1. Senat - Höhe des Vergütungsabzugs anlässlich einer Streikteilnahme
Karar Dilini Çevir:
1. Senat - Höhe des Vergütungsabzugs anlässlich einer Streikteilnahme
Bundesarbeitsgericht 1 . Senat Urteil vom 12. November 2013 - 1 AZR 628/12 - I. Arbeitsgericht Frankfurt am Main Urteil vom 31. August 2011 14 Ca 400/11 - II. Hessisches Landesarbeitsgericht Urteil vom 4. Juni 2012 - 17 Sa 1420/11 - F ür die Amtliche Sammlung: Nein Entscheidungsstichwort: Höhe des Vergütungsabzugs anlässlich einer Streikteilnahme Gesetz: Manteltarifvertrag Nr. 1a für das Cockpit p ersonal der Lufthansa Cargo Aktiengesellschaft vom 8. 4 und 5 Leitsätze: keine Hinweis des Senats: Weitgehend parallel zu BAG 30. Oktober 201 2 - 1 AZR 794/11 - - 2 - BUNDESARBEITSGERICHT 1 AZR 628/12 17 Sa 1420/11 Hessisches Landesarbeitsgericht Im Namen des Volkes! Verkündet am 12. November 2013 URTEIL Metze , Urkundsbeamt er der Geschäftsstelle In Sachen Beklagte, Berufungsklägerin und Revisionsklägerin, pp. 1. 2. Kläger, Berufungsbeklagte und Revisionsbeklagte, hat der Erste Senat des Bundesarbeitsgerichts aufgrund der mündlichen Ve r- handlung vom 12. November 2013 durch den Richter am Bundesarbeitsgericht Dr. Linck als Vorsitzenden, den Richter am Bundesarbeitsgericht Prof. Dr. Koch - 2 - 1 AZR 628/12 - 3 - und die Richterin am Bundes arbeitsgericht Spelge sowie die ehrenamtlichen Richter Dr. Klebe und Dr. Hann für Recht erkannt: 1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hess i- schen Landesarbeitsgerichts vom 4. Juni 2012 - 17 Sa 1420/11 - wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen. Von Rechts wegen! Tatbestand Die Parteien streiten über die Höhe des Vergütungsabzugs anlässlich einer Streikteilnahme. Die Kläger sind bei der Beklagten als Flugzeugführer angestellt. Am 22. Februar 2010 rief die zuständige Gewerkschaft, die Vereinigung Cockpit, die Piloten der Beklagten in der Zeit von 0:00 Uhr bis 23:59 Uhr zu einem Streik auf, an dem sich die Kläger bet eiligten. Auf die Arbeitsverhältnisse der Parteien findet der Manteltarifvertrag Nr. 1a für das Cockpit p ersonal der Lufthansa Cargo Aktiengesellschaft (MTV) vom 8. Juni 2001 Anwendung. In § § 4 und 5 MTV ist Folgendes bestimmt: 4 Einsatzbedingungen 6. Abschnitt - Freie Tage am dienstlichen Wohnsitz (1) Den Mitarbeitern stehen in jedem Quartal 35 freie K a- lendertage am dienstlichen Wohnsitz zu. Die Zahl der freien Tage im Quartal kann um bis zu fünf Kalendertage reduziert werden. Die hierdurch fehlende n freien Tage werden innerhalb eines Jahres nachgewährt, es sei denn, sie werden mit Einverständnis des Mitarbeiters pro Tag mit 1/20 der Monatsvergütung abgegolten. 1 2 3 - 3 - 1 AZR 628/12 - 4 - § 5 Anspruch auf Vergütung (1) Die Mitarbeiter erhalten eine auf monatlicher Grundl a- ge errechnete Vergütung, die sich wie folgt zusamme n- setzt: (2) Ein Mitarbeiter, der nicht den ganzen Monat hindurch beschäftigt wird, erhält eine nach Kalendertagen beme s- sene Vergütung. Dabei ist für jeden Kalendertag der 30. Teil der monatlichen Vergütung zugrunde zu legen. (3) Besteht während des Beschäftigungsverhältnisses im Laufe eines Kalendermonats für einen oder mehrere K a- lendertage kein Vergütungsanspruch, so gilt folgende R e- gelung: a) Bei Arbeitsunfähigkeit ohne Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung ist für jeden Kalendertag des Bestehens der Arbeitsunfähigkeit 1/30 der monatlichen Vergütung in Abzug zu bringen. Ist hiernach die Vergütung um mehr als 15/30 zu kürzen, ist sinngemäß nach Abs atz (2) zu verfa h- ren. b) Bei Fehltagen wegen Arbeitsb efreiung ohne Fortza h- lung der Vergütung oder unentschuldigten Fehlens (K a- lendertage ohne Vergütungsanspruch) wird für jeden Feh l- tag 1/30 der monatlichen Vergütung in Abzug gebracht. Dabei bleibt die Anzahl der auf den jeweiligen Monat a n- fa l lenden Kalendert age außer Betracht. Sind hiernach mehr als 15/30 der monatlichen Vergütung in einem M o- nat in Abzug zu bringen, ist sinngemäß nach Abs atz (2) zu verfahren. Die Beklagte zog den Klägern für den streikbedingten Arbeitsausfall am 22. Februar 2010 1/20 der monatlichen Grundvergütung ab. Die Kläger haben geltend gemacht, die Beklagte sei nach § 5 Abs. 3 MTV nur berechtigt gewesen, für den Streiktag ein 1/30 der monatlichen Grundvergütung in Abzug zu bringen. Sie könnten daher die Differenz zwischen dem erfo lgten Abzug von 1/20 und 1/30 der monatlichen Grundvergütung ve r- langen. 4 5 - 4 - 1 AZR 628/12 - 5 - Der Kläger zu 1. hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 267,02 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. März 2010 zu za h- len. Der Kläger zu 2. hat beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an ihn 198,31 Euro brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 28. März 2010 zu za h- len. Die Beklagte hat zur Begründung ihres Abweisungsantrags ausgeführt, § 5 Abs. 3 MTV regele den Vergütungsabzug bei einem streikbedingten A r- beitsausfall nicht. Daher sei nach § 4 6. Abschnitt Abs. 1 MTV für jeden Strei k- tag ein Lohnabzug in Höhe von 1/20 der monatlichen Grundvergütung vorz u- nehmen . Das Arbeitsgericht hat den Klagen entsprochen. Das Landesarbeitsg e- richt hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit ihrer Revision verfolgt diese ihren Klageabweisungsantrag weiter. Entscheidungsgründe Die Revision ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Ber u- fung der Beklagten zu Recht zurückgewiesen. Die Kläger haben gegen die B e- klagte nach § 611 Abs. 1 BGB iVm. § 5 Abs. 1 MTV Anspruch auf Zahlung der noch begehrten Arbeitsvergütung für den Monat Februar 2010. Die Monatsve r- güt ung der Kläger ist infolge der eintägigen Streikteilnahme am 2 2 . Februar 2010 um 1/30 und nicht um 1/20 zu kürzen. Dies ergibt die Auslegung des MTV. 6 7 8 9 10 - 5 - 1 AZR 628/12 - 6 - 1. Tarifliche Inhaltsnormen sind wie Gesetze auszulegen. Auszugehen ist vom Wortlaut der Bestimmungen und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. In s- besondere bei unbestimmtem Wortsinn ist der wirkliche Wille der Tarifvertrag s- parteien und der von ihnen beabsichtigte Zweck der tariflichen Regelung zu berücksichtigen, sofern und soweit sie im Regelungswerk ihre n Niederschlag gefunden haben. Abzustellen ist ferner auf den Gesamtzusammenhang der Regelung, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertrag s- parteien liefern kann. Bleiben im Einzelfall gleichwohl Zweifel, können die G e- richte ohne Bi ndung an eine bestimmte Reihenfolge auf weitere Kriterien z u- rückgreifen, wie etwa auf die Entstehungsgeschichte und die bisherige Anwe n- dung der Regelung in der Praxis. Auch die Praktikabilität denkbarer Ausl e- gungsergebnisse ist zu berücksichtigen. Im Zweif el gebührt derjenigen Ausl e- gung der Vorzug, die zu einer vernünftigen, sachgerechten, gesetzeskonformen und praktisch brauchbaren Regelung führt (BAG 1 6. August 2011 - 1 AZR 314/10 - Rn. 15 ) . 2. Hiernach hat die Kürzung der monatlichen Grundvergütung bei einem streikbedingtem Arbeitsausfall nicht nach § 4 6. Abschnitt Abs. 1 MTV zu erfo l- gen. Diese Tarifnorm enthält keine allgemeine Regelung zur Berechnung der Arbeitsvergütung bei Fehltagen. Wortlaut und systematische r Zusammenhang mach en vielmehr deutlich , dass es sich hierbei um eine Sonderregelung ha n- delt , die im Zusammenhang mit den tariflichen Arbeitszeitvorschriften steht. D a- nach können die freien Kalendertage am dienstlichen Wohnsitz in einem Qua r- tal um bis zu fünf K alendertage reduziert und innerhal b eines Jahres nachg e- währt werden. Mit Einverständnis des Arbeitnehmers kommt auch eine Abge l- tung in Betracht. Nur f ür diesen Fall ist der Abgeltungsbetrag auf 1/20 der M o- natsvergütung festgesetzt. 3. Der Anspruch auf Arbeitsvergütung und deren Berechnun g im Falle von Fehltagen ergibt sich aus § 5 MTV. 11 12 13 - 6 - 1 AZR 628/12 - 7 - a) § 5 Abs. 3 MTV bestimmt , in welchem Umfang die Monatsvergütung zu kürzen ist, wenn ein Arbeitnehmer während des Beschäftigungsverhältnisses im Laufe eines Kalendermonats für einzelne Kalendertage ke inen Vergütungsa n- spruch hat. Im ersten Unterabsatz ist unter dem Buchst. a der Fall der Arbeit s- unfähigkeit ohne Anspruch auf Fortzahlung der Vergütung geregelt, im zweiten Unterabsatz unter dem Buchst. b die Rechtsfolge von Fehltagen wegen A r- beitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung oder unentschuldigten Fehlens (Kalendertage ohne Vergütungsanspruch) . In beiden Fallgestaltungen werden für jeden Kalendertag 1/30 der monatlichen Vergütung in Abzug gebracht. b ) § 5 Abs. 3 Buchst. b MTV ist auf den streikbedingten Arbeitsausfall a n- wendbar (so bereits zu der gleichlautenden Regelung im Manteltarifvertrag Nr. 5a für das Cockpitpersonal der Deutschen Lufthansa AG BAG 30. Oktober 201 2 - 1 AZR 794/11 - Rn. 14 ff. ) . Hierbei handelt es sich um Kalendertage o h- ne Vergütungsanspruch während des Beschäftigungsverhältnisses. Dem steht nicht entgegen, dass § 5 Abs. 3 Buchst. b MTV tatbestandlich Fehltage wegen Auffassung der Revision kann es hierzu nicht nur durch einen gestaltenden Akt des Arbeitgebers kommen, wie bei der Gewährung von Sonderurlaub, sondern auch durch einseitige Erklärungen des Arbeitnehmers. Dies betrifft etwa die Inanspruchnahme von Elternzeit nach § 16 Abs. 1 BEEG, die einseitig durch das schriftliche Verlangen des Arbeitnehmers zu einer Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung führt. Entsprechendes gilt für die Geltendmachung von Pflegezeit nach § 3 Abs. 1 PflegeZG. Ebenso wie in diesen Fallgestaltu n- gen werden du rch die einseitige Erklärung eines Arbeitnehmers, an einem Streik teilzunehmen, die gegenseitigen Hauptleistungspflichten aufgehoben (ErfK/Dieterich 1 3 . Aufl. Art. 9 GG Rn. 1 7 2) . Für die Zeit der Streikteilnahme verliert der Arbeitnehmer seinen Vergütungsa nspruch (BAG 26. Juli 2005 - 1 AZR 133/04 - zu II 1 der Gründe, BAGE 115, 247) . Für die daraus resulti e- renden Fehltage pauschaliert § 5 Abs. 3 Buchst. b MTV wie in anderen Fällen des Vergütungsausfalls den abzugsfähigen Teil des Monatsentgelts. Der MTV en thält keine Anhaltspunkte dafür , dass die Tarifvertragsparteien den Ausfall 14 15 - 7 - 1 AZR 628/12 von Arbeitstagen infolge eines Streiks abweichend oder gar nicht regeln wol l- ten. Linck Koch Spelge T. Klebe Hann

Full & Egal Universal Law Academy