1. Senat - Mitbestimmung bei der Arbeitszeit - Kappung von Arbeitszeiten - Auslegung einer Betriebsvereinbarung
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Mitbestimmung bei der Arbeitszeit - Kappung von Arbeitszeiten - Auslegung einer Betriebsvereinbarung
Bundesarbeitsgericht 1 . Senat Beschluss vom 10. Dezember 2013 - 1 ABR 40/12 - I. Arbeitsgericht München Beschluss vom 8. November 2011 - 25 BV 182/11 - II. Landesarbeitsgericht München Beschluss vom 27. März 2012 - 6 TaBV 101/11 - F ür die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichwort e : Mitbestimmung bei der Arbeitszeit - Kappung von Arbeitszeiten - Aus - legung einer Betriebsvereinbarung Gesetz e : BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3; ArbGG § 83 Abs. 3; ZPO § 256 Leitsätze: keine - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 ABR 40/12 6 TaBV 101/11 Landesarbeitsgericht München Im Namen des Volkes! Verkündet am 10. Dezember 2013 BESCHLUSS Radtke, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle In dem Beschlussverfahren mit den Beteiligten 1. Antragsteller, Beschwerdeführer und Rechtsbeschwerdeführer, 2. 3. 4. hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der Anhörung vom 10. Dezember 2013 durch die Präsidentin des Bundesarbeitsgerichts Schmidt, - 2 - 1 ABR 40/12 - 3 - die Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck und Prof. Dr. Koch sowie den ehrenamtlichen Richter Schäferkord und die ehrenamtliche Richterin Schwitzer für Recht erkannt: Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den B e- schluss des Landesarbeitsgerichts München vom 27. März 2012 - 6 TaBV 101/11 - wird zurückgewiesen. Von Rechts wegen! Gründe A. Die Beteiligten streiten über die Wirksamkeit einer betrieblichen A r- beitszeitregelung. Die zu 2. beteiligte Arbeitgeberin betreibt ein Unternehmen im Bereich der Entwicklung und Herstellung von Luft - und Raumfahrttechnik. Sie ist Mi t- glied im Verband der Bayerischen Metall - und Elektroindustrie. Antragsteller ist der Betriebsrat eines von der beteiligten Arbeitge berin und den weiteren Bete i- ligten geführten Gemeinschaftsbetriebs in O . Nach § 2 Nr. 1 (I) des Manteltarifvertrags für die Arbeitnehmer der ba y- erischen Metall - und Elektroindustrie (MTV) beträgt die wöchentliche Arbeitszeit der Arbeitnehmer grundsätzlich 35 Stunden. Gemäß § 4 Nr. 1 (I) MTV gilt als Mehrarbeit auch die über zehn Stunden täglich hinaus geleistete Arbeitszeit. Mehrarbeit ist nach § 4 Nr. 1 (III) MTV zu vergüten, soweit sie a ngeordnet oder vom Arbeitgeber gebilligt wurde. Am 13. Mai 2009 schloss die Arbeitgeberin gemeinsam mit den weit e- ren Beteiligten und dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung zur Arbeitszeit (BV - Arbeitszeit) . Nach Nr. 2.2 BV - Arbeitszeit können die Arbeit nehmer Beginn und Ende der Arbeitszeit von Montag bis Freitag innerhalb eines Arbeitszei t- rahmens von jeweils 6:30 Uhr bis 21:00 Uhr selbst bestimmen. Die werktägliche Arbeitszeit von zehn Stunden darf nach Nr. 2.3 BV - Arbeitszeit grundsätzlich 1 2 3 4 - 3 - 1 ABR 40/12 - 4 - nicht übersch ritten werden. Die Arbeitszeiten der Arbeitnehmer werden auf Gleitzeitkonten erfasst. Dazu ist in Nr. 2.4.1 BV - Arbeitszeit bestimmt: Bei Über - oder Unterschreitung der regelmäßigen A r- beitszeit pro Monat wird die Differenz auf die Folgemonate übertragen. D er Gleitzeitrahmen beträgt bis zu +/ - 150 Stunden. Trifft der Vorgesetzte keine Anordnung nach 2.4.3 , Satz 2, so werden für AT - Mitarbeiter auch Zeitgu t- haben über + 150 Stunden dem Gleitzeitkonto gutg e- schrieben, für tarifliche Mitarbeiter, werden die über 1 50 Stunden hinausgehenden Stunden entspr. Ziff. 4 dem Freizeitkonto zugeführt. Verbleibt bei AT - Mitarbeitern am 31.12. ein positiver Saldo von mehr als 300 Stunden, so verfällt dieser. Wiedereinsetzen verfallener Gleitzeit ist ausgeschlossen. Der Betriebsr at wird über die verfallene Für den Ausgleich des Gleitzeitkontos ist nach Nr. 2.4.2 BV - Arbeitszeit jeder Arbeitnehmer selbst verantwortlich. Weiter ist hierzu in Nr. 2.4.3 BV - Arbeitszeit Folgendes geregelt: eitzeitkontos zum Monatsende ab +/ - 80 Stunden sollen Führungskraft und Mitarbeiter Ma ß- nahmen vereinbaren, die die Einhaltung der Grenzen von +/ - 150 Stunden sicherstellen, wobei Zeit nur durch Zeit ausgeglichen werden kann. Zur Sicherstellung der Glei t- zei tgrenzen von - /+ 150 Stunden kann die Führungskraft bei einem Gleitzeitstand von - /+ 100 Stunden Arbeitszeit bei negativem Guthaben oder die Entnahme von Gleitzeit Für Mitarbeiter mit tariflichem Arbeitsvertrag wird nach Nr. 4.1 BV - Arbeitszeit zusätzlich zum Gleitzeitkonto ein persönliches Freizeitkonto geführt, auf dem genehmigte und geleistete Mehrarbeitsstunden gutgeschrieben we r- den. Am 13. Oktober 2009 unterzeichneten der Betriebsrat und die Persona l- leitung des Geme inschaftsbetriebes eine Protokollnotiz zu Nr. 2.3 BV - Arbeitszeit (PN) . Darin ist vereinbart: e- setz 10 Stunden nicht überschreiten. Darüber hinaus g e- leistete Zeiten, sowie Zeiten außerhalb der Rahmena r- beitszeit sind im Zeiterfassungssystem zu protokollieren, 5 6 7 - 4 - 1 ABR 40/12 - 5 - werden aber dort systemseitig gekappt. In Fällen, die als Ausnahmen/Notfälle im Sinne des Gesetzes zu betrachten sind, kann der Mitarbeiter mit schriftlicher Zustimmung seiner Führungskraft sowie Personalbereich und Betrieb s- rat diese Zeiten seinem Gleitzeitkonto gutschreiben la s- sen. Dieses Verfahren gewährleistet einerseits die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes und stellt andererseits sicher, dass dem Mitarbeiter in den o.g. Ausnahmen/Notf ällen keine Nachteile entstehen. Die Beteiligung des Betriebsr a- In der Zeit vom 1. Januar 2010 bis zum 7. Dezember 2010 wurden auf der Grundlage der PN insgesamt 2.747,51 Arbeitsstunden systemseitig g e- kappt. Der Betriebsrat kündigte mit Schreiben vom 1. Februar 2011 die Prot o- kollnotiz sowie in Nr. 2.4.1 BV - Arbeitszeit die Sätze 4 ff. Er hat geltend g e- macht, die Kappungsregelungen seien unwirksam. Hierdurch werde unzulässig in vergütungsrechtlich geschützte P ositionen der betroffenen Arbeitnehmer ei n- gegriffen. Der Betriebsrat hat beantragt 1. festzustellen, dass die Regelung von Satz 2 in der Protokollnotiz vom 13. Oktober 2009 zu Ziff. 2.3 der zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin abge schlossenen Betriebsvereinbarung zur Arbeit s- zeit vom 13. Mai 2009 mit folgendem Inhalt außerhalb der Rahmenarbeitszeit sind im Zei t- erfassungssystem zu protokollieren, werden aber dort systemseitig gekappt . unwirksam ist; hilfsweise festzustellen, dass diese Regelung für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, auf die der Manteltarifvertrag für die Arbeitnehmer der Bayerischen Metall - und Elektroindustrie zur Anwendung kommt, unwirksam ist; 8 9 10 - 5 - 1 ABR 40/12 - 6 - hilfsweise festzustellen, dass diese Regelung durch die Künd i- gung des Antragstellers vom 1. Februar 2011 ohne Nachwirkung beendet worden ist; 2. festzustellen, dass die Regelung der Ziff. 2.4.1 Sä t- ze 4, 5 und 6 der zwischen dem Betriebsrat und den wei teren Beteiligten abgeschlossenen Betriebsve r- einbarung zur Arbeitszeit vom 13. Mai 2009 mit fo l- gendem Inhalt - Mitarbeitern ein positiver Sa l- do von mehr als 300 Stunden, so verfällt dieser. Wiedereinsetzen verfallener Gleitzeit ist ausg e- schlossen. Der Betriebsrat wird über die verfa l- unwirksam ist; hilfsweise festzustellen, dass diese Regelung durch die Künd i- gung des Antragstellers vom 1. Februar 2011 ohne Nachwirkung beendet worden ist. Die beteiligten Arbeitgeberinnen haben Antragsabweisung beantragt. Das Arbeitsgericht hat die Anträge des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrats zurückgewiesen. Mit seiner Rechtsbeschwerde verfolgt dieser se ine Anträge weiter. B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist unbegründet. Der Betrieb s- rat hat keinen Anspruch auf die begehrten Feststellungen. I. Das Landesarbeitsgericht hat es rechtsfehlerhaft unterlassen, neben der zu 2. beteiligten Arbeitgeberin die weiteren am Gemeinschaftsbetrieb bete i- ligten Arbeitgeberinnen E R E GmbH und E I R M GmbH, die ebe n so wie die Beteiligte zu 2. auf Arbeitgeberseite die BV - Arbeitszeit abg e schlo s sen haben, anzuhören. 1. Nach § 83 Abs. 3 ArbGG sind in einem Beschlussverfahren neben dem Antragsteller diejenigen Stellen anzuhören, die durch die begehrte Entsche i- dung in ihrer betriebsverfassungsrechtlichen Stellung unmittelbar betroffen sind . Di e ordnungsgemäße Anhörung der Verfahrensbeteiligten ist von Amts wegen 11 12 13 14 15 - 6 - 1 ABR 40/12 - 7 - noch in der Rechtsbeschwerdeinstanz zu prüfen (BAG 9. Juli 2013 - 1 ABR 17/12 - Rn. 11) . 2. Die vom Betriebsrat begehrte Entscheidung betrifft auch die weiteren Beteiligten in ihrer b etriebsverfassungsrechtlichen Stellung. Sind die Anträge des Betriebsrats begründet, stünde zugleich fest, dass auch die Gleitzeitkonten der unter den Geltungsbereich der BV - Arbeitszeit fallenden Arbeitnehmer der E R E GmbH und E I R M GmbH nicht nach Ma ß gabe der ang e gri f fenen Reg e- lungen der BV - Arbeitszeit und der Pr o tokol l notiz g e kappt werden dürften. Die Einbeziehung dieser Arbeitgeber in das Ve r fahren ist daher geb o ten. Einer Z u- rückverweisung der Sache an das La n desa r bei tsg e richt bedarf es indes nicht. Der Senat hat die unterbliebene Beteil i gung nachg e holt und den betroffenen Arbeitgeberinnen Gelegenheit gegeben, sich zu ä u ßern ( vgl. BAG 25. September 2012 - 1 ABR 45/11 - Rn. 18) . II. Die Anträge des Betriebsrats sind un begründet. Die angegriffenen Vo r- schriften der BV - Arbeitszeit und der Protokollnotiz sind wirksam. Sie regeln die Arbeitszeit iSd. § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG und nicht deren Vergütung. 1. Der Hauptantrag zu 1. ist in der gebotenen Auslegung zulässig. a) Nac h seinem Wortlaut begehrt der Betriebsrat die Feststellung der U n- wirksamkeit der Regelung in Satz 2 PN, wonach unter den dort beschriebenen Voraussetzungen Arbeitsstunden zwar im Zeiterfassungssystem protokolliert, aber systemseitig gekappt werden. Ein sol cher Entscheidungsausspruch würde dem Antragsbegehren des Betriebsrats jedoch nicht gerecht. Dieser wendet sich nach seinem gesamten Vorbringen nicht gegen die Protokollierung dieser Arbeitszeiten im Zeiterfassungssystem, sondern allein gegen deren Kappung . Ein am Wortlaut haftendes Antragsverständnis ließe des Weiteren unberüc k- sichtigt, dass in Not - und Ausnahmefälle n geleistete Arbeitszeiten nach Satz 3 PN von der Kappungsregelung ausgenommen sind. Nach der Antragsbegrü n- dung geht es dem Betriebsrat mit de m Hauptantrag zu 1. jedoch um die Fes t- stellung, dass auch die zehn Stunden werktäglich übersteigende Arbeitszeit sowie die Arbeitszeit außerhalb der Rahmenarbeitszeit auf den Gleitzeitkonten 16 17 18 19 - 7 - 1 ABR 40/12 - 8 - der unter den Geltungsbereich der BV - Arbeitszeit fallenden Arbeit nehmer u n- abhängig davon gutzuschreiben und zu vergüten ist, ob ein Not - oder Ausna h- metatbestand iSv. Satz 3 PN vorliegt. Für ein solches Antragsverständnis spricht auch, dass Anlass des Rechtss treits die von der Beteiligten zu 2. nach Satz 2 PN vorgenommene Kappung von insgesamt 2.747,51 in der Zeit vom 1. Januar 2010 bis 7. Dezember 2010 geleisteten Arbeitsstunden war. Dies hält der Betriebsrat wegen des wirtschaftlichen Werts der in dieser Zeit gele isteten Arbeit für unwirksam. b) Der so ausgelegte Antrag des Betriebsrats ist gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Er ist auf die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses der Beteiligten gerichtet. Es geht um die Feststellung, d ass die Regelung in Satz 2 PN unwirksam ist und die Arbeitgeberinnen deshalb nicht zur Kappung von Arbeitsstunden berechtigt sind. Für diesen Antrag besitzt der Betriebsrat das erforderliche rechtliche Interesse an alsbaldiger Festste l- lung. Diese ist geeig net, einen betriebsverfassungsrechtlichen Konflikt der B e- teiligten endgültig beizulegen und weitere Verfahren zwischen ihnen zu verme i- den. Es ist nicht ersichtlich, dass die Arbeitgeberinnen einem gegen sie erg e- henden Feststellungsausspruch nicht nachkomme n werden (vgl. auch BAG 14. Mai 2013 - 1 AZR 44/12 - Rn. 13) . 2. Der Hauptantrag zu 1. ist unbegründet. Nr. 2.3 BV - Arbeitszeit regelt die Arbeitszeit im betriebsverfassungsrechtlichen Sinn und nicht die vergütung s- pflichtige Arbeitszeit. Für die hierauf be zogene PN gilt nichts anderes. Die Ka p- pung von Arbeitsstunden führt dazu, dass die hiervon erfasste Arbeitszeit nicht als nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 iVm. Nr. 3 BetrVG zu verteilende Arbeitszeit beha n- delt wird. Damit haben die Betriebsparteien berücksichtigt, d ass sie die Lage der Arbeitszeit nur innerhalb der gesetzlichen und tarifvertraglichen Grenzen festlegen können. Durch die Kappung wird jedoch nicht in vergütungsrechtlich geschützte Positionen der betroffenen Arbeitnehmer eingegriffen. a) Die Protokolln otiz ist eine eigenständige normative Regelung iSv. § 77 Abs. 2 BetrVG. Sie ist schriftlich niedergelegt, von den Betriebsparteien unte r- schrieben und enthält nicht lediglich Hinweise auf deren Motive bei Abschluss 20 21 22 - 8 - 1 ABR 40/12 - 9 - der BV - Arbeitszeit. Die Betriebsparteien h aben hierin für den Fall des Übe r- schreitens der täglichen Höchstarbeitszeit als Rechtsfolge die Kappung dieser Arbeitszeit vorgesehen. Der Inhalt der PN geht insofern über den Regelung s- gehalt von Nr. 2.3 BV - Arbeitszeit hinaus, der sich zusammenfassend in d er d e- klaratorischen Wiedergabe der aus § 3 ArbZG folgenden zulässigen täglichen Höchstarbeitszeit erschöpft. Dieses Verständnis der PN entspricht auch dem der Beteiligten. b) Wortlaut, Systematik und Zweck der BV - Arbeitszeit sowie der Prot o- kollnotiz mache n deutlich, dass die Betriebsparteien mit Satz 2 PN eine A r- beitszeitregelung nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG getroffen haben. Die Pflicht zur Vergütung geleisteter Arbeit bleibt hiervon unberührt. aa) In Nr. 2.2 BV - Arbeitszeit haben die Betriebsparteien de n zeitlichen Rahmen der Arbeitszeit festgelegt. Danach ist für die Wochentage Montag bis Freitag der frühestmögliche Arbeitsbeginn 6:30 Uhr und das spätmöglichste Arbeitsende 21:00 Uhr. Innerhalb dieser Zeitspanne können die Arbeitnehmer nach Nr. 2.1 BV - Ar beitszeit Beginn und Ende der Arbeitszeit selbst bestimmen sowie Gleitzeit in Anspruch nehmen. Nach Nr. 2.3 BV - Arbeitszeit darf die wer k- tägliche Arbeitszeit allerdings zehn Stunden nicht überschreiten. Auf diese R e- gelung nimmt Satz 2 PN Bezug und sieht erg änzend vor, dass darüber hinaus geleistete Arbeitszeiten zwar zu protokollieren sind, jedoch systemseitig g e- kappt und damit nicht dem Gleitzeitkonto zugeführt werden. Hiermit haben die Betriebsparteien erkennbar ein Arbeitszeitregime schaffen wollen, das d en A r- beitnehmern ein hohes Maß an Zeitsouveränität gewährt und zugleich siche r- stellt, dass die gesetzlichen Höchstgrenzen des Arbeitszeitrechts beachtet we r- den. Das entspricht dem Regelungsauftrag des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG. Di e- ses Mitbestimmungsrecht be zweckt, die Interessen der Arbeitnehmer an der Lage ihrer Arbeitszeit und damit zugleich ihrer freien und für die Gestaltung i h- res Privatlebens nutzbaren Zeit zur Geltung zu bringen (BAG 10 . November 2009 - 1 ABR 54/08 - Rn. 14) . Da die Betriebsparteien da bei die gesetzlichen Höchstgrenzen der Arbeitszeit beachten müssen (Fitting 26. Aufl. § 87 Rn. 98) , haben sie bestimmt, dass die über zehn Stunden hinaus geleistete werktägliche 23 24 - 9 - 1 ABR 40/12 - 10 - Arbeitszeit gekappt und grundsätzlich nicht als nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG zu verteilende Arbeitszeit behandelt wird. Dass sie mit Nr. 2.4 BV - Arbeitszeit und Satz 2 PN die arbeitszeitrechtlichen Höchstgrenzen nur unvollständig in den Blick genommen haben, weil diese Bestimmungen die Ausgleichszeiträume des § 3 Satz 2 ArbZG unberü cksichtigt lassen, ist für diesen Rechtsstreit une r- heblich. bb) Der Annahme des Betriebsrats, die Kappungsregelung in Satz 2 PN betreffe vergütungspflichtige Arbeitszeit, steht entgegen, dass hiermit den B e- triebsparteien eine gesetzwidrige Regelungsabsicht unterstellt wird, da eine derartige Regelung für die in den Geltungsbereich des Tarifvertrags fallenden Arbeitnehmer bereits nach § 87 Abs. 1 Eingangshalbs . BetrVG unwirksam w ä- re. Der in dem Betrieb anwendbare Manteltarifvertrag sieht in § 4 Nr. 1 MTV vor, dass als vergütungspflichtige Mehrarbeit auch die arbeitgeberseitig ang e- ordnete oder gebilligte Arbeitszeit gilt, die über zehn Stunden täglich hinaus geleistet wird. Damit haben die Tarifvertragsparteien die vergütungsrechtliche Behandlu ng von außerhalb der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes geleisteter Arbeit abschließend tariflich geregelt. Ein durch die Betriebsparteien auszufü l- lender Gestaltungsspielraum verbleibt in vergütungsrechtlicher Hinsicht nicht. Aus Wortlaut, Systematik und Zwe ck der Protokollnotiz ergeben sich keine A n- haltspunkte dafür, dass die Betriebsparteien diesen Tarifvorbehalt bewusst missachten wollten. Es ist darüber hinaus auch nicht ersichtlich, dass die B e- triebsparteien für die AT - Mitarbeiter eine abweichende Regelu ng treffen wollten, da Satz 2 PN nicht zwischen tariflichen und AT - Mitarbeitern unterscheidet. Eine gesetzeskonforme Auslegung der BV - Arbeitszeit und der Protokollnotiz spricht daher gegen die Auffassung, die Kappung von Arbeitsstunden beseitige Verg ü- tungs ansprüche der Arbeitnehmer. cc) Auch bei einem arbeitszeitrechtlichen Verständnis von Satz 2 PN bleibt diese Bestimmung für Individualansprüche der Arbeitnehmer bedeutsam. Hie r- nach werden die Arbeitszeiten, die innerhalb der vorgesehen en Rahmena r- beitszei t bis zu zehn Stunden werktäglich erbracht werden, durch Gutschrift auf dem Gleitzeitkonto vom Arbeitgeber im Verhältnis zum Arbeitnehmer streitlos 25 26 - 10 - 1 ABR 40/12 - 11 - gestellt (vgl. hierzu BAG 28. Juli 2010 - 5 AZR 521/09 - Rn. 19 , BAGE 135, 197) . Nur wenn ein Arbeitnehmer länger als zehn Stunden werktäglich arbeitet, haben sich die Arbeitgeberinnen ein besonderes Prüfungsrecht vorbehalten. Solche Zeiten werden nach Satz 2 PN im Zeiterfassungssystem protokolliert und nach Satz 3 PN nur in Ausnahme - und Notfällen mit Zustimmu ng von A r- beitgeber und Betriebsrat dem Gleitzeitkonto gutgeschrieben. 3. Der vom Betriebsrat in der Rechtsbeschwerdeinstanz im Wege der A n- tragserweiterung eingeführte weitere Hilfsantrag fällt dem Senat nicht zur En t- scheidung an. Er ist erkennbar nur für den Fall gestellt, dass der Hauptantrag zu 1. als Globalantrag allein deswegen keinen Erfolg hat, weil die Kappungsr e- gelung in Satz 2 PN nur insoweit rechtsunwirksam ist, als tarifliche Arbeitne h- mer hiervon betroffen sind. 4. Der Hilfsantrag zu 2. ist zu lässig, aber unbegründet. a) Der Antrag ist zulässig. In zeitlicher Hinsicht ist er einschränkend d a- hingehend auszulegen, dass die begehrte Feststellung den Zeitraum ab dem 2. Juni 2011 betrifft. Nachdem die Beteiligten nichts anderes vereinbart haben, h at die Kündigung der Protokollnotiz vom 1. Februar 2011 unter Berücksicht i- gung der dreimonatigen Frist des § 77 Abs. 5 BetrVG erst mit Ablauf des 1. Juni 2011 Wirkung entfaltet. b) Der Antrag ist unbegründet. Dabei kann dahinstehen, ob Satz 2 PN überhaupt isoliert kündbar war (vgl. hierzu BAG 6. November 2007 - 1 AZR 826/06 - Rn. 26 ff. , BAGE 124, 314) . Auch wenn man dies unterstellt, wirkt di e- se Bestimmung gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Hiernach gelten in Angel e- genheiten, in denen ein Spruch der Einigungs stelle die Einigung zwischen A r- beitgeber und Betriebsrat ersetzen kann, die Regelungen einer Betriebsverei n- barung weiter, bis sie durch eine andere Abmachung ersetzt werden. Die Reg e- lung in Satz 2 PN ist eine solche Angelegenheit . Sie steht im unmittelbare n Sachzusammenhang mit der BV - Arbeitszeit und bestimmt das Arbeitszeitende bei der Inanspruchnahme von Gleitzeit. Dies unterliegt nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG der Mitbestimmung des Betriebsrats (vgl. Fitting § 87 Rn. 115) . Die 27 28 29 30 - 11 - 1 ABR 40/12 - 12 - Nachwirkung ist nach den Fes tstellungen des Landesarbeitsgerichts nicht durch den Abschluss einer anderen Abmachung entfallen. 5. Der Hauptantrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet. a) Der Antrag ist als Feststellungsantrag nach § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. In der gebotenen Ausleg ung ist er darauf gerichtet, festzustellen, dass die Gleitzeitkonten der außertariflich vergüteten Arbeitnehmer nicht nach Nr. 2.4.1 Satz 4 BV - Arbeitszeit zum 31. Dezember eines Kalenderjahres bei 300 Plu s- stunden gekappt, sondern ohne Obergrenze fortgeschr ieben werden. Mit di e- sem Verständnis ist der Antrag gemäß § 256 Abs. 1 ZPO zulässig. Er ist auf die Feststellung eines betriebsverfassungsrechtlichen Rechtsverhältnisses der B e- teiligten gerichtet. Es geht um die Feststellung, dass die BV - Arbeitszeit den b e- haupteten Inhalt hat. Hierfür besteht das erforderliche rechtliche Interesse des Betriebsrats, da dieser zwischen den Beteiligten streitig ist . b) Der Antrag ist unbegründet. aa) Nr. 2.4.1 Satz 4 BV - Arbeitszeit greift ebenso wenig wie die weiteren Regelu ngstatbestände in dieser Bestimmung in vergütungsrechtlich geschützte Positionen der von der Kappung betroffenen AT - Mitarbeiter ein. Die Norm dient zu begrenzen. bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde verstößt Nr. 2.4.1 Satz 4 BV - Arbeitszeit nicht gegen den betriebsverfassungsrechtlichen Gleic h- behandlungsgrundsatz aus § 75 Abs. 1 BetrVG. Es fehlt im Hinblick auf den Regelungsgegenstand schon an einer Vergleichbarkeit der Arbeitnehmergru p- pen. Tarifangestellte und AT - Angestellte befinden sich insoweit nicht in einer vergleichbaren Situation. (1) Der auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG zurüc k- zuführende betriebsverfassungsrechtliche Gleichbehandlungsgru ndsatz zielt darauf ab, eine Gleichbehandlung von Personen in vergleichbaren Sachverha l- 31 32 33 34 35 36 - 12 - 1 ABR 40/12 ten sicherzustellen und eine gleichheitswidrige Gruppenbildung auszuschließen (BAG 1. Februar 2011 - 1 AZR 417/09 - Rn. 20 mwN ) . (2) Hiernach liegen schon tatbestandlic h keine gleichgelagerten Sachve r- halte vor, die den Anwendungsbereich des betriebsverfassungsrechtlichen Gleichheitssatzes eröffnen. Für Tarifangestellte beträgt der Gleitzeitrahmen 150 Stunden. Wird dieser für diese Personengruppe überschritten, werden die darüber hinaus geleisteten Stunden dem nach Nr. 4 BV - Arbeitszeit geführten Freizeitkonto zugeführt. Demgegenüber werden für AT - Mitarbeiter die über 150 Stunden geleisteten Arbeitsstunden dem Gleitzeitkonto bis zu einem Pos i- tivsaldo von 300 Stunden zugefüh rt. Für beide Gruppen gilt damit eine gänzlich unterschiedliche Regelungssystematik. Eine im Verhältnis zu tariflichen Arbei t- nehmern nachteilige Behandlung der AT - Angestellten könnte allenfalls darin liegen, dass nur zugunsten der tariflich vergüteten Arbe itnehmer Freizeitkonten geführt werden, auf die Zeitguthaben von mehr als 150 Stunden übertragen werden. Diese unterschiedliche Behandlung gegenüber AT - Angestellten ist j e- doch nicht Gegenstand des Hauptantrags zu 2. 6. Der Hilfsantrag zum Hauptantrag zu 2 . ist unbegründet. Die Regelu n- gen wirken - wie oben dargelegt - jedenfalls gemäß § 77 Abs. 6 BetrVG nach. Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob die erfolgte Teilkündigung wirksam war. Schmidt Koch Linck Schäferkord Schwitzer 37 38

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