1. Senat - Mitbestimmung bei der Ausgestaltung der Dienstkleidungspflicht
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Mitbestimmung bei der Ausgestaltung der Dienstkleidungspflicht
- 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 ABR 45/10 5 TaBV 123/09 Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Verkündet am 17. Januar 2012 BESCHLUSS Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Antragsteller und Beschwerdeführer, 2. Arbeitgeberin und Rechtsbeschwerdeführerin, hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 17. Januar 2012 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck und Prof. Dr. Koch sowie die ehren-amtlichen Richter Dr. Federlin und Kunz für Recht erkannt: - 2 - 1 ABR 45/10 - 3 - Die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin gegen den Be-schluss des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 8. April 2010 - 5 TaBV 123/09 - wird zurückgewiesen. Von Rechts wegen! Gründe A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit eines Einigungsstellen-spruchs zur Dienstkleidung. Die Arbeitgeberin betreibt eine Fluggesellschaft. Antragsteller ist der bei ihr gebildete Gesamtbetriebsrat. Das bei der Arbeitgeberin beschäftigte Boden-personal ist arbeitsvertraglich verpflichtet, auf entsprechende Anordnung der Arbeitgeberin während der Arbeitszeit Dienstkleidung zu tragen. Gesonderte Umkleideräume gibt es bei der Arbeitgeberin nicht. Nach § 44 Abs. 1 des bei der Arbeitgeberin anwendbaren Manteltarif-vertrags Nr. 14 (MTV) gelten als Dienstkleidung Kleidungsstücke, die zur besonderen Kenntlichmachung im dienstlichen Interesse anstelle anderer Kleidung während der Arbeit getragen werden. Hierfür hat die Arbeitgeberin nach § 44 Abs. 1 Satz 3 MTV dienstkleidungspflichtigen Mitarbeitern Zuschüsse zu den Kosten der Dienstkleidung zu gewähren. Nach erfolglosen Verhandlungen zwischen der Arbeitgeberin und dem Gesamtbetriebsrat beschloss die zum Thema „Regelung zur Dienstbekleidung für das Bodenpersonal der Arbeitgeberin“ gebildete Einigungsstelle mit Spruch vom 23. September 2008 die Betriebsvereinbarung „Dienstbekleidung“. Diese regelt im Einzelnen die Art und Zusammenstellung der Dienstkleidung und bestimmt, dass deren private Nutzung nicht gestattet ist. Nach I § 1 gilt sie für alle dienstkleidungspflichtigen Mitarbeiter des Bodenpersonals der Arbeitgebe-rin. Der unterzeichnete Einigungsstellenspruch wurde dem Gesamtbetriebsrat am 2. Oktober 2008 zugestellt. 1 2 3 4 - 3 - 1 ABR 45/10 - 4 - Mit einem am 6. Oktober 2008 beim Arbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Gesamtbetriebsrat geltend gemacht, der Einigungsstellen-spruch sei unwirksam, weil er den Kreis der dienstkleidungspflichtigen Mitarbei-ter nicht selbst regele, sondern der Arbeitgeberin insoweit das alleinige Be-stimmungsrecht überlasse. Weiterhin enthalte der Einigungsstellenspruch keine Regelungen über Umkleideräume. Die Beschäftigten seien faktisch gezwungen, die Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit auch im Privatbereich zu tragen. Der Gesamtbetriebsrat hat beantragt 1. festzustellen, dass der Spruch der Einigungsstelle über den Regelungsgegenstand „Dienstbekleidung“ vom 23. September 2008 unwirksam ist; 2. festzustellen, dass die Festlegung und/oder Ände-rung des Kreises der dienstbekleidungspflichtigen Arbeitnehmer der Arbeitgeberin im Bodenpersonal dem Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG unterliegt. Die Arbeitgeberin hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags ausge-führt, sie sei kraft ihrer Organisations- und Leitungsmacht berechtigt, den Kreis der dienstkleidungspflichtigen Mitarbeiter allein festzulegen. Eine Entscheidung hierüber sei der Einigungsstelle entzogen. Zur Regelung von Umkleidemöglich-keiten für die Mitarbeiter sei die beim Gesamtbetriebsrat gebildete Einigungs-stelle nicht zuständig gewesen. Das Arbeitsgericht hat die Anträge abgewiesen, das Landesarbeitsge-richt hat ihnen entsprochen. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt die Arbeitgebe-rin ihren Abweisungsantrag weiter. B. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht festgestellt, dass der Einigungsstellenspruch unwirksam ist. I. Beteiligte des Verfahrens sind gemäß § 83 Abs. 3 ArbGG der Gesamt-betriebsrat als Antragsteller sowie die Arbeitgeberin. Die örtlichen Betriebsräte sind nicht zu beteiligen. Diese sind in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen 5 6 7 8 9 10 - 4 - 1 ABR 45/10 - 5 - Rechtstellung durch eine Entscheidung in diesem Verfahren nicht unmittelbar betroffen. II. Die Anträge sind zulässig. 1. Der Antrag zu 1) ist zu Recht auf die Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstellenspruchs und nicht auf dessen Aufhebung gerichtet. Eine gerichtliche Entscheidung über die Wirksamkeit des Spruchs einer Einigungs-stelle hat feststellende und nicht rechtsgestaltende Wirkung (BAG 11. Januar 2011 - 1 ABR 104/09 - Rn. 12, EzA BetrVG 2001 § 87 Gesundheitsschutz Nr. 5). 2. Der Antrag zu 2) ist gleichfalls zulässig. a) Die gebotene Auslegung ergibt, dass der Feststellungsantrag zu 2) inhaltlich über den Antrag zu 1) hinausgeht. Er betrifft die Feststellung eines Mitbestimmungsrechts in Bezug auf einen bestimmten Lebenssachverhalt. Die damit aufgeworfene Rechtsfrage ist durch den Feststellungsantrag zu 1) nicht notwendig beantwortet, weil sich die Unwirksamkeit des Einigungsstellen-spruchs auch aus anderen Gründen als der fehlenden Bestimmung des Perso-nenkreises, der verpflichtet ist, die Dienstkleidung zu tragen, ergeben kann. b) Der Antrag zu 2) ist hinreichend bestimmt iSd. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Gesamtbetriebsrat hat die Maßnahme, für die er ein Mitbestimmungsrecht reklamiert, genau bezeichnet. Es geht um die Festlegung und/oder Änderung des Kreises derjenigen Mitarbeiter, die bei der Erbringung ihrer vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung Dienstkleidung iSd. § 44 Abs. 1 MTV tragen sollen. Der Begriff der Dienstkleidungspflicht ist durch die im Vortrag des Be-triebsrats zum Ausdruck kommende Verknüpfung mit der Tarifvorschrift des § 44 Abs. 1 Satz 3 MTV hinreichend klar. c) Der Antrag zu 2) betrifft ein Rechtsverhältnis iSd. § 256 Abs. 1 ZPO. Das Bestehen eines betriebsverfassungsrechtlichen Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats bei einem bestimmten Regelungstatbestand ist ein Rechtsverhält- 11 12 13 14 15 16 - 5 - 1 ABR 45/10 - 6 - nis, das einer gerichtlichen Feststellung zugänglich ist (BAG 22. Juli 2008 - 1 ABR 40/07 - Rn. 38, BAGE 127, 146). d) Für die mit dem Antrag zu 2) begehrte Feststellung besteht das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Feststellungsinteresse. Die Arbeitgeberin stellt das vom Gesamtbetriebsrat in Anspruch genommene Mitbestimmungsrecht in Abrede. Dies ist grundsätzlich ausreichend (BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 12, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 125 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 14). Das Feststellungsinteresse besteht trotz der in demsel-ben Verfahren beantragten Feststellung der Unwirksamkeit des Einigungsstel-lenspruchs. Dieser kann auch aus anderen Gründen unwirksam sein, so dass hierdurch die zwischen den Beteiligten strittige Frage der Mitbestimmung bei der Festlegung des dienstkleidungspflichtigen Personenkreises nicht notwendig geklärt wird. III. Der Antrag zu 1) ist begründet. Der Einigungsstellenspruch vom 23. September 2008 ist unwirksam. Die Einigungsstelle besaß zwar die erfor-derliche Regelungskompetenz. Sie hat jedoch den Bereich „Dienstbekleidung“ durch die fehlende Festlegung des persönlichen Geltungsbereichs unvollstän-dig geregelt. Zudem hat sie unzutreffend davon abgesehen, Regelungen über Umkleidemöglichkeiten am Arbeitsplatz zu treffen. 1. Der Gesamtbetriebsrat ist für die Regelung einer einheitlichen Dienst-kleidung im Unternehmen der Arbeitgeberin gemäß § 50 Abs. 1 Satz 1 BetrVG zuständig. Das folgt aus dem Zweck der Bekleidungsvorschrift. Diese soll dazu dienen, das Bodenpersonal der Arbeitgeberin auf den von ihr angeflogenen Flughäfen in Deutschland gegenüber den Fluggästen besonders kenntlich zu machen und es von dem Personal anderer Fluggesellschaften zu unterschei-den. Dieses Ziel kann nur durch eine unternehmenseinheitliche Regelung erreicht werden. Hiervon gehen auch die Beteiligten aus. 2. Der Gesamtbetriebsrat hat nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ein Mitbe-stimmungsrecht bei der Ausgestaltung der Dienstkleidungspflicht. 17 18 19 20 - 6 - 1 ABR 45/10 - 7 - a) Die Regelungen über die Dienstkleidung im MTV schließen das Mitbe-stimmungsrecht des Gesamtbetriebsrats nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs. BetrVG nicht aus. Dies wäre nur anzunehmen, wenn die Tarifvertragsparteien selbst über die mitbestimmungspflichtige Angelegenheit eine zwingende und abschließende inhaltliche Regelung getroffen und damit dem Schutzzweck des verdrängten Mitbestimmungsrechts Genüge getan haben (BAG 17. November 1998 - 1 ABR 12/98 - zu B II 2 a aa der Gründe, BAGE 90, 194). Der MTV enthält jedoch keine abschließende Regelung über die Dienstkleidung, sondern definiert lediglich allgemein, was unter einer Dienstkleidung zu verstehen ist, und bestimmt weiterhin, dass sich die Arbeitgeberin an den Kosten der Dienst-kleidung durch Zuschüsse zu beteiligen hat. Im Rahmen dieser Vorgaben haben die Betriebsparteien und damit auch die Einigungsstelle einen weiten Gestaltungsspielraum. b) Gegenstand der Mitbestimmung nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG ist das betriebliche Zusammenleben und Zusammenwirken der Arbeitnehmer. Es beruht darauf, dass die Arbeitnehmer ihre vertraglich geschuldete Leistung innerhalb einer vom Arbeitgeber vorgegebenen Arbeitsorganisation erbringen und dabei dessen Weisungsrecht unterliegen. Das berechtigt den Arbeitgeber dazu, Regelungen vorzugeben, die das Verhalten der Belegschaft im Betrieb beeinflussen und koordinieren sollen. Bei solchen Maßnahmen hat der Be-triebsrat mitzubestimmen. Das soll gewährleisten, dass die Arbeitnehmer gleichberechtigt an der Gestaltung des betrieblichen Zusammenlebens teilha-ben (BAG 21. Juli 2009 - 1 ABR 42/08 - Rn. 23, BAGE 131, 225). Zur Gestal-tung der Ordnung des Betriebs gehört auch die Anordnung des Tragens einer einheitlichen Arbeitskleidung, die dazu dient, das äußere Erscheinungsbild des Unternehmens zu fördern. Mitbestimmungsfrei sind dagegen Anordnungen, die das sog. Arbeitsverhalten betreffen und mit denen die Arbeitspflicht unmittelbar konkretisiert und abgefordert wird. Wirkt sich eine Maßnahme zugleich auf das Ordnungs- und das Arbeitsverhalten aus, kommt es darauf an, welcher Rege-lungszweck überwiegt (BAG 13. Februar 2007 - 1 ABR 18/06 - Rn. 9, BAGE 121, 147). Ob das mitbestimmungsfreie Arbeitsverhalten betroffen ist, beurteilt sich nicht nach den subjektiven Vorstellungen, die den Arbeitgeber zu 21 22 - 7 - 1 ABR 45/10 - 8 - einer Maßnahme bewogen haben. Entscheidend ist der jeweilige objektive Regelungszweck. Dieser bestimmt sich nach dem Inhalt der Maßnahme sowie nach der Art des zu beeinflussenden betrieblichen Geschehens (BAG 11. Juni 2002 - 1 ABR 46/01 - zu B I der Gründe, BAGE 101, 285). c) Nach diesen Grundsätzen unterliegt die Ausgestaltung der bei der Arbeitgeberin bestehenden Dienstkleidungspflicht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG der Mitbestimmung des Gesamtbetriebsrats. Hierdurch ist das Ord-nungs- und nicht das Arbeitsverhalten der Arbeitnehmer berührt. Die Dienst-kleidung dient dazu, Mitarbeiter der Arbeitgeberin gegenüber Fluggästen kenntlich zu machen. Durch die einheitliche Kleidung sollen diese deren Bo-denpersonal auf allen von der Arbeitgeberin angeflogenen Flughäfen in Deutschland schnell erkennen und vom Personal anderer Fluglinien unter-scheiden können. Das Tragen von Dienstkleidung ist jedoch nicht notwendige Voraussetzung für die Erbringung der geschuldeten Arbeitsleistung des Boden-personals. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt das vom MTV vorausgesetzte dienstliche Interesse der Arbeitgeberin am Tragen von Dienst-kleidung nicht dazu, eine darauf gerichtete Pflicht der Arbeitnehmer dem Arbeitsverhalten zuzuordnen. Vielmehr bringt die Tarifvorschrift nur zum Aus-druck, dass der Arbeitgeber für das „Ob“ einer Bekleidungsvorschrift sachlicher Gründe bedarf. Diese können sowohl das Arbeitsverhalten als auch das Ord-nungsverhalten betreffen. Zum jeweiligen Regelungszweck, der mit dem Tragen einer einheitlichen Arbeitskleidung verfolgt werden soll und der für das Be-stehen eines Mitbestimmungsrechts ausschlaggebend ist, trifft die Tarifvor-schrift keine Aussage. 3. Der Einigungsstellenspruch vom 23. September 2008 ist unwirksam, weil die Einigungsstelle darin ihrem Regelungsauftrag nicht vollständig nachge-kommen ist, sondern einer einseitigen Festlegung durch den Arbeitgeber überantwortet hat. a) Aufgabe der Einigungsstelle ist es, durch ihren Spruch die Belange des Betriebs und der betroffenen Arbeitnehmer angemessen zu berücksichtigen und zu einem billigen Ausgleich zu bringen (§ 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG). Dabei 23 24 25 - 8 - 1 ABR 45/10 - 9 - ist der Zweck des jeweiligen Mitbestimmungsrechts zu beachten. Die getroffene Regelung muss auch denjenigen Interessen Rechnung tragen, um deren Willen dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht zusteht. Dem wird ein Spruch der Einigungsstelle, der nicht selbst eine Regelung der mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten trifft, sondern die der Einigungsstelle zustehenden Rege-lungsbefugnis auf den Arbeitgeber überträgt, nicht gerecht (BAG 8. Juni 2004 - 1 ABR 4/03 - zu B III 4 a der Gründe, BAGE 111, 48). b) Hiernach hat die Einigungsstelle zu Unrecht von der Regelung des persönlichen Geltungsbereichs der beschlossenen Betriebsvereinbarung abge-sehen. Soweit unter I § 1 des Spruchs bestimmt ist, die Betriebsvereinbarung gelte für alle dienstkleidungspflichtigen Mitarbeiter des Bodenpersonals der D, ist dies keine ausreichende Konkretisierung des Geltungsbereichs. Hierdurch wird dem Arbeitgeber vielmehr das Recht übertragen, durch einseitige Anord-nung den Kreis der dienstkleidungspflichtigen Arbeitnehmer und damit den persönlichen Geltungsbereich der Betriebsvereinbarung festzulegen. Die nähere Bestimmung des persönlichen Geltungsbereichs war auch nicht deshalb entbehrlich, weil es sich nicht um eine Regelungs-, sondern auch um eine Rechtsfrage handelt. Die Einigungsstelle hat im Rahmen des vorgegebenen Zwecks der Dienstkleidung einen Ermessensspielraum bei der Bestimmung des Personenkreises, der diese zu tragen hat. Dabei hat sie in den Blick zu neh-men, dass das Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auch dazu dient, bei einseitigen Maßnahmen des Arbeitgebers die Persönlichkeitsrechte der Arbeitnehmer zu schützen (Fitting BetrVG 25. Aufl. § 87 Rn. 63). Die Eini-gungsstelle hätte deshalb prüfen müssen, inwieweit der Zweck der einheitlichen Dienstkleidung die mit dem Tragen der Dienstkleidung verbundenen Einschrän-kungen der Persönlichkeitsrechte der betroffenen Arbeitnehmer rechtfertigt und hiernach den persönlichen Geltungsbereich des Einigungsstellenspruchs fest-legen müssen. Entgegen der Auffassung der Arbeitgeberin geht es dabei nicht um die Begründung eines Initiativrechts des Gesamtbetriebsrats zur Einführung von Dienstkleidung. Das Verfahren vor der Einigungsstelle betraf nicht das „Ob“ des Tragens von Dienstkleidung, sondern allein die Ausgestaltung des darauf bezogenen Ordnungsverhaltens. 26 - 9 - 1 ABR 45/10 - 10 - 4. Der Spruch der Einigungsstelle ist auch deswegen unwirksam, weil er keine Regelungen über Umkleidemöglichkeiten für das dienstkleidungspflichtige Bodenpersonal enthält. a) Für eine Regelung der Umkleidemöglichkeiten im Zusammenhang mit der Ausgestaltung der unternehmenseinheitlichen Dienstkleidungspflicht war der Gesamtbetriebsrat nach § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig. Hierbei handelt es sich um einen notwendigen Teilaspekt des zur Dienstkleidung für das Boden-personal der Arbeitgeberin beschlossenen Regelwerks. Fällt eine mitbestim-mungspflichtige Angelegenheit in die Zuständigkeit des Gesamtbetriebsrats, ist diese gemeinsam mit dem Arbeitgeber und im Konfliktfall von der Einigungsstel-le zu regeln. Deshalb ist innerhalb eines Mitbestimmungstatbestands eine Aufspaltung der Zuständigkeiten auf unterschiedliche Betriebsverfassungsorga-ne ausgeschlossen (BAG 14. November 2006 - 1 ABR 4/06 - Rn. 35, BAGE 120, 146). b) Die unterbliebene Regelung der Umkleidemöglichkeiten ist ermessens-fehlerhaft iSd. § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG. Die Beschäftigten können nicht darauf verwiesen werden, sich ggf. auf den Toiletten umzukleiden oder die Dienstkleidung zu Hause an- und auszuziehen. aa) Nach I § 2 Abs. 2 des Einigungsstellenspruchs ist die private Nutzung der Dienstkleidung nicht gestattet. Damit ist nach dem klaren Wortlaut der Betriebsvereinbarung ausgeschlossen, dass die Mitarbeiter die Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit tragen und sich zu Hause umkleiden. Diese Wegezeiten sind nicht Arbeitszeiten, sie gehören vielmehr zum außerdienstli-chen Bereich privater Lebensführung. Schon aus diesem Grund hätte die Einigungsstelle eine Regelung zu Umkleidemöglichkeiten treffen müssen. Soweit die Arbeitgeberin geltend macht, die Beschäftigten könnten sich in den vorhandenen Toilettenräumen umkleiden, stellt dies offenkundig keine ange-messene Umkleidemöglichkeit dar. Mitarbeitertoiletten dienen anderen Zwe-cken und sind im Hinblick auf die hygienischen Zustände und die räumliche Enge keine geeigneten Umkleideräume. 27 28 29 30 - 10 - 1 ABR 45/10 - 11 - bb) Die Ermessensfehlerhaftigkeit des Einigungsstellenspruchs wird nicht dadurch beseitigt, dass die Arbeitgeberin - einseitig - dem Bodenpersonal gestattet, die Dienstkleidung auf dem direkten Weg von und zur Arbeit zu tragen. Soweit sie damit den dienstkleidungspflichtigen Mitarbeitern die Gele-genheit bietet, sich nicht in den Toilettenräumen im Betrieb umziehen zu müs-sen, eröffnet sie den Beschäftigten zwar eine Alternative zu den unzureichen-den betrieblichen Umkleidebedingungen. Diese stellt jedoch keinen angemes-senen Ersatz für die erforderlichen betrieblichen Umkleidemöglichkeiten dar, weil hierdurch die dienstkleidungspflichtigen Arbeitnehmer in der privaten Lebensführung unangemessen eingeschränkt werden. Wollen sie sich nicht in Toilettenräumen umziehen, müssen sie den direkten Weg von und zur Arbeit nehmen und sich zu Hause umkleiden. Erst danach haben sie die Möglichkeit, ohne Dienstkleidung ihrer privaten Lebensführung nachzugehen. Hinzu kommt, dass die im Einigungsstellenspruch geregelte Dienstklei-dung aufgrund ihrer Farbgebung und ihres Zuschnitts besonders auffällig ist. Sie dient dazu, Fluggästen die schnelle und sichere Identifizierung der Mitarbei-ter als Bodenpersonal der Arbeitgeberin zu ermöglichen. Ein Beschäftigter, der diese Dienstkleidung auf dem Weg von und zur Arbeit trägt, ist im öffentlichen Raum ohne Weiteres als Mitarbeiter der Arbeitgeberin erkennbar. An einer derartigen Offenlegung ihres Arbeitgebers gegenüber Dritten sowie einer Verbreitung des Bekanntheitsgrades des Unternehmens besteht kein objektiv feststellbares eigenes Interesse der Arbeitnehmer. Das Tragen der Dienstklei-dung auf dem Weg von und zur Arbeit, zu dem weder die Betriebsparteien noch eine Einigungsstelle die Arbeitnehmer wegen des damit verbundenen Eingriffs in die private Lebensführung verpflichten könnten, dient allein dem Interesse der Arbeitgeberin (vgl. BAG 10. November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 20, AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 125 = EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 14). Der Einigungsstellenspruch entspricht daher im Hinblick auf die unter-bliebene Regelung von Umkleidemöglichkeiten nicht billigem Ermessen iSd. § 76 Abs. 5 Satz 3 BetrVG, weil er einseitig das Interesse der Arbeitgeberin an einer kostengünstigen Regelung berücksichtigt und die berechtigten Interessen der Beschäftigten an einer freien Gestaltung der Freizeit außer Acht lässt. 31 32 - 11 - 1 ABR 45/10 5. Die unterbliebene Regelung des persönlichen Geltungsbereichs sowie der Umkleidemöglichkeiten führt zur Unwirksamkeit des gesamten Einigungs-stellenspruchs. Nach der Rechtsprechung des Senats bleibt bei Teilnichtigkeit einer Betriebsvereinbarung der übrige Teil nur dann wirksam, wenn er noch eine sinnvolle und in sich geschlossene Regelung enthält (BAG 9. November 2010 - 1 ABR 75/09 - Rn. 51, EzA BetrVG 2001 § 87 Arbeitszeit Nr. 15). Diese Anforderungen sind hier nicht erfüllt. Die normative Wirkung der von der Eini-gungsstelle beschlossenen Dienstkleidungsvorschriften erfordert notwendig die Festlegung des Kreises der Normadressaten. Es muss klar sein, für wen die Betriebsvereinbarung gilt. Die Bestimmung ihres Geltungsbereichs darf der Arbeitgeberin nicht einseitig übertragen werden. Die Arbeitnehmer können auch nicht zum Tragen der Dienstkleidung verpflichtet werden, ohne dass die Eini-gungsstelle zugleich über angemessene Umkleidemöglichkeiten entscheidet. IV. Der Antrag zu 2) ist begründet. Der Gesamtbetriebsrat hat - wie oben ausgeführt - bei der Festlegung und/oder Änderung des dienstkleidungspflichti-gen Kreises des Bodenpersonals nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG mitzubestim-men. Schmidt Koch Linck Federlin Olaf Kunz 33 34

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