… – beide von der Kanzlei E… – vertreten wor-
den.

Mit nicht rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2015 hat der 1. Senat des Bun-
despatentgerichts das europäische Patent … mit Wirkung für das Hoheits-
gebiet der Bundesrepublik Deutschland teilweise für nichtig erklärt und von den
Kosten des Rechtsstreits der Klägerin 4/5 und der Beklagten 1/5 auferlegt. Der
Streitwert für das Verfahren vor dem Bundespatentgericht ist auf 1.250.000,-- EUR
festgesetzt worden.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 25. November 2015 Kostenfestsetzungsan-
trag gestellt und insgesamt Kosten in Höhe von 14.639,02 EUR für die Hinzuzie-
hung eines Rechtsanwalts geltend gemacht. Neben einer 1,3 Verfahrensgebühren
in Höhe von 7.101,90 EUR und 1,2 Termingebühren in Höhe von 6.555,60 EUR
sowie einer Auslagenpauschale von 20 EUR und einem Tage- und Abwesenheits-
geld von 70 EUR hat sie verauslagte Reisekosten für einen Flug, Park- und Taxi-
sowie Übernachtungskosten in Höhe von 703,71 EUR, 42,02 EUR, 14,95 EUR
und 103,84 EUR verlangt. Die Klägerin ist der Erstattungsfähigkeit der Doppelver-
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tretungskosten mit dem Argument entgegengetreten, dass die Rechtsanwälte des
Verletzungs- und Nichtigkeitsverfahrens nicht personenidentisch seien und eine
Koordinationsmöglichkeit beider Prozesse nicht bestanden habe, da der die Be-
klagte im Nichtigkeitsverfahren vertretende Rechtsanwalt auch nicht Zugang zu
allen Unterlagen des Verletzungsrechtsstreits gehabt habe.

Die Rechtspflegerin hat im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. August 2016 in
der geänderten Fassung vom 14. September 2016 die von der Beklagten geltend
gemachten Kosten für die Doppelvertretung als erstattungsfähig angesehen, diese
einschließlich der Reisekosten des Rechtsanwalts in Höhe von 14.363,79 EUR
zzgl. der Patentanwaltskosten von 14.439,07 EUR, insgesamt damit in Höhe von
28.802,86 EUR, berücksichtigt und die von der Klägerin an die Beklagten zu er-
stattenden Kosten ausgehend von zu berücksichtigenden außergerichtlichen
Kosten beider Parteien in Höhe von 56.297,86 EUR abzüglich von der Beklagten
der Klägerin zu erstattender Gerichtskosten in Höhe von 1.562,40 EUR auf
15.980,89 EUR nebst Zinsen festgesetzt. Zur Begründung hat die Rechtspflegerin
ausgeführt, dass die Doppelvertretungskosten wegen des parallel anhängigen
Verletzungsrechtsstreits nach der Rechtsprechung des BGH als notwendig i. S. d.
§ 91 ZPO anerkannt und damit antragsgemäß festzusetzen seien, auch wenn dem
mitwirkenden Rechtsanwalt auf Seiten der Beklagten infolge eines Geheimhal-
tungserfordernisses verwehrt gewesen sei, Einsicht in einige entscheidungserheb-
liche Unterlagen des Verletzungsrechtsstreits zu nehmen.

Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, der ihren Verfahrensbevollmächtigten
am 14./20. September 2016 zugestellt worden ist, richtet sich die Erinnerung der
Klägerin vom 28. September 2016, eingegangen per Telefax bei Gericht am sel-
ben Tag, soweit die Kosten des Rechtsanwalts B… festgesetzt worden sind. Sie
meint, dass die Doppelvertretungskosten nicht erstattungsfähig seien, da Rechts-
anwalt B… im Verletzungsprozess eben nicht mitgewirkt habe und er gar nicht
die notwendige Abstimmung zwischen den beiden Rechtsstreitigkeiten habe leis-
ten können, da er unstreitig keinen Zugang zu sämtlichen Unterlagen des Verlet-
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zungsprozesses hatte. Somit sei die vom BGH für die Bejahung der Erstattungs-
fähigkeit verlangte Voraussetzung nicht erfüllt.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 30. August 2016 in der
Fassung vom 14. September 2016 dahin abzuändern, dass die
von ihr an die Beklagte zu erstattenden Kosten auf 4.489,85 EUR
festgesetzt werden.

Die Beklagte beantragt,

die Erinnerung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie tritt der Auffassung der Klägerin entgegen und meint, dass nach Maßgabe ei-
ner typisierenden Betrachtungsweise gemäß der Rechtsprechung des BGH (Dop-
pelvertretung im Nichtigkeitsverfahren) die geltend gemachten Rechtsanwalts-
kosten erstattungsfähig seien.

Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen. Sie meint, dass für die
Erstattungsfähigkeit der Doppelvertretungskosten Personenidentität im Verlet-
zungs- und Nichtigkeitsrechtsstreits nicht vorauszusetzen sei und verweist hierbei
auf die Entscheidung des 5. Senats des Bundespatentgerichts vom 29. Juni 2016,
Az.: 5 ZA (pat) 14/16 zu 5 Ni 67/09.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Akteninhalt Bezug ge-
nommen.

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II.

Die Erinnerung der Klägerin gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss ist gemäß
§ 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 104 Abs. 3 ZPO, § 23 Abs. 2 RPflG zulässig, insbe-
sondere ist sie fristgerecht eingelegt.

Die Erinnerung ist aber unbegründet, da im angefochtenen Kostenfestsetzungs-
beschluss zu Recht Kosten des auf Seiten der Beklagten hinzugezogenen
Rechtsanwalts neben dem Patentanwalt als erstattungsfähig berücksichtigt wor-
den sind.

Ob die Kosten eines mitwirkenden Rechtsanwalts im Nichtigkeitsverfahren vor
dem Bundespatentgericht zu erstatten sind, ist nach § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 91
Abs. 1 Satz 1 ZPO zu beurteilen. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO bestimmt, dass die un-
terlegene Partei die Kosten zu erstatten hat, soweit sie zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendig waren. Insoweit kommt es
darauf an, ob eine verständige und wirtschaftlich vernünftig denkende Partei die
kostenauslösende Maßnahme im damaligen Zeitpunkt (ex ante) als sachdienlich
ansehen durfte (vgl. Zöller-Herget, ZPO-Komm., 31. Aufl., § 91, Rdn. 12).

Die Zuziehung eines Rechtsanwalts neben einem Patentanwalt wird nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. GRUR 2013, 427ff. – Doppelver-
tretung im Nichtigkeitsverfahren) typischerweise als zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung oder –verteidigung notwendig i. S. d § 91 ZPO angesehen,
wenn zeitgleich mit dem Nichtigkeitsverfahren ein das Streitpatent betreffender
Verletzungsrechtsstreit anhängig ist. Der Grund hierfür ist, dass die gleichzeitige
Anhängigkeit eines Verletzungsrechtsstreits und einer dasselbe Patent betreffen-
den Nichtigkeitsklage an eine Partei, die unmittelbar oder mittelbar an beiden
Verfahren beteiligt ist, besondere Anforderungen im Hinblick auf den Abstim-
mungsbedarf zwischen den beiden Prozessen stellt. Personenidentität der Pro-
zessbevollmächtigten in den jeweiligen beiden Rechtsstreitigkeiten wird für die Er-
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stattungsfähigkeit nach zwei Entscheidungen des Bundespatentgerichts nicht
vorausgesetzt (vgl. BPatG, Beschluss des 5. Senats vom 29. Juni 2016, Az.:
5 ZA (pat) 14/16 – dort war aber der Rechtsanwalt des Verletzungsprozesses in
der mündlichen Verhandlung des Nichtigkeitsverfahrens auch anwesend; BPatG,
Rechtspfleger-Beschluss vom 29. September 2011, Az.: 1 Ni 4/09 (EP); vgl.
Busse/Keukenschrijver, PatG, 8. Aufl., § 84, Rdn. 93). Dieser Auffassung schließt
sich der Senat an. Entscheidend für die Erstattungsfähigkeit der Rechtsanwalts-
kosten ist nämlich, dass die Partei eines Nichtigkeitsverfahrens bei einem parallel
anhängigen Verletzungsprozess typischerweise zur zweckentsprechenden
Rechtsverfolgung neben dem Patentanwalt einen Rechtsanwalt hinzuziehen kann,
um die beiden Verfahren miteinander abstimmen zu können. Dieser Abstim-
mungsbedarf entfällt nicht, wenn die Partei im Nichtigkeitsverfahren gegenüber
dem Verletzungsrechtsstreit durch einen anderen Rechtsanwalt vertreten wird. In
einzelnen Fällen ist die Hinzuziehung des personenidentischen Rechtsanwalts so-
gar nicht möglich, z.B. wenn der Verletzungsprozess bereits beim BGH anhängig
ist, vor dem die Partei allein durch einen nur dort zugelassenen Rechtsanwalt
(sog. Singularzulassung) vertreten werden kann. Durch die Hinzuziehung von zwei
Rechtsanwälten – einerseits für den Verletzungsprozess und andererseits für das
Nichtigkeitsverfahren – wird allenfalls die praktische Umsetzung der Koordinierung
der Prozessführung beider Rechtsstreitigkeiten erschwert, da ein erhöhter Infor-
mationsaustausch und Besprechungsbedarf zwischen den beiden Rechtsanwälten
besteht. Die damit verbundenen Risiken hat allein die Partei zu tragen, die für die
beiden Prozesse zwei unterschiedliche Rechtsanwälte beauftragt, wie im vorlie-
genden Fall, bei dem Rechtsanwalt B… zu einzelnen Unterlagen des Verlet-
zungsprozesses keinen Zugang hatte. Der Entscheidung des BGH zur Doppelver-
tretung im Nichtigkeitsverfahren ist auch nicht zu entnehmen, dass die Partei für
die Erstattungsfähigkeit der Kosten in der Wahl ihres Rechtsanwalts für das Nich-
tigkeitsverfahren eingeschränkt ist.

Nach alldem hat die Erinnerung der Klägerin keinen Erfolg.

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III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 33 Abs. 1 RVG.

Der vorliegende Beschluss ist unanfechtbar. Nach § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 574
Abs. 1 ZPO ist die Rechtsbeschwerde in Kostenfestsetzungsverfahren vor dem
Bundespatentgericht, da das Gesetz sie nicht ausdrücklich vorsieht, nur eröffnet,
wenn das Bundespatentgericht sie zugelassen hat (vgl. zur Frage der Rechtsbe-
schwerde gegen Beschlüsse über Kostenfestsetzungserinnerungen: BGH
GRUR 2013, 427, Rdn. 5ff).

Die Zulassung der Rechtsbeschwerde nach § 84 Abs. 2 PatG i. V. m. § 574 Abs. 1
Nr. 2 ZPO war nicht geboten, da die Voraussetzungen hierfür nicht vorliegen. Der
Senat folgt mit seiner Entscheidung der Entscheidung eines anderen Spruchkör-
pers des Bundespatentgerichts (vgl. Beschluss des 5. Senats vom 29. Juni 2016,
Az.: 5 ZA (pat) 14/16) und insbesondere auch den von der Rechtsprechung des
BGH aufgestellten Grundsätzen zur Frage der Erstattungsfähigkeit von Doppel-
vertretungskosten in Patentnichtigkeitsverfahren (vgl. GRUR 2013, 427ff.). Vor
diesem Hintergrund hat die Sache auch keine grundsätzliche Bedeutung i. S. d.
§ 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.


Schmidt Grote-Bittner Ausfelder

Pr


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