1. Senat - Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Nachwirkung einer Betriebsvereinbarung
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 ABR 20/09 13 TaBV 1961/08 Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg Im Namen des Volkes! Verkündet am 5. Oktober 2010 BESCHLUSS Radtke, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Antragsteller, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer, 2. hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 5. Oktober 2010 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck und Dr. Koch sowie die ehrenamt-lichen Richter Berg und Dr. Zumpe für Recht erkannt: - 2 - 1 ABR 20/09 - 3 - Die Rechtsbeschwerde des Gesamtbetriebsrats gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts Berlin-Brandenburg vom 9. Januar 2009 - 13 TaBV 1961/08 - wird zurückgewiesen. Von Rechts wegen! Gründe A. Die Beteiligten streiten über die Nachwirkung einer Gesamtbe-triebsvereinbarung. Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber ist eine für Normungsarbeit zu-ständige Einrichtung. Antragsteller ist der bei ihm gebildete Gesamtbetriebsrat. Bei dem Arbeitgeber galt seit 1975 eine zwischen den Beteiligten ab-geschlossene „Betriebsvereinbarung Nr. 7 über die Einführung von Ent-lohnungsgrundsätzen“ (BV Nr. 7). Diese sah ua. die Eingruppierung der Mit-arbeiter in acht Gehaltsgruppen vor. Daneben schloss der Arbeitgeber mit dem Gesamtbetriebsrat am 15. Juni 2000 eine „Betriebsvereinbarung Nr. 9 über die betriebliche Sonderzahlung“ (BV Nr. 9). Nach dieser erhalten die Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate besteht und nicht den Be-stimmungen des BAT unterliegt, mit den Bezügen für den Monat November eine Sonderzahlung in Höhe von 100 % eines Bruttomonatsgehalts. Mit Schreiben vom 30. Juni 2006 kündigte der Arbeitgeber die BV Nr. 7 und die BV Nr. 9 zum 31. Dezember 2006. Das Kündigungsschreiben enthielt einen Hinweis auf die beabsichtige Einführung eines moderneren und flexibleren Vergütungssystems, mit dem transparente Beurteilungskriterien geschaffen und eine leistungsorientierte Vergütung eingeführt werden sollten. In einer an alle Arbeitnehmer per E-Mail versandten Mitarbeiterinformation vom 6. November 2006 verdeutlichte der Arbeitgeber die Unterschiede zwischen der bisherigen Sonderzahlung und der von ihm in Aussicht genommenen Zu-123 - 3 - 1 ABR 20/09 - 4 - wendung. Diese sollte von der Erreichung unternehmensbezogener und individueller Ziele abhängig sein. Nachdem zwischen den Beteiligten keine Einigung über die Einführung eines leistungsorientierten Vergütungssystems erzielt werden konnte, kam es durch Spruch der Einigungsstelle vom 21. Mai 2007 zu einer Neuregelung der Entlohnungsgrundsätze. Die nachfolgend von den Beteiligten über eine Neu-regelung der jährlichen Zuwendung geführten Gespräche blieben ergebnislos. Der Gesamtbetriebsrat hat geltend gemacht, der Arbeitgeber sei über das Jahr 2006 hinaus verpflichtet, eine betriebliche Sonderzahlung zu er-bringen, da die BV Nr. 9 kraft Nachwirkung weiter gelte. Der Arbeitgeber habe diese freiwillige Leistung nicht vollständig einstellen, sondern nur nach einem anderen Leistungsplan verteilen wollen. Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt, 1. den Arbeitgeber zu verpflichten, den von ihm be-schäftigten Arbeitnehmern für das Kalenderjahr 2007 eine betriebliche Sonderzahlung nach Maßgabe der zwischen den Beteiligten abgeschlossenen Betriebs-vereinbarung Nr. 9 über die betriebliche Sonder-zahlung in der Fassung vom 15. Juni 2000 zu zahlen, 2. festzustellen, dass die zwischen den Beteiligten abgeschlossene Betriebsvereinbarung Nr. 9 über die betriebliche Sonderzahlung in der Fassung vom 15. Juni 2000 über das Jahr 2007 hinaus Nach-wirkung entfaltet. Der Arbeitgeber hat beantragt, die Anträge zurückzuweisen. Er hat ge-meint, die BV Nr. 9 wirke nicht nach. Das von ihm angestrebte leistungs-orientierte Vergütungssystem sei wegen seines unterschiedlichen Zwecks und seines Leistungsbezugs keine Nachfolgeregelung für die Sonderzahlung. Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Gesamtbetriebsrats, mit der dieser zunächst seine ur-sprünglichen Anträge weiterverfolgt hat. In einem nach dem Anhörungstermin eingegangenen Schriftsatz hat der Gesamtbetriebsrat den Antrag zu 1 nach einem gerichtlichen Hinweis auf diejenigen Arbeitnehmer beschränkt, „deren 45678 - 4 - 1 ABR 20/09 - 5 - Arbeitverhältnis … zum Stichtag 31. Dezember 2006 bereits bestand und über diesen Stichtag hinaus fortgeführt wurde“. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde ohne erneute Anhörung zurückgewiesen. Mit der Rechts-beschwerde verfolgt der Betriebsrat den Antrag zu 1 in der zuletzt an-gekündigten Fassung und als Antrag zu 2 den ursprünglichen Feststellungs-antrag weiter. B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Anträge des Gesamtbetriebsrats zu Recht abgewiesen. Der Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, die BV Nr. 9 über den 31. Dezember 2006 hinaus durchzu-führen. Diese entfaltet ab dem 1. Januar 2007 keine Nachwirkung. Daher erweist sich auch der zu 2 gestellte Feststellungsantrag als unbegründet. I. Die Anträge sind zulässig. 1. Der Antrag zu 1 fällt dem Senat nur in der vom Landesarbeitsgericht im tatbestandlichen Teil seines Beschlusses wiedergegebenen eingeschränkten Fassung zur Entscheidung an. Der Gesamtbetriebsrat hat seinen ursprünglich weiter gefassten Antrag zu 1 erst nach der Anhörung vor dem Landesarbeits-gericht eingeschränkt. Über diesen Antrag hat das Beschwerdegericht ohne erneute Anhörung entschieden. Mit dieser Verfahrensweise hat das Landes-arbeitsgericht zwar gegen § 83 Abs. 4 Satz 3 ArbGG iVm. § 90 Abs. 2 ArbGG verstoßen, weil eine Entscheidung über die geänderte Antragsfassung ohne Anhörung nur mit Einverständnis der Beteiligten zulässig gewesen wäre. Einer hierauf gestützten Zurückverweisung bedurfte es aber nicht, da die Beteiligten insoweit keine Verfahrensrüge erhoben haben. 2. Der Gesamtbetriebsrat besitzt die erforderliche Antragsbefugnis. a) Die Antragsbefugnis ist im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren Sachentscheidungsvoraussetzung. Ihr Vorliegen ist noch im Rechts-beschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen. Das Erfordernis dient dazu, Popularanträge auszuschließen. Die Arbeitsgerichte sollen nicht zur Verfolgung fremder Rechte angerufen werden. Voraussetzung der Antragsbefugnis im 910111213 - 5 - 1 ABR 20/09 - 6 - arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren ist grundsätzlich, dass der Antragsteller eigene betriebsverfassungsrechtliche Rechte behauptet. Dem Gesamtbetriebs-rat fehlt daher die Antragsbefugnis in der Regel, wenn er ausschließlich Rechte der Arbeitnehmer reklamiert (BAG 20. April 2010 - 1 ABR 85/08 - Rn. 10 mwN, EzA BetrVG 2001 § 82 Nr. 2). b) Der Antrag zu 1 ist ein Leistungsantrag. Er ist dahingehend auszulegen, dass der Gesamtbetriebsrat von dem Arbeitgeber die Durchführung der ge-kündigten BV Nr. 9 im Jahr 2007 verlangt. Der Gesamtbetriebsrat hat dazu in den Vorinstanzen geltend gemacht, der Arbeitgeber sei nach dem 31. Dezember 2006 aufgrund des betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsver-hältnisses zur Durchführung der nachwirkenden BV Nr. 9 verpflichtet. Auf dessen Inhalt bezieht sich auch der zu 2 erhobene Feststellungsantrag. Mit diesem begehrt der Gesamtbetriebsrat die Feststellung, dass die Regelungen der BV Nr. 9 auch nach dem 31. Dezember 2007 bei dem Arbeitgeber weiter gelten und die betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsbeziehungen der Be-triebsparteien gestalten. Damit verfolgt der Gesamtbetriebsrat mit beiden Anträgen nicht die Individualinteressen einzelner Arbeitnehmer. Ob der von ihm reklamierte Durchführungsanspruch besteht, ist eine Frage der Begründetheit. 3. Für den Antrag zu 2 besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche besondere Feststellungsinteresse. Vom Antrag zu 2 ist die Feststellung um-fasst, dass der Inhalt der BV Nr. 9 über den 31. Dezember 2007 hinaus weiter gilt und vom Arbeitgeber durchzuführen ist (BAG 21. August 2001 - 3 ABR 44/00 - zu B II 1 a der Gründe, BAGE 98, 354). Der Antrag bezieht sich daher auf das betriebsverfassungsrechtliche Rechtsverhältnis, über dessen Inhalt nach der Kündigung der BV Nr. 9 zwischen den Beteiligten Streit besteht und der durch die begehrte Feststellung beigelegt werden kann. II. Die Anträge sind unbegründet. Die BV Nr. 9 hat aufgrund der Kündi-gung des Arbeitgebers am 31. Dezember 2006 geendet. Sie wirkt nicht gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach. 141516 - 6 - 1 ABR 20/09 - 7 - 1. Die Nachwirkung von Betriebsvereinbarungen über finanzielle Leistun-gen des Arbeitgebers richtet sich nach § 77 Abs. 6 BetrVG. a) Gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG gelten nach Ablauf einer Betriebsverein-barung deren Regelungen in Angelegenheiten, in denen ein Spruch der Eini-gungsstelle die Einigung zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Dies betrifft die Angelegenheiten der zwingenden Mitbestimmung, zu denen auch das Mit-bestimmungsrecht bei der betrieblichen Lohngestaltung (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG) gehört (BAG 10. November 2009 - 1 AZR 511/08 - Rn. 12). Betriebs-vereinbarungen über Gegenstände, die nicht der zwingenden Mitbestimmung unterliegen, entfalten kraft Gesetzes keine Nachwirkung. Betriebsverein-barungen mit teils erzwingbaren, teils freiwilligen Regelungen wirken grundsätz-lich nur hinsichtlich der Gegenstände nach, die der zwingenden Mitbestimmung unterfallen (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 14, BAGE 127, 297). Dies setzt allerdings voraus, dass sich die Betriebsvereinbarung sinnvoll in einen nachwirkenden und einen nachwirkungslosen Teil aufspalten lässt. Andernfalls entfaltet zur Sicherung der Mitbestimmung die gesamte Betriebs-vereinbarung Nachwirkung. b) Betriebsvereinbarungen über finanzielle Leistungen des Arbeitgebers, die dieser ohne eine vertragliche oder sonstige rechtliche Verpflichtung erbringt, sind regelmäßig teilmitbestimmt. Während der Arbeitgeber den Dotierungs-rahmen mitbestimmungsfrei vorgeben kann, bedarf er für die Ausgestaltung, also für den Verteilungs- und Leistungsplan, nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG der Zustimmung des Betriebsrats. Die Nachwirkung derart teilmitbestimmter Betriebsvereinbarungen hängt im Falle ihrer Kündigung durch den Arbeitgeber davon ab, ob die finanziellen Leistungen ersatzlos beseitigt oder lediglich reduziert werden sollen. aa) Will ein Arbeitgeber mit der Kündigung einer teilmitbestimmten Be-triebsvereinbarung seine finanziellen Leistungen vollständig und ersatzlos einstellen, tritt keine Nachwirkung ein (BAG 17. Januar 1995 - 1 ABR 29/94 - zu II A 2 der Gründe, AP BetrVG 1972 § 77 Nachwirkung Nr. 7 = EzA 17181920 - 7 - 1 ABR 20/09 - 8 - BetrVG 1972 § 77 Nr. 54). Bei einer vollständigen Einstellung der Leistungen verbleiben keine Mittel, bei deren Verteilung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hätte. Sinn der Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG ist - zumindest auch - die Wahrung betriebsverfassungsrechtlicher Mitbestimmungsrechte. Sind solche nicht betroffen, bedarf es der Nachwirkung nicht. bb) Will der Arbeitgeber seine finanziellen Leistungen nicht völlig zum Erlöschen bringen, sondern mit der Kündigung einer Betriebsvereinbarung nur eine Verringerung des Volumens der insgesamt zur Verfügung gestellten Mittel und zugleich eine Veränderung des Verteilungsplans erreichen, wirkt die Be-triebsvereinbarung nach (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 17 mwN, BAGE 127, 297). In diesem Fall verbleibt ein Finanzvolumen, bei dessen Verteilung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat. Das vom Arbeitgeber einmal zur Verfügung gestellte Finanzvolumen wird dadurch nicht unabänderlich perpetuiert. Vielmehr müssen die Betriebsparteien oder im Konfliktfall die Einigungsstelle das vom Arbeitgeber noch zur Verfügung gestellte Finanzvolumen als mitbestimmungsfreie Vorgabe zugrunde legen (BAG 18. November 2003 - 1 AZR 604/02 - zu I 3 c cc der Gründe mwN, BAGE 108, 299). c) Ist ein Arbeitgeber nicht tarifgebunden, kann er - kollektivrechtlich - das gesamte Volumen der von ihm für die Vergütung der Arbeitnehmer bereit-gestellten Mittel mitbestimmungsfrei festlegen und für die Zukunft ändern. Mangels Tarifbindung leistet er in diesem Fall sämtliche Vergütungsbestandteile ohne hierzu normativ verpflichtet zu sein. Da das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei fehlender Tarifbindung des Arbeitgebers nicht durch den Tarifvorbehalt in § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG ausgeschlossen ist, hat der Arbeitgeber aber bei einer Änderung der bisher geltenden Entlohnungsgrundsätze die Zustimmung des Betriebsrats einzuholen (BAG 26. August 2008 - 1 AZR 354/07 - Rn. 21 f., BAGE 127, 297). Will der nicht tarifgebundene Arbeitgeber in Vergütungsbestandteile eingreifen, die Teil einer betrieblichen Vergütungsordnung sind, bei deren Aufstellung und 2122 - 8 - 1 ABR 20/09 - 9 - Veränderung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzubestimmen hat, kann eine solche Maßnahme nur mit seiner Zustimmung oder einer sie ersetzenden Entscheidung einer Einigungsstelle (§ 87 Abs. 2 BetrVG) getroffen werden. Eine Änderung der Vergütungsstruktur liegt regelmäßig vor, wenn nur einer der mehreren Bestandteile, aus denen sich die Gesamtvergütung zu-sammensetzt, gestrichen, erhöht oder vermindert wird (vgl. BAG 28. Februar 2006 - 1 ABR 4/05 - Rn. 17 f., BAGE 117, 130). d) Allerdings muss ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber, der über die Einführung einer zusätzlichen Vergütung und ihres Leistungszwecks ohne Beteiligung des Betriebsrats entscheiden kann, auch die Möglichkeit haben, sie vollständig zu beseitigen. Andernfalls könnte der Arbeitgeber mit den Mitteln des Kollektivrechts zur Beibehaltung einer finanziellen Leistung gezwungen werden, über deren Einführung er mitbestimmungsfrei entscheidet. Daher kann der nicht tarifgebundene Arbeitgeber eine in einer Betriebsvereinbarung ge-regelte finanzielle Leistung, die er ohne hierzu verpflichtet zu sein gewährt, durch die Kündigung dieser Betriebsvereinbarung beseitigen, wenn er in Zu-kunft für den von ihm festgelegten Leistungszweck keine Mittel mehr bereit-stellen will. Die Einstellung unterliegt auch dann nicht dem Mitbestimmungs-recht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, wenn der Wegfall der zuvor gewährten Leistung einen kollektiven Tatbestand betrifft, weil hinsichtlich der Vergütung die Verteilungsgerechtigkeit unter den zuvor anspruchsberechtigten Arbeit-nehmern betroffen ist. Aufgrund der fehlenden Bereitschaft des Arbeitgebers zur Fortführung der bisherigen Leistung fehlt es an einem Vergütungsvolumen, das Gegenstand einer verteilenden Entscheidung sein könnte. Dies setzt allerdings voraus, dass über diese Leistung eine gesonderte Betriebsverein-barung abgeschlossen ist und der Arbeitgeber die Einstellung des darin ge-regelten Vergütungsbestandteils in eindeutiger Form zum Ausdruck bringt. aa) Der Arbeitgeber kann bei Vergütungsbestandteilen, die weder auf einer vertraglichen oder einer sonstigen Rechtsgrundlage beruhen, mitbestimmungs-frei über die Höhe der von ihm zur Verfügung gestellten Finanzmittel und über den Leistungszweck entscheiden. An diese Festlegungen ist nicht nur der 2324 - 9 - 1 ABR 20/09 - 10 - Betriebsrat, sondern im Konfliktfall auch die Einigungsstelle gebunden. Ent-scheidet sich der Arbeitgeber für eine solche zusätzliche Leistung keine Mittel mehr bereitzustellen, fehlt es an einer ausgestaltungsfähigen Verteilungs-masse. Darin liegt der Unterschied zu den Teilen der Gesamtvergütung, die ein nicht tarifgebundener Arbeitgeber aufgrund einer vertraglichen oder gesetz-lichen Grundlage erbringen muss. Bei diesen kann er nicht über das „ob“ der Leistung frei entscheiden, sodass für ihre Ausgestaltung regelmäßig ein Ge-staltungsraum besteht, der dem Betriebsrat das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG eröffnet. bb) Der nicht tarifgebundene Arbeitgeber kann einen Vergütungsbestand-teil, der nicht auf einer vertraglichen oder gesetzlichen Grundlage erbracht wird, nur mitbestimmungsfrei beseitigen, wenn er alleiniger Gegenstand der ge-kündigten Betriebsvereinbarung ist. Dies folgt aus dem Schutzzweck des Mitbestimmungsrechts aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG. Das Beteiligungsrecht soll die Arbeitnehmer vor einer einseitig an den Interessen des Arbeitgebers orientierten Lohngestaltung schützen. Zugleich soll die Einbeziehung des Betriebsrats zur Wahrung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit sowie zur Sicherung der Angemessenheit und Durchsichtigkeit des Lohngefüges bei-tragen (BAG 22. Juni 2010 - 1 AZR 853/08 - Rn. 21, NZA 2010, 1243). Werden in einer Betriebsvereinbarung auch andere Vergütungsbestandteile geregelt, für die eine vertragliche oder gesetzliche Vergütungspflicht des Arbeitgebers besteht, sind sämtliche Vergütungskomponenten Teil der Gesamtvergütung, bei deren Ausgestaltung der Betriebsrat nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitzu-bestimmen hat. Bei einer umfassenden Regelung des Entgeltsystems, in die neben zusätzlichen Leistungen auch Vergütungsbestandteile einbezogen sind, zu deren Erbringung der Arbeitgeber verpflichtet ist, kann eine rechtssichere Beurteilung, ob und ggf. in welchem Umfang es wegen der vom Arbeitgeber ohne verpflichtenden Tatbestand zur Verfügung gestellten Leistungen zu einer Kompensation bei der Ausgestaltung des jeweiligen Entlohnungssystems gekommen ist, nicht erfolgen. Es ist naheliegend, dass der Betriebsrat im Hinblick auf die in Aussicht gestellten finanziellen Mittel seine Forderungen an anderer Stelle zurücknimmt. Würde die Betriebsvereinbarung nicht insgesamt 25 - 10 - 1 ABR 20/09 - 11 - nach § 77 Abs. 6 BetrVG weiter gelten, ginge dieses Verhandlungsergebnis zulasten der von der Nachwirkung betroffenen Arbeitnehmer. Die Entscheidung über den Wegfall einer zusätzlichen Leistung kann daher nur nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungsfrei sein, wenn diese in einer gesonderten Betriebsvereinbarung geregelt worden ist. cc) Da die Nachwirkung einer solchen teilmitbestimmten Betriebsverein-barung ausschließlich von dem Willen des Arbeitgebers abhängt, die dort geregelte Leistung auch zukünftig zu erbringen, ist es aus Gründen der Rechts-klarheit und Rechtssicherheit geboten, dass sich der Arbeitgeber gegenüber dem Betriebsrat oder den begünstigten Arbeitnehmern über seine Vor-stellungen hinsichtlich der zusätzlichen Leistung festlegt. Der Arbeitgeber muss eindeutig erklären, ob und ggf. in welcher Höhe nach dem Ablauf der Kündigungsfrist für den bisherigen Leistungszweck Mittel zur Verfügung stehen. Will der Arbeitgeber die Leistung nicht gänzlich einstellen, sondern lediglich das Finanzvolumen unter Beibehaltung des bisherigen Verteilungsplans reduzieren, hat er dies gleichermaßen mitzuteilen. Nur auf diese Weise können der Be-triebsrat und die betroffenen Arbeitnehmer die Weitergeltung der bisher durch Betriebsvereinbarung gestalteten finanziellen Leistungen rechtssicher be-urteilen, während andererseits der Arbeitgeber angehalten wird, sich mit den Auswirkungen seiner Entscheidung auf das betriebliche Zusammenleben auseinanderzusetzen. Eine Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG tritt nicht ein oder entfällt, wenn nach den Angaben des Arbeitgebers ein Mitbestimmungs-recht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG nicht in Betracht kommt. Der Arbeitgeber ist daher gehalten, sich entweder gegenüber dem Betriebsrat oder den Arbeit-nehmern über seine Vorstellungen über das weitere Schicksal der bisher in der Betriebsvereinbarung ausgestalteten Leistung zu erklären, wenn er den Eintritt der Rechtsfolgen aus § 77 Abs. 6 BetrVG vermeiden will. Diese Angaben können bereits mit der Kündigung der Betriebsvereinbarung verbunden werden. Es ist jedoch ausreichend, wenn die Mitteilung zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt. Bis zu deren Zugang wirkt der Inhalt einer teilmitbestimmten Betriebs-vereinbarung allerdings weiter. 26 - 11 - 1 ABR 20/09 - 12 - 2. Danach ist der Arbeitgeber nicht zur Durchführung der BV Nr. 9 ver-pflichtet, weil diese nicht über den 31. Dezember 2006 weiter gilt. a) Die BV Nr. 9 ist durch das Schreiben des Arbeitgebers vom 30. Juni 2006 wirksam gekündigt worden. Dies steht zwischen den Beteiligten außer Streit. b) Die Voraussetzungen für eine Nachwirkung nach § 77 Abs. 6 BetrVG liegen nicht vor. Alleiniger Gegenstand der BV Nr. 9 war die Zahlung einer an die Be-triebszugehörigkeit gebundenen betrieblichen Sonderzahlung. Eine solche Zahlung konnten die begünstigten Arbeitnehmer nach ihren einzelvertraglichen Vereinbarungen nicht beanspruchen. Der Arbeitgeber hat sich auch ent-schieden, ab dem Kalenderjahr 2007 eine ausschließlich an die Betriebszuge-hörigkeit geknüpfte betriebliche Sonderzahlung nicht mehr zu erbringen. Diese Absicht hat er mit der gebotenen Eindeutigkeit in der an alle Arbeitnehmer am 6. November 2006 versandten Mitarbeiterinformation bekanntgegeben. In dieser hat er die Unterschiede zwischen der bisherigen Sonderzahlung und der von ihm in Aussicht genommenen Zuwendung dargestellt. Aus diesen Angaben war eindeutig erkennbar, dass die beabsichtigte Leistung nicht von der Be-triebszugehörigkeit, sondern von einer Kombination von unternehmensbe-zogenen und individuellen Zielen abhängig sein sollte. Der beabsichtigte Über-gang auf eine erfolgsabhängige Sonderzuwendung stellt sich entgegen der Auffassung des Betriebsrats auch nicht lediglich als eine Änderung des bis-herigen Leistungsplans dar. Vielmehr hatte sich der Arbeitgeber unabhängig von der Einführung des in Aussicht gestellten Vergütungssystems zur Ein-stellung der bisherigen, an die Betriebszugehörigkeit anknüpfenden Sonder-zahlung entschlossen. 3. Der zu 2 gestellte Feststellungsantrag ist schon deshalb unbegründet, weil der Inhalt der BV Nr. 9 nicht nach § 77 Abs. 6 BetrVG weiter gilt. Der Senat musste daher nicht entscheiden, ob der Betriebsrat überhaupt die Durchführung 2728293031 - 12 - 1 ABR 20/09 lediglich nachwirkender Bestimmungen verlangen kann (gleichfalls unent-schieden in BAG 27. Oktober 1998 - 1 ABR 3/98 - zu B I 3 b der Gründe, BAGE 90, 76). Schmidt Linck Koch Berg Zumpe

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