1. Senat - Mitbestimmung bei Versetzungen - Vertragsstrafe zugunsten Dritter
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Mitbestimmung bei Versetzungen - Vertragsstrafe zugunsten Dritter
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 ABR 62/08 13 TaBV 132/07 Landesarbeitsgericht Hamm Im Namen des Volkes! Verkündet am 19. Januar 2010 BESCHLUSS Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Antragsteller, 2. Beschwerdeführerin und Rechtsbeschwerdeführerin, hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 19. Januar 2010 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck und Dr. Koch sowie die ehrenamt-lichen Richter Dr. Hann und Kunz für Recht erkannt: - 2 - 1 ABR 62/08 - 3 - 1. Auf die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 25. April 2008 - 13 TaBV 132/07 - aufgehoben. 2. Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Be-schluss des Arbeitsgerichts Hagen vom 19. September 2007 - 2 BV 37/07 - abgeändert. Der Antrag des Be-triebsrats wird abgewiesen. Von Rechts wegen! Gründe A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Vertragsstrafever-sprechens zugunsten eines Dritten für den Fall der Verletzung von Mit-bestimmungsrechten bei personellen Maßnahmen. Die Arbeitgeberin betreibt ein Klinikum. Antragsteller ist der hierfür ge-bildete Betriebsrat. Zur Erledigung eines arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahrens schlossen die Betriebsparteien am 16. Februar 2006 vor dem Arbeitsgericht den folgenden Vergleich: 1. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, es zu unterlassen, Einstellungen und Versetzungen im Sinne des § 99 BetrVG vorzunehmen, solange nicht der Betriebsrat die Zustimmung hierzu erteilt hat oder im Ver-weigerungsfall die fehlende Zustimmung im arbeits-gerichtlichen Beschlussverfahren ersetzt worden ist, es sei denn, die Arbeitgeberin macht sachliche Gründe, die eine personelle Einzelmaßnahme im Sinne von § 99 Abs. 1 BetrVG dringend erforderlich machen, geltend und leitet, falls der Betriebsrat diese bestreitet, hiernach innerhalb von 3 Tagen das arbeitsgerichtliche Verfahren nach § 100 BetrVG ein. 2. Die Arbeitgeberin verpflichtet sich, für jeden Fall der Zuwiderhandlung der Verpflichtung in Ziffer 1. dieses Vergleiches - bezogen auf jeden Verstoß im Rahmen 123 - 3 - 1 ABR 62/08 - 4 - einer Einstellung und Versetzung im Sinne des § 99 Abs. 1 BetrVG - ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 Euro an den DRK Kreisverband H zu zahlen, für Verstöße, die nach dem 01.04.2006 eintreten. 3. Damit ist das Verfahren 2 BV 22/05 erledigt. Am 4. Januar 2007 teilte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat mit, sie wolle die in der Zentralambulanz tätige Ärztin K ab dem 15. Januar 2007 auf den Chirurgischen Stationen einsetzen. In dem hierfür verwendeten Vordruck war dieser Wechsel als „Veränderung“ bezeichnet. Der Betriebsrat sah hierin eine Versetzung, welcher er mit Schreiben vom 8. Januar 2007 widersprach. Daraufhin teilte die Arbeitgeberin am 22. Januar 2007 mit, die Ärztin K werde vom 23. Januar 2007 bis zum 19. Februar 2007 kurzzeitig von der Ambulanz auf die Chirurgischen Stationen versetzt. Der Betriebsrat sah auch hierin eine Versetzung und unterrichtete mit Schreiben vom 15. Februar 2007 die Arbeit-geberin darüber, dass wegen der Verletzung des Mitbestimmungsrechts nach § 99 BetrVG ein Ordnungsgeld iHv. 1.000,00 Euro verwirkt worden sei. Nachdem die Arbeitgeberin die Zahlung des Ordnungsgeldes ver-weigerte, hat der Betriebsrat das anhängige Beschlussverfahren eingeleitet und zuletzt beantragt, die Arbeitgeberin zu verpflichten, an das Deutsche Rote Kreuz, Kreisverband H e.V., 1.000,00 Euro zu zahlen. Die Arbeitgeberin hat sich zur Begründung ihres Abweisungsantrags auf die Unwirksamkeit der Vertragsstrafevereinbarung berufen. Das Arbeitsgericht hat dem Antrag stattgegeben. Das Landesarbeits-gericht hat die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen. Mit ihrer Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgeberin ihren Abweisungsantrag weiter. B. Die zulässige, den Darlegungsanforderungen des § 94 Abs. 2 Satz 2 ArbGG genügende Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin ist begründet. Der Betriebsrat kann von ihr nicht die Zahlung von 1.000,00 Euro an den DRK-45678 - 4 - 1 ABR 62/08 - 5 - Kreisverband H verlangen. Die in dem gerichtlichen Vergleich vereinbarte Vertragsstrafenabrede ist unwirksam. 1. Nach der Rechtsprechung des Senats können die Betriebsparteien keine Vereinbarung treffen, durch die sich der Arbeitgeber verpflichtet, an den Betriebsrat im Falle der Verletzung von Mitbestimmungsrechen eine Vertrags-strafe zu zahlen. Für eine solche Vereinbarung fehlt dem Betriebsrat die Ver-mögensfähigkeit. Soweit er nicht vermögensfähig ist, besitzt er auch keine Rechtsfähigkeit zum Abschluss von Vereinbarungen, durch die eigene ver-mögensrechtliche Ansprüche begründet werden sollen. Das gilt auch für Ver-einbarungen, die auf die Zahlung einer Vertragsstrafe an einen dem Betriebsrat zur Verfügung stehenden Fonds gerichtet sind (29. September 2004 - 1 ABR 30/03 - BAGE 112, 96, 98 f.). 2. Die Vereinbarung einer Zahlungspflicht des Arbeitgebers an einen Dritten im Falle der Verletzung eines Mitbestimmungsrechts scheitert allerdings nicht an der nur partiellen Vermögensfähigkeit des Betriebsrats (Senat 29. September 2004 - 1 ABR 30/03 - BAGE 112, 96, 99). In diesem Fall fließt die Strafe einem Dritten zu und ist damit der Disposition des Betriebsrats entzogen. Eine solche Vertragsstrafenabrede widerspricht jedoch zwingenden betriebsverfassungsrechtlichen Grundsätzen zur Gewährleistung der betriebs-verfassungsrechtlichen Ordnung. a) Das Betriebsverfassungsgesetz weist dem Betriebsrat die Aufgabe zu, auf die Einhaltung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung hinzuwirken (vgl. Richardi/Thüsing BetrVG 12. Aufl. § 23 Rn. 74). Dazu kann der Betriebsrat vom Arbeitgeber unter den im Gesetz normierten Voraussetzungen das Unter-lassen eines mitbestimmungswidrigen Verhaltens fordern. Der Unterlassungs-anspruch des Betriebsrats ist zwar je nach Gegenstand und Regelungsgehalt des Mitbestimmungsrechts von unterschiedlichen Voraussetzungen abhängig, aber stets darauf gerichtet, dass der Arbeitgeber für die Zukunft die Mit-bestimmungsrechte des Betriebsrats achtet und die betriebsverfassungsrecht-liche Ordnung einhält. Darüber hinaus soll der Arbeitgeber auch dazu an-gehalten werden, einen dieser Ordnung entsprechenden Zustand wieder-91011 - 5 - 1 ABR 62/08 - 6 - herzustellen (Fitting 24. Aufl. § 23 Rn. 96). Dementsprechend ist der Betriebsrat berechtigt, die Beseitigung eines vom Arbeitgeber geschaffenen rechtswidrigen Zustands zu verlangen (Oetker GK-BetrVG 9. Aufl. § 23 Rn. 144). Das gilt in besonderem Maße für die Sicherung des Beteiligungsrechts in personellen Angelegenheiten. Bei personellen Maßnahmen iSd. § 99 BetrVG, deren vor-läufige Durchführung vor Abschluss des Beteiligungsverfahrens dem Arbeit-geber nur unter den Voraussetzungen des § 100 BetrVG gestattet ist, soll dieser vom Betriebsrat daran gehindert werden können, vor der Durchführung des Zustimmungs- oder Zustimmungsersetzungsverfahrens vollendete Tat-sachen zu schaffen. Führt der Arbeitgeber eine personelle Maßnahme iSd. § 99 BetrVG ohne Zustimmung des Betriebsrats oder unter Missachtung des Ver-fahrens nach § 100 BetrVG durch, hat der Betriebsrat nach § 101 BetrVG einen Anspruch auf Beseitigung des durch einseitige Handlungen des Arbeitgebers herbeigeführten betriebsverfassungswidrigen Zustands. b) Allerdings verlangt das Betriebsverfassungsgesetz vom Betriebsrat nicht, bei jedwedem mitbestimmungswidrigen Verhalten des Arbeitgebers einzugreifen, sondern stellt die Durchsetzung und Herstellung der betriebs-verfassungsrechtlichen Ordnung in das pflichtgemäße Ermessen des Betriebs-rats. Dieser hat in eigener Verantwortung über die Einleitung eines arbeits-gerichtlichen Verfahrens zu befinden, in dem er seine Ansprüche geltend machen und im Wege der Zwangsvollstreckung auch durchsetzen kann (Oetker § 23 Rn. 126). Kommt der Arbeitgeber einer gerichtlichen Entscheidung nicht nach, haben die Arbeitsgerichte auf Antrag des Betriebsrats den Arbeitgeber durch Ordnungs- oder Zwangsgeld zu einem gesetzeskonformen Verhalten anzuhalten und so die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung wiederherzu-stellen. Bis zu den durch das Gesetz festgelegten Höchstgrenzen richtet sich die Höhe des zu verhängenden Ordnungs- oder Zwangsgeldes insbesondere nach Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, dem Verschuldensgrad und dem Vorteil, den der Arbeitgeber bei der Nichtbeachtung des Titels erzielt. Eine Titelverletzung soll sich nicht lohnen (vgl. BGH 23. Oktober 2003 - I ZB 45/02 - NJW 2004, 506). Die beigetriebenen Ordnungs- bzw. Zwangsgelder verfallen der Staatskasse (Oetker § 23 Rn. 227; Kreft in Wlotzke/Preis/Kreft BetrVG 12 - 6 - 1 ABR 62/08 - 7 - 4. Aufl. § 23 Rn. 70, 74). Dadurch ist gewährleistet, dass die zwangsweise Durchsetzung oder Wiederherstellung der betriebsverfassungsrechtlichen Ordnung durch den Betriebsrat ausschließlich im Interesse der von ihm ver-tretenen Arbeitnehmer und unabhängig von sachfremden Erwägungen erfolgt. Das sichert die äußere Unabhängigkeit der Amtsführung des Betriebsrats. c) Die im Vergleich vom 16. Februar 2006 vereinbarte Vertragsstrafe zugunsten des Deutschen Roten Kreuzes für den Fall der Verletzung des Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats aus § 99 BetrVG bei Einstellungen und Versetzungen ist mit diesen Grundsätzen nicht vereinbar. aa) Das Vertragsstrafeversprechen zielt nicht auf die Wiederherstellung eines betriebsverfassungsgemäßen Zustands, sondern hat reinen Straf-charakter. Es ist anders als das nach § 101 Satz 2 und 3 BetrVG vom Arbeits-gericht festzusetzende Zwangsgeld nicht geeignet und auch nicht darauf ge-richtet, einen betriebsverfassungswidrigen Zustand zu beseitigen. Das von den Betriebsparteien vereinbarte Ordnungsgeld wird als Strafe einmalig fällig, während das Zwangsgeld nach § 101 Satz 3 BetrVG für jeden Tag der Zu-widerhandlung mit dem Ziel festgesetzt wird, den Arbeitgeber anzuhalten, die mitbestimmungswidrig durchgeführte personelle Maßnahme jedenfalls für die Zukunft aufzuheben. bb) Darüber hinaus führt ein Vertragsstrafeversprechen der vorliegenden Art typischerweise dazu, dass sich der Betriebsrat bei einem mitbestimmungs-widrigen Verhalten des Arbeitgebers mit der Geltendmachung der Vertrags-strafe begnügt und von der Einleitung eines arbeitsgerichtlichen Verfahrens zur Beseitigung des betriebsverfassungswidrigen Zustands und Wiederherstellung der betriebsverfassungsgemäßen Ordnung absieht. Denn eine solche Abrede bezweckt, die betriebsverfassungsrechtlichen Sanktionsmöglichkeiten zu beschränken und nicht zu erweitern. Damit und wegen der vereinbarungs-gemäß begrenzten Höhe des Ordnungsgeldes wird betriebsverfassungs-widriges Verhalten für den Arbeitgeber finanziell kalkulierbar. Er kann in den Angelegenheiten, die Gegenstand des Vertragsstrafeversprechens sind, von der Beteiligung des Betriebsrats gegen Zahlung der vereinbarten Strafe ab-131415 - 7 - 1 ABR 62/08 - 8 - sehen. Das kommt einem „Abkauf“ gesetzlicher Rechte gleich und ist mit der gesetzlichen Konzeption der betrieblichen Mitbestimmung auch dann schlechterdings unvereinbar, wenn der Betriebsrat keinen finanziellen Vorteil aus der Verwirkung der Vertragsstrafe zu erwarten hat. Schließlich ist das Sanktionensystem des Betriebsverfassungsgesetzes nicht darauf gerichtet, Dritte zu unterstützen, mögen sie auch wohltätige Zwecke verfolgen. cc) Darüber hinaus fließt bei einem Vertragsstrafeversprechen der vor-liegenden Art das Ordnungsgeld anders als das im Falle der Zuwiderhandlung des Arbeitgebers gegen einen Unterlassungstitel im Rahmen der Zwangsvoll-streckung festgesetzte Ordnungs- bzw. Zwangsgeld nicht der Staatskasse, sondern einem Dritten zu. Hierdurch kann im Einzelfall der Eindruck entstehen, der Betriebsrat mache die Wahrnehmung eines Beteiligungsrechts von sach-fremden Erwägungen abhängig, mögen diese auch altruistischer Art sein. Das gefährdet die äußere Unabhängigkeit der Amtsführung des Betriebsrats. Derlei Folgen sind bei gesetzlichen Ordnungs- und Zwangsgeldzahlungen aus-geschlossen. 3. Entgegen der Auffassung des Betriebsrats enthält das Betriebs-verfassungsgesetz keine planwidrige Regelungslücke, die eine Ergänzung der gesetzlichen Bestimmungen durch Vereinbarungen der vorliegenden Art ge-bietet. a) Richtig ist zwar, dass der gesetzliche Aufhebungsanspruch aus § 101 BetrVG bei kurzzeitigen personellen Maßnahmen vielfach ins Leere geht. Diese Maßnahmen sind häufig beendet, ohne dass auch nur eine erstinstanzliche und schon gar keine rechtskräftige Entscheidung als Voraussetzung für die Voll-streckung vorläge (§ 101 Satz 2 BetrVG). Zu berücksichtigen ist jedoch, dass der Betriebsrat nach den gesetzlichen Regelungen der §§ 99 bis 101 BetrVG auch bei einer längerfristigen Einstellung oder Versetzung eines Arbeitnehmers, die unter Missachtung von § 99 Abs. 1 Satz 1, § 100 Abs. 2 BetrVG erfolgt, den rechtswidrigen Zustand so lange hinzunehmen hat, bis sein Aufhebungs-anspruch rechtskräftig tituliert ist. Dass dies erhebliche Zeit in Anspruch nehmen kann, hat der Gesetzgeber jedoch, wie § 101 BetrVG zu entnehmen 161718 - 8 - 1 ABR 62/08 ist, bewusst in Kauf genommen (Senat 23. Juni 2009 - 1 ABR 23/08 - Rn. 22, NZA 2009, 1430). b) Der Betriebsrat kann mit den vorhandenen gesetzlichen Möglichkeiten seine Mitbestimmungsrechte auch effektiv durchsetzen. Ist ein betriebs-verfassungswidriges Verhalten des Arbeitgebers erstmals oder erneut zu erwarten, kann der Betriebsrat das Bestehen seines Mitbestimmungsrechts gem. § 256 Abs. 1 ZPO feststellen lassen. Drohen anschließend weitere Ver-stöße, kann er nach § 23 Abs. 3 BetrVG vorgehen. In der Missachtung eines gerichtlich festgestellten Rechts des Betriebsrats wird regelmäßig eine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers liegen (vgl. Senat 19. Januar 2010 - 1 ABR 55/08 -). Der Unterlassungsanspruch aus § 23 Abs. 3 BetrVG wird durch den Aufhebungsanspruch nach § 101 BetrVG nicht verdrängt (Senat 23. Juni 2009 - 1 ABR 23/08 - Rn. 25, NZA 2009, 1430). Schmidt Koch Linck Olaf Kunz Hann 19

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